Aktenzeichen AN 1 K 16.01411
Leitsatz
1 Die in § 11 Abs. 1 S. 3 BBhV enthaltene Beschränkung der Beihilfefähigkeit für auf privaten Reisen entstandene Aufwendungen auf solche Aufwendungen, wie sie im Inland entstanden und beihilfefähig wären, ist mit dem Verhältnis der Alimentation zur Fürsorgepflicht vereinbar (ebenso BVerwG BeckRS 1988, 31271760). (redaktioneller Leitsatz)
2 Über § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 sind nur Aufwendungen bis 1.000 € je Krankheitsfall zu erstatten. Abzustellen ist auf den Krankheitsfall, nicht auf einzelne Behandlungsfälle, denen eine Grunderkrankung zugrunde liegt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet.
Der Beihilfebescheid des Bundesamtes für …vom 31. März 2016 – soweit angefochten – und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 4. Juli 2016 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Die Zuständigkeit des Bundesamtes für …für den Erlass des Ausgangs- und Widerspruchsbescheides ergibt sich aus dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen zur Errichtung des Zentrums für Informationsverarbeitung und Informationstechnik der BFV (ZIVIT) vom 18. Oktober 2005, Gz. III A 5 – O 1000 – 320/05 bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 4 der Anordnung über die Übertragung von Zuständigkeiten im Widerspruchsverfahren und die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei beamtenrechtlichen Klagen im nachgeordneten Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen (BMFWidVertrAnO) in der Fassung vom 25. Januar 2016.
Die Klägerin hat keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für die in den USA erfolgten Dialysebehandlungen.
Die Erstattungsfähigkeit geltend gemachter Aufwendungen richtet sich in beihilferechtlichen Streitigkeiten nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe beantragt wird (vgl. BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40/12; U.v. 8.11.2012 – 5 C 4.12, NVwZ-RR 2013, 192 f.; U.v. 15.12.2005 – 2 C35/04, BVerwGE 125, 21; U.v. 3.7.2003 – 2 C 36/02, BVerwGE 118, 277). Vorliegend sind somit die Bestimmungen der Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326) in der Fassung des Art. 11 des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 17. Juli 2015, BGBl I 1368, maßgebend.
Die Klägerin ist als Beamtin im Dienst der Beklagten nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BBG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BBhV beihilfeberechtigt. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBhV besteht auf Beihilfe ein Rechtsanspruch. Beihilfefähig sind nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 BBG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen.
Zur Beihilfefähigkeit von Aufwendungen im Ausland bestimmt § 11 Abs. 1 BBhV, dass solche für Leistungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wie im Inland entstandene Aufwendungen zu behandeln sind. § 6 Abs. 3 BBhV ist in diesen Fällen nicht anzuwenden. Aufwendungen für Leistungen außerhalb der Europäischen Union sind beihilfefähig bis zu der Höhe, in der sie im Inland entstanden und beihilfefähig wären.
Gegen die in § 11 Abs. 1 Satz 3 BBhV vorgenommene Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Leistungen außerhalb der Europäischen Union ist rechtlich nichts zu erinnern.
Die Beihilfen – als Ausfluss der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht – werden erbracht, um die Beamten in angemessenem Umfang von denjenigen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen freizustellen, die nicht von der Besoldung gedeckt sind. Im Rahmen des dem Verordnungsgeber zustehenden Ermessensspielraums der konkreten Ausgestaltung seiner Fürsorgepflicht ist die in § 11 Abs. 1 Satz 3 BBhV enthaltene Beschränkung der Beihilfefähigkeit mit dem Verhältnis der Alimentation zur Fürsorgepflicht vereinbar. Diese Regelung wird insbesondere auch dem für die Beihilfe maßgeblichen Grundsatz der Subsidiarität gerecht. Es ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig, zwischen Krankenbehandlung im Inland und im Ausland zu differenzieren. Die in § 11 Abs. 1 Satz 3 BBhV enthaltene Regelung, dass die tatsächlich entstandenen Aufwendungen für Leistungen außerhalb der Europäischen Union den Aufwendungen gegenübergestellt werden, die bei Durchführung der gleichen Leistungen im Inland entstanden wären, hält sich im Rahmen der mit einer Beihilfeverordnung notwendigerweise verbundenen abstrakten und typisierenden Betrachtungsweise (vgl. BVerwG, B.v. 20.9.1988 – 2 B 91/88, Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 4 zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BVO-NW a. F.; VGH BW, U.v. 20.2.2006 – 4 S 2954/04; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Rn. 1 (2) zu § 11 BBhV; Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Rn. 1 (3) zu § 13 BhV).
