Aktenzeichen 5 K 239/16
BGB § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1, § 989, § 990 Abs. 1, § 1416, § 1419 Abs. 1, § 2310 S. 2
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg, auch soweit in der Einspruchsentscheidung eine Verböserung ausgesprochen wurde. Zwar erfolgte die Erweiterung der Duldungsverpflichtung erst nach Ablauf der 4-Jahresfrist des § 4 AnfG, der Senat misst der „Erweiterung“ aber nur deklaratorische Bedeutung bei.
Durch die Veräußerung des Grundstücks in 2 ist der Duldungsbescheid nicht gegenstandslos geworden, sondern insoweit wandelte sich der Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in einen Anspruch auf Wertersatz (§§ 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 AnfG i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 989, 990 Abs. 1, 292 BGB).
1. Aufgrund § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Eine Verpflichtung zur Vollstreckungsduldung kann sich aus den Regelungen des Anfechtungsgesetzes (AnfG) ergeben.
a) Nach § 1 AnfG können alle Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den Bestimmungen des AnfG angefochten werden.
Wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis wird der Anfechtungsanspruch nicht im Wege der Klage nach § 13 AnfG geltend gemacht, sondern erfolgt gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO durch das Finanzamt außerhalb des Insolvenzverfahrens durch einen Duldungsbescheid (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO-/FGO-Kommentar, 151. Lieferung 02.2018, § 191 AO, Rn. 150 ff). Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, dass sie nicht dazu führen würde (§ 2 AnfG). Vollstreckbare Schuldtitel sind wirksam bekanntgegebene steuerliche Verwaltungsakte über Steuern und steuerliche Nebenleistungen, insbesondere Steuerbescheide (vgl. Intemann in Koenig, AO-Kommentar, 3. Aufl. 2014, § 191 Rz.135; Kirchhof in MünchKomm AnfG, 1. Aufl. 2012, § 2 Rz. 38).
Das AnfG gilt gemäß § 1 AnfG für alle Rechthandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen. Rechtshandlung im Sinne des AnfG ist jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln oder Unterlassen des Schuldners, das rechtliche Folgen hat. Dabei kommt es auf die Wirksamkeit der Rechtshandlung nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Schuldner durch sein Handeln jedenfalls dazu beigetragen hat, dass ein Vermögensgegenstand einem Dritten zugewandt worden ist.
Daher liegt eine benachteiligende Rechtshandlung vor, wenn -wie im Streitfall die Eltern des Klägersihre im Gesamtgut stehenden Grundstücke (vgl. § 1416 BGB) in 2 und in 1 mit dem Überlassungsvertrag vom 26.03.2010 auf ihren Sohn, den Kläger, übertragen haben. Denn damit hat sich die Schuldnerin einer vermögenswerten Rechtsposition begeben, die für ihre möglichen Gläubiger nutzbar gewesen wäre.
b) Neben den allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 1, 2 AnfG müssen auch die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 4 AnfG vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 AnfG ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden. § 4 AnfG verlangt eine unentgeltliche Leistung des Schuldners. Eine unentgeltliche Leistung setzt voraus, dass es auf Seiten des Schuldners zu einer Vermögensminderung und auf Seiten des Anfechtungsgegners zu einer entsprechenden Vermögensvermehrung gekommen ist. Für die Annahme einer unentgeltlichen Leistung genügt es, dass diese ohne Rechtspflicht erfolgt ist und keine angemessene Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt ist (vgl. FG München-Urteil vom 28.07.2015 Az. 2 K 2935/12, juris).
Ob eine Verpflichtung zur Leistung vorgelegen hat, insbesondere ob die Leistung damit entgeltlich erbracht wurde, entscheidet sich nach der objektiven Sach- und Rechtslage, nicht nach subjektiven Vorstellungen der Beteiligten. Steht die Unentgeltlichkeit der Leistung fest, folgt hieraus regelmäßig auch die Gläubigerbenachteiligung (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 4 Rz. 51, 61, 66).
2. Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall die Voraussetzungen für den Erlass eines Duldungsbescheides nach den Bestimmungen des Anfechtungsgesetzes gegeben.
a) Das beklagte Finanzamt ist Anfechtungsgläubiger im Sinne des § 2 AnfG, denn es hat als Steuergläubiger wirksame Schuldtitel gegenüber der Mutter des Klägers, der Steuerschuldnerin (vgl. §§ 218 Abs. 1, 249 Abs. 1 AO). Diese beziehen sich auf wirksam festgesetzte Umsatzsteuern für 2012 in Höhe von 21.262,89 € laut Bescheid vom 27.11.2013, mit Fälligkeiten zum 10.06.2013 in Höhe von 21.230,21 € und zum 02.01.2014 in Höhe von 32,68 € sowie auf die steuerlichen Nebenleistungen hierzu, nämlich von Gesetzes wegen nach § 240 AO entstandener Säumniszuschläge und einem Verspätungszuschlag nach § 152 AO, die sämtlich fällig und vollstreckbar waren; sie sind im Einzelnen im Duldungsbescheid vom 08.04.2014 aufgeführt.
Die Beitreibung der Rückstände bei der Steuerschuldnerin, der Mutter des Klägers, ist ohne Erfolg geblieben, so insbesondere der Pfändungsversuch am 22.10.2013.
b) Nach den Umständen des Streitfalls hat die Steuerschuldnerin B unentgeltlich i.S.v. § 4 Abs. 1 AnfG an den Kläger geleistet.
Die Steuerschuldnerin hat die im Gesamtgut stehenden Grundstücke gemeinsam mit ihrem Ehemann (vgl. § 1419 Abs. 1 BGB) auf den Kläger wirksam übertragen. Aus dem Notarvertrag vom 26.03.2010 und den in den Akten befindlichen Grundbuchauszügen folgt eindeutig, dass die an den Kläger übertragenen Grundstücke im Gesamtgut der Eheleute standen. An der Wirksamkeit der Grundstücksübertragungen hat der Senat keine Zweifel. Durch die Übertragung hat die Steuerschuldnerin die Grundstücke dem Zugriff ihrer Gläubiger entzogen, ohne eine Gegenleistung hierfür erhalten zu haben, wie es im Duldungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung zutreffend dargestellt ist; damit wurde das beklagte Finanzamt benachteiligt.
Eine unentgeltliche Leistung setzt voraus, dass es auf Seiten des Schuldners (hier die Mutter des Klägers) zu einer Vermögensminderung und auf Seiten des Anfechtungsgegners (hier dem Kläger) zu einer entsprechenden Vermögensvermehrung gekommen ist. Es genügt für die Annahme einer unentgeltlichen Leistung, wenn diese ohne Rechtspflicht erfolgt und es an einer angemessenen Gegenleistung fehlt (vgl. FG München-Urteil vom 28.07.2015, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Bei der Beurteilung ist der Gesamtvorgang wirtschaftlich zu betrachten; entscheidend kommt es darauf an, ob objektiv eine Gegenleistung für die Zuwendung vereinbart worden ist; subjektive Vorstellungen des Zuwendungsempfängers über den Grund der erhaltenen Leistung sind unmaßgeblich (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 4 Rz. 20 ff, 61).
c) Im Streitfall hatte der Kläger, ohne dass seine Mutter (die Abgabenschuldnerin) und sein Vater zur Übertragung verpflichtet gewesen wären, für die Übertragung der Grundstücke an ihn keine weiteren wertausgleichenden Leistungen zu übernehmen, außer den in Ziffer IV. des Notarvertrags vom 26.03.2010 genannten.
