Europarecht

Asyl: erfolgreiche Untätigkeitsklage

Aktenzeichen  M 24 K 16.30277

Datum:
23.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133478
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 24 Abs. 4
VwGO § 44a, § 75
RL 2005/85/EG Art. 13, Art. 23
RL 2013/32/EU Art. 15, Art. 31

 

Leitsatz

1 Aus unionsrechtlichen Gründen ist jedenfalls im Anwendungsbereich der Asylverfahrensrichtlinie Asylbewerbern eine auf bloße Verwaltungsentscheidung gerichtete Untätigkeitsklage möglich, da den Asylbewerbern ein subjektives Recht auf eine behördliche Entscheidung nach einer persönlichen Anhörung und anschließend einen Anspruch auf dessen gerichtliche Überprüfung einzuräumen ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Asylbewerber ist nicht verpflichtet, seine Untätigkeitsklage (gegen seinen Willen) auf bestimmte inhaltliche Rechtspositionen zu richten. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Anhörung durch ein Gericht in der mündlichen Verhandlung kann die in Art. 15 Abs. 1 AsylVf-RL vorgesehenen Anforderungen an die persönliche Anhörung nicht stets wahren. Denn Art. 15 Abs. 1 und 2 AsylVf-RL sehen vor, dass die persönliche Anhörung vor der Verwaltung regelmäßig ohne die Anwesenheit von Familienangehörigen und unter Bedingungen stattfindet, die eine angemessene Vertraulichkeit gewährleisten, während der Grundsatz der Öffentlichkeit Ausnahmen in der mündlichen Verhandlung nur unter engeren Voraussetzungen zulässt (vgl. VG Osnabrück BeckRS 2015, 53779).   (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Auch im Bereich des Asylrechts gilt als Zulässigkeitsvoraussetzung die Wahrung der dreimonatigen Frist des § 75 S. 2 VwGO. § 24 Abs. 4 AsylG ist keine Sachurteilsvoraussetzung für ein gerichtliches Verfahren zu entnehmen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4 Ob die Beklagte „ohne zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist“ sachlich noch nicht entschieden hat, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Spruchreife als Teil der Begründetheit. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, über den in Griechenland gestellten und von der Beklagten mit Erklärung vom 30. Januar 2015 übernommenen Asylantrag der Kläger bis spätestens 3 Monate nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils zu entscheiden.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil alle Beteiligten klar, eindeutig und vorbehaltlos (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2013 – 8 B 91/12 – juris Rn. 3) auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Die Klagepartei hat mit Erklärung vom 6. Mai 2016 und die Beklagtenpartei mit allgemeiner (auch den vorliegenden Rechtsstreit umfassender) Prozesserklärung des … vom 25. Februar 2016 (Generalerklärung) auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die Regierung von Oberbayern ist vorliegend zwar gemäß § 63 Nr. 4 VwGO als Vertreter des öffentlichen Interesses (VöI) Verfahrensbeteiligter aufgrund der generellen Beteiligungserklärungen vom 11. Mai 2015 und vom 18. Mai 2015 (vgl. zur Zulässigkeit sog. Generalbeteiligungserklärungen BVerwG, U.v. 27.6.1995 – 9 C 7/95 – BVerwGE 99, 38, juris Rn. 11). In diesen Erklärungen hat der VöI allerdings darum gebeten, ihm ausschließlich die jeweilige Letzt- und Endentscheidung zu übersenden, und damit unter anderem auch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Dabei bedurfte es weder einer gesonderten Anordnung des schriftlichen Verfahrens durch einen gerichtlichen Beschluss (BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 57/13 – Rn. 20, NVwZ-RR 2014, 657) noch vor der Entscheidung im schriftlichen Verfahren der Bestimmung einer Schriftsatzfrist (BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 1 B 15/13 – Rn. 5, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 72, juris).
