Aktenzeichen M 12 K 17.5704
VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 39
Leitsatz
1 Werden die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt und ist dieser Verstoß dem Begünstigten, der den Beihilfe- oder den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten, so wird nach Art. 97 Abs. 1 UAbs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 die Verwaltungssanktion gem. Art. 91 VO (EU) Nr. 1306/2013 verhängt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach Art. 4 Abs. 1 iVm Anh. I Teil A. II. 4. j VO (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über Lebensmittelhygiene haben Lebensmittelunternehmer, die Tiere halten, die jeweils angemessenen Maßnahmen zu treffen, um Tierarzneimittel nach den einschlägigen Rechtsvorschriften korrekt zu verwenden. Hierzu zählt auch eine entsprechende Dokumentation der Arzneimittelgabe. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Mit der Verwendung des Begriffs „anzulasten“ iSv Art. 91 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 wird in stärkerem Umfang als früher, als von einer dem Betriebsinhaber unmittelbar zuzuschreibenden Handlung oder Unterlassung die Rede war, auf einen gegen den Betriebsinhaber zu erhebenden Schuldvorwurf verwiesen. (redaktioneller Leitsatz)
4 Auch wenn die Aufzählung in Art. 2 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 nicht abschließend ist („insbesondere“), kann die Erkrankung eines im Betrieb mitarbeitenden Familienangehörigen dem Fall der Erkrankung des Betriebsinhabers nicht gleichgestellt werden, da dessen Erkrankung wesentlich schwerer wiegt, da er in der Regel den Betrieb leitet, die Hauptarbeit leistet und den Betrieb wie kein anderer kennt. Der Ausfall mitarbeitender Familienangehöriger ist hingegen wie der Ausfall angestellter Mitarbeiter durch Organisation einer entsprechenden Vertretung zu kompensieren. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Der Klageantrag ist gem. § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, eine um 327,48 Euro höhere Ausgleichzulage in benachteiligten Gebieten für das Jahr 2015 festzusetzen.
1. Die so verstandene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer ungekürzten Ausgleichzulage in benachteiligten Gebieten für das Jahr 2015 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Denn die mit Bescheid vom 16. November 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2017, vorgenommene Kürzung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten für das Jahr 2015 um 15% (= 327,48 Euro) wegen Verstoßes gegen Cross-Compliance-Vorschriften ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die Kürzung der Ausgleichzulage in benachteiligten Gebieten ist Art. 91 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (im Folgenden: VO (EU) Nr. 1306/2013). Erfüllt danach ein in Art. 92 VO (EU) Nr. 1306/2013 genannter Begünstigter die Cross-Compliance-Vorschriften gem. Art. 93 VO (EU) Nr. 1306/2013 nicht, so wird gegen ihn eine Verwaltungssanktion verhängt.
aa) Der Kläger ist Begünstigter i.S.d. Art. 92 UAbs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013, da er Direktzahlungen gem. Art. 48 ff. der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 in Form der Ausgleichzulage in benachteiligten Gebieten erhält.
bb) Werden die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt und ist dieser Verstoß dem Begünstigten, der den Beihilfe- oder den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten, so wird nach Art. 97 Abs. 1 UAbs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 die Verwaltungssanktion gem. Art. 91 VO (EU) Nr. 1306/2013 verhängt.
Die in Anhang II VO (EU) Nr. 1306/2013 aufgeführten Cross-Compliance-Vorschriften umfassen gem. Art. 93 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 die Grundanforderungen an die Betriebsführung.