Dort ist in IV. 7) folgendes bestimmt:
„Soweit der Wert des Vertragsgegenstands nicht durch Gegenleistungen ausgeglichen wird, erfolgt die Überlassung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und zur Abgeltung der gesetzlichen Pflichtteilsansprüche des Erwerbers gegenüber dem künftigen Nachlass des Veräußerers. Vom nachfolgenden Pflichtteilsverzicht abgesehen, hat der Erwerber keine weiteren Gegenleistungen zu erbringen.“
Weder die Bestellung des Wohnrechts der Eltern am Grundstück 1 noch die Rechtsübernahme hinsichtlich der Rechte von D und E am Grundstück in 2 sowie die Übernahme des Grundpfandrechts und der Pflichtteilsverzicht führen zu einer Entgeltlichkeit der Grundstücksüberlassungen.
aa) Die im Überlassungsvertrag festgelegte Bestellung eines dauernden unentgeltlichen Wohnungsrechts zugunsten der Eltern des Klägers (vgl. Überlassungsvertrag Tz. IV Nr. 1) schmälert zwar den Wert des übertragenen Grundstücks, ein Rechtevorbehalt stellt jedoch keine „Gegenleistung“ im Sinne einer Entgeltlichkeit dar; Gegenstand der Überlassung ist vielmehr das mit dem Wohnrecht belastete Grundstück (vgl. BGH-Urteil vom 07.04.1989 V ZR 252/87, BGHZ 107, 156; BFH-Urteil vom 30.03.2010 VII R 22/09, BFHE 229, 29, BStBl. II 2011, 327, Rn. 34).
bb) Ebenso wenig kann die im Überlassungsvertrag in Tz. IV Nr. 6 vereinbarte Übernahme des Grundpfandrechts, eine Buchgrundschuld in Höhe von 187.000 € zugunsten der Bank 1 in 4, als Entgelt für die Grundstücksüberlassung angesehen werden. Die Übernahme einer solchen Belastung stellt keine Gegenleistungen des Klägers als dem Erwerber dar, sondern mindert lediglich den Wert des übertragenen Grundvermögens (vgl. BGH-Urteil vom 07.04.1989 V ZR 252/87, BGHZ 107, 156-161, Rn. 17). Zudem war nach dem Überlassungsvertrag der Kläger im Innenverhältnis mit dem Darlehen nicht belastet und brauchte das im Übertragungszeitpunkt noch in Höhe von ca. 154.000 € valutierte Grundpfandrecht nicht zu bedienen; denn die Veräußerer hatten sich verpflichtet, die Darlehensverbindlichkeit noch selbst wegzufertigen und den Kläger von jeder Inanspruchnahme durch den Gläubiger freizustellen.
cc) Schließlich kann dem Vortrag des Klägers nicht gefolgt werden, es habe aufgrund des im Überlassungsvertrag vereinbarten Pflichtteilsverzicht (dort Tz. IV. 7 u 8) keine unentgeltliche Leistung seiner Eltern vorgelegen, sondern er habe eine Gegenleistung erbracht (mit Hinweis auf Simon in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Vorbemerkung vor § 2346, Rn. 6).
Zu dieser Problematik differenziert der BGH in seiner neueren Rechtsprechung wie folgt (vgl. BGH-Urteil vom 07.07.2015 X ZR 59/13, BGHZ 206, 165-177, Rn. 12):
Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Verzicht auf das gesetzliche Erb- oder Pflichtteilsrecht als Gegenleistung für eine Zuwendung anzusehen ist und dieser damit den Schenkungscharakter nimmt, ist im Schrifttum umstritten (zum Streitstand Staudinger/Schotten, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 124). Ein Teil des Schrifttums nimmt einen entgeltlichen Vertrag an (Erman/Simon, BGB, 14. Aufl., Vor § 2346 Rn. 6), wobei teilweise danach differenziert wird, ob auf das gesetzliche Erbrecht oder lediglich auf das Pflichtteilsrecht verzichtet wird. Im ersten Fall soll es sich im Hinblick darauf, dass der Verzichtende bei der Berechnung der Pflichtteilsquoten nach § 2310 Satz 2 BGB nicht mitgezählt wird, um ein entgeltliches, im zweiten Fall dagegen um ein unentgeltliches Rechtsgeschäft handeln (Zimmer, NJW 2009, 1146). Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Erbverzicht gegen Abfindung grundsätzlich um ein entgeltliches Rechtsgeschäft handle, jedoch bei einem groben Missverhältnis zwischen der Abfindung und der Erberwartung von einer gemischten Schenkung auszugehen sei (Soergel/Damrau, BGB, 13. Aufl., § 2346 Rn. 3; Zimmer, NJW 2009, 1146). Manche Autoren wollen die Entscheidung von den Umständen des Einzelfalls (MünchKomm.BGB/Lange, 6. Aufl., § 2325 Rn. 29; Soergel/Dieckmann, BGB, 13. Aufl., § 2325 Rn. 18) oder vom Willen der Vertragsparteien (Keller, ZEV 2005, 229, 232) abhängig machen. Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass die Abfindung, die ausschließlich für einen Erbverzicht gewährt werde, ohne dass der Verzichtende noch sonstige Verpflichtungen übernehme, eine objektiv unentgeltliche Zuwendung des Erblassers an den Verzichtenden darstelle (Staudinger/Schotten, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 124 bis 140; Staudinger/Olshausen, BGB, Neubearb. 2005, § 2325 Rn. 7; Staudinger/Chiusi, Neubearb. 2013, BGB, § 516 Rn. 43; Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2325 Rn. 16).
