Europarecht

Abgasskandal: Keine deliktische Haftung des Pkw-Herstellers bei Gebrauchtwagenkäufen in sog. Spätfällen

Aktenzeichen  1 U 125/19

Datum:
27.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15617
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
StGB § 263
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Macht der Geschädigte geltend, er sei durch die sittenwidrige Handlung des Täters zu schädlichen Vermögensdispositionen veranlasst worden, dann trifft den Täter der haftungsbegründende Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB nur dann, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden ist. Andernfalls hat sich das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit bei der Schädigung nicht verwirklicht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Zurechnungszusammenhang zwischen sittenwidrigem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs und einem möglichen Schaden ist jedenfalls bei einem Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs im Jahr 2016 – nach Bekanntwerden des sog. Dieselskandals – nicht mehr gegeben. (Rn. 16 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheidet bei einem Gebrauchtwagenkauf aufgrund der fehlenden Stoffgleichheit zwischen behauptetem Schaden des Klägers und einer möglichen Bereicherung der Beklagten aus. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV sind keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

14 O 1767/18 2019-03-21 Urt LGWUERZBURG LG Würzburg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 21.03.2019, Az. 14 O 1767/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; das in Ziffer 1 bezeichnete Urteil des Landgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt Schadensersatz gegenüber der Herstellerin nach einem Pkw-Kaufvertrag.
1. Der Kläger erwarb am X.2016 von einem gewerblichen Händler einen Pkw Volkswagen Sharan 2.0 TDI, mit einer Laufleistung von X km zu einem Kaufpreis von 24.500,00 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. In dem Fahrzeug war durch die Beklagte als Herstellerin eine Motorensteuerungsgerätesoftware installiert, die erkannte, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und dann einen besonderen Modus aktivierte (sog. Umschaltlogik).
Am 22.09.2015 wurde der sog. Abgasskandal mit der Adhoc-Mitteilung der Beklagten über die manipulierten Dieselmotoren publik und es wurde in den nationalen und internationalen Medien berichtet. Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Rückruf von 2,4 Millionen Fahrzeugen der Beklagten an und verpflichtete diese, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 EU5 die aus Sicht des Bundesamtes unzulässige Abschaltvorrichtung zu entfernen und nachzuweisen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Mit Bescheid des KBA vom 20.12.2016 wurde festgestellt, dass das auch beim streitgegenständlichen Fahrzeug aufgespielte Software-Update geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs herzustellen.
Der Kläger hat behauptet, er hätte das Fahrzeug bei Kenntnis von der durch die Beklagte mittels der Abschaltvorrichtung erfolgten Manipulation nicht erworben, da es ihm auf ein besonders umweltfreundliches Fahrzeug angekommen sei. Er habe erst nach dem Erwerb Kenntnis von der rechtswidrigen Software und dem mit dieser einhergehenden wirtschaftlichen Nachteil erhalten.
Im Übrigen haben die Parteien erstinstanzlich streitig über die Voraussetzungen deliktischer Ansprüche des Klägers verhandelt.
2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass es sowohl an einer Täuschungshandlung der Beklagten fehle wie auch an der substantiierten Darlegung eines täuschungsbedingten Irrtums des Klägers. Der Kauf sei vom Kläger nicht aufgrund bestimmter Vorstellungen über Stickoxidwerte getätigt worden. Es sei nicht dargelegt, in welcher Form die Beklagte im Rahmen der Kaufentscheidung auf das Vorstellungsbild des Klägers eingewirkt habe. Aufgrund der zum Zeitpunkt des Kaufes bereits langanhaltenden und allgegenwärtigen Berichterstattung über den sogenannten „Abgasskandal“, habe der Kläger zudem zumindest billigend in Kauf genommen, dass das erworbene Fahrzeug hiervon betroffen sei. Es fehle im Rahmen des Anspruchs aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB ferner an einem Schaden des Klägers wie auch an der Stoffgleichheit des von der Beklagten erstrebten Vermögensvorteils. Hinsichtlich § 826 BGB fehle es an der Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten.
3. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel weiter, wobei die Klage durch nunmehrigen Nichtabzug von Nutzungen, in erster Instanz waren hierfür noch 1.321,87 € klägerseits angesetzt, erweitert wird. Der Kläger sei durch die Beklagte über wesentliche Mängel des Fahrzeugs getäuscht worden. Zweifel des Landgerichts am Irrtum des Klägers hätten zumindest eine informatorische Anhörung des Klägers erforderlich gemacht. Die AdhocMitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 sei nicht geeignet gewesen, die Kenntnis des Klägers von der Manipulation zu begründen. Dieses gelte auch für die weitere Öffentlichkeitsarbeit durch die Beklagte und die Berichterstattung in den Medien. Durch die Manipulationssoftware sei die Typengenehmigung des Fahrzeugs erloschen. Dies stelle einen Schaden dar. Das erfolgte Software-Update sei unzureichend. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Würzburg, Az. 14 O 1767/18, verkündet am 21.03.2019:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 24.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, Zugum-Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs VW X.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.344,40 € sowie weitere Zinsen aus einem Betrag in Höhe von 4 Prozentpunkten seit dem 09.02.2018 bis zur Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet.
4. Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens in Höhe von 4.900,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € freizustellen.
6. Hilfsweise: Das Urteil des Landgerichts Würzburg 14 O 1767/18 vom 21.03.2019 wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Würzburg zurückverwiesen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Insbesondere weist sie darauf hin, dass nach aktueller Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte Ansprüche aus Delikt aufgrund der umfassenden Medienberichterstattung nach Bekanntwerden des Abgasskandals ausschieden, da diese eine Täuschung durch die Beklagte, einen Irrtum des Klägers sowie ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten ausschlössen.
II.
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Berufungsangriffe des Klägers sind nicht geeignet, die zutreffende Entscheidung des Landgerichts in Frage zu stellen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte bei der hier vorliegenden Fallkonstellation kein Schadensersatzanspruch zu.
Vorliegend handelt es sich um einen so bezeichneten „Spätfall“ im Rahmen der Vielzahl von Verfahren betreffend durch Automobilhersteller manipulierte Abgaswerte. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Fahrzeug mit einem von der Beklagten hergestellten Motor der Baureihe EA 189 zu einem Zeitpunkt erworben wurde, als durch die Adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015, die sich anschließende umfangreiche Medienberichterstattung sowie weitere Handlungen der Beklagten die Manipulation bereits weithin bekannt war. Der Senat schließt sich für diese Fallgestaltung einer Vielzahl anderer obergerichtlicher Entscheidungen an, in denen eine deliktische Haftung der Beklagten abgelehnt wurde, so u.a. OLG Frankfurt, Urteil v. 06.11.2019, Az. 13 U 156/19; OLG Saarbrücken, Urteil v. 28.08.2019, Az. 2 U 94/18; OLG Stuttgart, Urteil v. 07.08.2019, Az. 9 U 9/19; OLG Stuttgart, Urteil v. 26.11.2019, Az. 10 U 199/19; OLG Köln, Urteil v. 06.06.2019, Az. 24 U 5/19; OLG Dresden, Urteil v. 24.07.2019, Az. 9 U 2067/18; OLG Celle, Urteil v. 29.04.2019, Az. 7 U 159/19; OLG Celle, Urteil v. 29.01.2020, Az. 7 U 575/18 OLG Braunschweig, Urteil v. 02.11.2017, Az. 7 U 69/17; OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 29.11.2019, Az. 1 U 32/19; OLG Koblenz, Urteil v. 25.10.2019, Az. 3 U 948/19; OLG München, Urteil v. 27.01.2020, Az. 21 U 1896/19; OLG München, Urteil v. 05.02.2020, Az. 3 U 6342/19 OLG Oldenburg, Urteil v. 26.11.2019, Az. 13 U 33/19.
Die gegenteilige Auffassung (OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, Az. 13 U 149/18; OLG Oldenburg, Urteil v. 16.01.2020, Az. 14 U 166/19) vermag hingegen nicht zu überzeugen.
