Aktenzeichen 14 K 2634/16
EEG § 3 Nr. 3
FGO § 135 Abs. 1
Leitsatz
Tenor
1. Der Bescheid vom 23. Juni 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 09. August 2016 werden dahingehend abgeändert, dass die Stromsteuer für das Jahr 2013 auf 82.840,93 € festgesetzt wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist eine Gemeinde. Ihre Stadtwerke versorgen als Eigenbetrieb kommunale Abnahmestellen unter anderem mit Strom und Wärme.
In der Stadtratssitzung vom 16. April 2007 beriet der Stadtrat erstmals über die zukünftige Energieversorgung für den Bäder- und Schulbereich, und insofern über die Inbetriebnahme verschiedener Anlagearten, u.a. Biogasanlagen. Weiter befasste er sich in den Sitzungen vom 18. Mai 2009 und 12. Oktober 2009 mit dem Thema Heizungsanlagen und den zur Verfügung stehenden Alternativen; er kam überein, das Schulgebäude an eine Biogasanlage (Blockheizkraftwerk – BHKW -) anzuschließen. Im Folgenden wurde erwogen, die Nahwärmeversorgung durch einen privaten Dritten vornehmen zu lassen, während die Klägerin selbst das hierfür erforderliche Nahwärmenetz erstellen und finanzieren sollte. Aufgrund bereits laufender Gespräche mit Interessenten beschloss der Stadtrat in einer weiteren Sitzung am 16. November 2009 die Erarbeitung eines konkreten Anforderungskatalogs für die möglichen Betreiber, die konkrete Standortsuche und die Klärung des möglichen Planungsablaufs. In der Sitzung vom 15. März 2010 entschied er sich für die Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes. Auf die daraufhin folgende Ausschreibung meldete sich die … GmbH & Co. KG (im folgenden KG) als Interessentin.
Die Klägerin schloss am 15. März 2011 mit der KG einen Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Nach § 3 des Vertrages betrifft das Vorhaben die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage. Gemäß § 4 Abs. 1 des Vertrages verpflichtet sich die KG zur Durchführung des Vorhabens nach den Regelungen dieses Vertrages und den zukünftigen Festsetzungen des Bebauungsplanes; gem. § 4 Abs. 2 musste die KG spätestens 9 Monate nach erteilter bau- oder immissionsrechtlicher Genehmigung mit dem Vorhaben beginnen und dieses innerhalb von 24 Monaten fertigstellen.
Zudem vereinbarten die Klägerin und die KG am 27. Juli 2011 einen Wärmeliefervertrag, nach dessen § 1 Abs. 1 die KG der Klägerin Wärme aus dem Betrieb der Biogasanlage zur Verfügung stellt; nach § 1 Abs. 2 verpflichtet sich die KG, die in ihrem Eigentum stehenden technischen Anlagen über die Vertragslaufzeit dauernd betriebsfähig zu halten. Gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrages liefert die KG die Wärme das gesamte Jahr über entsprechend dem Bedarf der Klägerin, wobei nach § 3 Abs. 2 eine Abnahmeverpflichtung von Wärme für die Klägerin nicht besteht, die KG hingegen eine Liefergarantie von mindestens 2,5 GWh je Jahr abgibt. Gemäß § 11 läuft der Vertrag bis 31. Dezember 2021; danach ist ein weiterer Vertrag zu verhandeln.
Ferner schloss die GmbH mit der KG einen Vertrag über den Anschluss der Biogasanlage an das Stromnetz und die Einspeisung von Strom (im Folgenden Einspeisevertrag) ab. Gemäß 3.4 des Vertrages stellt die KG der Klägerin den in ihrer Anlage erzeugten Strom zur Verfügung. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 20 Jahren und kann mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden.
Die KG erstellte die Anlage, die eine elektrische Nennleistung von 0,6 MW hat, auf einem von der Klägerin erworbenen Grundstück. Sämtliche in der Biogasanlage erzeugten Wärme- und Strommengen lieferte die KG an die Klägerin. Den Strom speiste die KG in das der Klägerin gehörende Netz ein. Letztere veräußerte den Strom an Letztverbraucher, welche diesen in einem Radius von 4 km um die Biogasanlage entnahmen.