Für das Recht der Gläubigeranfechtung -nach dem AnfG- hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Verzicht auf den Pflichtteil in aller Regel keine Gegenleistung sei, die eine Verfügung zugunsten des Verzichtenden zu einer entgeltlichen mache (BGH, Urteil vom 28. Februar 1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393). Nach dem Zweck der Vorschriften des Anfechtungsgesetzes, Gläubiger entgeltlich begründeter Rechte gegen die Folgen unentgeltlicher Verfügungen des Schuldners zu schützen, sei entscheidend für die Annahme der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit, ob der Schuldner bei objektiver Betrachtung einen Gegenwert für seine Zuwendung erhalten habe; subjektive Vorstellungen und Absichten des Schuldners und seines Vertragspartners seien hierbei außer Betracht zu lassen. Ein Pflichtteilsverzicht sei keine Gegenleistung für eine im Zusammenhang damit erbrachte Zuwendung, da der Schuldner aus der maßgeblichen Sicht der Gläubiger dabei nur etwas aus seinem Vermögen weggebe, aber nichts hinzuerwerbe, in das die Gläubiger vollstrecken könnten. Erst wenn objektiv ein Gegenwert in das Vermögen des Schuldners geflossen sei, bestehe Anlass zu prüfen, ob die Beteiligten die Gegenleistung als Entgelt angesehen hätten oder mit der Verfügung des Schuldners Freigebigkeit bezweckt gewesen sei (so ausgeführt in BGH-Urteil vom 07.07.2015 X ZR 59/13, BGHZ 206, 165-177, NJW 2016, 324 Rn. 14).
dd) Der im Streitfall erkennende Senat hält an den Grundsätzen der BGH-Rechtsprechung zum AnfG fest, die auch mit der finanzgerichtlichen Rechtsprechung übereinstimmt.
Unentgeltlich ist eine Leistung dann, wenn der Erwerb des Empfängers in seiner Endgültigkeit vereinbarungsgemäß nicht von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt (Kirchhof, a.a.O., § 4 Rz. 20; vgl. auch BGH-Urteil vom 25.06.1992 IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421, 2422 zu § 3 AnfG a.F.; vom 01.04.2004 IX ZR 305/00, NZI 2004, 376, 378 zu § 32 Nr. 1 KO). Ob eine ausgleichende Gegenleistung vereinbart worden ist, ist grundsätzlich objektiv zu bestimmen. Die Unentgeltlichkeit braucht also nicht vereinbart worden zu sein (BGH-Urteil vom 28.02.1991 IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393, 396; vom 15.09.2016 IX ZR 250/15, WM 2016, 2312 Rn. 21 zu § 134 InsO). Haben die Beteiligten eine Gegenleistung vereinbart, ist jedoch zu prüfen, ob sie die Gegenleistung als Entgelt angesehen haben oder ob mit der Leistung ganz oder teilweise Freigebigkeit bezweckt war (BGH-Urteil vom 28.02.1991 IX ZR 74/90, a.a.O. S. 397; Kirchhof, a.a.O., § 4 Rz. 30). Hinsichtlich der Bewertung der beiderseitigen Leistungen steht den Beteiligten ein Bewertungsspielraum zu. Eine teilweise unentgeltliche Leistung unterliegt der Anfechtung insoweit, als deren Wert denjenigen der Gegenleistung übersteigt und die Vertragsparteien den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum überschritten haben (vgl. BGH-Urteil vom 15.12.2016 IX ZR 113/15, Rn. 11, NJW 2017, 1035 mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung).
