Europarecht

Anspruch auf Schadensersatz bei Erwerb eines vom Abgasskandal betroffenen gebrauchten Dieselfahrzeugs (hier: Skoda Octavia)

Aktenzeichen  18 U 4307/19

Datum:
12.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45956
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249 Abs. 2 S. 1, § 251 Abs. 1, § 278, § 280 Abs. 1, § 293, § 311 Abs. 3, § 346, § 826, § 849, § 853, § 993 Abs. 1
StVZO § 19 Abs. 5
EG-FGV § 25 Abs. 3, § 27 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zur VW-Abgasskandal-Thematik vgl. grundlegend BGH BeckRS 2020, 10555; wie hier OLG Celle BeckRS 2020, 24301; BeckRS 2020, 25616; BeckRS 2020, 5599; KG BeckRS 2020, 6153; BeckRS 2020, 6164; BeckRS 2020, 8607; BeckRS 2020, 6578; OLG Braunschweig BeckRS 2020, 24506; OLG Karlsruhe BeckRS 2020, 16306; OLG Naumburg BeckRS 2020, 14837; OLG Jena BeckRS 2020, 24038; OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 24147; BeckRS 2020, 25698; OLG Schleswig vgl. auch die Aufzählung ähnlich gelagerter VW-Diesel-Fälle BeckRS 2020, 25685; bei OLG Köln BeckRS 2019, 42328 (dort Leitsatz 1); bei OLG Koblenz BeckRS 2020, 14352 (dort Leitsatz 1), bei OLG Stuttgart BeckRS 2020, 7002 (dort Leitsatz 1), bei OLG Jena BeckRS 2020, 8618 (dort Leitsatz 1), bei OLG Oldenburg BeckRS 2020, 6234 (dort Leitsatz 1) und bei KG BeckRS 2019, 29883 (dort: Leitsatz 5); mit gegenteiligem Ergebnis noch: OLG München BeckRS 2019, 33738; BeckRS 2019, 33753; OLG Braunschweig BeckRS 2019, 2737. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal erfassten Fahrzeugs hat gegen die Herstellerin des Motors wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31, 249 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch unter Anrechnung der von ihm gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs. (Rn. 43 und 76) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu typischen Detailfragen aus VW-Dieselfällen hier: Gesamtlaufleistung 250.000 km; keine Verzugszinsen; keine Deliktszinsen; vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, da die Rechtslage sich nicht als so einfach darstellt, dass Käufer seine Ansprüche ohne weiteres selbst hätte außergerichtlich geltend machen können; kein Annahmeverzug. (Rn. 91, 95, 96, 103 und 104 – 105) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 O 3544/18 2019-07-02 Endurteil LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 02.07.2019, berichtigt mit Beschluss vom 19.08.2019, Az.: 5 O 3544/18,
1. in Ziffer 1 des Tenors dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 6.478,65 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs vom Typ Skoda Oktavia, FIN: …01,
2. in Ziffer 3 des Tenors aufgehoben.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Endurteil des Landgerichts Traunstein wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 66% und die Beklagte 34%.
Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz verbleibt es bei der vom Landgericht getroffenen Kostenentscheidung.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das vorgenannte Endurteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, soweit es durch dieses Urteil aufrechterhalten wird.
Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger, der einen vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw als Gebrauchtfahrzeug erworben hat, nimmt die Beklagte als Herstellerin des darin verbauten Dieselmotors vom Typ EA 189 auf Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen seit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs in Anspruch. Daneben begehrt er Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass die Beklagte sich mit der „Rücknahme“ des streitgegenständlichen Pkws im Annahmeverzug befindet.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf den mit Beschluss vom 19.08.2019 berichtigten Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Traunstein vom 02.07.2019 verwiesen.
Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von 7.654,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2019, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkws Skoda Octavia 2.0 l, FIN: …01, sowie zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 € verurteilt. Daneben hat es festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt es im Wesentlichen aus: Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 249 Abs. 2 Satz 1, § 251 Abs. 1 BGB zu.
Zwischen den Parteien bestehe ein Schuldverhältnis. Die Beklagte sei zwar nicht selbst Vertragspartnerin des Klägers geworden. Sie habe jedoch ein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen sowie den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Das Gericht sei davon überzeugt, dass der Kläger im konkreten Fall in die Beklagte als einen der größten deutschen Automobilhersteller besonderes Vertrauen gesetzt habe, dass sämtliche Gesetze und Vorschriften eingehalten würden. Bei seiner Anhörung im Termin vom 17.05.2019 habe der Kläger nachvollziehbar angegeben, dass er sich „aus historischen Gründen“ für den streitgegenständlichen Pkw entschieden habe, weil er bereits zuvor einen Skoda und auch einen VW gefahren habe und mit beiden Fahrzeugen sehr zufrieden gewesen sei.
Eine Pflichtverletzung der Beklagten sei zumindest in dem Verstoß gegen die ihr als Herstellerin des Dieselmotors vom Typ EA 189 obliegende Hinweis- und Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger als Endkunden zu sehen. Aufgrund der Arbeitsweise der Software und dem Sinn und Zweck der Regelungen zum Abgasausstoß habe die nicht fernliegende Gefahr eines behördlichen Einschreitens bestanden. Auf die damit verbundenen Gefahren, die bis zu einem Entzug der Betriebserlaubnis hätten führen können, habe die Beklagte den Endkunden hinweisen müssen, was unstreitig nicht geschehen sei. Das vermutete Vertretenmüssen habe die Beklagte, die sich das Verhalten ihrer Mitarbeiter nach § 278 BGB zurechnen lassen müsse, nicht widerlegt.
Durch den Abschluss des Kaufvertrages habe der Kläger einen Schaden erlitten. Er habe überzeugend angegeben, dass er bei Kenntnis des Umstands, dass das Fahrzeug möglicherweise von einer abgasrechtlichen Problematik betroffen sei, den Kaufvertrag nicht geschlossen hätte. Einzubeziehen seien die weiteren Umstände, dass das Kraftfahrtbundesamt eine Nachbesserung verlange, um die Zulassung nicht zu entziehen, und dass die erforderliche Nachbesserung in der breiten Öffentlichkeit sehr umstritten sei. In einer solchen Konstellation sei es nicht subjektiv willkürlich, den geschlossenen Vertrag als Schaden und hinsichtlich der konkreten Vermögensinteressen als nachteilig anzusehen. Der Schadensersatzanspruch des Klägers sei auf das negative Interesse gerichtet; er könne verlangen, so gestellt zu werden, als wäre nach einer entsprechenden Aufklärung durch die Beklagte der Kaufvertrag nicht geschlossen worden. Dies führe zur „Rückzahlung“ des vom Kläger gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an dem streitgegenständlichen Pkw auf die Beklagte.
Im Rahmen des Vorteilsausgleichs müsse sich der Kläger allerdings die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Das Fahrzeug habe zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Kilometerstand von 187.831 aufgewiesen. Unter Berücksichtigung der bei Dieselfahrzeugen zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km ergebe sich nach der Formel „Bruttokaufpreis mal gefahrene Kilometer geteilt durch Restlaufleistung bei Übernahme“ eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.345,95 €, mithin ein Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von 7.654,05 €.
Zinsen aus diesem Betrag könne der Kläger ab Rechtshängigkeit verlangen. Weitergehende Zinsen aus § 849 BGB stünden ihm nicht zu, weil weder die Entziehung noch die Beschädigung einer Sache vorliege. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten seien als adäquat verursachte Kosten der Rechtsverfolgung zuzusprechen.