Die von der Beklagten demnach vorzunehmende Vergleichsberechnung hat ergeben, dass bei einer Durchführung der fünf Dialysebehandlungen im Bundesgebiet der Klägerin Aufwendungen in Höhe von insgesamt 1.163.- EUR entstanden wären, für welche Beihilfe in Höhe von 581,50 EUR zu gewähren wäre. Tatsächlich wurde der Klägerin jedoch sogar Beihilfe in Höhe von 652,45 EUR bewilligt, da die eingereichten Abrechnungen aus den USA pauschal mit 50 v. H. als beihilfefähig angesehen wurden.
Auch aus der Sondervorschrift des § 11 Abs. 2 BBhV kann die Klägerin keinen weitergehenden Anspruch herleiten.
Nach dieser Bestimmung sind außerhalb der Europäischen Union entstandene Aufwendungen nach Absatz 1 ohne Beschränkung auf die Kosten, die im Inland entstanden wären, beihilfefähig, wenn
1. sie bei einer Dienstreise entstanden sind und die Behandlung nicht bis zur Rückkehr in das Inland hätte aufgeschoben werden können,
2. sie für ärztliche und zahnärztliche Leistungen 1.000 Euro je Krankheitsfall nicht übersteigen,
3. in der Nähe der deutschen Grenze wohnende beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Personen bei akutem Behandlungsbedarf das nächstgelegene Krankenhaus aufsuchen mussten,
4. beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Personen zur Notfallversorgung das nächstgelegene Krankenhaus aufsuchen mussten oder
5. die Beihilfefähigkeit vor Antritt der Reise anerkannt worden ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 2 BBhV, welcher der Verwaltungsvereinfachung dienen soll, nicht erfüllt.
Die Kammer teilt die Auffassung der Beklagten, dass nicht jede einzelne Dialysebehandlung als gesonderter Krankheitsfall im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann. Wie bereits der Wortlaut des § 11 Abs. 2 Nr. 3 BBhV zeigt, differenziert der Verordnungsgeber zwischen dem Begriff der „Krankheit“ und der „Behandlung“ einer Erkrankung. Es würde der Zielsetzung des § 11 Abs. 1 Satz 3 BBhV, die Kostenerstattung für im Ausland außerhalb der EU entstandene Aufwendungen auf die im Inland entstehenden Kosten zu deckeln, zuwiderlaufen, wenn gleichwohl für jede Einzelbehandlung einer Grunderkrankung Aufwendungen bis zu einer Höhe von jeweils 1.000.- EUR ohne Vergleichsberechnung erstattet würden.
Die Kammer folgt deshalb auch nicht der im Jahr 1996 von der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation vertretenen Auffassung, wonach im Vollzug des § 13 Abs. 2 Nr. 3 BhV, der inhaltlich der Nachfolgeregelung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 BBhV entspricht, die geltend gemachten Aufwendungen „je Krankheits- bzw. Behandlungsfall“ zu betrachten seien (Verfügung vom 11.10.1996 – 301 – 1 6560, zitiert bei Schröder/Beckmann/Weber, a. a. O., Rn. 5 (4) zu § 13 BhV), da nicht in der rechtlichen gebotenen Weise zwischen den Begriffen „Krankheitsfall“ und „Behandlungsfall“ differenziert wird.
Ein Rechtsanspruch auf Erstattung der der Klägerin außergerichtlich entstandenen Kosten besteht nicht. Da die Klägerin unterliegt, kommt eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zu ihren Gunsten nicht in Betracht.
Zudem sind gemäß § 162 Abs. 1 VwGO lediglich die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens, also nicht die Kosten des originären Verwaltungsverfahrens bei der Ausgangsbehörde, erstattungsfähig (vgl. BVerwG, U.v. 17.1.1980 – VII C 63.77, BVerwGE 59, 310 ff., Rn. 27).
Auf die Kosten, die einem Beteiligten bis zum Erlass eines (Erst-)Bescheides erwachsen sind, ist auch § 80 VwVfG weder unmittelbar noch sinngemäß anwendbar. Das entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. BVerwG, B.v. 1.9.1989 – 4 B 17/89, NVwZ 1990, 59; U.v. 20.5.1987 – 7 C 83.84, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 24; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Rn. 21 zu § 80).
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 652,44 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.