Das Klagebegehren ist auslegungsbedürftig (§ 88 VwGO), weil der Antrag keine explizite Aussage trifft, bis wann spätestens die Entscheidung, zu deren Erlass verpflichtet werden soll, zu ergehen haben soll. Im Hinblick auf die Regel des § 75 Satz 2 VwGO legt der Einzelrichter den Antrag (wie im gerichtlichen Schreiben vom 2.5.2016 mitgeteilt) dahin aus, dass beantragt ist, die Bekl. zu verpflichten, über den klägerischen Asylantrag binnen 3 Monaten ab Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Klage zu entscheiden (vgl. VG Osnabrück, U.v. 14.10.2015 – 5 A 390/15 – juris [Tenorierung] sowie [im Anschluss daran] VG München, U.v. 8.2.2016 – M 24 K 15.31419 – NVwZ 2016, 486, NVwZ-RR 2016, 276 und juris). Dabei ist der Antrag dahin auszulegen, dass es um die Entscheidung über den in Griechenland gestellten, von der Bundesrepublik Deutschland mit Erklärung vom 30. Januar 2015 (Bl. 73 d.A.) übernommenen, Asylantrag der Kl. geht.
Das Verwaltungsgericht (VG) München ist für die so auszulegende Klage entscheidungsbefugt, insbesondere örtlich zuständig nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO, weil die Kl. im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. § 83 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG) ihren Aufenthalt im Gerichtsbezirk zu nehmen hatten beziehungsweise tatsächlich im Gerichtsbezirk wohnte (§ 52 Nr. 2 Satz 3 Halbsatz 2 i.V.m. Nr. 3 Satz 2 VwGO).
Der unterzeichnende Berichterstatter ist gemäß § 76 Abs. 1 AsylG als Einzelrichter zur Entscheidung berufen, nachdem die innerhalb des VG München zuständige Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 2. Mai 2016 auf den jeweiligen Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen hat.
Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG ist für die vorliegend ohne mündliche Verhandlung ergehende gerichtliche Entscheidung, derjenige Zeitpunkt maßgebend, in dem diese gefällt wird. Deshalb sind auch die seit Stellung des Asylantrags in Kraft getretenen asylrechtlichen Änderungen im Rahmen der vorliegenden Entscheidung zu berücksichtigen.
2. Die auf Verpflichtung zur bloßen Entscheidung an sich (nicht auf Verpflichtung zur Einräumung bestimmter inhaltlicher Positionen) gerichtete Untätigkeitsklage ist vorliegend zulässig.
2.1. Dass die Klage lediglich auf eine Verpflichtung zur Entscheidung an sich, nicht aber auf Verpflichtung zur Einräumung einer bestimmten (in der Sache begehrten) Position gerichtet ist, führt vorliegend weder nach § 75 VwGO noch nach § 44a VwGO zur Unzulässigkeit dieser Klage (vgl. VG München, U.v. 8.2.2016 – M 24 K 15.31419 – NVwZ 2016, 486, NVwZ-RR 2016, 276 und juris).
Nicht geklärt werden muss dabei, ob § 75 VwGO i.V.m. § 44a VwGO allgemein eine auf bloße Verwaltungsentscheidung an sich (nicht auf Verpflichtung zur Einräumung bestimmter inhaltlicher Positionen) gerichtete Verpflichtungsklage ermöglicht oder ob § 75 VwGO vielmehr regelmäßig einen konkreten Antrag auf Verpflichtung zu einer bestimmten inhaltlichen Sachentscheidung verlangt.