Der Beklagte hat zutreffend eine Nichteinhaltung dieser Grundanforderungen an die Betriebsführung festgestellt:
(1) Nach GAB 4 der Anlage II der VO (EU) Nr. 1306/2013 umfassen die Grundanforderungen an die Betriebsführung die Einhaltung von Art. 17 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit. Danach sorgen die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen dafür, dass die Lebensmittel oder Futtermittel die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen, die für ihre Tätigkeit gelten, und überprüfen die Einhaltung dieser Anforderungen. Nach Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Teil A. II. 4. j VO (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene haben Lebensmittelunternehmer, die Tiere halten, die jeweils angemessenen Maßnahmen zu treffen, um Tierarzneimittel nach den einschlägigen Rechtsvorschriften korrekt zu verwenden. Hierzu zählt auch eine entsprechende Dokumentation der Arzneimittelgabe. Denn ist das behandelte Tier nicht ordnungsgemäß dokumentiert, sind die abgegebenen Lebensmittel nicht sicher. So muss etwa nach Anhang III Abschnitt IX Kap. 1 II.B.1.d Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit speziellen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs gewährleistet sein, dass Tiere, die infolge einer tierärztlichen Behandlung Rückstände in die Milch übertragen können, identifiziert werden. Nach den vom Kläger eingetragenen Tierarzneimittelanwendungen wurde die Kuh DE … … …1 vom 15. bis 19. September 2015 behandelt. Die Wartezeit hinsichtlich der Milchabgabe war daher zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle am … September 2015 noch nicht abgelaufen. Unbestrittenermaßen existiert im Betrieb des Klägers keine Kuh mit der angegebenen Ohrmarkennummer. Die Identität der behandelten Kuh war daher nicht nachvollziehbar. Unabhängig von der weiteren Ungereimtheit der dokumentierten prästatt postnatalen Behandlung eines Kalbes wegen Nabelentzündung rechtfertigt bereits dieser Verstoß gem. Art. 39 Abs. 1 Satz 2 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem und die Bedingungen für die Ablehnung oder Rücknahme von Zahlungen sowie für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance (im Folgenden: VO (EU) Nr. 640/2014) die vorgenommene Bewertung mit 3% im Bereich Lebensmittelsicherheit.
(2) Nach GAB 7 der Anlage II der VO (EU) Nr. 1306/2013 umfassen die Grundanforderungen an die Betriebsführung ferner die Einhaltung von Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates (im Folgenden: VO (EG) Nr. 1760/2000).
Nach Art. 7 Abs. 1 Spiegelstrich 1 VO (EG) Nr. 1760/2000 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 2 Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr vom 6. Juli 1997, neugefasst durch Bekanntmachung vom 3. März 2010 (Viehverkehrsverordnung – ViehVerkV) müssen Tierhalter ein Register auf dem neuesten Stand halten. Hiergegen hat der Kläger dadurch verstoßen, dass bei dem Rind mit der Ohrmarkennummer DE … … …94 das falsche Geschlecht und bei den Tieren mit den Ohrmarkennummern DE … … …31, DE … … …37 und DE … … …38 das falsche Geburtsdatum eingetragen war.
Nach Art. 7 Abs. 1 Spiegelstrich 2 VO (EG) Nr. 1760/2000 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 und § 29 Abs. 1 Satz 1 ViehVerkV sind die genauen Daten jeder Umsetzung von Tieren in den oder aus dem Betrieb sowie die Daten aller Tiergeburten und Todesfälle innerhalb von sieben Tagen nach dem betreffenden Ereignis mitteilen. Hiergegen hat der Kläger zum einen dadurch verstoßen, dass ein Rind noch in der HIT-Datenbank geführt war, obwohl es nicht mehr im Bestand vorhanden war, und bei sechs Tieren die Meldungen in der HIT-Datenbank fehlerhaft waren. So hat bei den Rindern mit den Ohrmarkennummern DE … … …94, DE … … …10 und DE … … …22 das gemeldete Geschlecht nicht gestimmt. Bei mehreren Kälbern hat außerdem das festgestellte Alter nicht mit dem gemeldeten Alter übereingestimmt (DE … … …31, DE … … …37 und DE … … …38).
Darüber hinaus hat der Kläger gegen die o.g. Vorschriften dadurch verstoßen, dass er seit 1. Januar 2015 bis zur Ankündigung der Vor-Ort-Kontrolle 73,8% aller Meldungen nicht innerhalb der Frist von sieben Tagen und somit verfristet abgegeben hat.