In ihrer Stromsteueranmeldung für das Jahr 2013 erklärte die Klägerin den in der Biogasanlage erzeugten Strom als gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Stromsteuergesetzes (StromStG) steuerfrei und berechnete eine Steuer in Höhe von insgesamt 82.840,93 EUR.
Der Beklagte (das Hauptzollamt – HZA -) war hingegen der Auffassung, dass die Steuerbefreiung nicht zu gewähren sei und setzte mit Bescheid vom 23. Juni 2014 Stromsteuer für das Jahr 2013 in Höhe von 175.489,02 EUR fest.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 9. August 2016). Die Kooperation mit der KG sei durch Angebot und Nachfrage entstanden. Sie habe sich freiwillig den vertraglichen Regelungen unterworfen und einem exklusiven Verkauf des Stroms und der erzeugten Wärme an die Klägerin zugestimmt. Rechtlich sei diese völlig ungebunden. Sie könne den Vertrag nach der Laufzeit zum 31. Dezember 2021 kündigen und die Wärme an einen neuen Kunden liefern; sie sei nicht fest an die Klägerin gebunden. Die Pflicht zur Abnahme der gesamten Wärme sei kein Kriterium, da die KG zugestimmt habe und dies einer freien Vertragsgestaltung nicht widerspreche. Die Initiative, eine Biogasanlage zu errichten, sei von der Klägerin ausgegangen. Jedoch reiche dies allein nicht aus. Die Laufzeit der Verträge sei kurz, die KG rechtlich völlig selbstständig und ein Eigentumsübergang nicht vereinbart.
Am 8. September 2016 erhob die Klägerin Klage. Aufgrund des hier betriebenen sog. Contracting zwischen der KG und der Klägerin sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Biogasanlage betreiben lasse. § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG solle nach der Vorgabe des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) auch die Contracting-Fälle mit Dritten als weiteren Contraktoren umfassen. Die Klägerin habe entscheidende Einflussmöglichkeiten auf sämtliche betriebliche oder sonstige Entscheidungen und der Betrieb der Anlage erfolge in ihrem Interesse. Ferner habe sie den Anlagenbetreiber zum Betrieb der Anlage unmittelbar veranlasst.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 23. Juni 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 09. August 2016 da-hingehend abzuändern, dass die Stromsteuer für das Jahr 2013 in Höhe von 82.840,93 € festgesetzt wird.
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die KG trage das alleinige wirtschaftliche Risiko der Errichtung und des Betreibens der Biogasanlage. Es bestehe keine Verpflichtung der KG zur ausschließlichen Lieferung des Stroms an die Klägerin. Für ein Betreibenlassen sei auch eine Verpflichtung zur Abnahme der Wärme durch die Person, die betreiben lasse, erforderlich. Darüber hinaus sei aus der bestehenden vertraglichen Gestaltung nicht ersichtlich, dass die Klägerin die KG zum Betreiben der Biogasanlage veranlasst habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 5. Juli 2018 Bezug genommen.
II.
Die Klage ist begründet. Der Bescheid des HZA vom 23. Juni 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Ihr steht die begehrte Steuerbefreiung zu.
Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG ist Strom von der Steuer befreit, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt erzeugt wird und von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, an Letztverbraucher geleistet wird, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen.
1. Die Klägerin lässt die Biogasanlage betreiben.
a) Die Begriffe „Betreiben“ und „Betreibenlassen“ sind in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG dem Wortlaut nach weder definiert noch umschrieben. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesvorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 20. April 2004 VII R 57/03, BFH/NV 2005, 578, Rz 16; vom 20. April 2004 VII R 54/03, BFH/NV 2004, 1607, Rz 14; vom 20. April 2004 VII R 44/03, BFH/NV 2004, 1357, Rz 12; vom 23. Juni 2009 VII R 42/08, BFH/NV 2009, 1720, Rz 9).