Denn aus unionsrechtlichen Gründen ist jedenfalls im Anwendungsbereich der Asylverfahrensrichtlinie Asylbewerbern eine auf bloße Verwaltungsentscheidung an sich gerichtete Untätigkeitsklage möglich. Entscheidend ist, dass sowohl Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie alte Fassung – AsylVf-RL a.F.) als auch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie neue Fassung – AsylVf-RL n.F.), die auf nach dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge anzuwenden ist (vgl. Art. 52 AsylVf-RL n.F.), den Asylbewerbern ein subjektives Recht auf eine behördliche Entscheidung nach einer persönlichen Anhörung und anschließend einen Anspruch auf dessen gerichtliche Überprüfung einräumen (vgl. hierzu überzeugend bereits VG Osnabrück, U.v. 14.10.2015 – 5 A 390/15 – juris Rn. 50-53). Dabei kann eine Anhörung durch ein Gericht in der mündlichen Verhandlung die in Art. 13 Abs. 1 AsylVf-RL a.F. und in Art. 15 Abs. 1 AsylVf-RL n.F. vorgesehenen Anforderungen an die persönliche Anhörung nicht stets wahren. Denn einerseits sehen Art. 13 Abs. 1 und 2 AsylVf-RL a.F. wie auch Art. 15 Abs. 1 und 2 AsylVf-RL n.F. vor, dass die persönliche Anhörung vor der Verwaltung regelmäßig ohne die Anwesenheit von Familienangehörigen und unter Bedingungen stattfindet, die eine angemessene Vertraulichkeit gewährleisten, während der Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 169 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – i.V.m. § 55 VwGO) Ausnahmen gemäß § 171a ff. GVG (i.V.m. § 55 VwGO) nur unter engeren Voraussetzungen zulässt (vgl. hierzu überzeugend bereits VG Osnabrück, U.v. 14.10.2015 – 5 A 390/15 – juris Rn. 50-53). Dieser Vergleich des unionsrechtlich vorgesehenen Verfahrensanspruchs eines Asylbewerbers einerseits mit der Ausgestaltung des nationalen verwaltungsprozessualen Verfahrensrechts andererseits spricht dafür, dass ein Asylbewerber jedenfalls nicht verpflichtet ist, seine Untätigkeitsklage (gegen seinen Willen) auf bestimmte inhaltliche Rechtspositionen zu richten, deren Spruchreifmachung eine entsprechende Anhörung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung durch das Gericht erforderlich machen könnte, sondern (zur Wahrung seiner unionsrechtlichen Verfahrensrechte im Asyl-Verwaltungsverfahren) seine Untätigkeitsklage auch auf eine bloße Verpflichtung zur Entscheidung an sich richten kann.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich an der unionsrechtlich bedingten Möglichkeit einer nur auf Entscheidung (nicht auf bestimmte inhaltliche Positionen) gerichteten Untätigkeitsklage vorliegend etwas im Hinblick auf § 71a AsylG ändert. § 71a AsylG kann dabei von vornherein nur einschlägig sein, wenn (abgesehen von der Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nach den Vorgaben insbesondere der Dublin-Verordnungen) tatbestandlich i.S.v. § 71a Abs. 1 AsylG ein „erfolgloser Abschluss“ eines in einem anderen Dublin-Staat durchgeführten Asylverfahrens vorliegt. In Fällen, in denen ein derartiger „erfolgloser Abschluss“ nicht gegeben (und die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland anzunehmen) ist, ist deshalb auch der in Deutschland gestellte Asylantrag nicht als „Zweitantrag“ i.S.v. § 71a AsylG, sondern als „Asylerstantrag“ vom … zu behandeln (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069, 13a B 15.50070, 13a B 15.50071 – Rn. 25, BeckRS 2016, 41335).
