Aktenzeichen RO 4 K 19.1462
BayPAG Art. 54 Abs. 2 S. 2, Art. 62 Abs. 2 Nr. 3
Leitsatz
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Löschung personenbezogener Daten.
Mit Schreiben vom 2.6.2019 beantragte die Klägerin bei der Polizeidienststelle Weiden i. d. Oberpfalz die Löschung ihrer personenbezogenen Daten im Polizeicomputer und bat um Weiterleitung an die zuständige Stelle.
Die Ermittlungen ergaben, dass im Kriminalaktennachweis (KAN) vier Eintragungen enthalten sind.
Mit Bescheid vom 12.7.2019 lehnte das Bayerische Landeskriminalamt den Antrag auf Löschung gespeicherter personenbezogener Daten der Klägerin ab.
Zur Begründung wird vorgetragen:
– 5.9.2015 Unterschlagung (StGB § 246):
Die Klägerin sei im Verdacht gestanden, im Rahmen ihrer Tätigkeit als Pflegekraft Bargeld entgegengenommen zu haben, welche sie jedoch nicht ordnungsgemäß abgerechnet/abgeliefert habe. Das Verfahren sei durch die Staatsanwaltschaft Weiden i. d. OPf. mit Entscheidung vom 31.7.2017 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der polizeiliche Resttatverdacht sei aufgrund der Tatsache, dass kein Zeuge das Hinterlegen des einkassierten Geldes habe bestätigen können, unberührt geblieben. Eine Löschung sei daher abzulehnen.
– 12.3.2013 Führen oder Zulassen/Anordnen des Führens eines KFZ ohne Fahrerlaubnis/Halterduldung (StVG § 21), StVO:
Die Klägerin sei nach Abgabe ihres Führerscheins mit einem PKW in der Fußgängerzone gefahren. Das Amtsgericht Weiden i. d. OPf. habe sie mit Entscheidung vom 2.9.2013 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen in Höhe von 25,00 € verurteilt. Eine Löschung sei daher abzulehnen.
– 1.3.2008 Betrug zum Nachteil von Versicherungen (StGB § 263):
Der Mittäter der Klägerin habe einen Haftpflichtschaden gemeldet, welcher nie eingetreten gewesen sei. Das Amtsgericht Weiden i. d. OPf. habe das Verfahren mit Entscheidung vom 6.10.2009 gem. § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Aufgrund dieser Entscheidung und der Aussagen sei der Tatverdacht bestätigt worden. Eine Löschung sei daher abzulehnen.
– 1.3.2007 Unterschlagung (StGB § 246):
Die Klägerin habe als Pflegekraft von einem Patienten Bargeld und Gerätschaften in hohem Wert entgegengenommen, ohne diese trotz Aufforderung zurückzugeben. Die Staatsanwaltschaft Weiden i.d.OPf. habe das Verfahren mit Entscheidung vom 22.1.2019 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der polizeiliche Resttatverdacht bleibe aufgrund der Angaben des Geschädigten unberührt. Eine Löschung sei daher abzulehnen.
Am 3.11.2008 sei die Klägerin durch die Kriminalpolizeiinspektion Weiden i. d. OPf. erkennungsdienstlich behandelt worden. Die rechtlichen Voraussetzungen für die erkennungsdienstliche Behandlung lägen weiterhin vor; eine Löschung sei daher abzulehnen. Die Klägerin habe wiederholt Anlass zu polizeilichen Ermittlungen gegeben, insbesondere seien ihr in ihrer Tätigkeit als Pflegekraft zwei Unterschlagungen angelastet worden. Es sei nicht auszuschließen, dass die Klägerin weiterhin polizeilich in Erscheinung treten werde. Die Daten aus den erkennungsdienstlichen Behandlungen versetzten die Polizei in die Lage, die Klägerin schneller einem Tatverdächtigenkreis zuzuordnen oder sie aus einem solchen auch auszuschließen. Die Kenntnis hiervon könne die Klägerin davon abhalten, zukünftig weitere strafbare Handlungen zu verüben. Damit sei die Speicherung ein geeignetes Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung. Angesichts der mehrfachen und auch gerichtlich bestätigten Tatverdachte seien die Speicherungen im Kriminalaktennachweis angemessen. Die Klägerin habe keinen persönlichen Grund für die Löschung von Eintragungen angegeben. Damit könne davon ausgegangen werden, dass die Speicherung die Klägerin in ihrer persönlichen Lebensführung nicht unverhältnismäßig einschränke.
Das Bayerische Landeskriminalamt befürworte die Fortführung der Speicherung der noch vorhandenen Eintragungen im Kriminalaktennachweis als verhältnismäßige Maßnahme der Polizei. Andere Maßnahmen zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung würden einen höheren Rechtseingriff mit sich bringen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 12.8.2019 Klage und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Zur Begründung ist ausgeführt, seit Jahren werde sie immer wieder von der Polizei kontrolliert, gehäuft bei Fahrten in die Tschechische Republik nach der Grenze und kurz davor. Auch bei ganz normalen Fahrten im täglichen Leben werde sie von der Zivilpolizei aufgehalten und kontrolliert. Ihre Recherchen hätten ergeben, dass sie im Polizeicomputer gespeichert sei.
– Die ihr zu Last gelegte Unterschlagung habe sie zur Verhandlung am Amtsgericht Weiden gebracht. Das BRK habe das Geld an sie zurückgezahlt, weil sie unschuldig gewesen sei.
