Aktenzeichen 1 O 462/12
BGB BGB § 313, § 631 Abs. 1
Leitsatz
1 Werden Bedarfspositionen im Leistungsverzeichnis sowohl mit einem Einheitspreis versehen als auch bei der Ermittlung des Gesamtpreises mit berücksichtigt, sind diese bereits mit Vertragsschluss aufschiebend bedingt unter der Voraussetzung des Eintritts des Bedarfsfalles beauftragt. Eine weitere einzelne Beauftragung während des Bauablaufs ist nicht erforderlich. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2 Enthält das Leistungsverzeichnis einen echten Mengenvordersatz, was auch bei der Angabe “1” zu bejahen ist, hat bei Mehrmengen über 110% eine Preisfortschreibung gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B unter Heranziehung der Urkalkulation des Auftraggebers zu erfolgen. Liegt eine Urkalkulation nicht vor oder ist diese unzureichend, ist eine nachträgliche Erstellung der Kalkulation zulässig und erforderlich (einschränkend BGH BeckRS 2013, 06630 Rn. 14 ff.). (Rn. 54 – 55 und 61 – 63) (redaktioneller Leitsatz)
3 Steht der gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B neu zu vereinbarende Preis für Mehrmengen in einem auffälligen wucherähnlichen Missverhältnis zur Bauleistung, kann die dieser Preisbildung zugrunde liegende Vereinbarung sittenwidrig sein (ebenso BGH BeckRS 2013, 07094 Rn. 17 ff.). Ein solches Missverhältnis liegt nicht vor, wenn sich zwar die Menge auf das 580-fache erhöht hat, der ursprünglich vereinbarte Einheitspreis sich jedoch lediglich auf das 6,5-fache und der fortgeschriebene Preis nur auf das 2,5-fache des marktüblichen Preises belaufen. (Rn. 107 – 110) (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB kommt grundsätzlich nicht in Betracht, soweit eine vertragliche Regelung über die Preisfortschreibung von Mehrmengen wie in § 2 Abs. 3 VOB/B getroffen ist. Lediglich bei einer außergewöhnlichen Preisbildung kommt ein Rückgriff auf § 313 BGB in Betracht, weil die darin angelegte Störung des Äquivalenzinteresses sich bei erheblichen Mengenänderungen in viel größerem Maße auswirkt (ebenso BGH BeckRS 2011, 10301 Rn. 6 ff.). (Rn. 113 – 116) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Das Versäumnisurteil vom 19.11.2012 wird aufrecht erhalten, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 39.671,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.11.2011 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 19.11.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten seiner Säumnis. Von den übrigen Kosten trägt die Klägerin 55 %, der Beklagte 45 %.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 19.11.2012 ist zulässig, die Klage ist zulässig aber nur teilweise begründet.
A
Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 19.11.2012 ist zulässig.
Der Einspruch ist statthaft, die Formerfordernisse gemäß § 340 Abs. 1, Abs. 2 ZPO sowie die Zweiwochenfrist gemäß § 339 ZPO sind gewahrt.
B
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Bamberg sachlich und örtlich zuständig.
C
Die Klage ist in der Sache nur teilweise begründet.
Der Klägerin steht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag vom 11.03.2010 ein Vergütungsanspruch hinsichtlich der jeweiligen Positionen 03.0023 beim Schmutz- und Regenwasserkanal (Zulage für schadstoffbelastete Ausbaustoffe) in der tenorierten Höhe zu. Hinsichtlich einer Menge von 1,1 Tonnen (entspricht 110 %) kann jeweils der Angebotsbetrag von 246,235 € netto abgerechnet werden. Für die Mengen über 1,1 Tonnen hinaus richtet sich der Preis nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B gemäß Preisfortschreibung unter Berücksichtigung von Mehr- und Minderkosten, welchen das Gericht mit 94,65 € netto ermittelt. Die bereits geleisteten Zahlungen waren abzuziehen.
I. Die Vereinbarung eines Werkvertrags zwischen den Parteien samt Leistungsverzeichnis ist zwischen den Parteien ebenso unstreitig, wie die Durchführung der Arbeiten an sich und die Abnahme derselben.
II. Es liegt auch hinsichtlich der jeweiligen Positionen 03.0023 beim Regen- und Schmutzwasserkanal entgegen der Auffassung der Beklagtenpartei eine Beauftragung vor.
Das Gericht ist der Auffassung, dass es sich bei den jeweiligen Positionen 03.0023 um Bedarfspositionen handelt, welche bereits bei Abschluss des Vertrages mit beauftragt wurden.
1. Nach überwiegender Auffassung in der Literatur sind Bedarfspositionen mit Vertragsschluss aufschiebend bedingt beauftragt (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB/B, 18. Aufl., § 2 Abs. 1 VOB/B, Rdnr. 33).
