Aktenzeichen M 10 E 16.1675
ZPO ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz
Eine Klage erfüllt die Voraussetzung der (ordnungsgemäßen) Bezeichnung des Klägers iSv § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO – unabhängig von der Vertretung des Klägers durch einen Prozessbevollmächtigten – nur bei Angabe einer ladungsfähigen Anschrift; die Angabe einer bloßen “c/o-Anschrift” genügt nicht (Anschluss an OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2014, 11223). (redaktioneller Leitsatz)
Die für das Klageverfahren bestehende Anforderung der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ist auf das selbständige Beschlussverfahren nach § 123 VwGO übertragbar. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die durch die Antragsgegnerin betriebene Zwangsvollstreckung in seine Wohnung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin setzte gegenüber dem Antragsteller mit verschiedenen Bescheiden Grund- und Zweitwohnungsteuer fest. Nachdem der Antragsteller seit mehreren Jahren die Steuern nicht mehr entrichtete, betrieb die Antragsgegnerin die Zwangsversteigerung in eine der Wohnungen des Antragstellers.
Das Amtsgericht Traunstein als Vollstreckungsgericht setzte letztlich einen Versteigerungstermin für den 12. April 2016 fest. Ein Antrag des Antragstellers beim Amtsgericht auf Aufhebung des Versteigerungstermins blieb ohne Erfolg (B. v. 11.4.2016 – 4 K 48/15).
Mit Schriftsatz vom 11. April 2016 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München sinngemäß die Aussetzung der Vollstreckung durch die Antragsgegnerin mit dem Ziel, das Zwangsversteigerungsverfahren abzusetzen. Er bestreite die gesamten Forderungen der Antragsgegnerin.
Die Zustellung der gerichtlichen Eingangsbestätigung zu diesem Antrag unter der vom Antragsteller angegebenen Anschrift in Wien war nicht möglich.
Nach Mitteilung der Antragsgegnerin waren auch dieser keine Zustellungen unter der angegebenen Adresse möglich; die Antragsgegnerin versuche, dem Antragsteller Mitteilungen unter einer von ihm angegebenen Fax-Nummer oder unter dessen E-Mail-Adresse zukommen zu lassen. Dies habe bisher funktioniert.
Das Amtsgericht hat im Wege der öffentlichen Zustellung gemäß § 6 ZVG einen Zustellungsvertreter für den Antragsteller bestellt, da dessen Aufenthalt unbekannt sei; insbesondere sei eine Zustellung unter der vom Antragsteller angegebenen Adresse nicht möglich gewesen.
Im Zwangsversteigerungsverfahren betreffend die Wohnung des Antragstellers erfolgte der Zuschlag an den Meistbietenden aufgrund des Versteigerungstermins vom 12. April 2016 mit Zuschlagsbeschluss vom 19. April 2016. Termin zur Verteilung des Versteigerungserlöses wurde vom Amtsgericht für den 12. Juli 2016 bestimmt.
Der Antragsteller wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 29. April 2016 (per Fax sowie per E-Mail an die von der Antragsgegnerin mitgeteilten Nummern/Adressen) aufgefordert, eine ladungsfähige Anschrift anzugeben sowie einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Er wurde gebeten, eine Hauptsacheerledigungserklärung binnen 2 Wochen abzugeben, da sich der Eilantrag aufgrund der Versteigerung der Wohnung in der Hauptsache erledigt habe.
Eine Äußerung des Antragstellers erfolgte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der so zu verstehende Antrag nach § 123 VwGO, der Antragstellerin einstweilen eine weitere Vollstreckung wegen des Nichtbestehens von Forderungen zu untersagen, insbesondere den Versteigerungstermin zu verhindern, ist bereits unzulässig. Der Antragsteller hat trotz Aufforderung und Fristsetzung keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt.
Das Gericht hat hierzu in einer Entscheidung vom 31. Juli 2014 (M 10 K 11.6127) entschieden:
„Die Klage erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Außer dem Namen des Klägers ist mit der Klage nach ständiger Rechtsprechung auch die ladungsfähige Anschrift des Klägers anzugeben. Ladungsfähige Anschrift ist die Anschrift, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Rn. 4 zu § 82). Bei einer natürlichen Person ist dies in der Regel die Wohnungsanschrift (Anlehner in: Sodan/Ziekow, VwGO, Rn. 8 zu § 82). Dies gilt unabhängig davon, ob ein Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, jedenfalls dann, wenn die Angabe ohne weiteres möglich ist und kein schützenswertes Interesse entgegensteht (Anlehner, a. a. O.; BayVGH, B. v. 28.4.2003 – 24 ZB 02.3108 – juris; OLG Frankfurt, U. v. 15.5.2014 – 16 U 4/14 – juris).
Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers soll nämlich nicht nur dessen hinreichende Individualisier- und Identifizierbarkeit sicherstellen und die Zustellung von Entscheidungen, Ladungen sowie gerichtlichen Verfügungen ermöglichen; sie soll vielmehr darüber hinaus auch gewährleisten, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt und sich im Falle des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann (Anlehner, a. a. O.; Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Rn. 4 zu § 82; Geiger in: Eyermann, VwGO, Rn. 3 zu § 82). Das Erfordernis, die ladungsfähige Anschrift anzugeben, ergibt sich ebenso aus § 173 VwGO i. V. m. § 253 Abs. 2 Nr. 1, § 130 Nr. 1 ZPO (vgl. Anlehner, a. a. O., Rn. 10 zu § 82).
§ 82 Abs. 1 VwGO setzt dabei in jeder Phase des Verfahrens die Benennung einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers voraus (vgl. BVerwG, U. v. 13.4.1999 – 1 C 24/97 – juris Rn. 42; vgl. auch BVerwG B. v. 14.2.2012 – 9 B 79/11 u. a. – juris Rn. 11), so dass das Gericht gehalten ist, der Klagepartei insoweit eine Frist gemäß § 82 Abs. 2 VwGO zu setzen (vgl. BVerwG, U. v. 13.4.1999 a. a. O. juris Rn. 41), was … erfolgte. Eine ladungsfähige Anschrift wurde dem Gericht innerhalb der gesetzten Frist und auch danach von der Klagepartei nicht mitgeteilt. Die Angabe einer bloßen c/o- (care of)-Anschrift – wie hier vom Kläger angegeben – genügt nicht (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 253 Rn. 23; Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. Aufl., § 253 Rn. 10; OLG Frankfurt, a. a. O.). Denn hierdurch wäre es nicht möglich, eine Ladung des Klägers durch dessen Vorführung zu erzwingen.“
Diese für das Klageverfahren bestehenden Anforderungen sind auch auf ein selbstständiges Beschlussverfahren nach § 123 VwGO übertragbar (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 122, Rn. 5). Der Antragsteller wurde unter Fristsetzung entsprechend aufgefordert, er hat nicht reagiert und hat auch kein sonstiges schützenswertes Interesse dahingehend vorgetragen, seine Anschrift nicht mitteilen zu müssen.
2. Im Übrigen fehlt dem Antrag mittlerweile auch der Anordnungsgrund, also eine besondere Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Entscheidung, um einen Anspruch des Antragstellers zu schützen. Der Versteigerungstermin, den der Antragsteller insbesondere verhindern wollte, ist verstrichen.
Zudem fehlt es nunmehr auch an einem Anordnungsanspruch, einem zu schützenden Recht des Antragstellers. Das antragsbestimmende Interesse des Antragstellers, den Versteigerungstermin vor dem Amtsgericht betreffend seine Wohnung zu verhindern, um damit das Eigentum an seiner Wohnung zu behalten, lässt sich nicht mehr verwirklichen. Die Wohnung wurde vom Amtsgericht zum festgesetzten Versteigerungstermin versteigert; für den Meistbieter ist ein Zuschlagsbeschluss ergangen. Nach § 90 ZVG wird durch den Zuschlag der Ersteher Eigentümer des Grundstücks bzw. der Wohnung, sofern nicht im Beschwerdewege der Beschluss rechtskräftig aufgehoben wird. Zu einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss hat der Antragsteller nichts vorgetragen, so dass davon auszugehen ist, dass der Zuschlag wirksam ist und der Antragsteller damit das Eigentum an dem Versteigerungsobjekt verloren hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.