aa) Mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG sollten die Fälle des sog. Contracting geregelt werden. Der Begriff „Contracting“ leitet sich vom englischen Begriff contract (Vertrag) ab und bezeichnet das Vergabewesen, d.h. die Vergabe von Aufträgen, z. B. Bauaufträgen. Im Bereich der Energieversorgung handelt es sich im Wesentlichen um Fälle, in denen der Betreiber der Anlage (z. B. ein Investor und/oder ein Energieversorgungsunternehmen) den Strom nicht selbst verbraucht, sondern ihn aufgrund vertraglicher Beziehungen mit dem Letztverbraucher diesem zur Verfügung stellt. Der Vertragspartner erspart sich durch diese Konstruktion den Bau von Energieversorgungsanlagen und damit hohe Anfangsinvestitionen und ein entsprechendes Investitionsrisiko (BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 578, Rz 19, 21; in BFH/NV 2004, 1607, Rz 15, 17; in BFH/NV 2004, 1357, Rz 13, 15). Der sog. Contractor ist dabei das ausführende Unternehmen, der sog. Contractingnehmer sein Vertragspartner und Auftraggeber (Urteil des Finanzgerichts – FG – Thüringen vom 11. November 2014 2 K 205/13, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst – DStRE – 2016, 374, Rn 80, 81). Grundsätzlich verpflichten sich der Contractor, die zu versorgenden Objekte mit Strom zu beliefern, und der Contractingnehmer, den Strom vom Contractor zu beziehen (Wundrack in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuergesetz/StromStG, Stand: 30. September 2017, § 9 StromStG Rn 26; Urteil des FG Hamburg vom 26. Januar 2010 4 K 53/09, Contracting und Recht – CuR – 2010, 131, Rn 32).
bb) Dieser Gesetzeszweck legt es daher nahe, die Begriffe „Betreiben“ und „Betreibenlassen“ in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG auf das Contracting zu beziehen, zumal sich ein anderer Zusammenhang weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der Systematik ergibt. Dann ist der Contractor als der Betreiber und der Contractingnehmer als derjenige anzusehen, der die Anlage betreiben lässt. Auf eine Art Contracting-Verhältnis für das Betreibenlassen stellt anscheinend auch das FG Hamburg in seinem Urteil in CuR 2010, 131, Rn 42 ff. ab.
Aus Abs. 21 des Schreibens des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 18. Oktober 2004 III A 1 – V 4250 – 9/04, VSF-N 78, 2004 Nr. 484 lässt sich hingegen nichts zum Begriff des Betreibenlassens entnehmen. Danach ist die Steuerfreiheit auch dann gegeben, wenn mit der Anlage erzeugter Strom durch mehrere Letztverbraucher entnommen wird. Als Beispiel wird hier genannt, dass der Vermieter einen Dritten beauftragt, in seinem Bürohochhaus eine Anlage mit einer Nennleistung bis zu 2 MW zu betreiben. Der Strom wird durch den Dritten an den Vermieter und durch diesen an die Mieter geleistet. Dieses Beispiel verdeutlicht nicht die Steuerbefreiung des Vermieters nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG, sondern die Befreiung des Dritten, also des Betreibers, weil der Vermieter gar keiner Befreiung bedarf. Seine Leistungen an die Mieter sind bereits nicht steuerbar. Voraussetzung für das Entstehen der Steuer nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG ist u.a. eine Leistung durch einen Versorger. Der Vermieter gilt aber beim Leisten an die Mieter nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes – StromStV -) nicht als Versorger, sondern als Letztverbraucher.
cc) Der Senat folgt nicht der Auffassung, dass das Betreibenlassen über das Kriterium der Verfügungsgewalt definiert werden kann, weil es den Verhältnissen bei den Contracting-Fällen nicht gerecht wird (so aber: Urteile des FG Thüringen vom 31. Juli 2008 II 844/06, CuR 2009, 74, Rn 24; vom 26. April 2012 2 K 888/09 in DStRE 2013, 692, Rz 26; Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 9 StromStG, Rn 19). Für das Abstellen auf die Verfügungsgewalt gibt es auch keinen Hinweis im Gesetz oder in der Gesetzesbegründung. Vielmehr deutet die begünstigte Strommenge von maximal 2 MW, die zur Versorgung von bis zu 3.000 Haushalten ausreicht, darauf hin, dass eine großzügige Regelung des Contracting beabsichtigt war (BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 578, Rz 22; BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1607, Rz 18; in BFH/NV 2004, 1357, Rz 16).