Hieran ändern auch die in dem Vertrag zugrunde liegenden zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführungen von Bauleistungen einheitliche Fassung (November 2005) nichts. Zwar heißt es dort unter Wahlpositionen, Bedarfspositionen (§ 1):
„Sind im Leistungsverzeichnis für die wahlweise Ausführung einer Leistung Wahlpositionen (Alternativpositionen) oder für die Ausführung einer nur im Bedarfsfall erforderlichen Leistung Bedarfspositionen (Eventualpositionen) vorgesehen, ist der Auftragnehmer verpflichtet, die in diesen Positionen beschriebenen Leistungen nach Aufforderung durch den Auftraggeber auszuführen. Die Entscheidung über die Ausführung von Wahlpositionen trifft der Auftraggeber in der Regel bei Auftragserteilung, über die Ausführung von Bedarfspositionen nach Auftragserteilung.“
Hieraus geht hervor, wie bereits die Klagepartei ausführt, dass in der Regel Bedarfspositionen nach Auftragserteilung erteilt werden, jedoch ist hier in Übereinstimmung mit der Klägerseite davon auszugehen, dass vorliegend ein solcher Regelfall nicht gegeben ist. Das Gericht folgt der klägerischen Argumentation, dass im Leistungsverzeichnis Bedarfspositionen existieren, die lediglich mit einem Einheitspreis und nicht mit einem Gesamtpreis abgefragt werden. Bei der vorliegenden streitgegenständlichen Position handelt es sich um eine Bedarfsposition, die mit Gesamtpreis abgefragt wurde. Nach der Kommentierung bei Ganten/Jansen/Voigt Beckscher, VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 1 Rnr. 47 ist ausgeführt, dass eine solche Bedarfsposition bei der Ermittlung der Gesamtsumme nicht mitaddiert wird. Im Umkehrschluss ist nach Auffassung des Gerichts davon auszugehen, dass, sofern ein solche Bedarfsposition bei der Ermittlung des Gesamtpreises mitaddiert wird, nicht lediglich eine weitere einzelne Beauftragung während des Bauablaufs, also nach Vertragsschluss erforderlich ist, sondern dass vielmehr eine solche Bedarfsposition mit Vertragsschluss aufschiebend bedingt unter der Voraussetzung, dass der Bedarfsfall eintritt, beauftragt wird.
2. Für eine Beauftragung mit Vertragsschluss und nicht einer eigenständigen Beauftragung im späteren Bauverlauf spricht auch das klägerseits vorgelegte Auftragsschreiben des Beklagten an die Klägerin. Dort ist ausgeführt:
„Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund Ihres Angebots und des Beschlusses des zuständigen Gremiums vom 09.03.2010, erhalten Sie hiermit den Auftrag zur Ausführung der oben bezeichneten Leistungen. Die Auftragssumme beträgt brutto 1.702.944,32 €.“
Da die Gesamtsumme des Angebots, in welcher auch die streitgegenständliche Position eingeflossen ist, beauftragt wurde, spricht auch dies dafür, dass die vorliegende Bedarfsposition abweichend von der nach den zusätzlichen Vertragsbestimmungen beschriebenen Regel gleich bei Vertragsschluss mitbeauftragt wurde. Anderenfalls würde es keinen Sinn ergeben, dass die vollständig im Angebot enthaltene Bruttoauftragssumme auch so von dem Beklagten mit der Auftragsbestätigung bestätigt und beauftragt wurde.
3. Auf die Frage des Vorliegens einer Vollmacht des Streithelfers E. für eine spätere Auftragserteilung im Rahmen der Ausführung der Arbeiten (Duldungs- oder Anscheinsvollmacht) kommt es somit überhaupt nicht an, obgleich das Gericht der Überzeugung ist, dass aufgrund des Auftretens des Streithelfers auf der Baustelle sich die Klägerseite auch eine solche berufen könnte.
4. Ebenfalls dahinstehen kann somit, ob dem Beklagten ein Drittangebot in Höhe von 40,80 € pro Tonne für die streitgegenständlichen Positionen vorlag und ob es eine dahingehende Korrespondenz mit der Klagepartei in Form von Telefonaten mit dem Seniorchef der Klägerin gegeben hat.
III. Hinsichtlich bereits gezahlter Teilbeträge in Abschlagsrechnungen liegt nach Auffassung des Gerichts kein (Teil-) Anerkenntnis des Beklagten vor. Das Gericht weicht hiermit ausdrücklich vom Hinweis des Dezernatvorgängers aus dem Beschluss vom 22.01.2014 ab.
Abschlagsrechnungen stellen grundsätzlich kein Anerkenntnis des Gesamtwerklohns dar, wenn eine Schlussrechnung noch nicht vorliegt. Auch eine Beweislastumkehr zugunsten des Auftragnehmers kann hieraus nicht gefolgert werden. Eine Abschlagsrechnung stellt grundsätzlich eine vorläufige Rechnung dar. Sie stellt die erbrachten Leistungen (noch) nicht abschließend fest. Deshalb ist auch die Zahlung auf eine entsprechende Abschlagsrechnung nur vorläufig, so dass hieraus von dem Auftragnehmer keine rechtliche Konsequenzen gezogen werden können. Mit einer Abschlagszahlung behält sich der Auftraggeber daher das Recht vor, Rückzahlungen zu verlangen, wenn das Ergebnis der Schlussrechnung ihn dazu berechtigt (Werner, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., 2015, Rdnr. 2550).
Zudem hat der Beklagte durch Kürzungen im Rahmen der Abschlagszahlungen deutlich gemacht, dass er an dem klägerischen Einheitspreis für die streitgegenständliche Position nicht festhalten will. Eines gesonderten Hinweises des Gerichts bedurfte es diesbezüglich nicht mehr, da bereits der Beklagte und insbesondere der Streithelfer auf obige Fundstelle hingewiesen hatten.
IV. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B hat für die beiden streitgegenständlichen Positionen 03.0023 eine Preisfortschreibung zu erfolgen, da die ausgeführte Menge 110 % des im Vertrag vorgesehenen Umfangs überschritten hat. Statt einer Tonne wurden hier insgesamt 582,60 Tonnen ausgeführt.