1. Ein Anspruch des Klägers gemäß § 826 BGB besteht nicht, da es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen der Schädigungshandlung und dem behaupteten Schaden fehlt. Dieses gilt unabhängig davon, ob der Kläger konkrete Kenntnis von der Betroffenheit des von ihm erworbenen Fahrzeugs von den Manipulationen der Beklagten besaß.
a. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die vorsätzliche Zufügung eines Schadens allein noch nicht die Haftung aus § 826 BGB. Auf sie muss vielmehr immer auch das Urteil der Sittenwidrigkeit zutreffen. Das mag ohne weiteres in den Fällen zu bejahen sein, in denen die sittenwidrige Handlung den Schaden, sei es auch erst über die Schädigung des von ihr unmittelbar Betroffenen, mitverursacht, ohne dass eine Handlung oder Unterlassung des Geschädigten hinzutritt, die erst zu dem Vermögensschaden führt. Macht hingegen der Geschädigte geltend, er sei durch die sittenwidrige Handlung des Täters zu schädlichen Vermögensdispositionen veranlasst worden, dann genügt es nicht, dass der Täter die Möglichkeit eines solchen Kausalverlaufs erkannt und gebilligt hat. Vielmehr trifft ihn der haftungsbegründende Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nur dann, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden ist. Anderenfalls hat sich das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit bei der Schädigung nicht verwirklicht (BGH, Urteil v. 20.02.1979, Az. VI ZR 189/78). Zu berücksichtigen ist vorliegend, dass der Kläger als Erwerber eines Gebrauchtfahrzeuges nur mittelbar Geschädigter sein kann, da sich das manipulative Handeln der Beklagten zunächst nur auf den Erstkäufer bezog.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil v. 07.05.2019, Az. VI ZR 512/17).
b. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe realisierte sich im Kauf des Fahrzeugs durch den Kläger kein derart vorwerfbares Verhalten der Beklagten, das sich als sittenwidrig gemäß obiger Grundsätze darstellt. Selbst wenn es zuträfe, dass das erstmalige Inverkehrbringen des Fahrzeugs als Neuwagen durch die Beklagte mit der implementierten Umschaltlogik eine sittenwidrige Schädigung jedenfalls der Erstkäufer bis zum Bekanntwerden des Abgasskandals darstellte, sind bei einem nachgelagerten mittelbaren Schaden jedoch das gesamte Verhalten des Schädigers sowie weitere das Unwerturteil beeinflussende Umstände bis zur Realisierung des Schadens beim Zweiterwerber im Rahmen einer umfassenden Würdigung einzubeziehen.
Der Zurechnungszusammenhang zwischen sittenwidrigem Inverkehrbringen des Fahrzeugs und einem möglichen Schaden ist jedenfalls bei einem Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs im Jahr 2016 nicht mehr gegeben. Bis Mitte Dezember 2015 hatte die Beklagte derart umfassende Aktivitäten unternommen, damit es nicht zu weiteren Vermögensschäden bei potentiellen Käufern im Hinblick auf Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 kommt, dass zwischen ihrem ursprünglichen vermeintlich sittenwidrigen Verhalten – der Konzernentscheidung zur Implementierung der Software und dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge – und dem durch den Erwerb des hier in Streit stehenden Fahrzeugs im September 2016 entstandenen Schaden des Klägers kein so enger innerer Zusammenhang mehr begründet werden kann, dass im Sinne der oben dargelegten Grundsätze das Verhalten der Beklagten auch gegenüber diesem als sittenwidrig angesehen werden kann.
Neben der vorbezeichneten Adhoc-Mitteilung der Beklagten erfolgten noch im Jahr 2015 zahlreiche weitere Pressemitteilungen ihrerseits sowie die Bereitstellung einer Abfragemöglichkeit im Internet für die Betroffenheit einzelner Fahrzeuge. Weiterhin erfolgte durch das Kraftfahrtbundesamt mit Bescheid vom 15.10.2015 ein umfänglicher Rückruf von Fahrzeugen, der weithin veröffentlicht wurde. Die Beklagte arbeitete im Rahmen eines Maßnahmenplans mit dem Kraftfahrtbundesamt zum Erhalt der Typengenehmigung der betroffenen Fahrzeuge zusammen (zur Chronologie des Abgasskandals vgl. insoweit OLG Celle, Beschluss v. 27.05.2019, Az. 7 U 335/18, sowie OLG Karlsruhe, Urteil v. 09. Januar 2020, Az. 17 U 133/19).
