Europarecht

Änderung des Einreise- und Aufenthaltsverbots – Verweisung auf Visumverfahren bei nachträglicher Heirat

Aktenzeichen  M 9 S 16.4535

Datum:
25.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 11, § 30, § 84 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7, Nr. 8

 

Leitsatz

Hat der Antragsteller nach Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots geheiratet und besaß er zu diesem Zeitpunkt keinen Aufenthaltstitel, ist er für eine Änderung des Einreise- und Aufenthaltsverbots und eine Änderung der Befristung auf das Visumverfahren zu verweisen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1965 geborene Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger und wendet sich gegen seine Ausweisung sowie die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels.
Der Antragsteller reiste im Mai 2016 als Tourist in das Bundesgebiet ein. In München wohnte der Antragsteller bei seiner Verlobten Frau N., die serbische Staatsangehörige und Inhaberin einer Niederlassungserlaubnis ist. Nach der von dem Bevollmächtigten vorgelegten Heiratsurkunde hat der Antragsteller am 7.10.2016 in Serbien Frau N. geheiratet. Am 9.9.2016 wurde der Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Gemeinsam mit Frau N. hatte er seit spätestens 17.6.2016 mehrfach hochwertige Mobiltelefone aus einem Elektrofachmarkt entwendet, um diese zu verkaufen.
Mit Schreiben vom 13.9.2016 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Wege des Familiennachzugs und teilte am 26.9.2016 ergänzend mit, dass der Antragsteller in den nächsten Tagen seine Verlobte ehelichen werde.
Mit Bescheid vom 4.10.2016 wurde der Antragsteller aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Nr. 1), die Wiedereinreise für die Dauer von fünf Jahren beginnend ab Ausreise untersagt (Nr. 2), der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 13.9.2016 abgelehnt (Nr. 3) und der Antragsteller unter Androhung der Abschiebung aufgefordert, das Bundesgebiet bis 13.10.2016 zu verlassen (Nr. 4). Rechtsgrundlage sei § 53 Abs. 1 AufenthG. Das Ausweisungsinteresse, § 53 Abs. 1 AufenthG, überwiege das Bleibeinteresse, § 55 AufenthG. Der Antragsteller halte sich seit Mai 2016 visumsfrei und ohne gültigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf und sei dort nicht unerheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Weder er noch seine Verlobte als Mittäterin hätten eine legale Erwerbstätigkeit geplant, sondern wollten den gemeinsamen Lebensunterhalt durch die Begehung von Diebstählen finanzieren. Art. 6 GG stehe der Ausweisung nicht entgegen, da aus dem Verlöbnis kein familiärer Schutz abzuleiten sei, die Verlobte ebenfalls keiner Erwerbstätigkeit nachgehe und Mittäterin gewesen sei. Der Schutz des Privat- und Familienlebens, Art. 8 EMRK, Art. 7 Grundrechtecharta (GrCh) stehe der Ausweisung nach dem Ergebnis der Abwägung ebenfalls nicht entgegen, da das Ausweisungsinteresse unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Bleibeinteresses überwiege. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei wegen Fehlens der Voraussetzungen, insbesondere des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG ebenfalls abzulehnen. Die Sperrwirkung der Ausweisung sei unter Beachtung des § 11 Abs. 3 AufenthG und der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen sowie des Art. 8 EMRK unter Berücksichtigung des Zwecks der Befristung auf fünf Jahre nach pflichtgemäßem Ermessen zu befristen gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2016 Klage und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO:
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Der Antragsteller habe am 7.10.2016 seine Verlobte geheiratet. Die Heiratsurkunde wurde mit Schriftsatz vom 20.10.2016 vorgelegt.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 11.10.2016:
Antragsablehnung.