1. Entgegen der Auffassung der Klagepartei, ist im Aufführen der Ziffer „1“ im Leistungsverzeichnis ein echter Mengenvordersatz zu sehen.
a) Hierauf hatte das Gericht bereits im Rahmen des Beweisbeschlusses vom 30.04.2014 unter Ziffer III hingewiesen. Diese Vorgabe war auch Grundlage der Beauftragung des gerichtlichen Sachverständigen M3. B3. Das Gericht folgt der Ansicht der Klägerseite nicht, die bestreitet, dass hier eine Tonne zu erwarten war und dies so ausgeschrieben sei. Das Gericht ist auch nicht der Auffassung, dass die Ausschreibung systematisch verlange, dass statt einer „0“ eine „1“ eingetragen werde. Ein Indiz hierfür könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn auch bei anderen Bedarfspositionen an der Stelle in der die Menge einzutragen ist, eine 1 aufgeführt wäre. Die ist jedoch nach Durchsicht des Leistungsverzeichnisses nicht der Fall.
b) Zudem hat die Beweisaufnahme in Form der Vernehmung des Zeugen E. nach Überzeugung des Gerichts ergeben, dass beklagtenseits hier tatsächlich mit einer Tonne geplant gewesen ist und diese erwartet wurde:
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2014 gab der Zeuge E. an, in diesem Bereich habe es bereits zwei Jahre zuvor eine Baustelle in der Nähe gegeben. Bei der dortigen Öffnung von 40 bis 50 m sei kein Teer angetroffen worden. In diesem Bereich sei überhaupt nicht mit derartigen Rohren zu rechnen gewesen, lediglich im Bereich der Kreisstraße in einem Umfang von 2 km. In den anderen Bereichen sei bekannt gewesen, dass nichts auftauchen könne, da dort vor einigen Jahren die Wasserleitungen neu verlegt worden seien. Er habe daher eine Tonne geschätzt, ausgehend davon, dass ein Rohr mit Innendurchmesser 10 cm 6,5 kg und ein Rohr mit Innendurchmesser 15 cm 10,5 kg wiege. Er habe diese Position dann zwar in Tonnen und nicht in laufenden Metern angegeben, was jedoch darauf zurückzuführen sei, dass er anderenfalls diese Position weiter aufteilen hätten müssen in sechs Unterpositionen, da Rohre mit drei verschiedenen Durchmessern auftreten können und diese jeweils mit drei verschiedenen Kupplungen verbunden werden können. Er habe eine solche sechsfache Unterpositionsbildung jedoch nicht für sachgerecht gehalten. Für ihn sei wichtig gewesen, dass mit einer geschätzten Menge von einer Tonne gerechnet werde. Die beklagtenseits aufgestellte Rechnung 50 m Rohre mit 20 kg pro Meter sei jedoch nicht richtig.
c) Das Gericht erachtet die Angaben des Zeugen E. für glaubwürdig. Anhand des Protokolls vom 12.03.2014 ergeben sich keine Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln. Zudem ist für das Gericht auch kein Grund ersichtlich, warum der Zeuge hier das Gericht mit der Unwahrheit bedienen sollte. Seine Schilderung wie er zur Schätzung der Menge 1 Tonne kam und warum er es nicht in laufenden Metern angegeben habe, hält das Gericht für nachvollziehbar und plausibel.
d) Insgesamt ist von einem echten Mengenvordersatz auszugehen. Zwar mag dies zwischen den Parteien so eindeutig nicht kommuniziert worden sein, wie auch der Zeuge E. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2014 einräumte. Für den Bieter d.h. die Klagepartei, war dies aber nach Auffassung des Gerichts klar erkenntlich, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass, wie oben bereits geschildert, die Menge „1“ im Leistungsverzeichnis nur einmal auftaucht. Im Übrigen hätte es der Klagepartei jederzeit offengestanden, bei dem Beklagten nachzufragen, wie die Mengenmenge 1 bezüglich der streitgegenständlichen Position zu verstehen sei.
2. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B kann für eine über 10 von 100 hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen ein neuer Preis vereinbart werden. Ein solches Verlangen der Beklagtenseite ist bereits durch die Kürzung im Rahmen der Abschlagsrechnungen zu sehen. Eine Vereinbarung über den neuen Einheitspreis ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen, so dass dieser gemäß § 315 ff. BGB durch einen Dritten zu bestimmen ist. Im Streitfall hat somit, wie hier, die Entscheidung durch das Gericht nach Maßgabe eines einzuholenden Sachverständigengutachtens zu erfolgen (vgl. Jansen in: Ganten/Jansen/Voit, Beckscher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 2 Abs. 3 VOB/B, Rdnr. 11 m.w.N.).
3. Nach allgemeiner Meinung hat die Preisermittlung nach § 2 Abs. 3 VOB/B unter Heranziehung der Kalkulation bzw. „Urkalkulation“ des Auftragnehmers zu erfolgen, obgleich diese eine interne Berechnung darstellt, die dem Auftragnehmer in der Regel gar nicht bekannt und schwer überprüfbar ist (vgl. Jansen, in: Ganten/Jansen/Voit, Beckscher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 2 Abs. 3 VOB/B, Rdnr. 3). Klägerseits wurde die Kalkulation, die ursprünglich erstellt wurde, als Anlage K26 vorgelegt. Unstreitig handelt es sich dabei allerdings um ein Pauschalangebot ohne Differenzierung in Einzelpositionen. Klägerseits wurde über deren Subunternehmer, die Fa. P1., sodann nachträglich eine Kalkulation (Anl. K27) unter Auflistung einzelner Positionen erstellt. Eine derartige nachträgliche Erstellung einer detaillierten Kalkulation ist zulässig und zur Darlegung von Mehr- oder Mindervergütungsansprüchen auch erforderlich. Auf dieser Basis war – mit sachverständiger Hilfe und unter kritischer Würdigung der nunmehr vorgelegten Kalkulation – der neue Preis für die über 10 % hinausgehende Mehrmenge zu bilden. Dabei ist eine kritische Würdigung nachträglich vorgelegten Kalkulation geboten, weil die Nach-Erstellung der Kalkulation dem Auftragnehmer für ihn höchst erfreuliche Manipulationsmöglichkeiten eröffnet (vgl. Jansen, in: Ganten/Jansen/Voit, Beckscher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 2 Abs. 3 VOB/B, Rdnr. 17).