Vorliegend ist aber weder von der Bekl. vorgetragen noch aus dem von der Bekl. vorgelegten Aktenmaterial mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich, dass es zu einem erfolglosen „Abschluss“ des Asylverfahrens in einem anderen Dublin-Staat gekommen ist. Es geht vorliegend zwar aus der vom … vorgelegten Verwaltungsakte nicht zweifelsfrei hervor, ob es sich bei den Kl. innerhalb des griechischen Asylverfahrensrechts um Folge- oder Erstantragsteller handelte, nachdem ausweislich der …-Akte (dort Bl. 4 d.A.), die Kläger in Griechenland erstmals am 3. Oktober 2012 und s o d a n n nochmals am 29. Juli 2013 um Asyl nachgesucht hatten, wobei zum Zeitpunkt des griechischen – der Verordnung (EG) 343/2003 (Dublin-II-VO) unterfallenden – Aufnahmeersuchens vom 1. Oktober 2013 (Bl. 1-31 d.A.) die Prüfung dieses ersten Gesuchs (in Griechenland) noch in „erster Instanz“ anhängig war (vgl. Bl. 4 d.A.: „still pending on 1´instance). Dieser Umstand ändert aber nichts an der Zulässigkeit der vorliegenden Untätigkeitsklage. Denn – zum einen – kann auch in Asylfolgeverfahren nicht ausgeschlossen werden, dass die von Art. 32 Abs. 3 AsylVf-RL-2005 (nunmehr: Art. 40 Abs. 2 AsylVf-RL-2013) vorgeschriebene „erste Prüfung“, ob sich neue Elemente gegenüber dem Asylerstverfahren ergeben haben, zugunsten des Asylbewerbers ausfällt; in diesem nicht auszuschließenden Fall schreibt dann aber Art. 32 Abs. 4 AsylVf-RL-2005 (nunmehr: Art. 40 Abs. 3 Satz 1 AsylVf-RL-2013) vor, dass der Asylantrag gemäß „Kapitel II“ (also Art. 6 bis 22 AsylVf-RL-2005 bzw. Art. 6 bis 30 AsylVf-RL-2013) weiter zu prüfen ist, so dass wiederum auch Art. 13 Abs. 1 AsylVf-RL-2005 (nunmehr: Art. 15 Abs. 1 AsylVf-RL-2013) zu beachten sind. Und – zum anderen – wäre selbst dann, wenn der ursprüngliche, in Griechenland gestellte Asylantrag vom 03.10.2012 i.S.v. § 71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG bis zur Aufnahmeentscheidung des … vom 30.01.2015 (Bl. 73 f. d.A.) erfolglos abgeschlossen worden sein sollte, zu sehen, dass gemäß § 71a Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG die Ermittlung des Inhalts einer [von einem anderen sicheren Drittstaat i.S.v. § 71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG (i.V.m. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zum AsylG) erlassenen] ablehnenden Entscheidung (deren Kenntnis für die Prüfung von § 51 VwVfG i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG unverzichtbar ist) dem … obliegt und dass gegenüber Dublin-Staaten allein das … gemäß Art. 34 Abs. 3 der Verordnung (EU) 604/2013 (Dublin-III-VO; zuvor: Art. 21 Abs. 3 der Verordnung (EG) 343/2003 – Dublin-II-VO) i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Neufassung der Asylzuständigkeitsbestimmungen (AsylZBV) für die Zusammenarbeit mit dem anderen Dublin-Staat und damit insbesondere für den Datenaustausch über das sog. DubliNet (vgl. hierzu Art. 19 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 – Dublin-Durchführungs-Verordnung [Dublin-DV]) zuständig ist. Dies und der Umstand, dass gleichzeitig die Übermittlung der inhaltlichen Daten aus dem Asylverfahren des anderen EU-Mitgliedstaates an das … der Zustimmung des jeweiligen Antragstellers bedarf (Art. 34 Abs. 3 Sätze 3 und 4 Dublin-III-VO; zuvor: Art. 21 Abs. 3 Satz 3 Dublin-II-VO), also auch insoweit eine subjektiv-rechtliche Steuerungsmöglichkeit der Asylbewerber besteht, sprechen dafür, auch insoweit eine auf eine bloße Verpflichtung zur Entscheidung (nicht auf bestimmte inhaltliche Positionen) gerichtete Untätigkeitsklage aus unionsrechtlichen Gründen (jedenfalls angesichts der besagten ausschließlichen …-Kompetenzen innerhalb des Dublin-Systems) für zulässig zu halten.
