Aktenzeichen 34 Wx 337/15
ZPO ZPO § 866, § 867
SGG SGG § 51 Abs. 1
Leitsatz
1. Zur Vollstreckung rückständiger Beitragsforderungen einer bundesunmittelbaren Körperschaft öffentlichen Rechts durch Eintragung von Zwangssicherungshypotheken. (amtlicher Leitsatz)
2 Im Rahmen der seitens eines Sozialversicherungsträgers betriebenen Vollstreckung rückständiger Beitragsforderungen ist das Grundbuchamt zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Titel nicht befugt. Die Frage, ob die zu vollstreckenden Bescheide korrekt tituliert sind, stellt vielmehr eine Angelegenheit im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG dar, die in die Prüfungskompetenz der Sozialgerichte fällt (ebenso OVG Münster BeckRS 2015, 49531 Rn. 11). (redaktioneller Leitsatz)
Gründe
Oberlandesgericht München
Az.: 34 Wx 337/15
Beschluss
vom 10.2.2016
AG Altötting – Grundbuchamt
34. Zivilsenat
Leitsatz:
In der Grundbuchsache
…
Beteiligte:
B.R.
– Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin –
wegen Löschung einer Zwangshypothek
erlässt das Oberlandesgericht München – 34. Zivilsenat – durch die Richterin am Oberlandesgericht Paintner, den Richter am Oberlandesgericht Kramer und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwegler
am 10. Februar 2016 folgenden
Beschluss
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die am 31. Juli 2015 im Grundbuch des Amtsgerichts Altötting von Burgkirchen Bl. 745, Dritte Abteilung, vollzogene Eintragung einer Zwangssicherungshypothek zu 1.007,13 € für die Berufsgenossenschaft in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (lfde. Nr. 7), einer verteilten Zwangssicherungshypothek zu 6.669,52 € im Gleichrang hierzu (lfde. Nr. 8) sowie nachrangig einer verteilten Zwangssicherungshypothek zu 4.630,30 € (lfde. Nr. 9) je für die Landwirtschaftliche Kranken- und Pflegekasse in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, jeweils zuzüglich Säumniszuschläge, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Beteiligte ist im Grundbuch als Eigentümerin von Grundbesitz eingetragen. Mit Schreiben jeweils vom 23.7.2015, beim Grundbuchamt eingegangen am 27.7.2015, beantragte die Gläubigerin, eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts (Sozialversicherungsträger), auf dem Grundbesitz der Beteiligten eine Zwangssicherungshypothek über 1.007,13 € sowie eine verteilte Zwangssicherungshypothek über 6.669,52 € und 4.630,30 €, je zuzüglich Säumniszuschläge, einzutragen. Beigefügt waren die jeweils mit einer gesiegelten und unterschriebenen Vollstreckungsklausel versehenen und mit Zustellungsurkunden verbundenen Ausfertigungen der Forderungsbescheide über rückständige Beiträge zur Berufsgenossenschaft bzw. zur Kranken- und Pflegekasse vom 9.7.2014, 18.3.2013, 16.5.2013, 16.10.2013, 11.3.2014 sowie 18.9.2014.
Das Grundbuchamt nahm die Eintragungen am 31.7.2015 mit den in den Anträgen bezeichneten Rangverhältnissen vor und unterrichtete hiervon die Beteiligte unter Übersendung der Antragsabschriften.
Mit als Einspruch bezeichnetem Schreiben vom 28.8.2015 an das Amtsgericht (Eingang beim Grundbuchamt am 4.9.2015) wendet sich die Beteiligte gegen die Eintragung der Zwangssicherungshypotheken. Sie beanstandet die zugrunde liegenden Bescheide als unrechtmäßig; da sie bei einer anderen Krankenkasse versichert sei und von der betreibenden Gläubigerin keine Krankenkassenkarte besitze, schulde sie auch keine Beiträge.
Das Grundbuchamt hat die Beteiligte mit formlosem Schreiben darauf hingewiesen, dass die Forderungsbescheide nur auf dem in der jeweiligen Rechtsmittelbelehrung aufgezeigten Weg einer inhaltlichen Überprüfung zugeführt werden können. Gleichzeitig hat es der Beteiligten Gelegenheit zur Rücknahme des nicht aussichtsreichen Rechtsmittels gegen die Grundbucheintragung gegeben.
Der nicht zurückgenommenen Beschwerde hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 21.10.2015 nicht abgeholfen.
II. Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache erfolglos.
1. Zutreffend hat das Grundbuchamt die Eingabe der Beteiligten vom 28.8.2015 als Beschwerde gegen die Eintragung der Zwangssicherungshypotheken ausgelegt. Aus dem Schreiben geht klar hervor, dass die Beteiligte die ihr nach § 55 GBO bekannt gemachten Eintragungen zulasten ihres Grundbesitzes nicht hinnehmen möchte. Dass sich die dafür vorgetragene Begründung allein mit der Rechtmäßigkeit der Forderungsbescheide befasst, erlaubt kein anderes Verständnis, da das Grundbuchamt auf die verfahrensrechtlich vorzunehmende Differenzierung hingewiesen und die Beteiligte ihr Überprüfungsbegehren gegenüber dem Grundbuchamt dennoch aufrecht erhalten hat.
