Europarecht

Antrag auf Zulassung der Berufung – Erteilung eines unbeschränkten Waffenscheins für Geld- und Werttransporte

Aktenzeichen  24 ZB 20.271

Datum:
21.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26776
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 28 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. § 28 Abs. 1 S. 1 WaffG lässt es nicht zu, dem Bewachungsunternehmer eine allgemeine Erlaubnis zu erteilen, die sich auf sein Unternehmen bezieht und es ihm überlässt zu entscheiden, ob bei einem konkreten Auftrag die Schusswaffe geführt werden soll, weil nach seiner Einschätzung das zu sichernde Objekt gefährdet ist und die mitgeführte Schusswaffe erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern (Parallelentscheidung zu VGH München Beschl. v. 21.9.2020 – 24 ZB 20.272, BeckRS 2020, 26780). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nur anhand konkreter Bewachungsaufträge kann festgestellt werden, ob die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 S. 1 WaffG für die Erteilung eines Waffenscheins erfüllt sind. Der Waffenschein kann nur für diese konkreten Aufträge, also als Einzelerlaubnis, erteilt werden. Dies gilt auch für Geld- und Werttransporte. Für den Fall gleichartiger Bewachungsaufträge kann es ausreichen, nur für einen dieser Transporte glaubhaft zu machen, dass aus Gründen seiner Sicherung Schusswaffen erforderlich sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 K 19.2088 2019-12-10 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt einen Waffenschein für Transportaufträge der Firma G.
Mit Bescheid vom 6. November 2019 lehnte das zuständige Landratsamt den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen für Aufträge der Firma G. ab. Zur Begründung wird ausgeführt, der vorgelegte Vertrag mit der Firma G. enthalte keine konkrete Beschreibung, wie, wann und wo die Aufträge im jeweiligen Einzelfall durchgeführt werden sollten und wie hoch die Werte sein würden, für die die bewaffnete Durchführung der Transporte erforderlich sein solle. Eine individuelle Gefährdungsbeurteilung zur Prüfung des Bestehens eines Bedürfnisses nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WaffG durch Polizei und Waffenbehörde sei mangels ausreichender Information über die Art und Weise der Auftragsdurchführung nicht möglich.
Die insoweit erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Dezember 2019 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen für Aufträge der Firma G. Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Waffenscheins an die Klägerin sei § 28 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Danach wird ein Bedürfnis zum Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen bei einem Bewachungsunternehmer anerkannt, wenn glaubhaft gemacht wird, dass Bewachungsaufträge wahrgenommen werden oder werden sollen, die aus Gründen der Sicherheit einer gefährdeten Person im Sinne des § 19 WaffG oder eines gefährdeten Objekts Schusswaffen erfordern. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 11. November 2015 – 6 C 67/14 – sei die Ablehnung der begehrten Erlaubnis nicht zu beanstanden, da die für eine entsprechende Erlaubniserteilung notwendige Konkretisierung der Bewachungsaufträge nicht vorliege. Mangels konkreter Angaben zu möglichen Aufträgen habe die Behörde die erforderliche Gefährdungsanalyse nicht durchführen können.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. In einem Schriftsatz, der im Parallelverfahren mit dem Az. 24 ZB 20.272 vorgelegt wurde, macht sie geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Klägerin habe glaubhaft gemacht, dass Bewachungsaufträge wahrgenommen würden und auch in Zukunft wahrgenommen werden sollten. Die Nachfrage nach den Einzelheiten der durchzuführenden Bewachungsaufträge sei wenig sinnvoll, denn jeder Auftrag sei anders. Zur Glaubhaftmachung habe die Klägerin jeweils die Bestätigung der Firma G. und eines Münzprägeunternehmens vorgelegt. Der Prokurist W. sei für die Klägerin im Besitz der für den Geld- und Werttransport erforderlichen Prüfungen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung, die das Verwaltungsgericht stelle, seien rechtswidrig überzogen gewesen. Das angefochtene Urteil sei daher falsch. Zudem könne sich die Klägerin auf eine Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration berufen.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Es ist schon fraglich, ob innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ein Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin eingegangen ist, der sich auf das hier angefochtene Urteil bezieht und sich mit diesem auseinandersetzt. Den rechtzeitig innerhalb dieser Frist eingegangenen Schriftsatz zur Begründung des Zulassungsantrags hat der Bevollmächtigte der Klägerin zwar mit dem Aktenzeichen dieses Zulassungsverfahrens versehen. Hinsichtlich der für den Fall der Zulassung der Berufung angekündigten Anträge bezieht sich dieser Schriftsatz jedoch eindeutig auf das Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen 24 ZB 20.272. In diesem Parallelverfahren verfolgt die Klägerin das Ziel auf Erteilung eines unbeschränkten Waffenscheins für Geld- und Werttransporte allgemein, während sich das vorliegende Verfahren auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen für Aufträge der Firma G. bezieht. Auf richterlichen Hinweis hin, dass die