Erbrecht

Voraussetzungen des Tätigkeitsverbots für Anwälte bei widerstreitenden Interessen

Aktenzeichen  10 O 7690/20

Datum:
6.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27557
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 134
BRAO § 43a, § 45 Abs. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

Die standesrechtliche Unzulässigkeit einer Tätigkeit eines Rechtsanwalts führt nicht zur Nichtigkeit der im Rahmen dieser Tätigkeit geschlossenen Verträge. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag vom 16.05.2020 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens und die Kosten der Nebenintervention.
III. Der Streitwert wird auf … festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von der Antragsgegnerin im Grundbuch des Amtsgerichts München für Schwabing, …, unter der Flurstücks-Nr. … an nächst offener Rangstelle zu Gunsten des Antragstellers und zu Lasten des Alleineigentums der Antragsgegnerin eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Auflassung eines hälftigen Miteigentumsanteils und Eintragung der Auflassung einzutragen.
Der Antragsteller trägt vor, als Alleinerbe seiner am xx.xx#.2019 verstorbenen Cousine, …, gegen die Antragsgegnerin als Alleineigentümerin des vorgenannten Grundstücks einen Anspruch auf Rückabwicklung eines wegen Verstoßes gegen berufsrechtliche Tätigkeitsverbote nach § 134 BGB nichtigen Kaufvertrags über einen Miteigentumsanteil am Anwesen … zu haben.
Ab Mitte Mai 2014 sei die Erblasserin anwaltlich von der Anwaltskanzlei … vertreten worden, was schließlich zu einem am 27.04.2016 notariell beurkundeten Verkauf des Miteigentumsanteils der Erblasserin an die Antragsgegnerin zu einem etwa um 2,0 Mio. € unter dem damaligen Verkehrswert liegenden Kaufpreises geführt habe.
Der Erblasserin sei damals nicht bekannt gewesen, dass auf Seiten der Antragsgegnerin ihr damaliger Rechtsberater … persönlich beteiligt gewesen sei.
… sei an der Komplementärin der Antragsgegnerin, der … mit 40 % der Geschäftsanteile neben drei weiteren Kommanditisten beteiligt.
Rechtsanwalt … würde neben seiner anwaltlichen Tätigkeit diverse mehrheitliche Beteiligungen an zahlreichen Unternehmen, unter anderem in der Immobilien- und Baubranche, unterhalten.
Seine Haupteinnahmequelle würde … im Immobiliengeschäft sehen, was unvereinbar mit dem Rechtsanwaltsberuf sein würde mit der Folge des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.
Wegen Streitigkeiten in der Miteigentümergemeinschaft des streitgegenständlichen Anwesens habe die Erblasserin für den 06.06.2014 ein Beratungsgespräch in der … vereinbart. Sie habe dann am gleichen Tag … beauftragt.
An einen Verkauf ihres Miteigentumsanteils habe sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedacht.
Erst im April 2016 sei sie zu dem Verkaufsentschluss aufgrund der anwaltlichen Beratung durch … und seiner Kanzlei gekommen.
Bereits am 13.10.2014 habe … im Rahmen des Mandatsverhältnisses ein ihm bekanntes Maklerbüro beauftragt, um eine Markteinschätzung über die streitgegenständliche Immobilie zu erhalten.
Dieses sei zu einer Marktwertspanne 2014 zwischen … und … gekommen.
Diese Werteinschätzung habe weit unter dem damaligen Verkehrswert gelegen. Dies sei … als Immobilienspezialist bewusst gewesen.
In einer Besprechung am 20.10.2015 habe … der Erblasserin mitgeteilt, dass er wegen eines möglichen Verkaufs bei einigen Personen nachfragen werde. Seine eigenen wirtschaftlichen Interessen an dem Erwerb der Immobilie habe … der Erblasserin gegenüber nicht offenbart.
Dies würde sich aus den Tagebucheinträgen und aus den bei den Nachlassakten befindlichen Unterlagen ergeben, aus denen sich keine Hinweise darauf finden, dass die Erblasserin hierüber informiert gewesen sei.
Am 25.02.2016 sei es in den Kanzleiräumen des … zu einer Besprechung zwischen der Erblasserin und den Geschäftsführern und Kommanditisten der Antragsgegnerin … gekommen. Auch diese hätten ihre geschäftlichen Verflechtungen mit … nicht offenbart. Aufgrund der viel zu niedrigen Markteinschätzung habe sie das Angebot in Höhe von … als sehr gut empfunden.
Auch bei einer Besprechung am 16.03.2016 mit … habe dieser seine geschäftliche Beteiligung auf der Käuferseite nicht eröffnet.
Am 27.04.2016 sei dann ein entsprechender notarieller Kaufvertrag geschlossen worden.
Der Antragsteller habe erst in einem durchgeführten Zwangsvollstreckungsverfahren erfahren, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger das streitgegenständliche Anwesen zum 21.06.2017 mit … bewertet habe.
Auf Veranlassung des Antragstellers sei dann von einer weiteren Sachverständigen der Verkehrswert zum Stichtag 27.04.2016 mit … eingeschätzt worden.
Die Erblasserin hätte damit einen marktgerechten Kaufpreis von mindestens … statt der vereinbarten …, erhalten müssen.
Die Erblasserin hätte bei Kenntnis des tatsächlichen Verkehrswerts ihren Hälfteanteil jedenfalls nicht zu diesem angebotenen Kaufpreis verkauft.
… und seine Kanzlei haben über ihre Beratungstätigkeiten Honorarrechnungen vom 04.03.2015 über … und vom 04.05.2016 zu einem Gegenstandswert von … in Höhe von … gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 16.05.2020 und vom 25.06.2020, jeweils nebst Anlagen, verwiesen. Außerdem wird verwiesen auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 03.07.2020 nebst Anlagen.