Auf die Begründung des Bescheids werde Bezug genommen. Ob die Voraussetzungen für einen Familiennachzug gegeben seien, sei nach der Ausreise des Antragstellers in einem weiteren Verwaltungsverfahren über die Beantragung der Befristung der Wirkungsdauer der Ausweisung im Rahmen eines noch durchzuführenden Visumsverfahrens zu prüfen. Die Ausreisefrist werde über den 13.10.2016 hinaus bis 21.10.2016 verlängert.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Akten im Verfahren M 9 K 16.4534 und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unzulässig, soweit er sich gegen die Ausweisung in Nr. 1 des Bescheids richtet, § 84 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 80 Abs. 1 VwGO. Der Sofortvollzug wurde nicht angeordnet.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nrn. 2, 3 und 4 des Bescheids vom 4.10.2016 ist unbegründet, da gegen die Untersagung der Wiedereinreise, die Ablehnung eines Aufenthaltstitels und die Ausreiseaufforderung verbunden mit der Abschiebungsandrohung nach Serbien keine rechtlichen Bedenken nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlichen und ausreichenden summarischen Prüfung bestehen. Das kraft Gesetz gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 und Nr. 8 AufenthG bestehende öffentliche Interesse an der aufschiebenden Wirkung bei Ablehnung eines Antrags auf einen Aufenthaltstitel, bei einer Befristung sowie bei Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes überwiegen das private Interesse des Antragstellers, sich ohne Aufenthaltstitel, ohne gesicherten Lebensunterhalt und nach einer Einreise zur Begehung von Straftaten zum Zwecke des Familiennachzugs zu seiner Ehefrau, der Mittäterin seiner Straftaten, hier aufzuhalten.
Die Untersagung der Wiedereinreise für die Dauer von fünf Jahren beginnend ab der Ausreise aus dem Bundesgebiet in Nr. 2 des Bescheids vom 4.10.2016 ist rechtlich nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen des § 11 AufenthG vorliegen. Der Antragsteller wurde ausgewiesen mit der Folge eines Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbots, § 11 Abs. 1 AufenthG. Die Befristung erfolgte nach pflichtgemäßem Ermessen gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung, § 11 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Die Festsetzung auf fünf Jahre ist unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsteller zum Zwecke der Begehung von Straftaten als Tourist in das Bundesgebiet eingereist ist, seine Verlobte und jetzige Ehefrau dabei Mittäterin war und er über keine schützenswerten privaten Interessen im Bundesgebiet verfügt, angemessen; die gemäß § 114 VwGO nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin ist rechtlich nicht zu beanstanden und berücksichtigt § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Da der Antragsteller erst nach Bescheiderlass geheiratet hat und zu diesem Zeitpunkt keinen Aufenthaltstitel besaß, ist er für eine Änderung dieses Einreise- und Aufenthaltsverbots und eine Änderung der Befristung auf einen neuen Antrag, § 11 Abs. 4 AufenthG, im Visumsverfahren zu verweisen.
Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 13.9.2016 in Nr. 3 des Bescheids vom 4.10.2016 ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Antragsteller ist als Tourist eingereist. Gegen ihn liegt ein Ausweisungsgrund vor, da er strafrechtlich wegen der Begehung mehrerer Diebstähle verurteilt wurde. Schützenswerte Bindungen und Interessen im Bundesgebiet mit Ausnahme der mittlerweile geschlossenen Ehe mit seiner Mittäterin und Verlobten bestehen keine. Der Lebensunterhalt des Antragstellers ist ebenfalls nicht gesichert, § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG. Ob eine Ausnahme oder ein Abweichen vom Regelfall der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG im Hinblick auf die Eheschließung, § 30 AufenthG, besteht, ist fraglich und im Visumsverfahren zu prüfen. Ein offensichtlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ist im Falle des Antragstellers nicht erkennbar.
Gegen die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung nach Serbien, Nr. 4 AufenthG, bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken, § 50 AufenthG, da der Antragsteller ungeachtet der Ausweisung wegen fehlendem Aufenthaltstitel zur Ausreise verpflichtet ist. Die Voraussetzungen des § 59, § 58 AufenhG liegen nach Ablauf der Ausreisefrist vor.
Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Streitwertkatalog.

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