Zu Recht weist zudem das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Urteil vom 29. November 2019 – 1 U 32/19) darauf hin, dass es zu weit gehen würde, von der Beklagten eine lückenlose Aufklärung aller potentiellen Käufer in jedem Einzelfall zu verlangen, und ihr trotz der von ihr umfangreich ergriffenen Maßnahmen das Risiko eines Erwerbes durch einen Käufer zuzuweisen, der trotz aller Medienberichterstattung vom Einsatz der problematischen Software keine Kenntnis hatte und von einem Händler betreut wird, der sich nicht an die ihm mitgeteilte Hinweispflicht hält. Dies würde zu einer zeitlich unbegrenzten und letztlich schrankenlosen Haftung des ehemals sittenwidrig Schädigenden führen, auch wenn dieser alles aus seiner Sicht Erforderliche und der verkehrsüblichen Sorgfalt Entsprechende getan hat, um die zukünftige Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges zu verhindern. Nach Auffassung des Senats kann keine Parallele zu der fortbestehenden Verantwortlichkeit in den strafrechtlichen Fällen des beendeten Versuchs gezogen werden (so aber OLG Oldenburg, Urteil v. 16.01.2020, Az. 14 U 166/19), da es vorliegend im Fall einer mittelbaren Schädigung an der die strafrechtliche Verantwortlichkeit kennzeichnenden Finalität des Handelns fehlt.
Unabhängig davon, ob der hiesige Kläger von den oben genannten Informationen subjektiv Kenntnis hatte, scheidet damit eine Haftung aus § 826 BGB jedenfalls mangels objektiven Zurechnungszusammenhangs aus.
2. Ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheidet bereits objektiv aufgrund der fehlenden Stoffgleichheit zwischen behauptetem Schaden des Klägers und einer möglichen Bereicherung der Beklagten aus. Der Kläger behauptet, sein Schaden liege in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit. Bei der Beklagten ist eine solche jedoch allenfalls dadurch eingetreten, dass sie das Fahrzeug an den Erstkäufer ausgeliefert hat (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 07.08.2019, Az. 9 U 9/19; auch OLG Karlsruhe, Urteil v. 09.01.2020, Az. 17 U 133/19).
Zudem ist aufgrund der ergriffenen Aufklärungsmaßnahmen der Beklagten nicht mehr davon auszugehen, dass sie vorsätzlich – ggfs. in mittelbarer Täterschaft – eine Irrtumserregung bei Käufern herbeiführte, die nach Bekanntwerden der Manipulationen Fahrzeuge erwarben (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil v. 29.11.2019, Az. 1 U 32/19). Überdies wäre im Zeitpunkt des täuschungsbedingten Kaufes des Klägers im August 2016 keine gemäß § 263 StGB erforderliche Bereicherungsabsicht der Beklagten gegeben.
3. Dem Kläger steht schließlich auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV zu. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV stellen nach richtiger Auffassung bereits keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar (ebenso OLG Braunschweig, Urteil v. 19.02.2019, Az. 7 U 134/17; OLG München, Beschluss v. 29.08.2019, Az. 8 U 1449/19; OLG Karlsruhe, Urteil v. 09.01.2020, Az. 17 U 107/19; OLG Celle, Beschluss v. 01.07.2019, Az. 7 U 33/19). Der Individualschutz in der konkreten Ausprägung des Schutzes des Vermögens des Erwerbers eines Kraftfahrzeugs liegt nicht im Aufgabenbereich der genannten Vorschriften und ist auch nicht der zugrunde liegenden Richtlinie 2007/46/EG zu entnehmen Überdies ist zwischenzeitlich eine Verletzung nicht mehr ersichtlich. Das Kraftfahrtbundesamt hat auch 4 ½ Jahre nach Bekanntwerden der Manipulationen der Beklagten die Typengenehmigungen der betroffenen Fahrzeuge nicht widerrufen. Spätestens mit dem Update der Software sind daher rechtliche Probleme der Typengenehmigung und Übereinstimmungsbescheinigung beseitigt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil v. 29.11.2019, Az. 1 U 32/19).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 ZPO). Bei der Frage der deliktischen Haftung des Motorenherstellers in den vorstehend bezeichneten Spätfällen handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine in einer Vielzahl von Verfahren erhebliche, klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfrage, über die der Bundesgerichtshof noch nicht tragend entschieden hat. Des Weiteren weicht das hiesige Urteil jedenfalls von den tragenden Erwägungen der beiden oben zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Oldenburg und Hamm ab.

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