Europarecht

Ausgleichszulage für benachteiligtes Gebiet

Aktenzeichen  W 8 K 16.438

Datum:
15.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10823
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
Richtlinie Ausgleichszulage 2010 Nr. 3.1, Nr. 4.1
Richtlinie Ausgleichszulage 2014 Nr. 7
MOG § 11

 

Leitsatz

1. Nach Nr. 2 der Richtlinie AGZ 2010 wird eine Ausgleichszulage für landwirtschaftliche Flächen in benachteiligten Gebieten  zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und zum Ausgleich ständiger natürlicher und wirtschaftlicher Nachteile gewährt. Die Zuwendung setzt voraus, dass der Antragsteller im Antragsjahr mindestens 3 ha landwirtschaftliche Fläche in den benachteiligten Gebieten selbst bewirtschaftet. Eine Selbstbewirtschaftung des Betriebs zum Stichtag ist anzunehmen, wenn die Flächen tatsächlich bewirtschaftet wurden, der Betriebsinhaber das Nutzungsrecht besitzt und das unternehmerische Risiko der Flächenbewirtschaftung trägt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Amtes für Landwirtschaft und Forsten vom 21. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid der Staatlichen Führungsakademie vom 3. März 2016 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für das Jahr 2013 die Ausgleichszulage in Höhe von 939,91 EUR zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerin war notwendig.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist die Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 2 Alt. 2 VwGO.
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des AELF Schweinfurt vom 21. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid der FüAk vom 3. März 2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, denn sie hat für das Förderjahr 2013 einen Anspruch auf die Gewährung einer Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete in Höhe von 939,91 EUR (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Anspruchsgrundlage für die begehrte Ausgleichszulage ist der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der Richtlinie des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für die Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten gemäß Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 vom 6. September 2010 (im Folgenden: Richtlinie AGZ 2010) i.V.m. VO (EU) Nr. 65/2011 VO (EG) i.V.m. VO (EG) Nr. 1698/2005. Die Richtlinie AGZ 2010 ist im vorliegenden Fall anzuwenden, da der Antrag auf die Gewährung der Ausgleichszulage am 15. Mai 2013 gestellt wurde und nach Nr. 7 der Richtlinie des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für die Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten gemäß Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 vom 9. Mai 2014, die Richtlinie vom 6. September 2010 weiterhin für Anträge gilt, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Nach Nr. 2 der Richtlinie AGZ 2010 wird eine Ausgleichszulage für landwirtschaftliche Flächen (LF) in benachteiligten Gebieten (Berggebiete, Benachteiligte Agrarzonen einschließlich Kleine Gebiete) zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und zum Ausgleich ständiger natürlicher und wirtschaftlicher Nachteile gewährt. Die Zuwendung setzt nach Nr. 4.1 der Richtlinie AGZ 2010 voraus, dass der Antragsteller im Antragsjahr mindestens 3 ha landwirtschaftliche Fläche in den benachteiligten Gebieten selbst bewirtschaftet. Eine Selbstbewirtschaftung des Betriebs zum Stichtag ist anzunehmen, wenn die Flächen tatsächlich bewirtschaftet wurden, der Betriebsinhaber das Nutzungsrecht besitzt und das unternehmerische Risiko der Flächenbewirtschaftung trägt (vgl. VG Regensburg, U.v. 5.10.2017 – RO 5 K 16.1862 – juris Rn. 23; ähnlich auch die Anforderungen bei der Betriebsprämie: VG Oldenburg, U.v. 21.9.2017 – 12 A 3046/15 – juris Rn. 31- 34).
Im vorliegenden Fall war letztlich nur streitig, ob die Klägerin im Förderjahr 2013 die beantragten Flächen tatsächlich selbst bewirtschaftete. Nachdem die Klägerin im Klageverfahren das von der Beklagtenseite geforderte Formular „Prüfung der Antragsberechtigung i.S.v. InVeKoS“ mit Schreiben vom 11. Januar 2017 (Bl. 53 ff. der Gerichtsakte) vorgelegt hat, sowie aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlungen bestehen nach der Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Entscheidung keine konkreten Anhaltspunkte mehr, die gegen eine Selbstbewirtschaftung durch die Klägerin sprechen könnten.
Das im Klageverfahren vorgelegte ausgefüllte Formular war bei der Entscheidung des Gerichts zu berücksichtigen, da bei der im vorliegenden Fall statthaften Versagungsgegenklage die Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen ist (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 57).
In der Begründung des Ablehnungsbescheids und des Widerspruchsbescheids hat sich die Beklagtenseite zwar beanstandungsfrei darauf gestützt, dass der Nachweis der Inhaberschaft des landwirtschaftlichen Betriebs mangels Vorlage des Formulars „Prüfung der Antragsberechtigung i.S.v. InVeKoS“ nicht erbracht wurde. Dem Gericht erschließt sich auch nicht, warum die Klägerin das Formular nicht bereits im Verwaltungsverfahren der Beklagtenseite vorlegte. Aus der verspäteten Vorlage kann jedoch nicht ohne Weiteres der Schluss auf eine fehlende Selbstbewirtschaftung gezogen werden. Zudem dürfen an den Nachweis keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da es sich insbesondere nicht um einen Fall der Doppelbeantragung handelt.