Das erstinstanzliche Urteil ist dem Kläger am 05.07.2019 zugestellt worden, der Beklagten am 08.07.2015. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 05.08.2019, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 07.10.2019, eingegangen am selben Tage, begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum Ablauf dieses Tages verlängert worden war. Die Berufungsschrift der Beklagten ist am 30.07.2019 beim Oberlandesgericht eingegangen, ihre Berufungsbegründung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 08.10.2019.
Der Kläger führt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen aus, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft eine Anrechnung von Gebrauchsvorteilen vorgenommen und die beantragten deliktischen Zinsen nach § 849 BGB nicht zugesprochen.
Eine Anrechnung von Vorteilen habe nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu unterbleiben, wenn dies den Schädiger unbillig entlasten würde oder aus Sicht des Geschädigten unzumutbar wäre. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt, weil die Beklagte bei einer Anrechnung der gezogenen Nutzungen von ihrem Rechtsbruch profitieren würde und zwar umso stärker, je länger sie diesen geheim halte. Die Versagung der Vorteilsausgleichung würde auch nicht zu einer Überkompensation auf Seiten des Geschädigten führen. Aufgrund des Täuschungsverhaltens der Beklagten habe der Kläger das ihm in Form des Kaufpreises entzogene Kapital nicht nutzen können; er sei also schon prinzipiell nicht bereichert.
Die Inbetriebnahme des mit der Manipulationssoftware ausgerüsteten Fahrzeugs habe der eindeutigen Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO sowie den EU-Abgasvorgaben widersprochen. Die vom Kläger gezogenen Nutzungen seien damit illegal gewesen (§ 19 Abs. 5 StVZO). Die Beklagte dürfe die von ihr initiierte illegale Nutzung nicht gegen legale Schadensersatzansprüche ins Feld führen. Es wäre ein Widerspruch, wenn die Rechtsordnung einerseits die Nutzungen verbiete, andererseits aber dem dafür Verantwortlichen die illegale Nutzung im Wege der Anrechnung zugute kommen ließe. Der Abzug von Nutzungen sei den Nutzern der manipulierten Fahrzeuge auch nicht zumutbar. Aufgrund der Manipulationssoftware sei der Kläger bei der Benutzung des Fahrzeugs um ein Vielfaches zu hohen – giftigen – Stickoxid-Emissionen und damit der Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsschädigung ausgesetzt gewesen.
Die Ansprüche aus §§ 826, 249 BGB gegen den Hersteller und aus § 346 BGB gegen den Verkäufer seien ihrem Inhalt nach gleichartig; der auf das negative Interesse gerichtete deliktische Schadensersatzanspruch entspreche in seinen Wirkungen einer Rückabwicklung zwischen Schädiger und dem Geschädigten. Im Falle eines Rücktritts vom Kaufvertrag über einen Neuwagen sei aber anerkannt, dass dem Verkäufer ein Anspruch auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache nicht zustehe. Es wäre unbillig, wenn man dem Schädiger im Rahmen der Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß § 826 BGB einen Nutzungsersatz zubilligen würde. Gegen den Abzug von Nutzungen spreche auch die Wertung des § 993 Abs. 1 BGB. Danach brauche der redliche und unverklagte Besitzer gezogene Nutzungen nicht an den Eigentümer herauszugeben. Diese grundlegende Wertung sei wegen der vergleichbaren Interessenlage auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der redliche Gebrauch einer Sache solle den Besitzer nicht belasten. Schließlich stehe der vom Landgericht vorgenommenen Vorteilsausgleichung auch die Wertung der Arglisteinrede des § 853 BGB entgegen.
Die Unzulässigkeit der Anrechnung gezogener Nutzungen ergebe sich auch aus dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz. Dieser Grundsatz gebiete es, öffentlichrechtliche Sanktionen durch die individuelle Rechtsdurchsetzung vor den Zivilgerichten zu ergänzen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folge aus dem Gemeinschaftsrecht, dass derjenige, der infolge einer Verletzung einer Verordnungsbestimmung einen Schaden erleide, soweit er in einem Interesse verletzt sei, dessen Schutz das Gemeinschaftsrecht bezwecke, die Möglichkeit haben müsse, die Durchsetzung dieser Bestimmung im Zivilrechtsweg zu erzwingen. Die Anrechnung von Nutzungen halte den Geschädigten von der Geltendmachung seiner Rechte ab.
Selbst wenn man zu Unrecht einen Abzug für die gefahrenen Kilometer vornehmen wolle, dürfe dabei jedenfalls nicht der gesamte Nutzungszeitraum maßgeblich sein. Die Nutzung vor dem Zeitpunkt, in dem die Verbraucher gewusst hätten, dass ihr Fahrzeug betroffen sei, könne nicht in Ansatz gebracht werden, weil es sich dabei um aufgedrängte und damit unzumutbare Nutzungen gehandelt habe. Das gleiche müsse für Nutzungen nach der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gelten.
Jedenfalls aber wären die Nutzungen des Klägers nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung des Fahrzeugs zu berechnen und zwar durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebrauch und der Gesamtnutzungsdauer unter Berücksichtigung des Werts des Fahrzeugs. Bei der Berechnung des Wertverzehrs dürfe nicht der Kaufpreis zugrunde gelegt werden, der den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs wegen der fehlenden uneingeschränkten Zulassungsfähigkeit nicht zutreffend abbilde. Der mangelbedingte Minderwert müsse bei der Berechnung des Werts der Nutzungen berücksichtigt werden. Der Wertverzehr müsse auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km berechnet werden; denn eine solche Laufleistung könne bei den grundsätzlich langlebigen Fahrzeugen der Beklagten und ihrer Tochtergesellschaften erwartet werden.
Falls das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die vom Kläger gezogenen Nutzungen zu berücksichtigen seien, müsse dies auch für die von der Beklagten gezogenen Nutzungen gelten. Diese habe mithilfe des Kapitals, das ihr infolge des schädigenden Ereignisses zugeflossen sei, erhebliche Erträge erzielt. Dem Institut des Vorteilsausgleichs liege der Gedanke zugrunde, einen gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen des Schädigers und des Geschädigten herbeizuführen. Dieses Ergebnis folge auch aus dem Rechtsgedanken des § 346 BGB, wonach die von den Parteien gezogenen Nutzungen zu saldieren seien. Der gezahlte Kaufpreis sei im Wege des Nutzungsersatzes als Kapitalnutzung gemäß § 346 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 100 BGB vom Verkäufer zu verzinsen. Die von der Beklagten gezogenen Nutzungen seien in Höhe der Kapitalrendite („Return on Investment“) auf der Grundlage des vom Kläger gezahlten Nettokaufpreises abzüglich der Händlermarge anzusetzen. Hinsichtlich der Höhe der Händlermarge treffe die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast.
Hinsichtlich der beantragten deliktischen Zinsen habe das Landgericht die Klage zu Unrecht und ohne Begründung abgewiesen. Das Landgericht habe die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12.06.2018 (Az.: KZR 56/16) angewendeten Maßstäbe verkannt, wonach ein „Entziehen“ von Geld schon bei der Zahlung eines aufgrund von Kartellabsprachen erhöhten Preises vorliegt. Der Preisabsprache liege jedenfalls kein größeres Unrecht zugrunde als einer Kaufpreiszahlung aufgrund eines Kaufvertrages, der gänzlich mit Mitteln der Täuschung bewirkt worden sei. Hinzu komme, dass das Landgericht die Nutzungen bereits als Vorteilsausgleich vom Schadensersatzanspruch des Klägers in Abzug gebracht habe. Es könne dann nicht, ohne sich widersprüchlich zu verhalten, im Rahmen des § 849 BGB die vom Kläger gezogenen Nutzungen als Grund dafür heranziehen, die deliktischen Zinsen entfallen zu lassen.
Der Kläger beantragt,
1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent per annum seit dem 27.10.2012 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkws Skoda Oktavia 2.0 l mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer …01 zu zahlen.