Der Kläger hat die festgestellten Verstöße nicht substantiiert bestritten. Soweit vorgetragen wurde, dass die Prüfdokumentation nachträglich verändert worden sei, ist schon nicht nachvollziehbar, worauf sich dieser Vorwurf gründet. Selbst wenn es zuträfe, dass Eintragungen mit unterschiedlichen Handschriften vorgenommen wurden, wäre dies schon kein Hinweis auf eine nachträgliche Manipulation, da die Vor-Ort-Kontrolle von zwei Prüfpersonen durchgeführt wurde. Eine Prüfdokumentation ohne die handschriftlichen Eintragungen unter C.2 (Bl. 54 der BA) liegt dem Kläger auch weder vor noch hat er eine solche gesehen. Im Übrigen stellen die Eintragungen unter C.2 lediglich die notwendigen Abhilfemaßnahmen des Klägers für die bereits anderweitig dokumentierten Cross-Compliance-Verstöße dar. Soweit vorgetragen wurde, dass ein Verstoß gegen die Arzneimittelvorschriften nicht gegeben sei, da das Amtsgericht Ingolstadt ein diesbzgl. strafrechtliches Verfahren wohl einstellen werde, wurde der Verstoß im Bereich Lebensmittelsicherheit nicht substantiiert bestritten. Denn entgegen der Auffassung des Klägers ist die strafrechtliche Relevanz des Sachverhalts, deren Bewertung anderen Kriterien folgt, für die verwaltungsrechtliche Einordnung als fahrlässiger Cross-Compliance-Verstoß nicht bindend. Gleiches gilt hinsichtlich des Vortrags, dass das Verfahren in Bezug auf diverse Vorwürfe wegen Verstoß gegen das „Tierkennzeichnungsgesetz“ nach § 154 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG eingestellt worden sei. Aus einer Einstellung nach §§ 153 ff. StPO folgt gerade nicht, dass der Vorwurf als solcher unbegründet war.
cc) Die Verstöße betreffen die landwirtschaftliche Tätigkeit des Klägers und sind ihm als Betriebsinhaber auch unmittelbar anzulasten i.S.v. Art. 91 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013. Mit der Verwendung des Begriffs „anzulasten“ wird in stärkerem Umfang als früher, als von einer dem Betriebsinhaber unmittelbar zuzuschreibenden Handlung oder Unterlassung die Rede war, auf einen gegen den Betriebsinhaber zu erhebenden Schuldvorwurf verwiesen (vgl. VG Hannover, U.v. 8.2.2008 – 11 A 338/07 – juris; VG Braunschweig, U.v. 21.8.2009 – 2 A 22/09 – juris; VG Augsburg, U.v. 22.3.2011 – Au 3 K 10.1782 – juris). Dieser liegt hier auch vor.
Dem Kläger waren seine Pflichten bekannt und die Verstöße waren zu vermeiden. Auf die jeweiligen Verpflichtungen wird in den Merkblättern und insbesondere in der Cross-Compliance-Broschüre hingewiesen. Der Kläger hat bei Antragstellung deren Kenntnis bestätigt und deren Einhaltung versichert. Zudem wurde der Kläger auch im Rahmen der Vor-Ort-Kontrollen 2013 und 2014 auf seine Verpflichtungen im Bereich der Rinderkennzeichnung und -registrierung hingewiesen.
Dass der Kläger … Tiere hält, stellt keine Rechtfertigung für eine fehlerhafte Dokumentation der mit Tierarzneimitteln behandelten Tiere dar. Der Kläger hat insoweit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und somit fahrlässig gehandelt. Soweit der Kläger erklärt hat, es handele sich um einen Zahlendreher, bei dem die letzten drei Zahlen vertauscht worden seien, ist dies zum einen schon nicht richtig, da die drittletzte Zahl der vom Kläger nunmehr als behandelt benannten Kuh nicht vertauscht wurde, sondern schlicht falsch war. Zum anderen ändert dies nichts daran, dass die behandelte Kuh anhand der Dokumentation des Klägers nicht identifizierbar ist und dem Kläger der Vorwurf der Fahrlässigkeit zu machen ist.