Rechtsanwalt … ist mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 03.07.2020 dem Rechtsstreit auf Seiten der Antragsgegnerin beigetreten.
II.
Ein Verfügungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung ist nicht gegeben.
Der notarielle Kaufvertrag vom 27.04.2016 wurde zwischen der Erblasserin und der Antragsgegnerin geschlossen.
Der notarielle Kaufvertrag wurde von der Erblasserin persönlich mit der Antragsgegnerin geschlossen und nicht durch … oder einen Mitarbeiter der Kanzlei unter Vollmacht für die Erblasserin. Auf die Anwesenheit einer Kanzleimitarbeiterin beim Abschluss des notariellen Kaufvertrages kommt es daher auch nicht an.
1. Grundsätzlich erstrecken sich die Tätigkeitsverbote bei widerstreitenden Interessen gemäß §§ 43 a und 45 BRAO auch auf sämtliche in der gleichen Sozietät tätigen Rechtsanwälte.
Der unter anderem beauftragte Rechtsanwalt … war bereits nach dem Vortrag des Antragstellers nicht Geschäftsführer der Antragsgegnerin. Er war an dieser nur über eine Komplementärin beteiligt.
Aus den von dem Antragsteller vorgelegten weiteren Beteiligungsverhältnissen und den Angaben anlässlich eines Interviews ergeben sich vorliegend, soweit es nicht die Antragsgegnerin selbst betrifft, schon keine widerstreitenden Interessen im Rahmen seiner für die Erblasserin erfolgten anwaltlichen Tätigkeit.
Dahinstehen kann auch, ob eventuelle widerstreitende Interessen bereits bei Abschluss des Anwaltsvertrags vorlagen oder nicht.
Auch dahinstehen kann, ob die Erblasserin tatsächlich über die Beteiligung von … auf der Käuferseite der streitgegenständlichen Immobilie gewusst hat oder nicht. Dies würde jedenfalls auch nicht zur Unwirksamkeit des notariellen Kaufvertrages führen.
2. Ein Tätigkeitsverbot im Sinne § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO liegt jedenfalls bei einer Maklertätigkeit nicht schon ohne Weiteres vor. Diese kann auch Gegenstand eines Anwaltsmandats sein, sofern die Pflicht, rechtlichen Beistand zu gewähren, nicht völlig in den Hintergrund tritt (BGH, Senat für Anwaltssachen, Entscheidung vom 13.03.2003, Aktenzeichen AnbZ (W) 79/02). Schon deshalb lässt sich eine Anwaltstätigkeit von einer zweitberuflichen Tätigkeit nicht zuverlässig abgrenzen, wenn der Makler, der zugleich Rechtsanwalt ist, von dem Kunden, dem er die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachweist, gebeten wird, ihn auch anwaltlich über die Vor- und Nachteile des abzuschließenden Vertrages zu beraten und diesen gleich selbst zu entwerfen.
Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich aber schon nicht, dass Rechtsanwalt … hier als Verantwortlicher der Antragsgegnerin selbst tätig wurde. Die Antragsgegnerin wird durch ihre Geschäftsführer vertreten. … ist kein Geschäftsführer der Antragsgegnerin.
3. Dahinstehen kann, ob Rechtsanwalt … gegen das Prinzip der widerstreitenden Interessen aus § 43 a Abs. 1, Abs. 4 BRAO verstoßen hat.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass dies zur Nichtigkeit (Teil- oder Gesamtnichtigkeit) des Rechtsanwaltsvertrages führen würde, kann dies insgesamt nicht zur Nichtigkeit eines nachfolgenden zivilrechtlichen Vertrages, den der Anwalt nicht in Vollmacht seiner Mandantin selbst geschlossen hat, führen.
Eine Nichtigkeit würde sich nur dann möglicherweise ergeben können, wenn der Rechtsanwalt aufgrund einer ihm erteilten Vollmacht im Namen der Erblasserin den notariellen Kaufvertrag abgeschlossen hätte. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Die Erblasserin hat unter persönlicher Anwesenheit bei dem Notartermin den Verkaufsvertrag mit den Geschäftsführern der Antragsgegnerin selbst geschlossen.
Dahinstehen kann insoweit auch, ob Rechtsanwalt … eigene Interessen wahrgenommen hat, die denjenigen seiner Mandantin widersprochen haben.
4. Eine Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages nach § 134 BGB liegt insgesamt nicht vor. Dies ergibt sich so auch nicht aus der von dem Antragsteller zitierten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.05.2016, Az. IX ZR 241/14).
Der BGH kommt zum Ergebnis, dass ein Verstoß gegen das Verbot des § 43 a Abs. 4 BRAO zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages führt.
Jedenfalls eine standesrechtliche Unzulässigkeit einer Tätigkeit führt für sich genommen nicht zur Nichtigkeit der im Rahmen dieser Tätigkeit geschlossenen Verträge. Rechtsanwalt … ist diese Verträge selbst nicht unter Verstoß berufsrechtlicher Pflichten eingegangen. Seine Tätigkeit bzw. diejenige der Kanzlei beschränkte sich auf die nach dem Vortrag des Antragstellers erfolgte Beratung und die Ausfertigung des Kaufvertrages.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
IV.
Der Streitwert war mit einem Fünftel des von dem Antragsteller angegebenen finanziellen Interesses in Höhe von … und somit auf … festzusetzen. Bei einer Zug um Zug Leistung ist der geltend gemachte höhere Wert des Vefügungsanspruchs anzusetzen. Die Gegenleistung hat unberücksichtigt zu bleiben (Zöller, ZPO, 33. Auflage, § 3 Rn. 16.217).

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