2.Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100,51 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen sowie auf ihre eigene Berufung hin das am 02.07.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Traunstein, Az.: 5 O 3544/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung der gestellten Anträge führt die Beklagte aus, das Landgericht habe zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte bejaht. Dem Kläger sei kein ersatzfähiger Schaden entstanden.
Der Vertragsschluss sei für ihn nicht wirtschaftlich nachteilig, weil das Fahrzeug infolge des Bekanntwerdens der Software keinen Wertverlust erlitten habe. Die EG-Typgenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp sei weiterhin wirksam. Das Kraftfahrtbundesamt habe die EG-Typgenehmigung nicht nach § 25 Abs. 3 EG-FGV aufgehoben, sondern von der Ermächtigungsgrundlage des § 25 Abs. 2 EG-FGV Gebrauch gemacht und mit Bescheid vom 15.10.2015 den von der Beklagten vorgelegten Zeit- und Maßnahmenplan im Wege einer nachträglichen Nebenbestimmung zur EG-Typgenehmigung für verbindlich erklärt. Die für das streitgegenständliche Fahrzeug zuständige Vehicle Approval Authority (VCA) habe den ihr vorgelegten Maßnahmenplan für eine freiwillige Serviceaktion genehmigt. Im Gegensatz zum Kraftfahrtbundesamt habe sie noch nicht einmal eine nachträgliche Anordnung zur EG-Typgenehmigung erlassen. Daraus folge, dass die zuständige Behörde eine Aufhebung der EG-Typgenehmigung nicht beabsichtigt habe. Die Ausführungen des Landgerichts zu den Feststellungen des Kraftfahrtbundesamts seien deshalb für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevant.
Ein rechnerisches Minus lasse sich auch nicht durch ein vermeintliches „Stilllegungsrisiko“ für das Fahrzeug begründen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehe ein solches Risiko ohnehin nicht mehr, weil der Kläger das Update bereits habe aufspielen lassen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe das „Stilllegungsrisiko“ allenfalls eine Vermögensgefährdung begründet. Dies genüge aber zur Begründung eines Vermögensschadens im Rahmen des § 249 Abs. 1 BGB nicht.
Der Vertragsschluss sei auch nicht subjektiv konkret nachteilig gewesen, weil das Fahrzeug für die Zwecke des Klägers uneingeschränkt brauchbar (gewesen) sei. Auf die Feststellung eines solchen Nachteils könne nicht verzichtet werden, weil sonst das Tatbestandsmerkmal „Schaden“ im Rahmen von § 826 BGB sinnentleert wäre. Denn die Tatsache, dass ein Vertragsschluss (im Nachhinein) „ungewollt“ sei, stelle nichts anderes als die Umschreibung der Kausalität zwischen schädigender Handlung und Vertragsschluss dar. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe es keine öffentliche Diskussion über NOx-Werte auf dem Prüfstand gegeben. Der Kläger habe sich deshalb hierzu überhaupt keine Gedanken gemacht. Jedenfalls dürfe rückblickend nicht unterstellt werden, dass NOx-Werte auf dem Prüfstand für die Kaufentscheidung des Klägers entscheidend gewesen seien. Es komme allein darauf an, ob der Vertragsschluss nach der Verkehrsanschauung und für die Vermögensinteressen des Klägers als unangemessen anzusehen sei. Das sei nicht der Fall. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei jederzeit ohne jegliche Einschränkung nutzbar gewesen.
Selbst wenn man einen ersatzfähigen Schaden zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses bejahen wollte, sei ein solcher jedenfalls aufgrund des durchgeführten Updates wieder entfallen. Das Update habe keine negativen Auswirkungen auf die Lebensdauer der dadurch berührten Bauteile, insbesondere des Dieselpartikelfilters und des Abgasrückführungssystems. Es wäre rechtsmissbräuchlich, wenn ein Käufer wegen einer angeblichen Schädigung Schadensersatz verlangen dürfte, obwohl sich die angebliche Schädigung durch ein einfaches Update vollständig ungeschehen machen ließe.
Der vermeintlich eingetretene Schaden sei jedenfalls nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst; denn er beruhe letztlich auf der vermeintlichen Verletzung der VO (EG) Nr. 715/2007 bzw. einer unterlassenen Aufklärung hierüber. Mit der angeblichen Verletzung dieser Norm könne aber keine Ersatzpflicht begründet werden, weil die Käufer als lediglich mittelbar Betroffene nicht dem Schutzzweck von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 unterfielen. Den Erwägungsgründen (1) bis (7) und (26) dieser Verordnung sei zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen, sondern der „Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung der Emissionen von Kraftfahrzeugen“ diene, insbesondere dem übergeordneten Ziel der Verbesserung der Luftqualität.
Rechtsfehlerhaft unterstelle das Landgericht zudem einen Kausalzusammenhang zwischen der bei Vertragsschluss unbekannten „Umschaltlogik“ und der Kaufentscheidung des Klägers. Dabei verkenne das Landgericht, dass der Kläger für die Kausalität vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet sei und weder die Grundsätze des Anscheinsbeweises noch Vermutungsregelungen Anwendung fänden. Der Anscheinsbeweis sei auf die Entscheidungsfindung des Klägers nicht anwendbar, weil es keine typische Ursache gebe, die regelmäßig zum Abschluss eines Fahrzeugkaufvertrags führe. Die für Fälle der Prospekthaftung entwickelte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gelte lediglich bei der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Die Beklagte habe nicht die Pflicht getroffen, den Kläger über das Abgasverhalten des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufzuklären.
Der Nachweis der Kausalität scheitere bereits an der Darlegung einer kausalen Täuschung des Klägers durch die Beklagte; denn zur Bejahung einer aktiven Täuschung bedürfe es eines kommunikativen Akts gegenüber dem Getäuschten. Auch eine konkludente Täuschung durch Inverkehrbringen scheide aus. Im Inverkehrbringen des Fahrzeugs liege insbesondere nicht die konkludente Erklärung, dass der Pkw den gesetzlichen Bestimmungen in jeglicher Hinsicht entspreche. Im Gegenteil sei anerkannt, dass im Anbieten eines Kaufgegenstands nicht die konkludente Erklärung liege, dass die Sache frei von Mängeln sei.
Das Verhalten des Klägers nach dem Vertragsschluss und dem Bekanntwerden der „EA 189- Thematik“ im September 2015 spreche gegen die Kausalität. Der Kläger habe das Fahrzeug über Jahre beschwerdefrei genutzt. Es habe den Anschein, als habe der Kläger zunächst an der „EA 189-Thematik“ und dem erforderlichen Update keinen Anstoß genommen. Erst als es im Jahre 2017 – unabhängig von der streitgegenständlichen Umschaltlogik – vermehrt zur Diskussion über Fahrverbote in einigen Innenstädten für Dieselfahrzeuge aller Hersteller gekommen sei, habe der Kläger nach einer Möglichkeit gesucht, den Kaufvertrag wirtschaftlich besonders vorteilhaft auf Basis einer linearen Nutzungsentschädigung rückabzuwickeln. Erst im November 2018 habe sich der Kläger an die Beklagte gewandt.
Eine Haftung der Beklagten scheide insbesondere auch deswegen aus, weil die Beklagte nicht die Herstellerin des streitgegenständlichen Pkws sei und der Kläger das Fahrzeug gebraucht gekauft habe. Die Annahme, bei Gebrauchtwagenkäufen würden Werbeaussagen des Herstellers die maßgebliche Rolle spielen, sei realitätsfern. Auch scheide eine Täuschung von Gebrauchtfahrzeugerwerbern durch das ursprüngliche Inverkehrbringen des Fahrzeugs aus. Dieses sei ausschließlich in den direkten Absatzmarkt erfolgt und ohnehin ohne jeden Erklärungswert gegenüber den Erwerbern der Fahrzeuge.