Also setzt § 4 Abs. 1 AnfG -abweichend vom Begriff der Schenkung im Sinne des § 516 BGB- keine vertragliche Einigung über die Unentgeltlichkeit voraus. Insofern sind die subjektiven Vorstellungen und Absichten der Beteiligten (des Schuldners einerseits und des Leistungsempfängers andererseits) nicht entscheidend. Vielmehr kommt es auf die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers an (vgl. Huber, a.a.O., § 4 Rz. 18 mit weiteren Nachweisen). Dies gilt insbesondere bei der Übertragung von Grundstücken. Hier begründet die Übernahme einer Belastung nicht ohne Weiteres die Entgeltlichkeit des betreffenden Geschäfts (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 09.11.2011, Az. 3 K 1122/07, FamRZ 2012, 1244).
ee) Nach diesen Grundsätzen führt der im Überlassungsvertrag in Ziff. IV. 8 vereinbarte Pflichtteilsverzicht des Klägers nicht zu einer Entgeltlichkeit im Sinne von § 4 AnfG. Ein Erbverzicht war im Notarvertrag nicht vereinbart worden. Im Ergebnis hat der Kläger mit der Übertragung der Grundstücke auf ihn Vermögensvorteile erhalten, ohne dass er hierfür aus seinem eigenen Vermögen irgendeinen Wert hatte aufwenden müssen, auch wenn er die Grundstücke nur mit den darauf ruhenden dinglichen Belastungen erworben hatte (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 09.11.2011, Az. 3 K 1122/07, a.a.O.).
Es fehlte auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Wertzuwachses beim Kläger an einer Gläubigerbenachteiligung, weil die Grundstücke nicht in dem Umfang belastet waren, dass diese Belastungen nahezu die gesamten Grundstückswerte ausgeschöpft hätten. Nach den Berechnungen, die der Beklagte im Schriftsatz vom 19.06.2018 dargestellt hat, verblieb dem Kläger ein Wertzuwachs zumindest in Höhe von 25.334 €, der zur Abdeckung der Steuerschulden i.H.v. 23.734,89 €, für die er eine Inanspruchnahme dulden muss, jedenfalls ausreichte. Der Kläger hat hierzu nicht substantiiert vorgetragen, dass die Berechnungen des Beklagten unzutreffend seien. Der Senat folgt somit der Wertfindung des Beklagten, die er für sachgerecht hält.
Somit liegen die rechtlichen Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 4 Abs. 1 AnfG vor, da die Steuerschuldnerin unentgeltliche Leistungen an den Kläger erbracht hat, ohne eine Gegenleistung hierfür erhalten zu haben, die den Gläubigern, hier dem beklagten Finanzamt, einen vollstreckbaren Wertersatz geboten hätte.
3. Diese von der Abgabenschuldnerin, der Mutter des Klägers, zusammen mit seinem Vater veranlassten unentgeltlichen Leistungen zugunsten des Klägers hat das beklagte Finanzamt innerhalb der nach § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 1 u. 2, § 13 AnfG bestimmten vierjährigen Frist angefochten.