Vor diesem Hintergrund steht auch § 44a VwGO einer auf bloße Entscheidung gerichteten Untätigkeitsklage im Anwendungsbereich der Art. 13 Abs. 1 AsylVf-RL a.F. und Art. 15 Abs. 1 AsylVf-RL n.F. nicht entgegen, zumal die Klage vorliegend nicht auf eine bloße Verfahrenshandlung (wie etwa auf eine Mitteilung des … gemäß § 24 Abs. 4 AsylG) gerichtet ist, sondern auf eine Verpflichtung zu einer (das Verwaltungsverfahren abschließenden) „Entscheidung“.
2.2. Die Klage ist nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO zulässigerweise erhoben worden.
Dabei begann die in § 75 Satz 2 VwGO genannte 3-monatige Frist vorliegend spätestens ab der Weiterleitung der Kl. in die Aufnahmeeinrichtung … am 20. April 2015 zu laufen. Denn es ist zu sehen, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der (am 31. Januar 2015 gegenüber Griechenland bekannt gegebenen) Akzeptierung des griechischen Übernahmeersuchens in der Erklärung des … vom 30. Januar 2015 auch die Pflicht übernommen hat, die Prüfung des (in Griechenland gestellten) Asylantrags abzuschließen (Art. 16 Abs. 1 Buchst. b Dublin-II-VO; Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 i.V.m. Abs. 1 Buchst. a Dublin-III-VO). Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund bedurfte es nach der Überstellung der Kl. von Griechenland nach Deutschland und ihrer Weiterleitung in die Aufnahmeeinrichtung … am 20. April 2015 keiner neuerlichen förmlichen Antragstellung in Deutschland, um den Lauf der 3-monatigen Frist des § 75 Satz 2 VwGO in Lauf zu setzen.
Auch im Bereich des Asylrechts gilt dabei als Zulässigkeitsvoraussetzung die Wahrung der dreimonatigen Frist des § 75 Satz 2 VwGO, und zwar im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht (bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung der gerichtlichen Entscheidung), nicht notwendiger Weise aber bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. Dolde/Porsch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 75 Rn. 6 m.w.N.; BVerwG, U.v. 24.2.1994 – 5 C 24/92 – BVerwGE 95,149, juris Rn. 12). Die in § 24 Abs. 4 AsylG genannte sechsmonatige Frist bezieht sich demgegenüber nicht auf die Frage der Sachurteilsvoraussetzungen in einem gerichtlichen Verfahren, sondern nur auf die Frage eines Mitteilungsanspruchs gegenüber dem … innerhalb des Verwaltungsverfahrens. Hierfür spricht schon der Wortlaut des § 24 Abs. 4 AsylG, der auf die Thematik einer Untätigkeitsklage nicht explizit eingeht. Auch die systematische Stellung des § 24 Abs. 4 AsylG spricht dagegen, dieser Vorschrift eine Sachurteilsvoraussetzung für ein gerichtliches Verfahren zu entnehmen. Denn das Asylgesetz trifft Sonderregelungen für das gerichtliche Verfahren in einem gesonderten Abschnitt (Abschnitt 9. Gerichtsverfahren; §§ 74-83b AsylG); in den §§ 74-83b AsylG ist aber eine Modifizierung der Sachurteilsvoraussetzungen der Untätigkeitsklage ebenso wenig vorgesehen wie in § 24 Abs. 4 AsylG. Schließlich liegt auch der Asylverfahrensrichtlinie (und zwar sowohl der AsylVf-RL a.F. als auch der AsylVf-RL n.F.) eine strikte Trennung von Verwaltungsverfahren (Kapitel III) und gerichtlichem Verfahren (Kapitel V) zugrunde (vgl. überzeugend VG Osnabrück, U.v. 14.10.2015 – 5 A 390/15 – juris Rn. 52). Dabei sind die unionsrechtlichen Vorschriften, deren Umsetzung § 24 Abs. 4 AsylG dient (vgl. Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. b AsylVf-RL a.F. und Art. 31 Abs. 6 Buchst. b AsylVf-RL n.F.), jeweils in dem das Verwaltungsverfahren betreffenden Kapitel III (Art. 23 ff. AsylVf-RL a.F.; Art. 31 ff. AsylVf-RL n.F.) angesiedelt, nicht aber in dem gerichtliche Rechtsbehelfe betreffenden Kapitel V (Art. 39 AsylVf-RL a.F.; Art. 46 AsylVf-RL n.F.).