Der Schuldvorwurf entfällt auch nicht deshalb, weil nach Vortrag des Klägers seine Ehefrau aufgrund eines Arbeitsunfalls im Stall im Prüfzeitraum einen komplizierten Unterschenkel- und Fußbruch erlitten habe und daher ihre Tätigkeit im Stall, die sie bis dahin und auch danach zuverlässig ausgeführt habe, nicht mit der bisherigen Sorgfalt habe durchführen können. Zum einen ist in Art. 2 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 als Fall höherer Gewalt und eines außergewöhnlichen Umstands lediglich eine länger dauernde Berufsunfähigkeit des Begünstigten, sprich des Klägers als Betriebsinhabers, genannt. Auch wenn die Aufzählung in Art. 2 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 nicht abschließend ist („insbesondere“), kann die Erkrankung eines im Betrieb mitarbeitenden Familienangehörigen dem Fall der Erkrankung des Betriebsinhabers nicht gleichgestellt werden, da dessen Erkrankung wesentlich schwerer wiegt, da er in der Regel den Betrieb leitet, die Hauptarbeit leistet und den Betrieb wie kein anderer kennt. Der Ausfall mitarbeitender Familienangehöriger ist hingegen wie der Ausfall angestellter Mitarbeiter durch Organisation einer entsprechenden Vertretung zu kompensieren. Zum anderen ist es auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Ausfall der Ehefrau bei der Mitarbeit im Stall den Schuldvorwurf hinsichtlich der Verstöße im Bereich der tierarzneimittelrechtlichen Dokumentation und der Rinderregistrierung entkräften sollte. Vielmehr wäre es der Ehefrau des Klägers doch umso mehr möglich gewesen, sich während dieser Zeit von zu Hause aus den Dokumentationspflichten per Computer zu widmen. Der Kläger hätte ihr hierzu lediglich das notwendige Datenmaterial liefern müssen. Im Übrigen kann auch deshalb nicht von einer Ursächlichkeit der Erkrankung der Ehefrau des Klägers ausgegangen werden, da bereits in den Jahren 2013 und 2014 dieselben Verstöße im Bereich der Rinderregistrierung festgestellt wurden. Demnach handelt es sich nicht um eine einmalige Problematik aufgrund einer Ausnahmesituation, sondern um ein grundlegendes Organisationsdefizit im Betrieb des Klägers.
dd) Die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten für das Jahr 2015 wurde auch zu Recht um 15% gekürzt.
Zur Anwendung der Verwaltungssanktion wird gem. Art. 99 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 der Gesamtbetrag der in Art. 92 VO (EU) Nr. 1306/2013 genannten Zahlungen, der dem betroffenen Begünstigten gewährt wurde bzw. zu gewähren ist, für die Beihilfeanträge, die er in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat oder einreichen wird, gekürzt oder gestrichen. Bei der Berechnung dieser Kürzungen und Ausschlüsse werden Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten der Verstöße sowie die Kriterien nach den Absätzen 2, 3 und 4 berücksichtigt. Bei einem Verstoß aufgrund von Fahrlässigkeit beträgt die Kürzung höchstens 5%, im Wiederholungsfall höchstens 15% (Art. 99 Abs. 2 UAbs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013.
Näher präzisiert wird der Modus der Verwaltungssanktionen in Art. 38 und 39 VO (EU) Nr. 640/2014. Ist der festgestellte Verstoß auf Fahrlässigkeit des Begünstigten zurückzuführen, so wird eine Kürzung vorgenommen, die sich gem. Art. 39 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 in der Regel auf 3% des Gesamtbetrags der Zahlungen und jährlichen Prämien gemäß Art. 92 VO (EU) Nr. 1306/2013 beläuft. Nach Art. 39 Abs. 4 VO (EU) Nr. 640/2014 ist bei einem Verstoß im ersten Wiederholungsfall die gem. Absatz 1 angewendete Kürzung mit dem Faktor drei zu multiplizieren. Bei weiteren Wiederholungsfällen wird der Multiplikationsfaktor drei jeweils auf das Kürzungsergebnis für den vorangegangenen wiederholten Verstoß angewendet. Die höchstmögliche Kürzung darf jedoch 15% des in Absatz 1 genannten Gesamtbetrags nicht übersteigen.
Bei den o.g. drei Verstößen im Bereich der Rinderkennzeichnung und –registrierung handelt es sich jeweils um Wiederholungsverstöße. Das wiederholte Auftreten eines Verstoßes liegt gem. Art. 38 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 vor, wenn dieselbe Anforderung oder derselbe Standard mehr als einmal innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von drei Kalenderjahren nicht eingehalten wurde, sofern der Begünstigte auf den vorangegangenen Verstoß hingewiesen wurde und er je nach Fall die Möglichkeit hatte, die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung des vorangegangenen Verstoßes zu ergreifen. Für den Zweck der Bestimmung des wiederholten Auftretens eines Verstoßes sind die gem. der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 festgestellten Verstöße, d.h. Verstöße vor dem Jahr 2015, zu berücksichtigen.