Zulassungsbegründung wohl mit dem falschen Aktenzeichen versehen worden sei, teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, das Aktenzeichen sei tatsächlich das des Parallelverfahrens, die Begründung betreffe aber beide Verfahren. Da diese Klarstellung erst nach Ablauf der Begründungsfrist einging, ist angesichts der angekündigten Berufungsanträge, die sich auf das Verfahren mit dem Aktenzeichen 24 ZB 20.272 beziehen, davon auszugehen, dass eine Begründung im vorliegenden Verfahren zum relevanten Zeitpunkt nicht vorlag. Aber auch bei großzügiger Auslegung, nach der der Schriftsatz vom 10. März 2020 sich auch schon – trotz der angekündigten Anträge – auf das vorliegende Verfahren beziehen sollte, sind die Ausführungen nicht ganz passend, da hier auf möglicherweise zu erwartende Aufträge eines Münzprägeunternehmens Bezug genommen wird, die für das vorliegende Verfahren, mit dem die Klägerin die Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen für Aufträge der Firma G. begehrt, irrelevant sind.
2. Aber auch wenn man den Antrag auf Zulassung der Berufung als fristgerecht ansieht und die Begründung insoweit auf das für das vorliegende Verfahren Wesentliche konzentriert, kann der Antrag auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg haben. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.22009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 – 1 B 33/03 – NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl. 2011, 338). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Solche liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.). Den Darlegungsvoraussetzungen wird nicht genügt, wenn sich das Vorbringen in einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags erschöpft, ohne im Einzelnen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung einzugehen (Seibert in Sodan/Ziedow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil dargelegt, aus welchen Gründen die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen für Aufträge der Firma G. hat (UA S. 8 ff.). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Die Zulassungsbegründung führt aus, das erstinstanzliche Urteil sei falsch, da die Klägerin als Bewachungsunternehmerin anstehende Bewachungsaufträge glaubhaft gemacht habe und die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 WaffG daher vorlägen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürften nicht rechtswidrig überzogen sein.
Die Klägerin verkennt hierbei, dass das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 11.11.2015 – 6 C 67/14 – juris) zu dem Ergebnis kommt, dass die für die Erteilung der begehrten Erlaubnis notwendige Konkretisierung der Bewachungsaufträge fehlt und daher die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 WaffG nicht vorliegen. § 28 Abs. 1 Satz 1 WaffG lässt es nicht zu, dem Bewachungsunternehmer eine allgemeine Erlaubnis zu erteilen, die sich auf sein Unternehmen bezieht und es ihm überlässt zu entscheiden, ob bei einem konkreten Auftrag die Schusswaffe geführt werden soll, weil nach seiner Einschätzung das zu sichernde Objekt gefährdet ist und die mitgeführte Schusswaffe erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern. Nur anhand konkreter Bewachungsaufträge kann festgestellt werden, ob die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 WaffG für die Erteilung eines Waffenscheins erfüllt sind. Der Waffenschein kann nur für diese konkreten Aufträge, also als Einzelerlaubnis, erteilt werden. Dies gilt auch für Geld- und Werttransporte. Für den Fall gleichartiger Bewachungsaufträge kann es ausreichen, nur für einen dieser Transporte glaubhaft zu machen, dass aus Gründen seiner Sicherung Schusswaffen erforderlich sind (BVerwG, U.v. 11.11.2015 – 6 C 67/14 – juris Rn. 14).
Mit dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, auf das sich das angefochtene Urteil im Kern stützt, setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Die Klägerin beschränkt sich vielmehr darauf, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags darauf hinzuweisen, ihrer Ansicht nach sei das Verwaltungsgericht zum falschen Ergebnis gekommen, da es rechtswidrig überzogene Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt habe. Auch wenn die Klägerin glaubhaft gemacht hat, im Rahmen eines Vertrages mit der Firma G. möglicherweise in Zukunft Bewachungsaufträge zu erhalten, fehlt jegliche Konkretisierung zu diesen Aufträgen. Eine Konkretisierung ist unter Beachtung der oben ausgeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 28 Abs. 1 Satz 1 WaffG aber unerlässlich, so dass dieses Vorbringen dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen kann. Dasselbe gilt für den pauschalen Hinweis auf eine Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 20. November 2018, die sich auf die Regelungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz – WaffVwV – vom 5. März 2012 zu § 28 WaffG (insbesondere Nr. 28.1.2.1 und Nr. 28.1.2.2) bezieht. Es wird in keiner Weise ausgeführt, inwieweit die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die Schlussfolgerungen, die das Verwaltungsgericht für den vorliegenden Fall hieraus zieht, aufgrund dieser Auskunft im Ergebnis unrichtig sein könnten.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG unter Berücksichtigung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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