4. In der Vorschrift des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ist keine Regelung enthalten, wie ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren ist. Nach allgemeiner Auffassung In Rechtsprechung und Literatur hat dies jedoch unter Fortschreibung des Vertragspreises und ihre Einzelbestandteile, wie sie sich aus der ursprünglichen Kalkulation des Auftragnehmers ergeben, zu erfolgen (vgl. Jansen in: Ganten/Jansen/Voit, Beckscher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 2 Abs. 3 VOB/B, Rdnr. 19). Das Gericht hat sich hierzu sachverständiger Hilfe des Dipl.-Ing. M3. B3. bedient, welcher eine Fortschreibung des Vertragspreises unter Berücksichtigung der Kalkulation gemäß Anl. K26 und K27 in seinem Gutachten geprüft hat.
Der Sachverständige führt in seinem Gutachten folgendes aus:
a) Die Position 1 „Verdächtiges Material aussortieren“ falle bei einer Menge von über 110 % nicht mehr an. Grund sei, dass bei einer Tonne und 15 cm Dicke 4 m|2 vorgesehen wären, d.h. mehrere kleinere Teilbereiche bei denen tatsächlich ein Aussortieren erfolgen müsse. Aufgrund der Mengenmehrung von 582,60 Tonnen, d.h. 2.000 m|2, sei dann keine kleinflächige Aussortierung mehr erforderlich.
Bezüglich der Position 2 „Schadstoffbelastetes Material mittels Bagger auf Lkw laden“ sei wegen der erheblichen Mengenmehrung ein deutlich zügigeres Aufladen möglich, was zu einer Ersparnis von 15 % führe, da kontinuierlich beladen werden könne. Er ergebe sich ein fortgeschriebener Preis von 12,734 €/t (14,981 €/t × 0,85).
Auch bei der Position 3 „Schadstoffbelastetes Material zum Zwischenlager transportieren“ könne der Lkw wegen erheblicher Mengenmehrung vollgeladen werden mit max. 15 bis 20 Tonnen. Daraus ergebe sich eine anteilige Transportkostenreduzierung wobei von einer durchschnittlichen Beladung mit 17,5 Tonnen auszugehen sei. Die Transportkosten reduzierten sich so auf 5,7 % (1 t/17,5 t). Ausgehend von einer halben Stunde Fahrt ergebe sich für die Mengen über 110 % ein fortgeschriebener Preis von 1,37 €/t (0,5 Std./1 t × 1 t/17,5/ × 48,– €/Std.).
Bei der Position 4 „Schadstoffbelastetes Material abladen und häufen auf Zwischenlagerfläche“ sei aufgrund dar Mengenmehrung ein Vollladen im Mittel von 17,5 Tonnen und ein zügigeres Arbeiten möglich, wodurch sich Einsparungen von 20 % im Mittel ergäben. Der ursprüngliche Preis von 28,501 €/t sei daher mit 0,8 zu multiplizieren, wodurch sich ein fortgeschriebener Preis von 22,8 €/t ergäbe.
Auch bei der Position 5 „Schadstoffbelastetes Material abdecken“ sei ein effektiveres Arbeiten aufgrund der Mengenmehrung möglich im Zuge größerer Zwischenlagerhäufen. Es könnten so 40 m|3 auf einmal abgedeckt werden. Nach der Ausschreibung wäre nur eine Tonne, was 0,56 m|3 entspricht, abzudecken gewesen. Aufgrund der geringen Menge sei der kalkulierte Stundenansatz mit 0,6 Stunden für 0,56 m|3 nachvollziehbar. Für 40 m|3 würden inklusive etwaiger Nacharbeiten ca. 2 Mann mit im Mittel 1,25 Stunden benötigen, was 2,5 Stunden ergebe. Hieraus ergebe sich ein Stundenaufwand von 0,06 Std./m|3 (2,5 Std./40 m|3) bzw. 0,03 Std./t. (0,06 Std./m|3/1,8 t/m|3). Die Materialkosten blieben unverändert. Wegen der Mehrmenge reduziere sich jedoch der Arbeitsaufwand deutlich. In der Summe sei pro Tonne für das Material abdecken 2,265 €/t nötig.
Bei der Position 6 „Schadstoffbelastetes Material aufnehmen und aufladen“ ergebe sich Im Mittel eine Einsparung von 15 %, so dass ein fortgeschriebener Preis von 12,734 €/t ermittelt werde (13,981 €/t × 0,85).
Der Abtransport zur Entsorgungsstelle (Pos. 7) würde sich aufgrund der größeren Beladung im Mittel mit 17,5 t auf 5,7 % reduzieren (1 t:17,5 t).
Zu den reinen Entsorgungskosten (Position 8) fänden sich in den Unterlagen keine eindeutigen Angaben. Die reinen Deponiekosten würden sich in der Regel jedoch nicht verändern.
Da hinsichtlich dieser Positionen eindeutige Nachweise zur Preisfortschreibung fehlen würden, habe der Sachverständige eine Einschätzung auf Basis der vorliegenden Unterlagen vorgenommen. Bei 2 1/2 Stunden Transportkosten (0,5 Stunden zum Zwischenlager [Pos. 3] und 2 Stunden Transport zur Deponie [Pos. 7]) würde sich eine „theoretische“ Kostenreduzierung von 113,143 € ergeben. Bei dieser theoretischen Reduzierung würde jedoch der kalkulierte Betrag (96,20 €/t) deutlich überschritten werden und negativ werden. Ein solcher negativer Zahlbetrag im Wege der Preisfortschreibung sei jedoch nicht sachgerecht. Daher habe der Sachverständige den in Anl. B1 als Nachunternehmergrundpreis für die Entsorgung von Transport und teerhaltigen Asphalt von 34,– €/t zugrunde gelegt.
