Europarecht

Auslieferung zum Zwecke von Strafverfolgung nach Ungarn

Aktenzeichen  1 AR 543/17

Datum:
9.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4451
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
IRG § 15, § 17

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1 AR 543/17 2018-01-19 Bes OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

Mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19. Januar 2018 hat es sein Bewenden.

Gründe

Gründe:
I.
Die ungarischen Behörden hatten um vorläufige Festnahme des … Staatsangehörigen P… A…, geboren am . in N. S. /S., zur Sicherung der Auslieferung zur Strafverfolgung ersucht.
Es liegt gegen den Verfolgten ein Europäischer Haftbefehl des Strafgerichts T… vom 02.11.2017, Gz.: vor.
Danach liegt dem Verfolgten folgender Sachverhalt zur Last:
P…, Vorn. A…, und dessen Mittäter, O… M…, hatten dem Geschädigten, K…, Vorn. Z…, Hilfe bei der Erlangung finanzieller Unterstützung bei offiziellen Firmen zwecks Rückzahlung von dessen Schulden im Oktober 2015 angeboten. Der P… hatte 3.060.000 HUF (ca.: 10,000 EURO) von der o.g. Person erlangt und zugesagt, dass er bei den Firmen O… F… Z… und J… I… Anfrage halten werde; er hatte aber keinen offiziellen Kontakt zu diesen Unternehmen und lediglich die Absicht, den Geschädigten zu täuschen.
Der Verfolgte, der aufgrund der Fahndungsmaßnahmen am 27.12.2017 in D… zur Sicherung der Auslieferung vorläufig festgenommen worden war und sich seitdem in der Justizvollzugsanstalt . befindet, hat sich bei seiner Anhörung durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts D… am 28.12.2017 mit seiner vereinfachten Auslieferung nach Ungarn nicht einverstanden erklärt und nicht auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet.
Über seinen Rechtsbeistand H… V… trug der Verfolgte in einem Schriftsatz vom 16.01.2018 Einwendungen gegen seine Auslieferung nach Ungarn vor.
Das Oberlandesgericht München ordnete mit Beschluss vom 19.01.2018 die Auslieferungshaft gegen den Verfolgten an, legte dem Auslieferungshaftbefehl den Europäischen Haftbefehl des Strafgerichts T… vom 02.11.2017, Gz.: … zugrunde und erklärte die Auslieferung des Verfolgten an die ungarischen Behörden zur Strafverfolgung wegen der im o.g. Europäischen Haftbefehl aufgeführten Straftat für zulässig.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München wurde dem Verfolgten am 01.02.2018 in einer Anhörung durch die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts M. eröffnet, hierbei machte der Verurteilte zunächst keine weitergehenden Angaben.
Sodann wurde vorbereitet, dass der Verfolgte am 13.02.2018 um 11:00 Uhr bei der Bundespolizei in F. an die ungarischen Behörden übergeben werden soll.
Mit Schriftsatz vom 02.02.2018 beantragte der Verfolgte über seinen Rechtsbeistand H… V…, gemäß § 33 IRG erneut über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden und rügte, dass die Haftbedingungen in Ungarn seine Grundrechte gemäß Art. 3 EMRK verletzen würden, so dass ein Auslieferungshindernis bestünde.
II.
Gegen den Verfolgten war zur Sicherung und Durchführung der Auslieferung zur Strafverfolgung an die ungarischen Behörden Auslieferungshaftbefehl zu erlassen, §§ 15, 17 IRG.
Dem Auslieferungshaftbefehl war der im Tenor unter Ziffer 2. näher bezeichnete Europäische Haftbefehl zugrunde zu legen.
Da sich Verfolgte mit seiner vereinfachten Auslieferung nach Ungarn nicht einverstanden erklärt hatte, hatte der Senat auch über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Auslieferung bestehen – nach wie vor – nicht.
Insoweit wird, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, auf die Gründe des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 19.01.2018 vollumfänglich Bezug genommen.
Die aktuellen Haftbedingungen in Ungarn, die der Verfolgte zu erwarten hat, stehen seiner Auslieferung nicht entgegen.
Der Rechtsbeistand des Verfolgten stützt seine Einwendungen betreffend die Haftbedingungen in Ungarn auf die Feststellungen in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 10.03.2015, Gz.: 14097/12.
Dieser Entscheidung liegen jedoch Haftbedingungen in Ungarn zugrunde, die bereits einige Jahre zurückliegen und überholt sind. In Ungarn trat zum 01.01.2017 ein neues Gesetz („the 2016 Act“) in Kraft, durch das die sogenannte „Reintegrationshaft“ eingeführt wurde. Im Rahmen der neu geschaffenen Reintegrationshaft werden Inhaftierte noch vor der Vollverbüßung der Freiheitsstrafe aus dem Gefängnis entlassen und einem „Hausarrest“ unterstellt, wodurch sich die Belegung der ungarischen Gefängnisse reduziert hat.
Infolgedessen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an seiner Rechtsprechung zu den Haftbedingungen für Ungarn nicht mehr festgehalten und in seiner Entscheidung vom 14.11.2017, Gz.: 5433/17 eine darauf gestützte Beschwerde abgewiesen.
Auch das Oberlandesgericht K… hat in seinem Beschluss vom 22.11.2017, Gz.: 6 AuslA. 125/17 (BeckRS 2017, 136553) eine Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung nach Ungarn für zulässig erklärt.
Vor diesem Hintergrund war die Einholung konkreter Zusicherungen zu den Haftbedingungen, zu denen der Verfolgte nach seiner Auslieferung nach Ungarn untergebracht sein wird, weder erforderlich noch geboten.

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