Ob die Bekl. „ohne zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist“ sachlich noch nicht entschieden hat (vgl. § 75 Satz 1 VwGO), ist dabei keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Spruchreife als Teil der Begründetheit (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO) – bei Vorliegen eines „zureichenden Grundes“ ist die Klage gleichwohl zulässig (BVerwG, U.v. 22.5.1987 – 4 C 30/86 – NVwZ 1987, 969, juris Rn. 12; Dolde/Porsch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 75 Rn. 7 m.w.N.). Zwar interpretieren Teile der Literatur hiervon abweichend – über das Verstreichen der Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO hinaus – das Verstreichen einer „angemessenen Frist“ i.S.v. § 75 Satz 1 VwGO als weitere (besondere) Prozessvoraussetzung (W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage (2015), [KS] § 75 Rn. 8; Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage (2014), [Ey] § 75 Rn. 9) und argumentieren, die Zulässigkeit könne nicht angenommen werden, weil bei Zulässigkeit der Klage eine „Sachentscheidung“ möglich sein müsste (vgl. KS § 75 Rn. 8, Fußnote 12). Unabhängig von der schon allgemein überzeugenderen Argumentation der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 22.5.1987 – 4 C 30/86 – NVwZ 1987, 969, juris Rn. 12), greift diese Argumentation der Literatur aber jedenfalls in der vorliegenden Konstellation einer auf bloße Entscheidung, nicht aber auf Einräumung einer bestimmten (in der Sache begehrten) Position gerichteten Untätigkeitsklage in keinem Falle durch. Denn die „Sachentscheidung“ besteht schon vom Klagegegenstand her in solchen Konstellationen in nicht mehr als in einer Verpflichtung, binnen einer bestimmten Frist zu entscheiden. Weil in solchen Konstellationen aber gerade eine solche „Sachentscheidung“ möglich ist, spricht dann auch nichts dagegen vom Vorliegen der „Sachurteilsvoraussetzungen“, also der Zulässigkeit der Klage, auszugehen.
3. Die zulässige Untätigkeitsklage ist begründet. Die Kl. haben gegen die Bekl. einen Anspruch, binnen derjenigen Frist über den Asylantrag zu entscheiden, die dem auszulegenden Klagebegehren (s.o.) entspricht (§ 113 Abs. 5 VwGO).
3.1. Die Sache ist spruchreif i.S.v. § 113 Abs. 5 VwGO. Eine Aussetzung des Klageverfahrens nach § 75 Satz 3 VwGO ist nicht angezeigt, insbesondere nicht im Hinblick § 24 Abs. 4 AsylG, nachdem der dort genannte 6-monatige Zeitraum im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) überschritten ist.