Der vom Landgericht bejahte Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3 BGB sei nicht gegeben. Einer Haftung der Beklagten nach diesen Vorschriften stehe bereits der vom Landgericht übersehene Umstand entgegen, dass die Verkäuferin des streitgegenständlichen Pkws dem Kläger nicht auf Schadensersatz hafte. Eine etwaige Haftung der Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss gehe nicht weiter als die Haftung der Verkäuferin selbst. Entgegen der Annahme des Landgerichts bestehe zwischen den Parteien kein Schuldverhältnis. Es sei nicht ersichtlich, wie die Beklagte, die das Fahrzeug weder hergestellt, noch die Übereinstimmungsbescheinigung für das Fahrzeug ausgestellt oder auch nur vom Vertragsschluss zwischen dem Kläger und der Verkäuferin Kenntnis gehabt habe, eine besondere Vertrauensstellung in Anspruch genommen oder den Abschluss des Kaufvertrages erheblich beeinflusst haben solle.
Auch die vom Landgericht getroffenen Nebenentscheidungen seien materiellrechtlich fehlerhaft. Das Landgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befunden habe. Abgesehen davon, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zustehe, habe er der Beklagten die Rücknahme des Fahrzeugs jedenfalls nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bejaht. Selbst wenn die Klage in der Hauptsache Erfolg hätte, wären die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten im konkreten Fall zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen. Aufgrund der umfassenden Presseberichterstattung sei die Rechtsansicht der Beklagten bekannt gewesen. Bei verständiger Betrachtung sei deshalb von vornherein nicht damit zu rechnen gewesen, dass die Beklagte durch einen eingeschalteten Rechtsanwalt zur freiwilligen Zahlung zu bewegen sein würde.
Bei der Bemessung des – von ihm zu Unrecht bejahten – Schadensersatzanspruchs habe das Landgericht zutreffend eine Vorteilsanrechnung vorgenommen. Dem Geschädigten dürften neben dem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen seien. Der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz gebiete nicht die vom Kläger begehrte Überkompensation, die auf eine nach schadensrechtlichen Grundsätzen unerwünschte Bereicherung des Klägers hinausliefe.
Die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Pkws habe das Landgericht in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Rechtsprechung mit 250.000 km festgesetzt. Eine „linear kilometeranteilige“ Berechnung des Nutzungsersatzes missachte aber die Besonderheiten des deliktischen Schadensrechts. Nach § 249 Abs. 1 BGB sei der aus Delikt zum Schadensersatz Berechtigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Folglich müsse ermittelt werden, wie der Kläger „heute“ stehen würde, wenn er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte. Die Annahme, dass der Kläger in Kenntnis der Umstände gänzlich vom Erwerb eines Fahrzeugs abgesehen hätte, wäre fernliegend. Im Falle des zu unterstellenden Erwerb eines Alternativfahrzeugs wäre das Vermögen des Klägers mit dem Wertverlust des Alternativfahrzeugs belastet gewesen. Dieser ersparte Wertverlust müsse bei der Berechnung des Schadens berücksichtigt werden. Dieser Auffassung habe sich im Grundsatz auch das Oberlandesgericht Frankfurt in seinem Hinweisbeschluss vom 25.09.2019 (Az.: 17 U 45/19) angeschlossen.
Ein Anspruch auf Deliktszinsen stehe dem Kläger nicht zu. Aus § 849 BGB ergebe sich, dass eine „automatische“ Verzinsung die Ausnahme darstelle und auf die dort geregelten Fälle der Entziehung oder Beschädigung einer Sache beschränkt bleiben müsse. Die Zahlung des Kaufpreises für ein mit der Umschaltlogik ausgestattetes Fahrzeug erfülle diese tatbestandlichen Voraussetzungen nicht. Der Verlust der Nutzbarkeit der Kaufpreissumme sei durch den Gebrauch des im Gegenzug erhaltenen gleichwertigen Fahrzeugs vollständig ausgeglichen worden. Aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergebe sich zudem, dass dieser zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in jedem Fall ein Fahrzeug habe erwerben wollen.
Hilfsweise berufe sich die Beklagte darauf, dass ein Zinsanspruch aus § 849 BGB jedenfalls deshalb ausgeschlossen sei, weil das Fahrzeug nicht direkt bei der Beklagten erworben worden sei. Die Anwendung der Vorschrift setze nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine unmittelbar bewirkte Entziehung voraus. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil keine Zahlung des Klägers an die Beklagte erfolgt sei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 07.10.2019 (Bl. 328/351 d.A.) und 28.10.2019 (Bl. 399/419 d.A.), die Schriftsätze der Beklagten vom 08.10.2019 (Bl. 353/395 d.A.) und 28.10.2019 (Bl. 420/448 d.A.) sowie das Protokoll vom 12.11.2019 (Bl. 450/455 d.A.), jeweils mit den zugehörigen Anlagen, verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur in geringem Umfang begründet, während die zulässige Berufung des Klägers in der Sache keinen Erfolg hat.
Der dem Kläger zuzusprechende Schadensersatz reduziert sich unter Berücksichtigung der seit dem Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz gefahrenen weiteren Kilometer auf 6.478,65 €. Zinsen aus diesem Betrag stehen ihm erst ab Rechtshängigkeit zu. Entgegen der Ansicht des Landgerichts befindet sich die Beklagte auch nicht mit der Annahme des Angebots auf Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug, weil der Kläger die Übereignung von der Zahlung eines ihm der Höhe nach nicht zustehenden Betrages abhängig gemacht hat.
1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts besteht zwischen den Parteien kein Schuldverhältnis im Sinne von § 311 Abs. 2 und 3 BGB. Unstreitig hat der Kläger den streitgegenständlichen Pkw nicht von der Beklagten, sondern von der Autohaus F. GmbH & Co. KG erworben. Er hat auch nicht dargelegt, dass die Beklagte in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen (vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 311 Rn. 63) und dadurch den Gang der Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat. Das Vertrauen, das der Kläger nach seinen Angaben vor dem Landgericht am 17.05.2019 „den Marken Skoda und VW“ entgegengebracht hat (vgl. Protokoll, S. 2 = Bl. 292 d.A.) reicht zur Begründung des von § 311 Abs. 3 BGB geforderten besonderen Vertrauens in die Person eines von seinem Vertragspartner verschiedenen Dritten nicht aus.
2. Dem Kläger steht aber ein deliktischer Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu, kraft dessen er von der Beklagten verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob er den streitgegenständlichen Pkw nicht erworben hätte (§ 249 Abs. 1 BGB).
a) Das Inverkehrbringen eines Motors, der mit der im Tatbestand des angefochtenen Urteils näher beschriebenen Umschaltlogik ausgerüstet und zum Einbau in ein Kraftfahrzeug bestimmt ist, welches wiederum bestimmungsgemäß an Dritte weiterverkauft werden soll, stellt eine konkludente Täuschung des jeweiligen Käufers des Fahrzeugs durch die Beklagte dar (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 21 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 22 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 44 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19, Rn. 4 ff.; sämtl. Entscheidungen, falls nicht anders angegeben, zit. nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 33 ff.).
aa) Mit dem Inverkehrbringen eines derartigen Motors hat die Beklagte konkludent zum Ausdruck gebracht, dass ein damit Motor ausgerüstetes Kraftfahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf.
