Europarecht

Aussetzung des Verfahrens wegen Normenkontrolle – Zensus 2011

Aktenzeichen  5 BV 16.85

Datum:
29.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 48882
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 94
ZensusG 2011 § 7 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

In analoger Anwendung von § 94 VwGO kann das Gericht nach seinem Ermessen das Verfahren aussetzen, wenn die Entscheidung von der Gültigkeit einer Norm abhängt (hier das ZensusG 2011), die bereits Gegenstand eines beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens ist.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 13.2149 2015-08-06 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Gründe

Gegenstand des Rechtstreits ist das Begehren der Klägerin auf Feststellung, der Beklagte sei verpflichtet, für die Klägerin eine amtliche Einwohnerzahl zum 9. Mai 2011 in Fortschreibung der Volkszählung 1987 auf der Grundlage von 43.529, hilfsweise von 42.884 Einwohnern festzustellen.
Die Klägerin hat im Rahmen der Begründung ihrer Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 VwGO beantragt. Der Beklagte hat im Rahmen der Anhörung hierzu erklärt, dass gegen die Aussetzung des Verfahrens keine Einwände bestünden.
Der Senat setzt das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Verfahren der abstrakten Normenkontrolle des Senats von Berlin (Az.: 2 BvF 1/15) und des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg (Az.: 2 BvF 2/15) aus. Die analoge Anwendung von Vorschriften über die Aussetzung des Verfahrens wie § 94 VwGO steht im Ermessen des Gerichts, wenn es für die Entscheidung über den Klageanspruch auf die Gültigkeit einer Rechtsnorm ankommt, die bereits Gegenstand eines beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens ist. Das ist hier der Fall: Der Erfolg der Berufung der Klägerin hängt davon ab, ob die Verfassungswidrigkeit der zentralen normativen Grundlagen des Zensus 2011 (insbesondere § 7 Abs. 1 und 2 ZensusG sowie § 2 Abs. 2 und 3 und § 3 Abs. 2 Stichprobenverordnung) vom Bundesverfassungsgericht festgestellt und daher gemäß § 76 BVerfGG für nichtig erklärt werden.
Damit sind die Voraussetzungen analog § 94 VwGO für die Aussetzung des Verfahrens erfüllt. Ob bei Vorliegen der Voraussetzungen ausgesetzt wird, steht im richterlichen Ermessen. Das Gericht hat dabei das Interesse des Rechtsschutzsuchenden an zügiger und effektiver Rechtsgewähr im vorliegenden Prozess einerseits und die für eine Aussetzung sprechenden gegenteiligen Interessen andererseits abgewogen. Für eine Aussetzung des Verfahrens sprechen vor allem die Gründe der Prozessökonomie. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist auch in nicht völlig unabsehbarer Zeit zu erwarten. Spezifische Aussetzungsrisiken in den beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren – etwa eine Rücknahme der Normenkontrollanträge – sind nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund erscheint es derzeit nicht sachgerecht, im vorliegenden Verfahren über die aufgeworfenen Rechtsfragen inhaltlich zu entscheiden, wenn eine zeitnahe Klärung jedenfalls der verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt.
Nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird der Senat den Rechtstreit von Amts wegen unverzüglich fortsetzen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 9 C 16.392 – juris Rn. 6 m. w. N.).

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