Der maßgebliche Duldungsbescheid vom 08.04.2014 wurde dem Kläger am 09.04.2014 zugestellt. Die angefochtenen Zuwendungen waren mit der Eintragung im Grundbuch jeweils am 03.08.2010 endgültig wirksam geworden (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 8 Rz. 7, 13). Ist allerdings wie im Streitfall, da es sich um die Übertragung von Grundvermögen handelte, von der Regelung in § 8 Abs. 2 AnfG auszugehen, so ist für die Fristenberechnung der Zeitpunkt der Bindungswirkung der Willenserklärungen maßgeblich (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 8 Rz. 28, 30, 34 ff), als frühester Zeitpunkt daher der Abschluss des notariellen Überlassungsvertrags am 26.03.2010. Doch auch insoweit hat der Beklagte fristgerecht die Voraussetzungen der Anfechtung geschaffen; denn es genügten bereits die schriftlichen Ankündigungen der Anfechtung vom 08.01.2014 und vom 28.01.2014, die innerhalb der vier Jahre seit dem Überlassungsvertrag vom 26.03.2010 erfolgten (vgl. Kirchhof, a.a.O., 7 Rz. 47 ff, 56 ff). Nach § 7 Abs. 2 AnfG hat der Gläubiger, der seine Anfechtungsabsicht schriftlich mitgeteilt hat, dann innerhalb von zwei Jahren seit diesem Zeitpunkt die Anfechtbarkeit gerichtlich geltend zu machen.
Im Streitfall sind diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt: Die Abgabenschuldnerin, die Mutter des Klägers, war im Januar 2014 ausweislich des fruchtlosen Pfändungsversuchs vom 22.10.2013 unfähig, die Forderungen des Beklagten zu befriedigen. Und der Beklagte hatte innerhalb der Frist von zwei Jahren seit der Mitteilung der Anfechtungsabsicht die Anfechtbarkeit „gerichtlich“ geltend gemacht, nämlich den Duldungsbescheid vom 08.04.2010 wirksam bekanntgegeben. Denn im abgabenrechtlichen Verfahren erfolgt die gerichtliche Geltendmachung im Sinne von §§ 7, 13 AnfG ausschließlich in Form eines Duldungsbescheides. Dem Steuergläubiger steht nämlich nach § 191 Abs. 1 Satz 2 AO zur Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens kein Wahlrecht zwischen einer Klage nach §§ 11, 13 AnfG und einem Duldungsbescheid zu; vielmehr hat die Anfechtung zwingend durch Duldungsbescheid zu erfolgen (BVerwG-Urteil vom 25.11.2017 – 9 C 30/15 -, BVerwGE 157, 203-208, BStBl. II 2018, 116). Diese spezialgesetzliche Regelung gilt sowohl für die Fallgestaltung des § 7 Abs. 1 AnfG als auch für den in § 7 Abs. 2 AnfG geregelten Tatbestand (vgl. Huber, a.a.O., § 7 Rz.44).
4. Der Duldungsbescheid vom 08.04.2014 erfüllt auch in den übrigen Regelungen die gesetzlichen Anforderungen. Die einzelnen Leistungen sind im Duldungsbescheid genau bezeichnet und genügen der Form des § 13 AnfG (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 7 Rz. 37).
Die von dem Beklagten im Duldungsbescheid vom 08.04.2014 getroffene Anordnung, der Kläger habe gemäß § 11 AnfG die Vollstreckung in die übertragenen Grundstücke wegen des Gesamtbetrags von 23.734,89 € zu dulden, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Gemäß § 11 Abs. 1 AnfG muss dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, soweit es zur Befriedigung des Gläubigers erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend.
Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nach § 11 Abs. 2 AnfG nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
Im Streitfall war der Kläger durch die unentgeltliche Übertragung der Grundstücke bereichert, denn eine wertausschöpfende Belastung des Grundstücks lag nicht vor, wie oben unter Tz. 2.c) ee) bereits ausgeführt.
b) Wird, wie im Streitfall, eine Grundstücksübertragung wirksam angefochten, so ist der Anfechtungsanspruch nicht auf die Rückübertragung des Eigentums gerichtet, sondern auf die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück (vgl. Huber, a.a.O., § 11 Rz. 19; Kirchhof, a.a.O., § 11 Rz. 47). Rechtsfolge der Anfechtung ist also, dass der Anfechtungsgegner die Zwangsvollstreckung in den Gegenstand dulden muss.