Gegen die Eintragung einer Zwangshypothek im Grundbuch kann der betroffene Eigentümer nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 2 GBO Beschwerde einlegen mit dem Ziel, gemäß § 53 Abs. 1 GBO die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der beanstandeten Eintragung oder deren Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit zu erwirken (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 71). Eine Begrenzung des Beschwerdeziels im genannten Sinn hat die Beteiligte zwar nicht geäußert. Regelmäßig ist aber davon auszugehen, dass ein Beschwerdeführer das Rechtsmittel in zulässiger Weise, namentlich mit dem zulässigen Ziel einlegen will (Demharter GBO 29. Aufl. § 71 Rn. 55).
2. Die Beschwerde hat weder mit dem Ziel der Löschung (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO) noch mit dem Ziel der Eintragung eines Widerspruchs (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GBO) Erfolg.
a) Eine Löschung der eingetragenen Zwangshypotheken scheidet schon deshalb aus, weil die Eintragungen nicht ihrem Inhalt nach unzulässig sind. Unzulässig im Sinne der genannten Vorschrift sind nur Eintragungen, die ihrem – gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Inhalt nach einen Rechtszustand oder -vorgang verlautbaren, den es aus Rechtsgründen nicht geben kann (BGH NJW-RR 2005, 10/11; BayObLG DNotZ 1988, 784/786; BayObLGZ 2001, 301/305; OLG Karlsruhe FGPrax 2014, 49/50; Hügel/Holzer GBO 3. Aufl. § 53 Rn. 56).
Die mit der Beschwerde angegriffenen Eintragungen sind nicht in diesem Sinne unzulässig. Das Gesetz sieht die Eintragung von Zwangshypotheken mit den in den Eintragungen verlautbarten Inhalten vor, §§ 866, 867 Abs. 1 und 2 ZPO. Aus den Eintragungen geht als Hypothekengläubigerin die durch Bundesgesetz (Gesetz zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-NOG) vom 12.4.2012; BGBl I Seite 579) nach Art. 87 Abs. 3 GG errichtete bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts und daher rechtsfähige Trägerin der landwirtschaftlichen Sozialversicherung hinreichend klar hervor.
b) Auch ein Amtswiderspruch kann nicht eingetragen werden. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO setzt die Eintragung eines Amtswiderspruchs voraus, dass (1) das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die (2) das Grundbuch unrichtig geworden ist. Notwendig sind mithin die Missachtung gesetzlicher Vorschriften beim Eintragungsvorgang und eine durch die Eintragung bewirkte Unrichtigkeit des Grundbuchs. Schon die erste Voraussetzung ist nicht erfüllt.
aa) Das Grundbuchamt hat bei der Eintragung nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen.
(1) Der Gläubigerin stehen zur Forderungsvollstreckung zwei Wege offen. Sie kann nach § 66 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) verfahren oder nach § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung (ZPO) vorgehen (BGH WM 2008, 1074; Freischmidt in Hauck/Nofts SGB X (Stand 4/12) § 66 Rn. 31). Sie hat sich hier für die zweite Alternative entschieden.
(2) Die vom Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan zu prüfenden zwangsvollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 2168 – 2179) für die begehrte Eintragung liegen vor.
Die Eintragung der Zwangshypotheken beruht auf einem wirksamen Gläubigerantrag gemäß § 66 Abs. 4 SGB X i. V. m. § 867 Abs. 1 ZPO, § 13 GBO.
Über die Geldforderungen, wegen derer sie die Zwangsvollstreckung betreibt, hat die Gläubigerin taugliche Vollstreckungstitel vorgelegt, denn die jeweils mit Rechtsbehelfsbelehrung (§ 36 SGB X) versehenen Ausfertigungen der Forderungsbescheide sind – wie von § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X verlangt – als Verwaltungsakte gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB X erlassen und je mit der vom hierzu ermächtigten Bediensteten unterschriebenen sowie gesiegelten Vollstreckungsklausel gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 SGB X i. V. m. § 724 Abs. 1, § 725, § 317 Abs. 4 ZPO (entsprechend) versehen (vgl. BGH a. a. O.; Freischmidt in Hauck/Nofts SGB X (Stand 4/12) § 66 Rn. 34).
Die Zustellung der Titel, § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X i. V. m. § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO, ist durch entsprechende Urkunden nachgewiesen.
(3) Auch die grundbuchrechtlichen Eintragungsvoraussetzungen (vgl. Schöner/Stöber Rn. 2180 – 2185) sind erfüllt.
Die Gläubigerin hat das zu belastende Grundstück in der von § 28 Satz 1 GBO geforderten Weise sowie die zu vollstreckenden Geldforderungen in der von § 28 Satz 2 GBO verlangten Währung und betragsmäßigen Konkretisierung bezeichnet.
bb) Zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Titel sind das Grundbuchamt und im Beschwerderechtszug das Beschwerdegericht nicht befugt. Deshalb ist auf die Einwendungen der Beteiligten, mit denen sie ihre Beitragspflichtigkeit und die Richtigkeit der gegen sie erhobenen Beitragsforderungen bestreitet, inhaltlich nicht einzugehen. Die Frage, ob die zu vollstreckenden Bescheide korrekt tituliert sind, stellt eine Angelegenheit im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG dar, die in die Prüfungskompetenz der Sozialgerichte fällt (OVG Münster vom 29.7.2015, 12 E 667/15, juris Rn. 11; Feddern in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB X (Stand 21.7.2015) § 66 Rn. 41).
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Verpflichtung zur Tragung der durch die Beschwerde angefallenen Gerichtskosten aus dem Gesetz ergibt (§ 22 Abs. 1 GNotKG).
Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es nicht. Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Summe der beanstandeten Hypothekeneintragungen (§ 79 Abs. 1 Satz 2, § 53 Abs. 1 GNotKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.