Bereits bei der Vor-Ort-Kontrolle am … Mai 2013 wurde festgestellt, dass zwei Rinder zwar im Bestand, aber nicht im Register, vier Tiere im Register, aber nicht im Bestand waren. Acht Tiere waren zwar im Bestand, aber nicht in der HIT-Datenbank, fünf Tiere hingegen in der HIT-Datenbank, aber nicht im Bestand. Vom 1. Januar bis zur Ankündigung der Vor-Ort-Kontrolle waren 100% der Meldungen verfristet. Die Verstöße wurden damals mit jeweils 1%, insgesamt 3%, bewertet.
Auch bei der Vor-Ort-Kontrolle am … Juni 2014 wurde festgestellt, dass sechs Tiere im Bestand, aber nicht im Register, drei Tiere im Register, aber nicht im Bestand waren Sechs Tiere waren im Bestand, aber nicht in der HIT-Datenbank, dafür drei Tiere in der HIT-Datenbank, aber nicht im Bestand. Seit 1. Januar 2014 bis zur Ankündigung der Vor-Ort-Kontrolle waren 83,3% der Meldungen verfristet. Für die drei wiederholten Verstöße wurde der festgesetzte Prozentsatz (hier jeweils 1%) bei der ersten Wiederholung nach dem damals einschlägigen Art. 71 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 mit dem Faktor drei multipliziert, so dass sich für die Wiederholungsverstöße ein Kürzungssatz von 9% (3x3x1%) ergab.
Nach § 39 Abs. 4 UAbs. 2 Satz 1 VO (EU) Nr. 640/2014 war der Multiplikationsfaktor drei nunmehr jeweils auf das Kürzungsergebnis (hier 3%) für den vorangegangenen wiederholten Verstoß anzuwenden, so dass sich für die aktuellen weiteren drei Wiederholungsverstöße ein Kürzungssatz von 27% (3x3x3%) ergibt, der jedoch gem. Art. 39 Abs. 4 UAbs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 640/2014 auf den Höchstsatz von 15% zu kappen ist.
Der Kläger wurde bei sämtlichen Vor-Ort-Kontrollen auf die Verstöße hingewiesen und hatte bis zur nächsten Vor-Ort-Kontrolle ausreichend Zeit, organisatorische Maßnahmen zu treffen, um die festgestellten Verstöße abzustellen.
Die Berücksichtigung der bei der Vor-Ort-Kontrolle am … Juni 2014 festgestellten Verstöße ist auch nicht deshalb unzulässig, weil – wie im gerichtlichen Verfahren erstmals ausgeführt wurde – der … der Ehefrau des Klägers an der Vor-Ort-Kontrolle auf Seiten des Beklagten beteiligt war. Der … der Ehefrau des Klägers war in dem Verwaltungsverfahren nicht gem. Art. 20 Abs. 1 BayVwVfG ausgeschlossen. Zwar darf gem. Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer Angehöriger eines Beteiligten ist. Wer Angehöriger ist, wird jedoch in Art. 20 Abs. 5 BayVwVfG legal definiert. Der … der Ehefrau ist darin nicht als Angehöriger genannt, so dass er nicht kraft Gesetzes an der Mitwirkung bei der Vor-Ort-Kontrolle ausgeschlossen war. Der Kläger hat in dem vorangegangenen und mittlerweile auch bestandskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren auch nicht das Vorliegen eines Grundes behauptet, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Im Übrigen erfolgt der Ausschluss des betroffenen Behördenmitarbeiters i.R.d. Art. 21 BayVwVfG nicht kraft Gesetzes, sondern allein aufgrund der Entscheidung des Behördenleiters. Das bedingt, dass bis zum Vorliegen dieser Entscheidung der Amtswalter an dem Verwaltungsverfahren weiterhin mitwirken darf (Heßhaus in Bader/Ronellenfitsch BeckOK VwVfG, 40. Edition Stand: 1.4.2018, § 21 Rn. 9, beck-online).
Der festgesetzte Kürzungssatz von 15% wird somit bereits durch die wiederholten Verstöße im Bereich Rinderkennzeichnung und -registrierung erreicht. Auf den mit weiteren 3% bewerteten Verstoß im Bereich Lebensmittelsicherheit kommt es daher nicht mehr an.
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.