Mit den Angaben der Klägerin in dem vorgelegten Formular konnte die Klägerin die Betriebsinhaberschaft bzw. Selbstbewirtschaftung nachweisen. Dem Formular ist zu entnehmen, dass die bewirtschafteten Flächen Eigentumsflächen sind, die Klägerin berufliche Erfahrung als Landwirtin/Baumschule hat und die Bewirtschaftung des Betriebs auf eigenes unternehmerisches Risiko erfolgte. Zudem wurde die Steueranmeldung mit Steuernummer angegeben und erklärt, dass ein Bescheid über die Mitgliedschaft bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sowie ein Bescheid über die Mitgliedschaft LAK und/oder LKK als Nachweise dem Betrieb vorliegen. Weiter wurde auch die Ausrichtung der Betriebsführung auf Nachhaltigkeit und Dauer bestätigt.
Konkrete Anhaltspunkte, dass diese Angaben der Klägerin nicht zutreffen, sind nicht gegeben.
Die Angaben der Klägerin werden unter anderem durch die vorgelegte Abrechnung des Unfallversicherungsbeitrags für das Jahr 2013 der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft vom 10. November 2014 bestätigt. Diese ist eindeutig für das Unternehmen in H. ausgestellt und an die Klägerin, nicht an ihren Sohn, adressiert. Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin Schuldnerin des Unfallversicherungsbeitrags im Jahr 2013 war. Daraus folgt wiederum, dass sie das unternehmerische Risiko trug, da sie persönlich für wesentliche Verpflichtungen des Unternehmens in H. haftete. Die Auskunft der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Bayreuth vom 24. Januar 2017, die Anmeldung sei nicht von der Klägerin durchgeführt worden, sondern über den automatisierten Abgleich mit den Antragsdaten des AELF, spricht weder für eine Selbstbewirtschaftung noch dagegen. Auch aus der Angabe, dieser Bescheid sei noch Gegenstand eines bei der Berufsgenossenschaft anhängigen Verfahrens, können keine weitergehenden Schlüsse gezogen werden.
Der Einwand der Beklagtenseite in Übereinstimmung mit der Auskunft der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Bayreuth vom 24. Januar 2017, die Angaben zur LAK oder LKK im Formblatt seien unzutreffend, weil keine Mitgliedspflicht entstanden sei, kann ebenfalls weder für noch gegen die Annahme der Selbstbewirtschaftung herangezogen werden. Denn die fehlende Mitgliedspflicht basiert nicht darauf, dass die Klägerin nicht die Betriebsinhaberin war, sondern dass sie eine gewisse Altersgrenze erreicht hatte.
Soweit die Klägerin in dem Formular die Frage Nr. 6, ob die Bewirtschaftung des Betriebes/der Flächen selbst durchgeführt wurde, verneinte, steht auch dies nicht der Selbstbewirtschaftung entgegen. Die Klägerbevollmächtigte führte hierzu in der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2018 nachvollziehbar aus, dass die Klägerin diese Frage falsch verstanden habe, da ihr Sohn beauftragt gewesen sei. Eine solche Beauftragung des Sohnes quasi als eine Art Geschäftsführer steht dem unternehmerischen Risiko der Klägerin nicht entgegen, da eine Geschäftsführung nicht zur Übertragung des unternehmerischen Risikos führt. Vertragspartner der unternehmerischen Rechtsgeschäfte bleibt der Betriebsinhaber und nicht der Geschäftsführer. Die Klägerin würde als Betriebsinhaberin auch etwa im Falle einer Insolvenz zuerst haften und nicht ihr Sohn als Geschäftsführer. Selbst wenn der Sohn der Klägerin infolge seiner Beauftragung auch einen Teil des unternehmerischen Risikos trug, lag dennoch der Schwerpunkt des unternehmerischen Risikos bei der Klägerin.
Auch spricht nicht gegen eine Selbstbewirtschaftung durch die Klägerin, dass die Klägerin nur zeitweise Inhaberin des Betriebs war. Der in diesem Zusammenhang stehende Einwand der Beklagtenseite, die Angaben zur Nachhaltigkeit und Dauer seien zu bezweifeln, da der Betrieb bereits zwei Jahre später wieder in eine andere Gesellschaft ohne Beteiligung der Klägerin überführt worden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Frage im Formblatt bezieht sich allein auf die Betriebsführung an sich und nicht ob die Betriebsführung durch einen bestimmten Betriebsinhaber nachhaltig und dauerhaft beabsichtigt war.
Als weiteres Indiz für das unternehmerische Risiko kann auch die Eigentümerstellung der bewirtschafteten Flächen herangezogen werden. Eigentümerin der Flächen war die Klägerin. Dies wurde auch im Schreiben des AELF Schweinfurt vom 31. Januar 2017 bestätigt.
Nach alldem hat die Klägerin ihre Selbstbewirtschaftung in ausreichendem Maße nachgewiesen, so dass sie einen Anspruch auf die Gewährung der Ausgleichszulage hat.
Unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens des Sohnes der Klägerin (VG Würzburg, U.v. 15.4.2019 – W 8 K 16.367) ergibt sich hinsichtlich der Ausgleichszulage für das Jahr 2013 ein auszuzahlender Betrag in Höhe von 939,91 EUR (vgl. Schreiben des AELF Schweinfurt vom 4. Februar 2019).
Wegen der unrichtigen Sachbehandlung waren auch die in Nr. 2 und Nr. 3 des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids festgesetzten Kosten nach § 16 Abs. 5 KG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerin war notwendig.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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