Europarecht

Abschiebung nach Nigeria

Aktenzeichen  M 13 K 17.40471

Datum:
19.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163120
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e
VwGO § 58 Abs. 1, Abs. 2, § 60
GVG § 184
AufenthG § 11 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
Die zweiwöchige Klagefrist nach § 74 AsylG wurde nicht eingehalten.
Der Bescheid wurde per PZU am 31. Dezember 2016 an die richtige Adresse mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung zugestellt.
Klage wurde erst am 17. Mai 2017 erhoben.
Die Rechtsmittelbelehrung im Bescheid war auch nicht – wie von der Bevollmächtigten der Antrags-/Klageparteien vorgetragen – falsch.
Der Lauf der Klagefrist beginnt gem. § 57 Abs. 1 VwGO mit der Zustellung des Bescheids, wenn dieser mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war (vgl. § 58 Abs. 1 VwGO). Dies war vorliegend der Fall. Eine Rechtsbehelfsbelehrung:ist unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält oder einen zusätzlichen unrichtigen oder irreführenden Hinweis aufweist, der generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.2016 – 3 PKH 5.15 – juris; B.v. 31.8.2015 – 2 B 61.14 – juris; B.v.16.11.2012 – 1 WB 3.12 – juris). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO ist der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich zu belehren. Eine Belehrung über das Formerfordernis des § 81 Abs. 1 VwGO ist nicht erforderlich. Die vorliegende Rechtsbehelfsbelehrung:, die dem Bescheid auch in englischer Sprache beigefügt war, weist alle diese nach § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben zur Klageerhebung auf. Sie enthält auch keinen zusätzlichen unrichtigen oder irreführenden Hinweis, der zu einer Unrichtigkeit im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO führt. Die Rechtsbehelfsbelehrung:ist nicht wegen des Hinweises, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ müsse, fehlerhaft im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO. Die Formulierung „in deutscher Sprache abgefasst“ ist kein Hinweis auf die Erforderlichkeit einer schriftlichen Klageerhebung und schließt insbesondere die mündliche Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht aus. Dem Verb „abfassen“ kommt im Rechtsverkehr schon nicht zwangsläufig die Bedeutung einer schriftlichen Äußerung zu. So verwenden verschiedene Gesetze Formen des Verbs „abfassen“ mit der Ergänzung „schriftlich“, die überflüssig wäre, wenn dem Abfassen die Schriftform bereits immanent wäre. Unabhängig davon lässt sich der Rechtsbehelfsbelehrung:jedenfalls nicht entnehmen, dass der Betreffende selbst für die Schriftform zu sorgen hat. Denn auch eine mündlich zur Niederschrift erhobene Klage wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in deutscher Sprache schriftlich abgefasst. Durch die Formulierung im Passiv und durch das Partizip „abgefasst“ hat die Rechtsbehelfsbelehrung:zutreffend Offenheit hinsichtlich der handelnden Person belassen, nämlich im Hinblick darauf, ob der Kläger seinen Rechtsbehelf selbst abfassen oder ob er Hilfspersonen wie etwa einen Rechtsanwalt oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zwecks Niederschrift in Anspruch nimmt. Der Passus zur Abfassung in deutscher Sprache verdeutlicht lediglich, dass die Klageerhebung in deutscher Sprache zu erfolgen hat. Auch dieser Hinweis auf die Notwendigkeit der Klageerhebung in deutscher Sprache ist richtig. Denn gemäß § 55 VwGO i.V.m. § 184 GVG ist die Gerichtssprache Deutsch (vgl. zum Ganzen VG München, U.v. 18.7.2017 – M 12 K 16.35003, VG Berlin, U.v. 24.1.2017 – 21 K 346.16 A – juris; a.A. VGH B-W, U.v. 18.4.2017 – A 9 S 333/17 – juris).
In der Akte befindet sich ein Schreiben der Caritas, dass die Antrags-/Klagepartei zu 1) den Bescheid aus gesundheitlichen Gründen nicht habe abholen können.
Selbst wenn man dieses Schreiben als Wiedereinsetzungsantrag nach § 60 VwGO auslegt, so sind die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben.
Der Antrag hätte zwei Wochen nach Wegfall der Hindernisses, hier der Krankheit der Antrags-/Klagepartei zu 1), gestellt werden müssen. Da die Antrags-/Klagepartei zu 1) zumindest am 18. Januar 2017 in der Lage war, ein Schreiben an das Bundesamt zu schicken, dürfte sie – die Krankheit als wahr unterstellt – spätestens dann wieder gesund gewesen sein. Das Schreiben der Caritas kam aber erst am 10. Mai 2017. Auch wurde nicht innerhalb der zwei Wochen nach Genesung Klage erhoben. Es wurde auch nur behauptet, dass die Antrags-/Klagepartei aus gesundheitlichen Gründen den Bescheid nicht habe abholen können. Eine Glaubhaftmachung fand nicht statt.
Die Klage wäre aber auch unbegründet.
Das Gericht folgt der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Die Antrags-/Klagepartei kann sich in einem anderen Landesteil niederlassen (so auch II. 3 auf S. 17 des Berichtes des Auswärtigen Amtes vom 21. November 2016).
Der Vortrag der Antrags-/Klagepartei zu 1) widerspricht sich:
In der mündlichen Verhandlung hat sie behauptet, dass der Vater ihrer älteren Kinder alle habe töten wollen, wenn er das erste Kind nicht bekomme, während sie in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt aber angab, dass er für den Sohn kein Geld ausgeben wollte, als dieser krank war und er auch jetzt keine Unterstützung an die Schwester, die die Kinder nun bei sich habe, gebe. Auch wurde in der Verhandlung vorgetragen, dass sie in Burkina Faso zur Prostitution gezwungen werden sollte, wovon sie vorher nichts mitteilte.
Die Bevollmächtigte hat mit Schreiben vom 9. November 2017 vorgetragen, dass die Antrags-/Klagepartei wegen Ehebruchs vor Gericht gestellt würde. In der mündlichen Verhandlung stellte sich aber heraus, dass es sich gar nicht um eine formelle Ehe gehandelt hat. Abgesehen davon ergibt sich aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21. November 2016, dass die Scharia nur in nördlichen Staaten angewandt wird. Die Antrags-/Klagepartei zu 1) stammt aber aus dem Süden und ist Christin.
Da die arbeitsfähige Antrags-/Klagepartei zu 1) in Nigeria bereits als Friseuse gearbeitet hat, kann sie sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Sie kann hierzu z.B. nach Lagos mit ca. 14 Millionen Einwohnern gehen. Es ist nicht glaubhaft, dass Bekannte des Vaters ihrer Kinder sie dort finden und dem Vater der Kinder ihre Adresse mitteilen. In der mündlichen Verhandlung teilte sie mit, dass ihre Schwester nicht arbeite und die älteren Kinder habe. Sie kann ihr daher auch das jüngste Kind geben.
In der Anhörung gab sie an, der Vater ihrer Kinder stamme aus Benin-City. Da er sich nach ihren Angaben nicht um die Kinder, die auf einem Dorf (Esedoma) bei ihrer Schwester leben sollen, kümmert, ist auch nicht zu erwarten, dass er erfährt, dass die Antrags-/Klagepartei zu 1) ein weiteres Kind hat, das die Schwester betreut.
Nach alldem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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