Aktenzeichen M 9 K 18.2041
Leitsatz
Das Handeltreiben eines Ausländers mit Betäubingsmitteln stellt eine schwerwiegende Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, die seine Ausweisung rechtfertigt. (Rn. 14 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2020 entschieden werden, obwohl für den Kläger niemand – auch nachdem eine Viertelstunde zugewartet wurde (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2017 – 20 ZB 17.30303 – juris) und nach nochmaligem Aufruf der Sache – erschienen ist. In der per Postzustellungsurkunde an die Bevollmächtigte des Klägers zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung ist darauf hingewiesen worden, dass auch im Fall des Nichterscheinens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, da sie im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet ist.
1. Die Anfechtungsklage gegen die Ausweisung ist unbegründet, da der Bescheid vom 27. März 2018 den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG ist rechtmäßig.
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 Satz 2 AufenthG müssen nicht erfüllt sein. Die Ausweisung erfolgte aufgrund des noch nicht unanfechtbar abgeschlossenen Asylverfahrens nach § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur unter der Bedingung, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird.
a) Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung noch gegeben. Es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger weiterhin Straftaten aus dem Bereich der Drogendelikte begeht.
Bei der vom Gericht eigenständig zu treffenden Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2016 – 10 ZB 15.1968 – juris Rn. 10 m.w.N.). Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt nach der Rechtsprechung ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 1911 – juris Rn. 16 m.w.N.; U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18).
Delikte im Bereich der Drogenkriminalität stellen schwerwiegende Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, die mit ganz erheblichen Gefährdungen der Gesundheit der Bevölkerung verbunden sind (HessVGH, B.v. 15.2.2016 – 3 A 1482/14.Z – juris Rn. 14). Aufgrund dessen sind an die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Schadenseintritte keine überzogenen Anforderungen zu stellen (VGH BW, B.v. 7.8.1995 – 1 S 173/95 – juris Rn. 7). Diese Anforderungen für die Wahrscheinlichkeit sind vorliegend erfüllt.
Der Kläger hat innerhalb eines beträchtlichen Zeitraums mit Betäubungsmitteln in der Asylbewerberunterkunft Handel getrieben. Der erste Strafbefehl vom 22. Dezember 2016, wenn auch nur mit einer niedrigeren Geldstrafe, hatte keine Wirkung auf den Kläger gezeigt. Entwicklungen des Klägers und seiner Lebensumstände, welche zukünftig gegen eine Wiederholung von Straftaten nach dem BtMG, sprechen sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat keine abgeschlossene Ausbildung und ist nicht erwerbstätig. Aufgrund der schnellen Rückfallgeschwindigkeit und fehlender Anhaltspunkte für eine Einsicht des Klägers in sein begangenes Unrecht, ist von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Drogendelikte auszugehen. Der vom Kläger bei den polizeilichen Ermittlungen vorgetragene Eigenkonsum spricht weiter dafür, dass der Kläger weiterhin zur Finanzierung des Eigenkonsums, auch Handel mit Betäubungsmitteln betreibt.
Neben diesen spezialpräventiven Erwägungen kann die Ausweisung auch auf generalpräventive Zwecke gestützt werden, da der Kläger nicht zu den in § 53 Abs. 3 AufenthG genannten Personengruppen gehört (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 -, BVerwGE 162, 349, Rn. 16; VG München, U.v. 1.2.2017 – M 9 K 16.1028 – juris Rn. 25). Aus generalpräventiven Gründen stellt der weitere Aufenthalt des Klägers eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Mit der Ausweisung soll auf das Verhalten anderer Ausländer eingewirkt werden und sie zur Einhaltung der Rechtsordnung bewogen werden. Drogendelikten in Asylbewerberunterkünften kann mit Ausweisungen im gewissen Maße gegengewirkt werden.
b) Nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse beim Kläger schwer. Er hat als Täter den Tatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verwirklicht, da er unerlaubt mit Betäubungsmitteln Handel getrieben hat.
c) Ein besonders schwerwiegendes oder schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG liegt nicht vor.
d) Bei der Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse überwiegt das Ausweisungsinteresse und die Ausweisung ist verhältnismäßig. Bei der Abwägung sind nach § 53 Abs. 2 AufenthG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderem zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
Der Kläger hält sich inzwischen zwar für etwas mehr als r fünf Jahre im Bundesgebiet auf. Der Kläger verfügt aber über keine besonderen persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen im Bundesgebiet. Vielmehr lebt nach den Aussagen des Klägers seine Großfamilie in Nigeria. Der Kläger hat sich in Deutschland nicht integriert. Dies zeigen gerade seine Straftaten. Einer Erwerbstätigkeit geht der Kläger nicht nach. Dem Kläger, der nach eigenen Angaben mit 17 Jahren nach Deutschland gekommen ist, wird es nach der Rückkehr nach Nigeria möglich sein, sich dort wieder zu integrieren.
Dem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse stehen deswegen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls keine gewichtigen Bleibeinteressen entgegen. Die Ausweisung ist auch nicht unverhältnismäßig. Die von der Ausweisung bezweckte Gefahrenabwehr steht nicht außer Verhältnis zu den Folgen der Ausweisung für den Kläger.
2. Auch die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Verkürzung der Frist für das Einreise – und Aufenthaltsverbot hat keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute ermessensfehlerfrei Entscheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Frist von vier Jahren hält die grundsätzliche Grenze von fünf Jahren nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ein.
Das Ermessen nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wurde ermessenfehlerfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Bestimmung der Länge der Frist erfolgt in einem ersten Schritt anhand einer prognostischen Einschätzung, wie lange die Gefahr besteht, dass der Ausländer weitere Straftaten oder andere Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung begehen wird, wobei die Umstände des Einzelfalles anhand des Gewichts des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen sind. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist anhand der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK zu überprüfen und ggf. zu verkürzen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Befristung auf vier Jahre nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die Frist mit der prognostischen Einschätzung begründet, dass in diesem Zeitraum die Gefahr der Begehung neuer Straftaten zu befürchten sei. Unter Berücksichtigung der fehlenden persönlichen Bindungen nach Deutschland sei deswegen die Frist von vier Jahren geeignet die mit der Ausweisung verfolgten Zwecke zu erreichen. Ermessensfehler sind bei den Ausführungen nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 173 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.