Die Bekl. hat keine nähere Begründung dafür vorgetragen, dass das Verwaltungsverfahren im konkret vorliegenden Fall noch nicht abgeschlossen worden ist. Soweit die allgemeine Prozesserklärung des … vom 25. Februar 2016 im Kontext des dortigen Antrags auf Aussetzung des Verfahrens die Arbeitsbelastung des Bundesamtes erwähnt, ist dieser Vortrag zum einen nicht auf den vorliegenden Fall bezogen und zum anderen nicht mit näherem Zahlenmaterial über die generelle Fallentwicklung des … einschließlich der vom … ergriffenen Maßnahmen in der Zeitspanne seit der Asylantragstellung im vorliegenden Fall versehen. Unabhängig vom somit nicht hinreichenden Vortrag der Bekl. zur Frage eines „zureichenden Grundes“ für die bislang ausstehende Entscheidung über den Asylantrag ist ein derartiger Grund aber auch nicht ersichtlich. Der Einzelrichter schließt sich hinsichtlich des Aspektes der Arbeitsbelastung des … im Allgemeinen den Ausführungen im Urteil des VG Osnabrück vom 14. Oktober 2015 – 5 A 390/15 – juris (dort Rn. 34-38) an.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich an der Spruchreife des Falles etwas im Hinblick auf § 71a AsylG ändert. Wie gezeigt, ist weder von der Bekl. vorgetragen noch aus dem von der Bekl. vorgelegten Aktenmaterial mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich, dass es zu einem erfolglosen „Abschluss“ des Asylverfahrens in einem anderen sicheren Drittstaat gekommen ist. Selbst wenn eine solche Konstellation vorliegen sollte, wäre es aber nach § 71a Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG Sache des … gewesen, entsprechende weitere Ermittlungen zu veranlassen, was jedoch ausweislich des vom … vorgelegten Aktenmaterials bislang nicht geschehen ist.
3.2. An der objektiv gegebenen Spruchreife ändert auch der in der allgemeinen Prozesserklärung des … vom 25. Februar 2016 enthaltene explizite Aussetzungs- und Fristsetzungsantrag nach § 75 Satz 3 VwGO nichts. Denn er macht schon vom Antragsziel her keine konkret aus Sicht des … im jeweiligen Einzelfall noch erforderliche Bearbeitungszeit zum Gegenstand des Antrags und wiederholt damit letztlich nur das Gesetz. Gleichzeitig geht er nicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ein und stellt weder die Arbeitsbelastung des … noch die bisherigen organisatorischen Gegenmaßnahmen substantiiert dar. Da der Antrag der allgemeinen Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 somit keine Aussetzung und Fristsetzung i.S.v. § 75 Satz 3 VwGO rechtfertigt und deshalb im Ergebnis keinen Erfolg haben kann, muss er nicht in Form eines gesonderten Beschlusses abgelehnt, sondern kann im Rahmen der Schlussentscheidung mitbehandelt werden, wozu das Gericht schon allgemein gesehen berechtigt ist (W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage [2015], § 75 Rn. 18). Speziell im Bereich des Asylrechts spricht hierfür zusätzlich, dass selbst im Falle des Ergehens eines gesonderten Beschlusses dieser im Rahmen eines Berufungszulassungsverfahrens gegen die Schlussentscheidung der obergerichtlichen Überprüfung unterliegen würde gemäß § 512 ZPO i.V.m. § 173 VwGO (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1973 – IV C 2.71 – BVerwGE 42, 108, juris Rn. 30), und zwar wegen der Unanfechtbarkeit eines solchen Beschlusses (§ 80 AsylG).
3.3. Die fehlende Entscheidung des … über den Asylantrag der Kl. ist rechtswidrig und verletzt das subjektive Recht aus Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 AsylVf-RL a.F. (vgl. auch Art. 31 Abs. 2 der AsylVf-RL n.F.).
Dabei beträgt die dem … vorliegend noch zur Verfügung stehende angemessene Frist für die Entscheidung 3 Monate ab Rechtskraft des vorliegenden Urteils.
