Aktenzeichen VI ZR 561/15
Art 2 Abs 1 GG
§ 823 Abs 1 BGB
§ 1004 Abs 1 S 2 BGB
Verfahrensgang
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 8. September 2015, Az: 7 U 121/14, Urteilvorgehend LG Hamburg, 21. November 2014, Az: 324 O 435/14, Urteil
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 8. September 2015 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 21. November 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Unterlassung einer Äußerung.
2
Der Kläger ist Mitherausgeber der Wochenzeitung “DIE ZEIT”. Die Beklagte strahlte in ihrem Fernsehprogramm am 29. April 2014 das Satireformat “Die Anstalt” aus. Gegenstand der Sendung war unter anderem ein Dialog zwischen den Kabarettisten U. und v.W., in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Begleitend zu dem Dialog wurde eine Schautafel eingeblendet. Am unteren Rand der Schautafel fanden sich Bilder von Journalisten, unter anderem ein Porträt des Klägers. Darüber waren in zwei Reihen die Namen von insgesamt zwölf Organisationen aufgeführt, die sich mit Sicherheitspolitik befassen. Die Bilder der Personen am unteren Rand waren durch teilweise sich kreuzende Linien mit den in der unteren Reihe gezeigten Namen der Organisationen verbunden. Vom Porträt des Klägers führten dahin insgesamt acht Linien. Sämtliche Linien waren zunächst abgedeckt.
Der Dialog zwischen den Kabarettisten lautete auszugsweise wie folgt:
v.W.: Kennen Sie folgende Organisationen? Münchner Sicherheitskonferenz zum Beispiel oder Trilaterale Kommission, The German Marshall Fund of the United States, Atlantische Initiative, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Atlantik-Brücke oder das Aspen Institute.
…
v.W.: Wir haben jetzt nicht Zeit, alles einzeln zu erklären. Ich würd’ das zusammenfassen. Darf ich zuspitzen?
U.: Ja, da warte ich schon lange drauf.
v.W.: … Also, wir sagen mal so: All diese Organisationen haben auf sicherheitspolitische Fragen immer dieselben Antworten, nicht? Mehr Rüstung. Das sind sozusagen NATO-Versteher. Hier in diesen Vereinigungen, da treffen sich Militärs und Wirtschaftsbosse und Politiker in diskreter Atmosphäre.
…
U: … Der C., Auslandschef der Süddeutschen. J. , Herausgeber der Zeit. Und der N. von der FAZ und der Auslandschef der FAZ, der F. Das sind doch alles völlig unabhängige Geister. Ich sehe da überhaupt keine Verbindungen.
v.W.: Ich hab da mal was für Sie vorbereitet.
[Auf der Schautafel werden die Linien aufgedeckt.]
U.: Oh uiuiui – das ist aber ein ganz schön dichtes Netzwerk, sagen Sie mal.
v.W.: Ja, ja.
U.: Und, äh, jede dieser Linien steht also für die Verbindung eines Journalisten zu einem dieser Lobbyorganisa…
v.W.: …ja
U.: Naja gut, die sind ja nur da, um zu recherchieren.
v.W.: Nein, die recherchieren da nicht, die sind da Mitglieder, Beiräte, Vorstände.
U.: Mein Gott, der J. ist aber viel unterwegs, was? Hat der überhaupt noch Zeit, hat der überhaupt noch Zeit zum Schreiben?
v.W.: Was glauben Sie, warum DIE ZEIT nur einmal wöchentlich erscheint?!
U.: Der Herausgeber der ZEIT ist also bei mehreren Lust…Lobbyorganisationen.
v.W.: Ja
U.: Ja, aber das ist doch ein unabhängiger Journalist. Führt das nicht zu Interessenkonflikten?
v.W.: Nein. Interessenkonflikte gibt’s nur da, wo es verschiedene Interessen gibt.
3
Tatsächlich bestanden oder bestehen zwischen dem Kläger und sieben von den auf der Schautafel genannten Organisationen folgende Verbindungen: Der Kläger ist Mitglied der American Academy und des American Institute for Contemporary German Studies. Bis Ende 2013 war er Mitglied des American Council on Germany, bis 2008 Mitglied der Atlantik-Brücke. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz war der Kläger 2014 Teilnehmer, was eine Einladung voraussetzte und ihm Zutritt zu besonderen Veranstaltungen sowie das Recht zur Teilnahme an Diskussionen gab. Mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) besteht insoweit eine Verbindung, als der Kläger Mitglied des Editorial Board der Zeitschrift “Internationale Politik” ist, die von der DGAP herausgegeben wird. Der Kläger ist ferner Mitglied des “International Advisory Boards of the Aspen Institute Prague”; auf der Schautafel wurde das “Aspen Institute” aufgeführt. Außerdem ist der Kläger Mitglied des International Institute for Strategic Studies und des Council on Public Policy; diese beiden Organisationen sind jedoch auf der Schautafel nicht genannt.
4
Der Kläger verlangt, der Beklagten die Behauptung und Verbreitung der Äußerung zu untersagen, er sei Mitglied, Beirat oder Vorstand von acht Organisationen, die auf der Schautafel genannt sind. Die sich aus der Anzahl der Linien ergebende Behauptung von acht Verbindungen sei falsch, zumal nur auf aktuell bestehende Verbindungen abgestellt werden dürfe. Zudem wiesen die im Dialog verwendeten Begriffe “Mitglied, Vorstand, Beirat” auf eine organschaftliche Stellung hin, weshalb sich die Anzahl der mitzuzählenden Verbindungen weiter reduziere.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hin hat das Oberlandesgericht die Beklagte zu der beantragten Unterlassung sowie zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.