aa) Dem steht nicht entgegen, dass die Steuerschuldnerin, die Mutter des Klägers, nicht alleinige Eigentümerin des Grundstücks war, sondern dieses im Gesamtgut der Eheleute stand. Aus dem Gesamtgut können nach § 1437 Abs. 1 BGB die Gläubiger des Ehegatten, der das Gesamtgut verwaltet, und, soweit sich aus den §§ 1438 bis 1440 BGB nichts anderes ergibt, auch die Gläubiger des anderen Ehegatten Befriedigung verlangen (Gesamtgutsverbindlichkeiten). Grundsätzlich können also die Gläubiger beider Ehegatten aus dem Gesamtgut, das regelmäßig die Hauptmasse des Vermögens der Ehegatten darstellt, Befriedigung verlangen (Heinemann in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1437 BGB, Rn. 1). Dies gilt insbesondere für von Gesetzes wegen begründeter Verbindlichkeiten, etwa aus unerlaubter Handlung (Staudinger/Thiele (2018) BGB § 1437, Rn. 8), und ebenso nach Auffassung des Senats für gesetzlich begründete Steueransprüche.
bb) Für Vollstreckungsmaßnahmen, die ein Gläubiger in das Gesamtgut betreibt, ist zwar grundsätzlich nach § 740 Abs. 2 ZPO ein Titel gegenüber beiden Ehegatten erforderlich. Es greift im Streitfall jedoch die Ausnahme des § 741 ZPO, wonach eine Zwangsvollstreckung in Gegenstände der Gütergemeinschaft möglich ist, wenn der Ehegatte, gegen den sich der Titel richtet, ein Erwerbsgeschäft betreibt und der andere Ehegatte hiergegen keinen Widerspruch im Güterrechtsregister eingetragen hat (vgl. LG Karlsruhe-Urteil vom 14.03.2008 – 5 O 363/07 -, Rn. 19, juris). So liegt es im Streitfall: Die Mutter hatte ein Erwerbsgeschäft betrieben, aus dem der Beklagte titulierte Steuerforderungen aufgrund von Steuerbescheiden hatte (vgl. § 218 Abs. 1 AO) und die Zwangsvollstreckung versuchte. Ein Einspruch des Ehemanns gegen den Betrieb des Erwerbsgeschäfts ist nach Aktenlage nicht ersichtlich und wurde vom Kläger auch nicht vorgetragen. Der Einwand der Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, es wären Beitreibungsmaßnahmen gegenüber dem Ehemann der Steuerschuldnerin hinsichtlich des Gesamtguts notwendig gewesen, ist somit unter den Umständen des Streitfalls nicht beachtlich.
cc) Auch der Kläger (der Anfechtungsgegner) kann sich nicht auf den Schutz der §§ 740, 741 ZPO berufen, weil sein Rechtsvorgänger diese Position freiwillig durch Mitwirkung an der anfechtbaren Handlung zugunsten des Anfechtungsgegners aufgegeben hat. Dies folgt sowohl aus anfechtungsrechtlichen Grundsätzen als auch aus dem Umstand, dass der Schutz des § 741 ZPO ausschließlich zugunsten des Ehegatten wirkt und nur diesem die Rechtsbehelfe aus § 766 und § 774 ZPO zustehen (vgl. Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, ZPO § 741 Rn. 5; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 30. Aufl. § 741 Rn. 5; Zöller/Stöber ZPO 28. Aufl. § 741 Rn. 8; BGH-Beschluss vom 18.02.2010 – IX ZA 30/08 -, Rn. 2, juris).
c) Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten ist der Verböserungshinweis im Einspruchsverfahren und die in der Einspruchsentscheidung ausgesprochene Erweiterung nicht als eigenständiger Regelungsbereich anzusehen, sondern hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Denn insoweit wird klargestellt, dass sich der Kläger sowie C im Rahmen einer möglichen Zwangsvollstreckung in die streitgegenständlichen Grundstücke nicht auf die Vollstreckungsbeschränkungen nach §§ 740, 741 ZPO zu berufen vermögen (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 11 Rz. 51 a.E.). Jedenfalls folgt aus den gesetzlichen Bestimmungen, dass der erweiternden Tenorierung in der Einspruchsentscheidung kein eigenständiger Regelungsbereich innewohnt, der den Kläger zusätzlich in seinen Rechten eingeschränkt hätte. Die „Verböserung“ der Rechtssituation in der Einspruchsentscheidung hat den Kläger nicht weiter belastet, sondern lediglich die Rechtslage klargestellt; insoweit kann nicht von einer Nichtigkeit der entsprechenden Tenorierung gesprochen werden.
d) Schließlich führte die schenkweise Rückübertragung des Grundstücks in 2 nicht dazu, dass der Duldungsbescheid rechtswidrig geworden oder sich sonst erledigt hätte (vgl. § 124 Abs. 2 AO). Vielmehr löst der Vorgang einen Anspruch des beklagten Finanzamts auf Wert- bzw. Schadensersatz gegenüber dem Kläger aus (vgl. §§ 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 AnfG i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 989, 990 Abs. 1, 285, 292 BGB). Ist die Zwangsvollstreckung in den der Anfechtung unterliegenden Gegenstand nicht mehr möglich, weil dieser z.B. beim Anfechtungsgegner nicht mehr vorhanden ist, kann der anfechtende Gläubiger stattdessen Wertersatz fordern. Der Anspruch auf Wertersatz ist ein Zahlungsanspruch; zu ersetzen ist der objektive Verkehrswert des Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Rechtshandlung (vgl. Kirchhof, 1. a.a.O., § 11 AnfG Rn. 104; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juli 2017 – I-12 U 67/16 -, ZInsO 2018, 31). Die schenkweise Rückübertragung eines der Grundstücke, die der Anfechtung unterlegen haben, führt daher weder dazu, dass der angefochtene Duldungsbescheid in seinen Rechtsgrundlagen verändert wird noch dazu, dass er sich erledigt hätte und damit Gegenstandslos geworden wäre.
5. Die Ermessenserwägungen im Duldungsbescheid sind vom Gericht nicht zu beanstanden.
Der Erlass eines Duldungsbescheides liegt im Ermessen des Finanzamts (§ 5 AO). Sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Inanspruchnahme durch Duldungsbescheid vorliegen, kann das Finanzamt entscheiden (Ermessen), ob und ggf. wen es als Duldungspflichtigen in Anspruch nimmt.
a) Die Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO ist zweigliedrig (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteile vom 29.09.1987 VII R 54/84, BStBl. II 1988, 176 und vom 13.06.1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4). Zunächst ist vom Gericht in einer Rechtsentscheidung in vollem Umfang zu prüfen, ob beim Kläger, den das Finanzamt durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen hat, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung gegeben sind. Ist dies zu bejahen, ist die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamts, ob und wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will, gerichtlich im Rahmen des § 102 FGO nur beschränkt auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar. In der Verwaltungsentscheidung müssen die von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen aus der Entscheidung erkennbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579, m.w.N.).
b) Im Streitfall hat das beklagte Finanzamt bereits im Duldungsbescheid vom 08.04.2014 zutreffend darauf hingewiesen, dass es von Gesetzes wegen verpflichtet ist, Steueransprüche geltend zu machen und diese im Rahmen der von § 191 AO bestimmten rechtlichen Möglichkeiten auch gegenüber Dritten einzufordern. Im Duldungsbescheid sind die maßgeblichen Steuerrückstände eindeutig benannt und nach Aktenlage vom Beklagten belegt. Weitere Möglichkeiten zur Inanspruchnahme der Abgabenschuldnerin waren nicht ersichtlich und andere mögliche Haftende waren nicht in Betracht zu ziehen. Dies genügt den rechtlichen Anforderungen einer sachgerechten Ermessensentscheidung.
Die Klage konnte somit unter keinem Gesichtspunkt erfolgreich sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO. Danach hat der Kläger als der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen.