Europarecht

Anspruch auf Ausgleichsleistung wegen Flugverspätung

Aktenzeichen  14 C 3351/17

Datum:
8.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13219
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Erding
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 261/2004 Art. 3 Abs. 3, Art. 7 Abs. 1 S. 1 c), Art. 8 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 besteht auch im Falle der Annullierung oder großen Verspätung einer Ersatzbeförderung. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Beklagte wird veurteilt, an die Kläger jeweils 600,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.800,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Den Klägern steht ein Ausgleichsanspruch in Höhe von jeweils 600 Euro aus Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. c) der VO(EG) Nr. 261/2004 zu, da sie ihr Endziel (Bangkok) infolge der Verspätung des Fluges EY 006 mehr als drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit erreichten.
Das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs scheitert nicht daran, dass es sich bei dem verspäteten Flug um eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1  der VO (EG) Nr. 261/2004 handelte, nachdem der ursprünglich gebuchte Flug EY 004 am 05.10.2016 überbucht und die Kläger freiwillig zurückgeblieben und auf den Flug EY 006 umgebucht worden waren.
Nach Ansicht des Gerichts besteht ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 auch im Falle der Annullierung oder großen Verspätung einer Ersatzbeförderung. Die Kläger befanden sich hier in genau der gleichen Lage wie jeder andere Fluggast auch. Sie erhielten eine bestätigte Buchung für den Flug EY 006, für den eine Abflugs- und Ankunftszeit geplant ist. Sie konnten erwarten, mit diesem Flug planmäßig und störungsfrei befördert zu werden. Die Kläger hatten dieselben Unannehmlichkeiten wie die diejenigen Fluggäste, die auf diesem Flug nicht im Rahmen einer Ersatzbeförderung befördert wurden. Sie mussten aufgrund der Verspätung des Fluges EY 006 und dem dadurch verursachten Verpassen des Anschlussfluges EY 402 weitere 11 Stunden und 15 Minuten auf dem Flughafen Abu Dhabi zubringen. Das Gericht sieht daher keinen Grund, den Klägern einen Ausgleich für diese Unannehmlichkeiten zu verweigern. Ein Flug im Sinne der VOP (EG) Nr. 261/2004 ist ein Luftbeförderungsvorgang von einem Abgangs- zu einem Zielort auf einer bestimmten Flugroute, der nicht voraussetzt, dass die Beförderung auf einem selbstständigen Beförderungsvertrag beruht. Da der Rechtsgrund für die Beförderung nicht relevant ist, kommt es für die Frage, ob ein Fluggast an einem Flug im Sinne der Verordnung teilnimmt, nicht darauf an. ob der Flug, der von einer Störung betroffen ist, ursprünglich einmal vom Fluggast selbst oder von einem Reiseveranstalter für ihn gebucht worden ist oder ob es sich um eine Ersatzbeförderung handelt, die ein Luftfahrtunternehmen für ihn  organisiert bzw. gebucht hat.
Es ist auch nicht ersichtlich,  warum einem Fluggast bei nur einem Beförderungsvertrag, im Rahmen dessen Erfüllung dem Fluggast eine Beförderung auf mehreren sodann annullierten bzw. verspäteten oder verpassten Flügen bestätigt wurde, nicht auch mehrfach ein Anspruch auf Ausgleichsleistung zustehen sollten, nicht zuletzt weil das Vorliegen eines Beförderungsvertrags im Verhältnis zum ausführenden Luftfahrtunternehmen bereits keine Anspruchsvoraussetzung ist.
Einem Ausgleichsanspruch steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte an die Kläger bereits am 06.10.2016 wegen des freiwilligen Zurückbleibens am 05.10.2016 und der damit einhergehenden Unannehmlichkeiten einen Geldbetrag von insgesamt 1.200,00 Euro gezahlt hat.
Durch die Verspätung des Fluges EY 006 sind den Klägern zusätzliche Unannehmlichkeiten entstanden, die mit der erfolgten Geldzahlhung vom 06.10.2016 nicht im Zusammenhang stehen. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der VO (EG) Nr. 261/2004 erscheint es nicht unbillig, einem Fluggast mehrfach einen Ausgleich für Unannehmlichkeiten zuzugestehen, wenn er mehrfach von solchen betroffen ist.
Schließlich greift auch Art. 3  Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004 nicht ein. Der vorliegende Alternativflug kann nicht als kostenloser Flug angesehen werden, da auch dieser durch die Bezahlung des ursprünglichen Fluges vergütet ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Der Ausspruch betreffend dir Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO:

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