Ausgangspunkt ist dabei aus Sicht des deutschen Rechts die Wertung des § 75 Satz 2 VwGO einerseits und des § 24 Abs. 4 AsylG andererseits. Dabei findet sich der in § 24 Abs. 4 AsylG benannte 6-monatige Mindestzeitraum auch in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 AsylVf-RL a.F. wieder (die AsylVf-RL a.F. ist vorliegend einschlägig gemäß Art. 52 Abs. 1 AsylVf-RL n.F.). Zwar wird in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. b Satz 2 AsylVf-RL a.F. noch explizit festgehalten, dass eine Unterrichtung des Asylbewerbers über den zeitlichen Rahmen des Verwaltungsverfahrens keine Verpflichtung des Mitgliedstaates gegenüber dem Asylbewerber begründet. All dies ist aber andererseits auch vor dem Hintergrund der generellen Vorgabe in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 AsylVf-RL a.F. zu sehen, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Asylverfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge „so rasch wie möglich“ zum Abschluss gebracht werden. Auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen möglichen Gründe für eine Verfahrensverzögerung und des den Mitgliedstaaten eingeräumten Spielraums bei der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens ist deshalb stets auch das Interesse des Asylbewerbers daran zu sehen, eine Verwaltungsentscheidung (mit welchem Ergebnis auch immer) zu erhalten. Nachdem der Vollzug des unionsrechtlich geprägten Asylrechts durch die Mitgliedstaaten dem Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte unterfällt (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union – GRCh), ist Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 AsylVf-RL a.F. dabei auch als Ausprägung des Art. 41 Abs. 1 GRCh und des dort unter anderem angesprochenen Grundsatzes zu sehen, Angelegenheiten jeder Person „innerhalb einer angemessenen Frist“ zu behandeln.
Vor diesem Hintergrund zeichnet sich in dem nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegende Fall zunächst dadurch aus, dass seit dem 20. April 2015 (als des spätest denkbaren Zeitpunktes für einen Übergang der Prüfungsaufgabe auf die Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Asylfall) mehr als 13 Monate verstrichen sind.
Eine Anhörung nach § 25 AsylG (zuvor: AsylVfG) hat bislang nicht stattgefunden. Zwar lässt sich aufgrund dieses Umstandes nicht sicher beurteilen, inwieweit über eine Anhörung hinaus eine weitere Sachaufklärung erforderlich werden könnte, um eine behördliche Entscheidung zu treffen. Jedoch hat die Bekl. keine hinreichend substantiierte Begründung dafür vorgetragen, dass innerhalb von 13 Monaten seit Asylantragstellung noch keine Anhörung nach § 25 AsylG erfolgt ist. Es kann dabei vorliegend dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Durchführung eines Dublin-Verfahrens durch das … dafür sprechen kann, dem … eine längere Entscheidungsfrist einzuräumen, wenn sich erst nach längerer Zeit herausstellen sollte, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist oder zuständig geworden ist. Denn vorliegend hat der Einzelrichter seine Prüfung von vornherein erst auf den seit dem 20. April 2015 abgelaufenen Zeitraum (s.o.) bezogen und damit die Dublin-Zwischenphase vom Jahr 2013 (dem Jahr der Stellung des Asylantrags der Kl. in Griechenland und des diesbezüglichen griechischen Übernahmeersuchens) bis zum Jahr 2015 ohnehin unberücksichtigt gelassen. Dies und der Umstand, dass seit dem (spätest möglichen) Übergang der Prüfungsaufgabe auf die Bundesrepublik Deutschland (20.4.2015) mehr als 12 Monate (also mehr als das Doppelte des in § 24 Abs. 4 AsylG genannten 6-monatigen Zeitraums) verstrichen sind, führt im Hinblick auf das von Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 AsylVf-RL a.F. geschützte Interesse der Kl. an einer raschen Entscheidung dazu, dass dem … ab Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung noch 3 Monate zur Verfügung stehen, um über den Asylantrag in der Sache zu entscheiden.
Der Fristablauf nach Rechtskraft des Urteils trägt dem Umstand Rechnung, dass gemäß § 167 Abs. 2 VwGO eine vorläufige Vollstreckung bei einer Verpflichtungsklage nur hinsichtlich der Kosten möglich ist (so überzeugend VG Osnabrück, U.v. 14.10.2015 – 5 A 390/15 – juris Rn. 42).
4. Nachdem die Kl. mit ihrer Klage in der vom Gericht vorgenommenen Auslegung (s.o.) vollständig obsiegen, hat die vollständig unterlegene Bekl. die Kosten des gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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