Der Hersteller eines Kraftfahrzeugs hat die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt als zuständige Behörde (§ 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; im Folgenden: EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das Kraftfahrtbundesamt nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge entweder gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen bzw. zurücknehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Anordnung einer Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
Vor diesem Hintergrund kann der Käufer eines Kraftfahrzeugs nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass nicht deren nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser Käufererwartung ist dem Inverkehrbringen eines Motors der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge, in denen dieser Motor eingebaut wird, vorliegen.
bb) Die in dem streitgegenständlichen Pkw installierte Motorsteuerungssoftware enthielt bis zum Aufspielen des Software-Updates – nach Angaben des Klägers im Februar 2019 (vgl. Protokoll vom 17.05.2019, S. 2 = Bl. 292 d.A.) – eine Umschaltlogik, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der VO [EG] Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (Abl. 2007 L 171; im Folgenden: VO [EG] Nr. 715/2007) zu qualifizieren ist (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, Rn. 5 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 27; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 25 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 45; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 35).
Aufgrund dieser unzulässigen Abschalteinrichtung erfüllte der streitgegenständliche Pkw im maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger entgegen der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs abgegebenen konkludenten Erklärung der Beklagten nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung mit der Folge, dass zumindest die abstrakte Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestand.
cc) Das Inverkehrbringen von Fahrzeugen, deren Motor mit einer nicht offen gelegten unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, stellt eine konkludente Täuschung nicht nur der jeweiligen Ersterwerber, sondern auch solcher Käufer dar, die das Fahrzeug – wie der Kläger – gebraucht von einem Dritten erworben haben. Der Beklagten war nach allgemeiner Lebenserfahrung bewusst, dass zumindest ein erheblicher Teil der so ausgerüsteten Neufahrzeuge später als Gebrauchtwagen unverändert weiterveräußert würden.
b) Die konkludente Täuschung des Klägers darüber, dass der streitgegenständliche Pkw infolge der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung erfüllte, war auch sittenwidrig.
aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, Rn. 16, WM 2016, 1975). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, welche die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH a.a.O.); eine arglistige Täuschung stellt regelmäßig zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten dar (BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, Rn. 13, BGHZ 161, 361, 366).
bb) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu werten (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 42 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 45 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.07.2019 – 16 U 199/18, Rn. 5 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 48 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.09.2019 – 17 U 45/19, Rn. 4 ff.).
Die Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten ergibt sich insbesondere aus den daraus resultierenden Folgen. Den Käufern drohte jedenfalls vor dem Aufspielen des – als Angebot zur Schadenswiedergutmachung zu wertenden – Software-Updates ein erheblicher Schaden in Form einer Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs durch die Zulassungsbehörde. Das Bestehen dieses Risikos hat die Beklagte den Käufern der betroffenen Fahrzeuge durch Verheimlichen der Funktionsweise der Umschaltlogik arglistig verschwiegen. Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt nach der Lebenserfahrung allein das Streben nach einer Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Durch die vorausgegangene Täuschung der Genehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte außerdem bei Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlichrechtlichen Genehmigungsverfahrens und in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht.
c) Der Schaden ist in dem Abschluss des Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug zu sehen, den der Kläger nach seiner glaubhaften Darstellung in Kenntnis des Vorhandenseins der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht geschlossen hätte.
aa) Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Ansatz subjektbezogen. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 18, NJW-RR 2015, 275; Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, Rn. 16, BGHZ 161, 361).
Im Falle einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Bereits eine solche Verpflichtung stellt unter den eingangs dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 19 m.w.N.). Insoweit bewirkt die Norm nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, Rn. 17 unter Verweis auf Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 385).
bb) Wegen des subjektbezogenen Schadensbegriffs kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entscheidend darauf an, ob der streitgegenständliche Pkw im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung objektiv einen geringeren Marktwert hatte oder seine tatsächliche Nutzbarkeit eingeschränkt war. Die Beklagte kann auch nicht einwenden, dass der Vertragsschluss für den Kläger deshalb nicht subjektiv konkret nachteilig gewesen wäre, weil das Fahrzeug für seine Zwecke uneingeschränkt brauchbar gewesen sei. In diesem Zusammenhang verkennt die Beklagte zunächst, dass es nicht ihr obliegt, die vom Käufer mit dem Erwerb des Fahrzeugs verfolgten Zwecke zu definieren.
Unabhängig davon kann im Hinblick auf die vor Aufspielen des Software-Updates zumindest abstrakt bestehende Gefahr eines Entzugs der EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt und einer hierauf gestützten Stilllegung des Fahrzeugs keine Rede davon sein, dass der streitgegenständliche Pkw für die Zwecke des Klägers uneingeschränkt geeignet war. Entgegen der Ansicht der Beklagten begründet das Stilllegungsrisiko auch nicht lediglich eine Vermögensgefährdung. Denn der Schaden des Klägers besteht nicht in dem Risiko der Stilllegung als solchem, sondern in der ungewollten Verpflichtung, die der Kläger mit Erwerb eines mit diesem ihm verheimlichten Risiko behafteten Pkws eingegangen ist.
Aus diesem Grunde kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass das Stilllegungsrisiko jedenfalls mit dem Aufspielen des Software-Updates entfallen ist. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, kommt es in den Fällen, in denen der Geschädigte eine Verletzung seiner von § 826 BGB geschützten wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geltend macht, auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Später eingetretene Umstände können nicht ungeschehen machen, dass der Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw nur infolge einer vorsätzlichen sittenwidrigen Täuschung des Klägers durch die Beklagte zustande gekommen war.
Mit dem Aufspielenlassen des von der Beklagten angebotenen Software-Updates hat der Kläger auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass der streitgegenständliche Pkw nach dieser Maßnahme in jeder Hinsicht seinen berechtigten Erwartungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspreche. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte mit Bescheid vom 14.10.2015 verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Dieselmotor vom Typ EA 189 „die unzulässige Abschalteinrichtung“ zu entfernen. Bei dieser Sachlage musste der Kläger das Update aufspielen lassen, um die Zulässigkeit der weiteren Nutzung seines Fahrzeugs nicht zu gefährden.
cc) Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Braunschweig (vgl. hierzu Urteil vom 19.02.2019 – 7 U 134/17, Rn. 186 ff., zit. nach juris) ist der klägerseits geltend gemachte Schaden auch vom Schutzzweck des § 826 BGB gedeckt.
Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung gilt allgemein, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen. Auf eine derartige Eingrenzung der Haftung kann, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden. Ein Verhalten kann hinsichtlich der Herbeiführung bestimmter Schäden oder der Schädigung bestimmter Personen als sittlich anstößig zu werten sein, während ihm diese Qualifikation hinsichtlich anderer, ebenfalls adäquat verursachter Schadensfolgen nicht zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.1985 – II ZR 108/84, BGHZ 96, 231, 236; Urteil vom 03.03.2008 – II ZR 310/06, Rn. 17 m.w.N.).
Das Oberlandesgericht Braunschweig begründet seine Auffassung, dass die im Zusammenhang mit dem Gefahrenbereich „Übereinstimmungsbescheinigung“ stehenden Schäden aus der Haftung nach § 826 BGB herauszunehmen seien, damit, dass den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen des europäischen und nationalen Rechts, insbesondere § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FVG, keine individualschützende Wirkung zukomme (Urteil vom 19.02.2019 – 7 U 134/17, Rn. 186 ff., Rn. 141 ff.). Diese Argumentation verkennt, dass die Haftung der Beklagten aus § 826 BGB nicht an die Verletzung einer Individualrechtsschutz gewährenden Rechtsnorm, sondern an die mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundene konkludente Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typengenehmigungsvoraussetzungen anknüpft. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von erheblicher Bedeutung, weil er über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird. Schutzgut des § 826 BGB ist in Fällen wie dem vorliegenden – wie unter lit. aa näher dargelegt – auch die der allgemeinen Handlungsfreiheit unterfallende wirtschaftliche Dispositionsfreiheit (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, Rn. 17 m.w.N., BGHZ 161, 361).
dd) Die vom Landgericht getroffene Feststellung, dass die der Beklagten zur Last liegende sittenwidrige Täuschungshandlung für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkws durch den Kläger kausal gewesen ist, beruht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage.
