Europarecht

Befreiung von Abwasserabgabe für landwirtschaftlichen Kleineinleiter bei Aufbringen von Mischung aus Gülle und Wasser

Aktenzeichen  B 4 K 15.289

Datum:
28.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133493
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AbwAG § 2 Abs. 2
BayAbwAG Art. 7

 

Leitsatz

1 Das Aufbringen einer Mischung von Gülle und Abwasser ist nicht stets abwasserabgabefrei im Sinne des § 2 Abs. 2 AbwAG. Denn die Privilegierung landbaulicher Bodenbehandlung ist nur dann als Durchbrechung der Gleichbehandlung gerechtfertigt, wenn eine ordnungsgemäße Bodenbehandlung vorliegt. Dies ist zu verneinen, wenn häusliches Abwasser ungeklärt in die Güllegrube eingeleitet wird. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Allerdings ist bei ausreichender Vorklärung des Abwassers von einer ordnungsgemäßen Bodenbehandlung iSv § 2 Abs. 2 AbwAG auszugehen. Als Vorklärung des häuslichen Abwassers wird grundsätzlich eine Behandlung in einer Dreikammerausfaulgrube genügen.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 22.05.2014 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Forchheim vom 13.02.2015 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 22.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Forchheim vom 13.02.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Klagegegenstand ist allein die Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 2013 und die von den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Voraussetzungen für die Abgabefreiheit bereits zum Stichtag 30.06.2013 oder erst am 25.09.2013 vorlagen.
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kleineinleiterabwasserabgabe ist die Satzung des Beklagten für die Erhebung einer Kommunalabgabe zur Abwälzung der Abwasserabgabe für Kleineinleiter vom 10.02.1982. Diese Satzung beruht auf § 9 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG), Art. 8 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Abwasserabgabengesetzes (BayAbwAG) und Art. 2 KAG. Gemäß § 1 AbwAG ist für das Einleiten von Abwässern in ein Gewässer eine Abgabe zu entrichten (Abwasserabgabe), die durch die Länder erhoben wird. Abgabepflichtig sind gemäß § 9 Abs. 1 AbwAG grundsätzlich die Einleiter. Nach § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AbwAG sind anstelle von Einleitern, die weniger als 8 m³ je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten (sogenannte Kleineinleiter), von den Ländern zu bestimmende Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig; die Länder regeln insoweit die Abwälzbarkeit der Abgabe.
Der Bayerische Gesetzgeber hat in Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayAbwAG bestimmt, dass anstelle der Kleineinleiter grundsätzlich die Gemeinden abgabepflichtig sind. Gemäß Art. 8 Abs. 3 BayAbwAG sollen die abgabepflichtigen Gemeinden zum Ausgleich für die ihnen entstehenden Aufwendungen von den Grundstückseigentümern eine Kommunalabgabe nach Maßgabe einer Abgabensatzung im Sinne von Art. 2 KAG erheben.
Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte durch den Erlass seiner Kleineinleiterabwasserabgabesatzung vom 10.02.1982 Gebrauch gemacht. Nach § 2 der Satzung wird die Abgabe für Grundstücke erhoben, auf denen Abwasser anfällt, für dessen Einleitung die Gemeinde nach Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 BayAbwAG anstelle des Einleiters abgabepflichtig ist. Die Abgabe wird nach der Zahl der Einwohner auf dem Grundstück zum Stichtag 30.06. des Veranlagungsjahres berechnet (§ 5 der Satzung).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat der Beklagte gegenüber der Klägerin für das Jahr 2013 zu Unrecht eine Abwasserabgabe festgesetzt, denn ihr Grundstück war gemäß § 2 der Kleineinleiterabwasserabgabesatzung nicht abgabepflichtig und zwar schon während des gesamten Jahres 2013.