Dem so ermittelten Preis von 85,904 € sei ein AGK-Zuschlag von 10,18 % (8,745 €) hinzuzurechnen, so dass sich eine Gesamtsumme von 94,65 € (netto) ergebe.
b) Die Einwände der Parteien gegen das schriftliche Gutachten des Sachverständigen B3. sind nach Auffassung des Gerichts durch mündliche Erläuterung und Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2016 widerlegt worden.
aa) Zur Position 1 der Kalkulation fragte der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei den Sachverständigen mehrfach, ob der Wegfall dieser Position ab einer Menge von 110 % auf eine tatsächliche Änderung zurückzuführen sei, was nach der Preisfortschreibung gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B unzulässig wäre.
Der Sachverständige führte hierzu aus, dass der Grund für den Wegfall dieser Position ab einer Menge von 110 % ausschließlich auf die Mengenmehrung zurückzuführen sei. Es gäbe letztlich Positionen, die ab einer gewissen Menge gar nicht oder anders anfallen würden. Bezüglich dieser Positionen müssten nicht ständig Einzelbeprobungen stattfinden, sondern man könnte die Straßenoberfläche in einer größeren Menge oder in einem Zug wegfahren. Die ständige Einzelbeprobung, die wesentlich aufwendiger sei, würde nur bei kleinen Mengen anfallen.
Der Sachverständige führte beispielhaft aus, dass Position 1 nur dann immer wieder mengenunabhängig anfallen würde, wenn man tatsächlich alle paar 100 m oder km immer wieder eine Tonne ausheben und beproben würde, was hier allerdings nicht so gewesen sei. Die Beprobung sei insgesamt weggefallen und sei nur am Anfang für eine Kleinmenge erforderlich gewesen.
Die Ansicht der Klagepartei, dass nur eine tatsächliche Änderung vorliege, sei nicht richtig. Vielmehr sei bei der Preisfortschreibung zu prüfen, was sich bei einer Mengenmehrung von einer Tonne zu mehreren Tonnen verändere. Es liege hier der in der Literatur beschriebene Wiederholungseffekt derart vor, dass die Beprobung nicht weiter nötig sei. Der Sachverständige führte hierzu seine baupraktische Erfahrung an. Der Grund liege ausschließlich in der Mehrmenge.
Das Gericht schließt sich den nachvollziehbaren in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des Sachverständigen, der die Ergebnisse seines Gutachtens auch durch anschaulichen Beispiele erläuterte, vollumfänglich an.
bb) Der Einwand der Klagepartei, dass sich die Baggerkosten in Position 2 nicht reduzieren würden, hat der Sachverständige ebenfalls ausgeräumt: Er führte hierzu aus, dass sich die Position aufgrund größerer Menge verändere, da es einen Unterschied mache, ob der Bagger einmal hinfahren müsse, eine Tonne aufbaggere und wieder wegfahre, während er bei größeren Mengen einmal hinfahren könne und durchweg baggern könne. Es falle weniger Zeit für die Arbeitsplatzeinrichtung an und der Bagger könne mit einem schnelleren Umlauf arbeiten, wegen des kontinuierlichen Arbeitens. Die auch hier nur einmal anfallende An- und Abfahrt verteile sich dann aber auch auf die mehreren Tonnen.
Auch diesbezüglich erachtet das Gericht die Ausführungen des Sachverständigen nachvollziehbar und plausibel und schließt sich diesen umfänglich an.
cc) Bezüglich Position 4 erklärte der Sachverständige auf Frage der Klagepartei, dass er die hier angesetzte Reduktion von 20 % auf Erfahrungswerte im Rahmen seiner Tätigkeit als Bauleiter und Oberbauleiter auf einer Vielzahl von Baustellen zurückführe. Die Frage, ob mit 20 oder 17,5 t kalkuliert werde, spiele hier nur eine untergeordnete Rolle.
Das Gericht hat keine Zweifel an der Fachkunde und der bautechnischen Erfahrung des Sachverständigen, da dieser bereits als langjähriger Gerichtssachverständiger tätig ist. Das Gericht erachtet dessen Einschätzung der Reduktion um 20 % als sachgerecht und folgt dieser vollumfänglich.
dd) Auch die Einwände bezüglich der Position „schadstoffbelastetes Material abdecken“ (Pos. 5) erachtet das Gericht als widerlegt.
Der Sachverständige schilderte bildhaft, dass im Unterschied bei einem kleineren Haufen ein größerer Haufen mit deutlich geringeren Aufwand im Verhältnis abgedeckt werden könne. Umgerechnet auf eine Tonne sinke so auch der Aufwand. Auch hier sei Hintergrund einzig und allein die Mehrmenge, da dann ein anderes Handling vorliege. Bei dem Folienmaterial habe er jedoch kein Einsparpotential gesehen, da eine mehrfache Verwendung in der Regel nicht möglich sei, da die Folie leicht mit Löcher versehen werde.
Der Sachverständige führte auf Frage auch aus, wie er bei seiner Berechnung zu Position 5 den Wert von 1,8 t/m|3 angesetzt habe. Der Sachverständige beruft sich hierzu auf Statistiken des Statistischen Bundesamts und auf Internetrecherchen. Auf dessen Angebot hin, dies bei weiteren Nachfragen genauer prüfen zu können, wurde jedoch bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung kein weiterer Beweisantrag der Klagepartei gestellt. Nach Auffassung des Gerichts genügen die diesbezüglich vorgetragenen Recherchen des Sachverständigen jedoch vollumfänglich zur Beantwortung der Beweisfrage.
Auch bezüglich Position 5 sieht das Gericht die Einwände der Klagepartei widerlegt. Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen der schlüssig, plausibel und in sich nachvollziehbar vortrug, vollumfänglich an.
ee) Zu Position 6 (Schadstoffbelastetes Material aufnehmen und Transportfahrzeuge laden) erklärte der Sachverständige, dass hier der selbe Abschlag wie bei Position 2 angesetzt worden sei.
Das Gericht erachtet auch diesbezüglich die Angaben des Sachverständigen für nachvollziehbar und schließt sich diesen an.
ff) Das Gericht ist der Auffassung, dass bezüglich Positionen 7 und 8 entgegen der Ansicht der Beklagtenpartei und Streithelfers keine doppelte Berücksichtigung von Positionen vorliegt, was zu einer veränderten Preisfortschreibung führen würde.
Hierzu wurde der Zeuge M2. P2. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2016 gehört. Der Zeuge erklärte, dass er in Position 3.4 des Leistungsverzeichnisses den Asphaltaufbruch als Zulage zum normalen Rohrgrabenaushub angesehen habe. Denn der Rohrgrabenaushub beinhalte für ihn den Aushub von der Geländeoberkante bis zur Rohrgrabensohle. Der Aufbruch des bituminösen Teils darüber sei aus seiner Sicht die Zulage. Dies sei dann unter Position 3.23 erfasst. So sei kalkuliert worden.
Der Sachverständige, in dessen Anwesenheit der Zeuge vernommen wurde, erklärte, dass baubetrieblich nachvollziehbar sei, wie der Zeuge seine Kalkulation geschildert habe. Genaueres könne er nur bei Prüfung der Kalkulation der Hauptposition sagen. Das separate Rechnen von Rohrgraben, Aushub Oberkante des Rohrgrabens Sohle und bituminösen Teil sei eine durchaus mögliche Kalkulationsmethode.
Das Gericht sieht die Einwände der Beklagtenpartei und des Streithelfers hierzu als widerlegt an. Einer diesbezüglichen weiteren Beweisaufnahme bedurfte es nicht, entsprechende Beweisanträge der Beklagtenpartei oder des Streithelfers wurden bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Da der Sachverständige die Schilderung des Zeugen als mögliche Kalkulationsmethode ansah, sieht das Gericht auch keinen weiteren Klärungsbedarf. Eine Entscheidung ist auf dieser Grundlage möglich.
gg) Zu Position 7 und 8 der Kalkulation (Transport und Deponiekosten) hat das Gericht den Zeugen P2., der die Kalkulation ursprünglich durchgeführt hat, weiter angehört da der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hatte, dass er für eine genauere Prüfung der Deponiekosten zu wenig Anhaltspunkte habe. Die Einvernahme des Zeugen führte jedoch zu keinem vom schriftlichen Gutachten abweichenden Ergebnis.
Der Zeuge P2. erläuterte im Rahmen seiner Vernehmung er hätte die Position „Transport und Deponiekosten!, die er mit 96,20 € nachträglich in Anl. K27 ermittelt habe, auch aufschlüsseln können in 90,– € Deponiekosten und 6,20 € Transportkosten. Der Zeuge erläuterte auch, wie er unter Berücksichtigung eines vollgeladenen Lkws mit 20 t zu einem Preis von 6,20 € komme. Den Betrag von 90,– € habe er angesetzt, da ihm keine konkreten Angebote im hiesigen Raum für Entsorgung vorlägen und die Preise zwischen 65,– €, im Bereich in dem die Fa. P1. ansässig sei und 180,– € im Raum München schwanken würden. Der Zeuge gab auch an, 90,– € Deponiekosten bereits bei dem ursprünglichen Pauschalbetrag von 220,– € (Anl. K26) im Hinterkopf gehabt zu haben.
Das Gericht erachtet die Angabe des Zeugen P2., er habe bereits von Anfang an 90,– € Entsorgungskosten im Hinterkopf gehabt und hiermit kalkuliert, jedoch nicht für glaubhaft. Das Gericht ist vielmehr der Ansicht, dass hier eine für den Nachunternehmer und somit auch die Klagepartei günstige nachträgliche Darstellung in der Nachkalkulation Anl. K27 vorgenommen wurde. Wie oben bereits dargestellt, hat seitens des Gerichts jedoch, insbesondere falls eine nachträgliche Kalkulation erstellt wurde, wegen der möglichen Manipulationsgefahr eine kritische Würdigung aller Umstände zu erfolgen. Das Gericht ist der Ansicht, dass mehr dafür spricht, dass sich der Kalkulator ursprünglich offenbar keinerlei Gedanken über die konkreten Entsorgungskosten machte, als er pauschal 220,– € für eine Tonne ansetzte, sondern diesen Betrag als Gesamtbetrag schlicht schätzte.
Die ausdrückliche Frage, warum er die Position Transport und Deponie nicht aufgeschlüsselt habe, konnte er nicht erklären und nur mit einem Achselzucken antworten. Dabei hätte dem Zeugen doch nachträglich die Möglichkeit offengestanden, hier diese Position genauer zu differenzieren. Das Gericht erachtet es als wenig glaubwürdig, dass der Zeuge schon bei der ursprünglich erstellten Pauschalkalkulation von 220,– € für die Entsorgung Kosten von 90,– € berücksichtigt habe, denn damals hatte er – wie er selbst einräumte – für den hiesigen Raum keinerlei Angebot eingeholt. Für das Gericht ist somit in keinster Weise ersichtlich, wie er diesen Betrag dann bereits im Kopf haben sollte. Dagegen spricht auch dass tatsächlich später beim Nachunternehmer nur ein Betrag von 34,– € angefallen ist.