– Zu dem Vorwurf der Unterschlagung am 1.3.2007 sei zu sagen, dass ein älterer Herr ihr einen Body und einen alten Fernseher geschenkt habe. Der Herr habe sich durch diese Geschenke mehr von ihr erhofft. Da sie das abgelehnt habe, habe er sie angezeigt.
– Aufgrund von Punkten habe sie ihren Führerschein abgegeben. Am 12.3.2013 habe ein Bekannter sie in die Fußgängerzone gefahren und sie dann mit dem Auto stehen lassen. Sie habe das Auto nur ein paar Meter auf einen geeigneten Parkplatz stellen wollen.
– An den Vorfall am 1.3.2008 könne sie sich momentan nicht erinnern. Sie möchte gerne wissen, um welchen Mittäter es sich gehandelt habe.
– Sie könne nicht glauben, dass sie als Kriminelle eingestuft werde, darum möchte sie eine Löschung bzw. Klärung der Angelegenheit.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Landeskriminalamts vom 12.7.2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die über die Klägerin gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen sowie die erkennungsdienstlichen Unterlagen zu vernichten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Eine Löschung der zur Klägerin im Bayerischen Kriminalaktennachweis und in den Bayerischen Vorgangsakten gespeicherten Daten sei zum derzeitigen Zeitpunkt weiterhin abzulehnen. Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid werde verwiesen. Ergänzend sei festzustellen, dass in der Klagebegründung weiterhin keine nachvollziehbaren persönlichen Gründe angegeben seien, inwieweit die Speicherungen unverhältnismäßig hohe Einschränkungen in der persönlichen Lebensführung verursachten. Dem Rückschluss der Klägerin, die von ihr subjektiv empfundenen „vermehrten Fahrzeugkontrollen“ gründeten sich auf diese Speicherungen, müsse widersprochen werden (insbesondere in der Grenzregion zur tschechischen Republik bzw. beim grenzüberschreitenden Verkehr). Darüber hinaus bestätigten die vorgebrachten Begründungen der Klägerin zu den einzelnen Speicherungen den Resttatverdacht bzw. beschönigten lediglich das eigene Tatverhalten.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die vorliegende Behördenakte und die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die über sie in Kriminalaktennachweis gespeicherten personenbezogenen Daten gelöscht werden (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Die über die Klägerin in Kriminalaktennachweis gespeicherten Daten sind nicht wegen Ablauf der Löschungsfrist des Art. 54 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) zu löschen. Demgemäß beträgt bei Erwachsenen die Regelspeicherfrist 10 Jahre, in Fällen geringerer Bedeutung sind kürzere Fristen festzusetzen. Die Frist beginnt regelmäßig mit dem Ende des Jahres, in dem das letzte Ereignis erfasst worden ist, das zur Speicherung der Daten geführt hat.
Anhaltspunkte dafür, dass ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Nach der in Satz 2 genannten Mitziehklausel ist die letzte Speicherung für die Prüfungs- und Aufbewahrungsfrist aller vorher gespeicherten Daten maßgeblich, d. h. die Zehnjahresfrist beginnt mit dem Ende des Jahres 2015, da die letzte Speicherung aus diesem Jahr stammt und endet somit Ende 2025.
2. Die Klägerin kann den geltend gemachten Löschungsanspruch auch nicht auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG stützen. Demnach sind die personenbezogenen Daten unverzüglich zu löschen, wenn der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht entfallen ist.
Der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht entfällt, wenn kein Straftatbestand erfüllt ist, der Betroffene nicht als Täter in Frage kommt oder ein Rechtfertigungsgrund besteht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine Löschungspflicht nach Einstellung von Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO besteht nur dann, wenn die Einstellung explizit wegen erwiesener Unschuld erfolgt ist. In allen anderen Fällen kann weiterhin ein Restverdacht bestehen (BeckOK PolR Bayern/Aulehner PAG Art. 54 Rn. 28-33).
Die Einstellung der Verfahren wegen Unterschlagung erfolgte nicht wegen erwiesener Unschuld. Im streitgegenständlichen Bescheid ist in nicht zu beanstandender Weise der fortbestehende Restverdacht begründet worden. Anhaltspunkte dafür, dass die im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Unterschlagung am 03.11.2008 erfolgte erkennungsdienstliche Behandlung nicht den Voraussetzungen des § 81 b (2. Alt.) StPO entsprochen hätte, sind nicht ersichtlich. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren gegen die Klägerin noch nicht eingestellt.
Hinsichtlich des Fahrens ohne Führerschein liegt eine Verurteilung vor, die Täterschaft der Klägerin ist damit festgestellt.
3. Die Klägerin kann ihr Löschungsbegehren auch nicht auf Art. 62 Abs. 2 Nr. 3 PAG stützen. Nach dieser Vorschrift sind in Dateien suchfähige gespeicherte personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen und die zu dem Betroffenen geführten Akten zu vernichten, wenn bei der zu bestimmten Fristen oder Terminen vorzunehmenden Überprüfung oder aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist. Die Erforderlichkeit der Speicherung der über die Klägerin gespeicherten personenbezogenen Daten ist nicht entfallen. Der Umstand, dass hinsichtlich des Versicherungsbetrugs das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, ist nicht ausreichend, um die Erforderlichkeit der Datenspeicherung abzulehnen. Die Einstellung eines Verfahrens nach § 153 StPO führt gerade nicht automatisch dazu, dass auch ein Löschungsanspruch bestehen würde. Dieser ist vielmehr nur dann gegeben, wenn aufgrund der Einstellung auch der polizeiliche Restverdacht entfallen wäre, was hier, wie im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, nicht der Fall ist.
Dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe kann demnach nicht stattgegeben werden.