Der Kläger hat bei seiner informatorischen Anhörung vor dem Landgericht auf Frage des Gerichts angegeben, dass er in Kenntnis der bestehenden Abgasproblematik „das konkrete Auto wohl eher nicht gekauft“ und sich doch möglicherweise für einen „Benziner“ entschieden hätte (Protokoll vom 17.05.2019, S. 3 = Bl. 123 d.A.). Die zurückhaltende Formulierung des Klägers ist ersichtlich dem Umstand geschuldet, dass er sich zu einer hypothetischen Fragestellung äußern sollte. Zuvor hatte er auf entsprechende Frage des Gerichts angegeben, dass er sich im Rahmen seiner Kaufentscheidung über den Schadstoffausstoß Gedanken gemacht habe, für ihn im Jahre 2012 aber die Sparsamkeit des Pkws vordringlich gewesen sei (a.a.O., S. 2 = Bl. 292 d.A.).
Die Anforderungen an den vom Geschädigten zu führenden Kausalitätsnachweis dürfen nicht überspannt werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Verletzung von (vor-)vertraglichen Aufklärungspflichten angenommene Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens uneingeschränkt auf eine Haftung aus unerlaubter Handlung übertragen werden kann. Es entspricht jedenfalls der allgemeinen Lebenserfahrung, dass niemand zum gewöhnlichen Gebrauch ein Kraftfahrzeug kauft, von dem er weiß, dass es im Zeitpunkt des Erwerbs die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht erfüllt, und bei dem zumindest die abstrakte Gefahr besteht, dass das Kraftfahrtbundesamt die in Unkenntnis dieses Umstands erteilte EG-Typgenehmigung zurücknimmt oder widerruft.
d) Die auf Seiten der Beklagten für den Einsatz der die Abgaswerte manipulierenden Motorsteuerungssoftware verantwortlichen Personen haben vorsätzlich gehandelt.
Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, Rn. 25 m.w.N.). Es genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Urteil der Sittenwidrigkeit begründen (BGH, Urteil vom 13.09.2004 – II ZR 276/02, Rn. 36).
Die unzulässige Abschalteinrichtung bezweckte eine gezielte Täuschung des Kraftfahrtbundesamts, um die erforderliche EG-Typgenehmigung für die mit dem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgerüsteten Fahrzeuge zu erlangen, obwohl im normalen Fahrbetrieb die maßgeblichen Grenzwerte für die Emission von Stickoxiden überschritten wurden. Die Verantwortlichen wussten, dass die Genehmigungsbehörde bei Kenntnis der Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware die EG-Typgenehmigung nicht erteilt hätte, weil die Fahrzeuge die hierfür erforderlichen materiellen Voraussetzungen nicht erfüllten. Nach allgemeiner Lebenserfahrung schlossen sie zumindest die Möglichkeit nicht aus, dass die unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt werden könnte. Sie nahmen billigend in Kauf, dass in diesem Fall die ahnungslosen Käufer der Fahrzeuge der Gefahr ausgesetzt sein würden, dass das Kraftfahrtbundesamt die erteilte EG-Typgenehmigung zurücknimmt und den Betrieb der betroffenen Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen untersagt. Den Verantwortlichen war auch bewusst, dass kein vernünftiger Käufer in Kenntnis dieses bewusst verheimlichten Risikos ein derartiges Fahrzeug erwerben würde und die betroffenen Fahrzeuge nach Bekanntwerden der Manipulation einen erheblichen Wertverlust erleiden würden.
e) Das klägerische Vorbringen zur Verwirklichung des Haftungstatbestands durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB ist gemäß § 138 Abs. 2 und 3 ZPO als zugestanden anzusehen, weil die Beklagte insoweit der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist.
Die deliktische Haftung einer juristischen Person gemäß § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinn des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15, Rn. 13, 23, 25 f.).
In Bezug auf diese haftungsbegründende Voraussetzung trifft die Beklagte aber eine sekundäre Darlegungslast, weil der Kläger den Sachverhalt nicht ermitteln kann, während der Beklagten die erforderliche tatsächliche Aufklärung möglich und zumutbar ist (im Ergebnis ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 79 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 75 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.07.2019 – 16 U 199/18, Rn. 10 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 71 ff.).
3. Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen, obwohl der Kläger in der Klageschrift in diesem Zusammenhang auf die gegen Führungskräfte der Beklagten geführten Ermittlungen hingewiesen hatte. Zudem besteht angesichts der wirtschaftlichen und rechtlichen Tragweite der Entscheidung für den Einsatz der beanstandeten Motorsteuerungssoftware eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Vorstandsmitglied oder sonstiger Repräsentant deren Verwendung gebilligt hat. Ein „Verhaltensexzess eines untergeordneten Mitarbeiters“, der den Vorstand ebenfalls getäuscht haben müsste, wäre nach der Lebenserfahrung höchst unwahrscheinlich (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18, BeckRS 2019, 3395). Der erstattungsfähige Schaden des Klägers beläuft sich in der Hauptsache unter Berücksichtigung des gebotenen Vorteilsausgleichs auf 6.478,65 €.
a) Der Ersatzanspruch aus § 826 BGB ist auf das negative Interesse gerichtet. Wenn der Geschädigte – wie im vorliegenden Fall der Kläger – durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrages veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Vertrages zu. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht getäuscht worden wäre. Der Kläger kann deshalb grundsätzlich Ersatz des für den Erwerb des Fahrzeugs aufgewendeten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übertragung des in Vollziehung des Kaufvertrages erlangten Eigentums am Fahrzeug auf die Beklagte verlangen (vgl. BGH, Urteile vom 19.07.2004 – II ZR 217/03 und II ZR 402/02; Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 28; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19 OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, KG, Urteil vom 26.09.2019 – 4 U 77/18, Rn. 122; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.09.2019 – 17 U 45/19, Rn. 36).
b) Entgegen seiner Ansicht muss sich der Kläger allerdings auf seinen Schadensersatzanspruch im Wege des Vorteilsausgleichs den Wert der von ihm tatsächlich gezogenen Nutzungen des Kraftfahrzeugs anrechnen lassen.
aa) Es stellt einen anerkannten Grundsatz des Schadensrechts dar, dass der Geschädigte nicht besser gestellt werden darf, als er ohne das schädigende Ereignis stünde, dass ihm also neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2015 – XI ZR 536/14, Rn. 22, NJW 2015, 3160).
Im Wege der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten diejenigen Vorteile anzurechnen, die ihm die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Die vorteilhaften Umstände müssen mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen. Zu berücksichtigen ist ferner, ob eine Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder der Gläubiger unzumutbar belastet noch der Schädiger unbillig entlastet wird (BGH, Urteil vom 18.10.2018 – III ZR 497/16, Rn. 17 m.w.N.).
bb) Der Schaden des Klägers ist im Abschluss des Kaufvertrags über den streitgegenständlichen Pkw zu sehen, den er in Kenntnis des Vorhandenseins der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht geschlossen hätte. Andererseits hat der Erwerb des Pkws dem Kläger die Möglichkeit verschafft, das Fahrzeug zu nutzen. Die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger stellt deshalb einen Gebrauchsvorteil (§ 100 BGB) dar, der durch den täuschungsbedingten Erwerb des Pkws adäquat kausal verursacht worden ist und mit diesem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang steht. Da der Kläger im Wege der Naturalrestitution so zu stellen ist, als ob er den Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw nicht abgeschlossen hätte, wäre es in sich widersprüchlich, ihm neben der Schadensersatzleistung die Gebrauchsvorteile zu belassen, die er aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen hat.
Eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass die mit dem schädigenden Ereignis in einem adäquaten und qualifizierten Zusammenhang stehenden Vorteile auf den Schadensersatzanspruch des Geschädigten anzurechnen sind, bedarf stets einer besonderen Rechtfertigung unter Wertungsgesichtspunkten. Die Beklagte als Schädigerin wird durch den Vorteilsausgleich nicht unbillig entlastet.
(1) Entgegen der Ansicht des Klägers widerspricht der Vorteilsausgleich nicht dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, für Verstöße gegen das europäische Typgenehmigungsrecht wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festzulegen, ist für die Frage, ob sich der Kläger die gezogenen Nutzungen im Wege des Vorteilsausgleichs auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen muss, ohne Relevanz. Es fehlt bereits an der vom Kläger selbst angeführten Voraussetzung, dass er durch die Verletzung einer europarechtlichen Bestimmung in einem Interesse verletzt ist, dessen Schutz das Gemeinschaftsrecht bezweckt. Die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 dient, wie den Erwägungsgründen (1) bis (7) und (26) zu entnehmen ist, nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen, sondern der „Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung der Emissionen von Kraftfahrzeugen“, insbesondere also dem Ziel der Verbesserung der Luftqualität.
(2) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte im Falle des Vorteilsausgleichs unbillig entlastet würde, weil rechtswidrige oder objektiv unzumutbare Nutzungen nicht berücksichtigt werden dürften. Die zuständigen Behörden hatten dem Kläger die Nutzung des streitggegenständlichen Pkws zu keinem Zeitpunkt untersagt. Durch die weitere Nutzung des Fahrzeugs hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er dessen Nutzung – auch in Kenntnis des Umstands, dass dieser von den Abgasmanipulationen betroffen ist – gerade nicht für unzumutbar hält. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die erteilte EG-Typgenehmigung weder erloschen, noch vom Kraftfahrtbundesamt zurückgenommen oder widerrufen worden. Unabhängig davon wären die vom Kläger gezogenen tatsächlichen Nutzungen nicht bereits aus diesem Grund als wertlos anzusehen.
(3) Mit seiner rechtspolitisch motivierten Argumentation, dass die Beklagte nicht von ihrem geheim gehaltenen Rechtsbruch profitieren dürfe, kann der Kläger die Unbilligkeit eines Vorteilsausgleichs wegen der von ihm tatsächlich gezogener Nutzungen nicht begründen. Das deutsche Zivilrecht gewährt demjenigen, der durch eine unerlaubte Handlung geschädigt worden ist, nur einen Anspruch auf Ausgleich des ihm zugefügten Schadens (§§ 249 ff. BGB). Ein „Strafschadensersatz“, der rechtswidriges Verhalten sanktionieren und abschreckend wirken soll, wie ihn beispielsweise das USamerikanische Recht kennt, ist dem deutschen Zivilrecht fremd vgl. BGH, Urteil vom 04.06.1992 – IX ZR 149/91, Rn. 72 ff.). Schuldangemessene Bestrafung und Prävention sind Ziele des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, nicht aber des Schadensersatzrechts. Durch die einschlägigen Strafgesetze ist auch den europarechtlichen Regelungen Genüge getan, die dem nationalen Gesetzgeber auferlegen, für Verstöße wirksame Sanktionen zu verhängen (ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019 – 12 U 61/19).
(4) Von der Beklagten gezogene Nutzungen sind bei der Bemessung des Vorteilsausgleichs schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte an dem vom Kläger gezahlten Kaufpreis partizipiert hat. Der Kläger hat den streitgegenständlichen Pkw nach den Feststellungen des Landgerichts von der Autohaus F. GmbH & Co. KG gekauft; dieser ist ausweislich des als Teil des Anlagenkonvoluts K 1 vorgelegten Quittungsbelegs auch der Kaufpreis zugeflossen.
(5) Das Argument, dass der Kläger bei der Benutzung des streitgegenständlichen Pkws zu hohen Stickoxid-Emissionen und damit der Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsbeschädigung ausgesetzt gewesen sei, rechtfertigt ein Absehen vom Vorteilsausgleich nicht. Selbst wenn die Darstellung des Klägers zutreffend wäre und er den ihm obliegenden Kausalitätsnachweis führen könnte, würde es sich nicht um eine bei der Bemessung des ihm entstandenen Vermögensschadens zu berücksichtigende Position handeln, sondern um eine eigenständige Rechtsgutsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB.
bb) Die Nutzungsentschädigung ermittelt der Senat im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) nach der Formel „Bruttokaufpreis mal tatsächlich gefahrene Kilometer dividiert durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs“ (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2161; ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 79 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 75 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.07.2019 – 16 U 199/18, Rn. 10 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 71 ff.).
(1) Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Vorteilsausgleich nicht unter Berücksichtigung eines merkantilen Minderwerts des Fahrzeugs, sondern auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises zu ermitteln. Anderseits ist aber kein rechtfertigender Grund dafür ersichtlich, den Käufer mit dem den Eigentümer treffenden überproportionalen Wertverlust eines Kraftfahrzeugs zu Beginn der Nutzung zu belasten.
Da der Schadensersatzanspruch auf Befreiung von dem geschlossenen Kaufvertrag über das Fahrzeug gerichtet ist, erscheint es vielmehr sachgerecht, die Nutzungsentschädigung nach der eingangs wiedergegebenen Formel zu berechnen.
Denn nach der Vorstellung der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war der vereinbarte Kaufpreis dem Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs äquivalent. Da es sich bei einem Kraftfahrzeug im Regelfall um einen Gebrauchsgegenstand handelt, wird dessen Wert in erster Linie durch die darin verkörperten Gebrauchsmöglichkeiten bestimmt. Die Formel setzt die vom Käufer tatsächlich gezogenen Nutzungen in Relation zu der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erwartenden Gesamt- bzw. Restnutzung des Fahrzeugs.
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass infolge der unzulässigen Abschalteinrichtung die tatsächliche Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Pkws als Verkehrsmittel eingeschränkt gewesen sei. Das erscheint auch fernliegend, weil sich die der Beklagten zur Last liegende Manipulation ausschließlich auf die Effektivität der Abgasreinigung ausgewirkt hat. Der Kläger behauptet auch nicht, dass sich das Aufspielen des Updates nachteilig auf die Nutzung des Fahrzeugs ausgewirkt hätte (vgl. Protokoll vom 17.05.2019, S. 2 = Bl. 292 d.A.).
(2) Mangels Vorliegens besonderer Umstände legt der Senat bei Personenkraftwagen mit Dieselmotor von der Art des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km zugrunde. Dies beruht auf der Erwägung, dass der Gesamtgebrauchswert eines Pkws nicht allein durch die Gesamtlaufleistung des Motors bestimmt, sondern auch durch den zu erwartenden Verschleiß der übrigen Bauteile begrenzt wird.
Aus den Kilometerständen im Zeitpunkt des Erwerbs am 24.10.2010 von 95.675 und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12.11.2019 von 197.378 ergibt sich, dass der Kläger im Jahr durchschnittlich ca. 11.300 km zurückgelegt hat. Eine Korrektur der angenommenen Gesamtlaufleistung von 250.000 km erscheint nicht veranlasst.