Das Gericht ist sich bewusst, dass, wie auch der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten und bei der mündlichen Erläuterung ausführte, bezüglich Position 7 und 8 Abtransport und Entsorgung letztlich keine Fortschreibung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B erfolgt, sondern vielmehr der tatsächlich beim Nachunternehmer angefallene Preis von 34,– € netto angesetzt wird. Das Gericht folgt jedoch dem Sachverständigen diesbezüglich unter Anknüpfung des tatsächlichen Preis, denn wie der Sachverständige ausführt, würde bei konsequeter Fortschreibung des Preises hier eine Reduzierung auf „0 Euro“ bzw. ein negativer Preis angesetzt werden. Das Gericht folgt dem Sachverständigen, dass dies keinesfalls zu einem sachgerechten Ergebnis führen würde.
c) Insgesamt erfolgt somit eine Preisfortschreibung mit 94,65 € netto, wobei das Gericht der Berechnung des Sachverständigen auf Seite 25 seines schriftlichen Gutachtens folgt. Auch der AGK-Zuschlag von 10,18 % ist für das Gericht nachvollziehbar.
d) Selbst unter Berücksichtigung der Einwände des Klägervertreters zu Position 1, die nach der sachverständigen Berechnung über einen Menge von 110 % vollständig entfällt, und bezüglich der Transport- und Deponiekosten, hält der vom Sachverständigen ermittelte Preis von 94,65 € netto auch einer kritischen Plausibilitätsprüfung stand, wenn man zugrunde legt, dass die Klagepartei bzw. deren Nachunternehmer, die Fa. P1., anfangs unstreitig mit pauschal 220,– €/t zuzüglich Zuschlägen kalkulierte.
Denn selbst wenn man für Position 1 unter Berücksichtigung der klägerischen Argumentation keinen Abzug vornähme und von den 220,– € mit denen ursprünglich kalkuliert wurde unter Berücksichtigung der sachverständig ermittelten Zahlen, bei Position 2 eine preisfortschreibende Reduktion von 2,247 €, bei Position 4 von 5,701 €, bei Position 5 von 24,03 €, bei Position 6 von 2,247 € und bei Positionen 7 und 8 von 113,143 € vornehmen würde, ergäbe sich zuzüglich des AGK-Zuschlages von 10,18 % ein Betrag von sogar nur 80,025 €. Würde man weiter die klägerischen Argumentation hinzuziehen, die LKW könnten mit 20 Tonnen vollgeladen werden, würden sich die Abzüge sogar noch erhöhen.
Insofern erscheint der durch den Sachverständigen ermittelte Preis von 94,65 € sachgerecht, das Gericht folgt dem letztlich. Denn unstreitig erspart sich die Klägerin zumindest einen erheblichen Teil der Fahrtkosten aufgrund der besseren Auslastungsmöglichkeit der LkW zum Abtransport jedenfalls mit 17,5 t.
Das Gericht erachtet auch die klägerseits aufgestellte „Sägeblatttheorie“ bezüglich der Transportkosten nicht für maßgeblich. Es mag sein, das sich für zwei, drei oder vier Fahrten der Preis für die letzte Fahrt erhöht, wenn dort nur noch eine geringe Restmenge von ein bis zwei Tonnen im LKW zum Abtransport verbleibt Angesichts der hier vorliegenden Mengen von 582,6 t ergeben sich 33,3 Fahrten, ausgehend von einer Beladung von 17,5 t. Das Gericht ist der Auffassung, dass sich hier der Gesamtpreis aufgrund der großen Abtransportmenge letztlich nivelliert und sich dieser nicht sägeblattartig entwickelt, wie die Klagepartei vorträgt.
e) Es errechnet sich somit eine Restforderung in Höhe von 39.671,95 €:
Für eine Menge von jeweils 1,1 Tonnen für den Regen- und Schmutzwasserkanal ist der ursprünglich im Angebot zugrunde gelegte Preis anzusetzen, so dass sich hierfür ein Betrag von 644,64 € ergibt (1,1 Tonnen × 2 × 246,235 € zuzüglich USt i.H.v. 19 %). Für die restlichen 580,40 Tonnen ist der gem. obigen Ausführungen nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B errechnete Preis von 94,65 € zzgl. 19 % USt anzusetzen, was 65.372,48 € ergibt. Hiervon abzuziehen, sind die bereits geleisteten Zahlungen von 13.283,28 € und 8.855,52 € zzgl. 19 % USt, mithin 26.345,17 €.
V. Der wie oben unter IV dargestellte und ermittelte fortgeschriebene Preis nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B stellt sich auch nicht als sittenwidriger oder spekulativer Einheitspreis dar.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NZBau 2009, 232) kann, wenn der nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B neu zu vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen in einem auffälligen wucherähnlichen Missverhältnis zur Bauleistung steht, die dieser Preisbildung zugrundeliegende Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig seien. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall war der nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B zu vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen um mehr als das 800-fache überhöht, da der Auftragnehmer in der betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses einen ähnlich überhöhten Einheitspreis angeboten hatte. Daher bestehe ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers. Dies ist hier weder beim ursprünglich angesetzten Preis von 246,24 € netto je Tonne noch bei dem durch Preisschreibung ermittelten Preis von 94,65 € je Tonne der Fall. Geht man von einem marktüblichen Preis von 38,– € netto aus, der offenbar von der Beklagtenseite auch akzeptiert wurde, liegt, ausgehend vom ursprünglich angesetzten Preis, „nur“ eine 6,5-fache Erhöhung vor. Ein auffälliges Mißverhältnis ist schon aus diesem Grund fraglich. Geht man vom gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ermittelten Preis aus, liegt sogar eine „nur“ rund 2,5-fache Erhöhung vor.
2. Nach verschiedenen Instanzgerichten kann eine Sittenwidrigkeit jedoch bei einer deutlich geringer erhöhten Überhöhung des Einheitspreises vorliegen. So hat das OLG Nürnberg (BauR 2010, 1638) die Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben bereits dann bejaht, wenn der geforderte Einheitspreis für Mehrmengen um das 8-fache überhöht sei. Das OLG München (BauR 2010, 2164) hat dies bei einer 6,87-fachen Überhöhung zumindest in den Raum gestellt, sah die Vermutung jedoch letztendlich als widerlegt an. Würde man vorliegend vom ursprünglich vereinbarten Preis ausgehen, läge eine 6,5-fache Erhöhung vor. Allerdings ist hierbei auch die Erhöhung des Gesamtpreises zu berücksichtigen, so das OLG Nürnberg (a.a.O.). Eine Sittenwidrigkeit sei demnach bei einer Erhöhung des Gesamtpreises um 13 % zu verneinen. Vorliegend läge bei Berücksichtigung des ursprünglichen Gesamtbetrages eine Erhöhung des Gesamtpreises von rund 15 % vor, so dass nach Auffassung des Gerichts auch unter diesen Aspekt keine Sittenwidrtgkeit vorliegt. Stellt man auf den oben ermittelten fortgeschriebenen Preis, liegt eine noch geringfügigere Erhöhung des Gesamtpreises vor.