Der Abgabetatbestand des § 2 der Satzung i.V.m. § 2 Abs. 2 AbwAG war nicht erfüllt, da die Klägerin auf ihrem Grundstück kein anfallendes Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet hat, für das die Beklagte an ihrer Stelle grundsätzlich abgabepflichtig gewesen ist.
Einleiten ist nach § 2 Abs. 2 AbwAG das unmittelbare Verbringen von Abwasser in Gewässer, wobei auch das Verbringen in den Untergrund als Einleiten in ein Gewässer gilt, sofern es nicht im Rahmen landbaulicher Bodenbehandlung erfolgt. Ein „unmittelbares“ Verbringen in das Grundwasser ist nicht gefordert. Abwasser wird schon dann in den Untergrund verbracht, wenn es vorsätzlich auf den Boden aufgebracht wird.
Das Aufbringen einer Mischung von Gülle und Abwasser ist aber nicht stets abwasserabgabefrei. Denn die Privilegierung landbaulicher Bodenbehandlung ist nur dann als Durchbrechung der Gleichbehandlung gerechtfertigt, wenn eine ordnungsgemäße Bodenbehandlung vorliegt (vgl. BVerwG Urt. vom 7.11.1990 – Az. 8 C 71/88, juris Rn. 18). Dies ist zu verneinen, wenn häusliches Abwasser ungeklärt in die Güllegrube eingeleitet wird, da von den im Abwasser enthaltenen Krankheitskeimen ernsthafte Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen, und/oder wenn eine ordnungsgemäße Entsorgung und Verwertung des geklärten Abwassers und des Fäkalschlamms nicht vorliegt.
Allerdings ist bei ausreichender Vorklärung des Abwassers von einer ordnungsgemäßen Bodenbehandlung i.S.v. § 2 Abs. 2 AbwAG auszugehen. Als Vorklärung des häuslichen Abwassers wird grundsätzlich eine Behandlung in einer Dreikammerausfaulgrube genügen (vgl. Sieder-Zeitler-Dahme, WHG und AbwAG, Band 2, § 2 AbwAG RNr. 18 a.E. m.w.Nachw., VG Regensburg vom 20.07.2000 – RN 12 K 00.349, juris). In den „Hinweisen zur Planung, zum Bau, zum Betrieb und zur Überwachung von Kleinkläranlagen“ des Bayer. Landesamtes für Wasserwirtschaft (abgedruckt in Simon, BayBO, Anhang 447b, Stand Nov. 2011) ist unter Ziff. 1.7 ausgeführt, dass nach Art. 41 BayBO Hausabwässer aus abgelegenen landwirtschaftlichen Anwesen in Gruben (Gülle- bzw. Jauchegrube) geleitet werden dürfen, wenn das Abwasser in einer Mehrkammerausfaulgrube vorbehandelt wird und die ordnungsgemäße Entsorgung und Verwertung des geklärten Abwassers und des Fäkalschlamms gesichert ist.
Dem entspricht auch die als Anlage K5 dem Gericht vorgelegte Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts Kronach vom 19.08.2012: „Bei Einleitung des Abwassers in die Güllegrube liegt kein wasserrechtlicher Tatbestand vor. Für die Einleitung ist keine wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich bzw. möglich. Es reicht eine mechanische Vorbehandlung in einer Mehrkammergrube.“ Eine Hygienisierung des Abwassers aus der Mehrkammergrube vor Einleitung in die Güllegrube wird somit von keiner fachkundigen Stelle gefordert.
Laut der „Bestandsfeststellung der Grundstücksentwässerungsanlage“ des Sachverständigen R. nach Überprüfung der Anlage (Anlage K4) ist die 3-Kammer-Absetzgrube mit einem Volumen von 9 m³, in der das häusliche Abwasser auf dem Anwesen der Klägerin erfasst wird, seit dem 05.04.2012 hergestellt. Der Ablauf der 3. Kammer wird einem neugebauten Sammelschacht zugeleitet. Von dort wird das vorgereinigte Abwasser über eine Druckleitung in eine Güllegrube gepumpt. Die Anlage erfüllt in bautechnischer Hinsicht die Anforderungen des Art. 41 BayBO. Die vom Sachverständigen als „noch nachzuweisen“ bezeichnete Dichtheitsprüfung ist laut seinem „Abnahmeprotokoll“ vom 18.10.2013 bereits am 08.08.2011 durch die ausführende Firma erfolgt. Soweit er das ausreichende Volumen der vorhandenen Güllebehälter anspricht, ergibt sich aus dem beigefügten Lageplan, dass der landwirtschaftliche Betrieb der Klägerin über insgesamt vier Güllebehälter verfügt, die nach Angaben ihres Sohnes in der mündlichen Verhandlung insgesamt über ca. 1.000 m³ Fassungsvermögen verfügen. Es steht somit außer Frage, dass genügend Aufnahmekapazität für das Abwasser aus der Mehrkammergrube zur Verfügung steht. Art. 41 BayBO ist im Übrigen keine Vorschrift, die die Genehmigungsbedürftigkeit von Mehrkammergruben regelt, sie gibt nur vor, wie bei nicht an Sammelkläranlagen angeschlossenen Anwesen die ordnungsgemäße Abwasserentsorgung zu sichern ist.
Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen – der ordnungsgemäßen Entsorgung und Verwertung des geklärten Abwassers und des Fäkalschlamms – bestehen keine Anhaltspunkte für ein unrechtmäßiges Verhalten der Klägerseite. Das vorgeklärte häusliche Abwasser wird mit der Gülle vermischt auf die Äcker des Betriebes verbracht. Ob bei der erst kurz in Betrieb befindlichen Anlage im Jahr 2013 schon eine Entsorgung des Klärschlamms erforderlich war, wurde nicht thematisiert, ist aber kaum anzunehmen.
Der Beklagte stützt seine Auffassung einer nicht ordnungsgemäßen landbaulichen Bodenbehandlung auf den Bescheid des Landratsamts Forchheim vom 12.10.2009, in dem der Klägerin auf ihren Antrag vom 30.09.2009 eine wasserrechtliche Erlaubnis nach Art. 17a Abs. 1 Nr. 2 BayWG für das Einleiten des in einer Kleinkläranlage der Reinigungsklasse D+H behandelten häuslichen Abwassers in den Untergrund erteilt wurde. Von dieser Erlaubnis hat die Klägerin aber keinen Gebrauch gemacht. Sie leitete das bis September 2013 nur mechanisch vorgeklärte Abwasser nicht in den Untergrund ein, sondern pumpte es in eine Güllegrube, um es landbaulich zu verwerten. Dafür war aber der Einbau einer Reinigungsklasse D+H nicht erforderlich.
Der Umstand, dass das Landratsamt die Klägerin mit Zwangsgeldandrohung zur Nachrüstung der Kleinkläranlage mit der biologischen Reinigungsstufe aufgefordert hat, resultiert aus den Auflagen, die dem bestandskräftigen wasserrechtlichen Bescheid beigefügt waren. Dem hat sich die Klägerin schließlich durch die Nachrüstung der biologischen Reinigungsstufe im September 2013 gebeugt. Auch seither wird von der wasserrechtlichen Erlaubnis kein Gebrauch gemacht, statt dessen wird in der Tat keimfreies Abwasser in die Güllegrube geleitet. Dies hat aber keinen Einfluss darauf, dass bereits zuvor eine ordnungsgemäße Verwertung der häuslichen Abwässer durch landbauliche Bodenbehandlung vorlag.
Die von der Beklagtenseite ins Feld geführte Rechtsprechung ist nicht einschlägig. In dem dem Urteil des VG München vom 03.11.2011 (Az. M 10 K 11.1965, juris) zugrunde liegenden Fall war der Einleitungstatbestand zweifach erfüllt, weil aus einer undicht gewordenen abflusslosen Sammelgrube ungeklärtes häusliches Abwasser in den Untergrund versickerte und dieses ungeklärte Abwasser des Weiteren zur Bewässerung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen im Garten verwendet wurde. Vorliegend handelt es dagegen sich um eine dichtheitsüberprüfte Mehrkammergrube, aus der vorgeklärtes Abwasser über die Güllegrube auf landwirtschaftliche Flächen aufgebracht wird. Dem Urteil des VG Augsburg vom 24.09.2013 (Az. Au 1 K 13.514, juris) lag ein Fall zugrunde, bei dem der Einleitungstatbestand (aus der Kleinkläranlage in ein Gewässer) unstreitig war. Es fehlte an einer Bescheinigung der Funktionstüchtigkeit. An der Funktionstüchtigkeit der Anlage der Klägerin im Jahr 2013 bestehen jedoch keine Zweifel. Die Dichtheitsprüfung war bereits 2011 erfolgt. Die ausreichende Vorklärung durch dass 3-Kammer-System hat der Sachverständige am 05.02.2013 bestätigt.
Der Abgabetatbestand des § 2 der Satzung war zu keinem Zeitpunkt in 2013 erfüllt. Wie der Sachverständige in seiner „Bestandsfeststellung“ vom 05.02.2013 bestätigt, war die 3-Kammer-Absetzgrube seit dem 05.04.2012 fertiggestellt und in Betrieb. Dass damit eine ordnungsgemäße landbauliche Bodenbehandlung verbunden war, wurde bereits ausgeführt. Auf den Stichtag in § 5 der Satzung kommt es nicht mehr an. Die Abgabefreiheit besteht beim Vorliegen der Voraussetzungen kraft Gesetzes. Es bedarf keines Antrags.
2. Als unterliegender Teil trägt der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.

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