(3) Der Kaufpreis des streitgegenständlichen Fahrzeugs betrug 19.000 € (Anlage K 1). Angesichts eines Kilometerstands im Zeitpunkt des Erwerbs von 95.675 war von einer voraussichtlichen Restlaufleistung von 154.325 km auszugehen (250.000 km – 95.675 km). Zum Zeitpunkt des Berufungstermins betrug der Kilometerstand nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin 197.378 (Protokoll vom 12.11.2019, S. 2 = Bl. 451 d.A.). Der Kläger ist somit insgesamt 101.703 km gefahren (197.378 km – 95.675 km). Der angemessene Vorteilsausgleich beläuft sich im vorliegenden Fall folglich auf 12.521,35 €. Demzufolge verbleibt ein Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von 6.478,65 € (19.000 € – 12.521,35 €).
c) Diesen Betrag hat die Beklagte erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Klage ist der Beklagten am 10.01.2019 zugestellt worden. Nach dem Rechtsgedanken des § 187 Abs. 1 BGB ist Zinsbeginn der 11.01.2019.
Verzugszinsen hat das Landgericht dem Kläger im Ergebnis zu Recht – wenn auch ohne Begründung – mangels einer wirksamen Mahnung (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht zuerkannt. Mit Schreiben vom 21.11.2018 (Anlage K 20) hat der Kläger unter Fristsetzung auf den 28.11.2018 Schadensersatz in Höhe des vollen Kaufpreises geltend gemacht, auf den er keinen Anspruch hat. Die Forderung eines zu hohen Betrags stellt zwar eine wirksame Mahnung dar, wenn der Schuldner die Erklärung nach den Umständen des Falles als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist (Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 286 Rn. 20 m.w.N.). An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall aber bereits deshalb, weil der Kläger die mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer nicht mitgeteilt und es der Beklagten deshalb unmöglich gemacht hat, den tatsächlich geschuldeten Schadensersatz zu ermitteln.
4. Ein Anspruch aus § 849 BGB auf Zahlung von Deliktszinsen aus dem gezahlten Kaufpreis von 19.000 € für den Zeitraum vom 27.10.2012 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit steht dem Kläger, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, nicht zu.
aa) § 849 BGB billigt dem Geschädigten ohne Nachweis eines konkreten Schadens Zinsen als pauschalierten Schadensersatz für die entgangene Nutzung einer ihm durch den Schädiger entzogenen oder beschädigten Sache zu (vgl. Staudinger-Vieweg, BGB, 2015, § 849 Rn. 1). Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGHZ 87, 38, 41). Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut nicht auf die Fälle der Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird, sondern erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung wie beim Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. Sache im Sinne von § 849 BGB ist auch Geld (BGHZ 8, 288, 298). Dabei ist die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26.11.2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084).
Der Regelung des § 849 BGB kann aber kein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts entnommen werden, dass deliktische Schadensersatzansprüche stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen seien (BGH, Urteil vom 12.06.2018 – KZR 56/16, Rn. 45 m.w.N., zit. nach juris). Der Normzweck geht vielmehr dahin, den endgültig verbleibenden Verlust der Nutzbarkeit der weggegebenen Sache – als pauschalierten Mindestbetrag – auszugleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGH, NJW 1983, 1614 f.).
bb) Dem Kläger ist allerdings hinsichtlich des von ihm für den streitgegenständlichen Pkw gezahlten Kaufpreises kein Verlust an Nutzbarkeit entstanden. Dessen Verlust durch Hingabe an die Verkäuferin wurde nämlich dadurch kompensiert, dass der Kläger im Gegenzug Eigentum und Besitz am Fahrzeug mit der abstrakten Möglichkeit, dieses jederzeit nutzen zu können, erhalten hat (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 99, zit. nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 – 5 U 1218/18, BeckRS 2019, 20653 Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 137; a.A.: OLG Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019 – 5 U 47/19 -, BeckRS 2019, 23205 Rn. 41).
Unabhängig davon wäre der dem Kaufpreis entsprechende Betrag auch dann nicht im Vermögen des Klägers verblieben, wenn er in Kenntnis des Umstandes, dass der streitgegenständliche Pkw vom Abgasskandal betroffen war, vom Kauf Abstand genommen hätte. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass der Kläger in diesem Fall zum selben Preis ein anderes, vergleichbares Fahrzeug erworben und dadurch ebenfalls die mögliche Nutzung des als Kaufpreis hingegebenen Geldbetrages gegen die Nutzung des hierfür erworbenen Fahrzeugs eingetauscht hätte (vgl. hierzu OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 – 5 U 1218/18, BeckRS 2019, 20653, Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 139). Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von dem Sachverhalt, welcher dem klägerseits zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.06.2018 (Az.: KZR 56/16) zugrunde liegt: Einem Käufer, der aufgrund einer unzulässigen Kartellabsprache einen überhöhten Preis zahlt, wird der durch die Absprache bedingte Mehrbetrag im Sinne von § 849 BGB „entzogen“. Auf die Schwere des gegen den Schädiger erhobenen Vorwurfs kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Die Anwendung der Verzinsungsregelung des § 849 BGB auf den vorliegenden Fall würde zu einer dem Schadensersatzrecht fremden Überkompensation führen, da der Kläger in diesem Fall durch das schädigende Ereignis wirtschaftlich besser stünde als ohne dieses. Dies widerspräche dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 04.04.2014 – V ZR 275/12, Rn. 20 m.w.N.).
5. Dagegen hat das Landgericht dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zugebilligt.
Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen gehören auch die durch das Schadensereignis adäquat verursachten vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten, soweit diese aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2015 – IX ZR 197/14, Rn. 55, NJW 2015, 3447). Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall erfüllt: Die Rechtslage stellt sich nicht als so einfach dar, dass der Kläger seine Ansprüche ohne weiteres selbst hätte außergerichtlich geltend machen können. Entgegen der Ansicht des Landgerichts war die Beklagte auch nicht erkennbar zahlungsunwillig. Vielmehr war eine außergerichtliche Geltendmachung des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs bereits deshalb geboten, um der Gefahr zu begegnen, dass die Beklagte im Prozess die berechtigten Ansprüche des Klägers unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkennt.
6. Mit Erfolg wendet sich die Beklagte gegen die Feststellung des Landgerichts, dass sie sich mit der Annahme der Zug um Zug gegen Zahlung des verlangten Schadensersatzes angebotenen Übereignung des Fahrzeugs im Verzug befinde.
Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger dem Schuldner die Leistung so, wie sie geschuldet wird, anbietet (Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl, § 293 BGB, Rn. 9). Der Kläger hat jedoch mit seinem vorgenannten Schreiben vom 21.11.2018 (Anlage K 20) das Fahrzeug nur Zug um Zug gegen die Zahlung des vollen Kaufpreises in Höhe von 19.000 € angeboten. Der Kläger wäre ersichtlich nicht bereit gewesen, den zutreffend errechneten Zahlungsbetrag entgegenzunehmen, denn er vertritt auch im Prozess die Auffassung, eine Nutzungsentschädigung sei nicht abzuziehen.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10 ZPO, die Anordnung der Abwendungsbefugnis in § 711 ZPO.
3. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Der Senat weicht mit seiner Entscheidung vom Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 19.02.2019, Az. 7 U 134/17, ab, das in einem vergleichbaren Fall einen Schadensersatzanspruch des Käufers aus § 826 BGB verneint hat, weil der Schaden nicht vom Schutzzweck dieser Norm umfasst sei.
Außerdem weicht der Senat von den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16.09.2019, Az. 12 U 61/19, des Oberlandesgerichts Köln vom 17.07.2019, Az. 16 U 199/18, des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 02.10.2019, Az. 5 U 47/19 (BeckRS 2019, 23205), und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19.11.2019, Az. 17 U 146/19, ab, die in vergleichbaren Fällen einen Zinsanspruch des durch vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zum Vertragsschluss bestimmten Käufers aus § 849 BGB ab dem Zeitpunkt der Zahlung des Kaufpreises bejahen.
Verkündet am 12.11.2019

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