3. Nach einer neueren Entscheidung des BGH (ZfBR 2013, 456) könne ein auffälliges Mißverhältnis vorliegen, wenn die durch Fortschreiben zu bestimmende Vergütung nahezu das 8-fache des ortsüblichen Preises beträgt und wenn der aufgrund dieses auffälligen Missverhältnisses über das übliche Maß hinausgehende Preisanteil sowohl absolut gesehen als auch im Vergleich zur Gesamtsumme in einer Weise erheblich ist, dass dies von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann. Die Gesamterhöhung lag in diesem Fall bei 39 %. All diese Werte sind, wie bereits dargestellt, im vorliegenden Fall nicht ansatzweise erfüllt.
4. Aber selbst wenn man eine wucherähnliche Preisgestaltung annähme, sieht das Gericht im Einklang mit der oben zitierten Rechtsprechung vorliegend die Vermutung als widerlegt an. Denn hier ging der Auftraggeber nach seinen Ausführungen, welchen das Gericht folgt, nur von einer äußerst geringen Menge aus. Die diesbezüglichen Angaben des Zeugen E. waren für das Gericht nachvollziehbar (s.o.). Wenn jedoch der Auftraggeber bei der Ausschreibung selbst von geringen Mengen ausgeht, erscheint es für das Gericht nachvollziehbar, was auch durch den Sachverständigen bestätigt wurde, dass Kosten für derartige Kleinmengen im Verhältnis zu größeren Mengen deutlich höher sind. Dies erschließt sich bereits für den Laien vor dem Hintergrund, dass eine andere Kalkulation nötig ist, wenn ein Laster nur mit einer Tonne beladen wird, statt diesen voll zu laden.
Unter diesem Aspekt kann von einem sittenwidrigen Gewinnstreben nicht die Rede sein. Das Gericht ist der Auffassung, dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger auf eine derartige Kostenexplosion spekulierte, wie es die Rechtsprechung in den genannten Urteilen fordert. Hierfür ergeben sich keinerlei greifbare Anhaltspunkte.
VI. Entgegen der Auffassung des Beklagten, ist hier auch der fortgeschriebene Preis, wie er oben ermittelt wurde, anzusetzen und nicht der marktübliche Preis wegen eines Wegfalles der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB.
In Rechtsprechung und Literatur herrscht Einigkeit, dass in der Regel ein Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB nicht in Betracht kommt, soweit eine vertragliche Regelung über die Preisfortschreibung von Mehrmengen, wie in § 2 Abs. 3 VOB/B, getroffen ist (vgl. Jansen in: Ganten/Jansen/Voit, Beckscher VOB-Kommentar Teil B, 3. Aufl. 2013, § 2 Abs. 3 Rdnr. 30 ff.; BGH NJW RR 2011 886).
Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) ist es zwar möglich, dass Geschäftsgrundlage einer Einheitspreisvereinbarung ist, dass eine bestimmte Menge überschritten wird. Allerdings ist dem Einheitspreis die Möglichkeit einer Mengenänderung immanent, so dass grundsätzlich kein Grund für die Annahme besteht, eine bestimmte Menge sei zur Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden. Bei einer außergewöhnlichen Preisbildung sei dies jedoch denkbar, weil die darin angelegte Störung des Equivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sich bei erheblichen Mengenänderungen im viel stärkeren Maß auswirkt.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände, liegt nach Auffassung des Gerichts eine derartige Ausnahme vorliegend nicht vor. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall lag eine über 8-fach Überhöhung des ursprünglich angesetzten Einheitspreises, wie auch des fortgeschriebenen Preises nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vor bzw. dort sogar eine absolute Überhöhung von fast 2.200,– € je Tonne. Nach der im vorliegenden Fall vorgenommenen Preisfortschreibung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B liegt jedoch nur noch eine rund 2,5-fache Überhöhung des marktüblichen Preises vor.
Zudem sieht das Gericht vorliegend keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass zwischen den Parteien zur Geschäftsgrundlage wurde, dass eine bestimmte Menge nicht zu überschreiten ist, zumal hier ohnehin nur, wie die Beklagtenseite angibt, mit einer Minimalmenge von einer Tonne gerechnet wurde. Nach den glaubwürdigen Angaben des Zeugen E. sei mit einer Tonne geschätzt worden. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass sich hieraus eine Geschäftsgrundlage dahingehend bilden lässt, dass diese Mengeangabe keinesfalls überschritten wird. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls sowie der Tatsache, dass im Gegensatz zu dem zitierten Urteil des BGH (NJW-RR 2011, 886) im Verhältnis ein deutlich geringfügiger höherer fortgeschriebener Preis errechnet wurde, verbleibt es vorliegend bei der Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B. Das Gericht sieht für eine Abweichung von dieser spezialgesetzlichen Regelung zugunsten eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage keinen Raum.
VII. Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 2 BGB. Der Antrag aus dem Schriftsatz der Klagepartei vom 25.02.2016, in welchem ein höherer Zinssatz von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 29.07.2014 gefordert wurde, konnte keine Berücksichtigung finden, da er nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung gestellt wurde.
D
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 95 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, S. 2, S. 3 ZPO.