Aktenzeichen AN 5 K 18.00374
Leitsatz
Auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht lässt sich ein Ausweisungsinteresse mit generalpräventiven Gründen begründen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Die Klage konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandelt und entschieden werden, da auf diese Möglichkeit in der ordnungsgemäßen Ladung vom 24. September 2019 hingewiesen worden war, § 102 Abs. 2 VwGO. Die Ladung wurde dem Klägerbevollmächtigten mittels Empfangsbekenntnis zugestellt (Rücklauf des undatierten, aber unterschriebenen Empfangsbekenntnisses bei Gericht am 25. September 2019).
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 25. Januar 2018 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§§ 113 Abs. 1, 5 VwGO).
Die von der Beklagten unter der Bedingung, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird, verfügte Ausweisung (Ziffer I) und die in Ziffer II verfügte Befristung der Wirkung der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren ab Ausreise/Abschiebung sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Die in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids vom 25. Januar 2018 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 16; U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 37).
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Da das Asylverfahren des Klägers noch nicht abgeschlossen ist, hat die Beklagte die Ausweisung zu Recht gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG unter der Bedingung verhängt, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird.
Im Fall des Klägers liegt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG n.F. vor. Nach dieser Norm wiegt das Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten verurteilt worden ist. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen, denn mit Urteil des Amtsgerichts … vom 28. Februar 2019 wurde er wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt.
Die Beklagte hat die Ausweisung auf generalpräventive Gründe gestützt. Dies ist nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12. Juli 2018 entschieden, dass sich auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht mit generalpräventiven Gründen ein Ausweisungsinteresse begründen lässt (BVerwG, U.v.12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 16). Dem Gedanken der Generalprävention liegt zugrunde, dass – über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus – ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Erforderlich ist regelmäßig, dass eine Ausweisungspraxis, die an die Begehung ähnlicher Taten anknüpft, geeignet ist, auf potentielle weitere Täter abschreckend zu wirken. Bei der generalpräventiven Aufenthaltsbeendigung ist besonders sorgfältig das Gewicht der mit ihr verfolgten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu ermitteln. Hierzu gehört auch für die Verwaltungsgerichte eine genaue Kenntnisnahme und Würdigung des der Aufenthaltsbeendigung zugrundeliegenden Tatgeschehens und seiner strafgerichtlichen Bewertung (BVerfG, B.v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83 – juris Rn. 24). Zudem gehört der Kläger nicht zu den durch § 53 Abs. 3 AufenthG privilegierten Personengruppen, so dass auch insoweit das Abstellen auf generalpräventive Gründe nicht ausgeschlossen ist.
Die konkreten generalpräventiven Erwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Der Kläger ist innerhalb der kurzen Zeit seines Aufenthalts in Deutschland mehrfach wegen Eigentumsdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten und belangt worden. Es ist sachgerecht, diesem Umstand mit einer generalpräventiv motivierten Ausweisung zu begegnen. So ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, dass ein gewichtiges öffentliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der Rechtsvorschriften bestehe und anderen Ausländer deutlich vor Augen geführt werden solle, dass ein Verhalten, wie vom Kläger gezeigt, nicht hingenommen werde und zur unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung mit allen rechtlichen Konsequenzen führe. Es besteht ein besonderes Bedürfnis, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art abzuhalten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Asylverfahren des Klägers noch nicht abgeschlossen ist und deshalb die Ausweisung gerade auf Personen, deren Asylverfahren noch läuft, besonders abschreckend wirken soll.
Dem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse des Klägers stehen im vorliegenden Fall keine vertypten Bleibeinteressen entgegen. Zwar befinden sich die weiteren Familienmitglieder des Klägers ebenfalls im Asylverfahren, aufgrund des bedingten Charakters der Ausweisung steht eine Trennung der Familie aber nicht im Raum.
Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt.
Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles, wie sie § 53 Abs. 1 AufenthG erfordert, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Die Beklagte hat in die Abwägung zutreffend eingestellt, dass sich der Kläger erst seit August 2015 im Bundesgebiet aufhält und bereits kurz nach Einreise vorsätzlich Straftaten begangen hat. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger bis zu seiner Einreise in seinem Heimatland gelebt hat, wird es ihm ohne größere Schwierigkeiten gelingen, sich dort wieder zu integrieren. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kommt die Kammer damit unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Keinen Bedenken begegnet auch die von der Beklagten in Ziffer II getroffene Entscheidung, die Wirkung der Ausweisung und Abschiebung des Klägers auf drei Jahre, gerechnet vom Tag seiner Ausreise oder Abschiebung an, zu befristen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 15. August 2019 ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot hat nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm darf selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren – die im Übrigen vorliegend nicht überschritten wurde – ist dabei fallbezogen ohne Bedeutung, da der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Es bedarf der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrwirkung muss sich dabei an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56).
Gemessen an diesen Vorgaben kann der Kläger auch nicht hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten beanspruchen, über die Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Die Beklagte hat das Gewicht des im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung bestehenden Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck herausgearbeitet und ist beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befristung von drei Jahren angemessen ist.
Im Übrigen folgt das Gericht den ausführlichen und zutreffenden Gründen des Bescheides der Beklagten vom 25. Januar 2018 und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.