Darüber hinaus spricht auch die Befreiung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StromStG gegen das Erfordernis der Verfügungsgewalt beim Betreibenlassen. In dieser Vorschrift ist die Entnahme von Strom aus Kleinanlagen durch den Eigenerzeuger, also denjenigen, der Strom zum Selbstverbrauch erzeugt (§ 2 Nr. 2 StromStG), befreit. Im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG ist dort nur der Betreiber der Anlage erwähnt und nicht auch derjenige, welcher die Anlage betreiben lässt. Dies legt nahe, dass die unterschiedliche Formulierung der sehr ähnlichen Befreiungen daran liegt, dass nur der Betreiber Strom erzeugen und damit Eigenerzeuger sein kann. Die Erzeugung von Strom ist an die Verfügungsgewalt über die Anlage gebunden. Somit deutet der Zusammenhang mit der Befreiung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StromStG darauf hin, dass bei einem Betreiben die Verfügungsgewalt über die Anlage – anders als beim Betreibenlassen – erforderlich ist. Würde man sowohl für das Betreiben als auch für das Betreibenlassen eine Verfügungsgewalt fordern, hätte das Betreibenlassen keine eigenständige Bedeutung, obwohl es in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG neben dem Betreiben aufgeführt ist.
dd) Daher ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen, ob bei einer am typischen Fall des Contracting orientierten Auslegung ein Betreiben oder Betreibenlassen vorliegt.
(1) Unter Betreiber im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG ist der typische Contractor zu verstehen, der den Strom in der Anlage erzeugt und an den Contractingnehmer leistet.
(2) Das Betreibenlassen beschreibt den typischen Contractingnehmer, der den Contractor mit dem Betreiben der Anlage beauftragt hat. Häufig wird die Initiative für das Contracting vom Contractingnehmer ausgehen (z. B. durch eine Ausschreibung) und der Contractor von ihm zur Errichtung der Anlage veranlasst (vgl. FG Thüringen in DStRE 2016, 374, Rz 92); erforderlich ist dies aber nicht. In der Regel wird der Contractor dazu verpflichtet sein, den Strom an den Contractingnehmer zu leisten, und Letzterer den Strom abnehmen müssen. Typischerweise ist das Contracting langfristig angelegt, wobei die Möglichkeit zur Kündigung einzelner Verträge nicht zwingend gegen ein Betreibenlassen spricht; entscheidend ist das Vorliegen des Contracting-Verhältnisses im jeweiligen Jahr; wirtschaftliches Eigentum im Sinne von § 39 der Abgabenordnung muss nicht vorliegen. Das Betreibenlassen setzt nicht voraus, dass das wirtschaftliche Risiko der Anlage getragen werden muss; vielmehr dient das Contracting auch dazu, Risiko vom Contractingnehmer auf den Contractor zu verlagern.
Abzugrenzen ist das Betreibenlassen von dem bloßen Ankauf oder dem bloßen Einspeisen des Stroms ohne Bezug zur Anlage, wofür die Steuerbefreiung nicht gilt (vgl. FG Thüringen in DStRE 2013, 692, Rn 26). Auch ein lediglich langfristiger Ankauf- oder Einspeisevertrag reichen grundsätzlich nicht aus, weil der erforderliche Anlagenbezug fehlt.
Der Rolle des Contractingnehmers als Auftraggeber wohnt eine gewisse Überordnung gegenüber dem Contractor in diesem Verhältnis inne; dieses für das Betreiben-„Lassen“ schon nach dem Wortlaut des Begriffs wichtige Element fehlt, wenn der Betreiber den die Steuerbefreiung begehrenden Steuerpflichtigen beherrscht (vgl. FG Thüringen in CuR 2009, 74, Rn 24). Andererseits ist die Beherrschung des Contractors durch den Contractingnehmer als solche nicht ausreichend, jedoch bei der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen.
Die technische Führung der Anlage ist kein Betreibenlassen (vgl. Urteil des FG Thüringen in CuR 2009, 74, Rn 24). Vielmehr beauftragt in diesem Fall der Betreiber, welcher die Verfügungsgewalt behält und weiterhin Erzeuger des Stroms bleibt, einen Dritten, der stromsteuerrechtlich nicht in Erscheinung tritt, mit der Erbringung einer technischen Dienstleistung.
Das Contracting muss sich bei Blockheizkraftwerken, die Strom und Wärme erzeugen, nicht zwingend auch auf die Wärme beziehen, weil es um die Befreiung des Stroms geht; dies schließt aber nicht aus, die Vertragsgestaltung hinsichtlich der Wärme bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen.
b) Nach diesen Grundsätzen lässt die Klägerin im Streitfall die KG das BHKW betreiben; sie ist die typische Contractingnehmerin:
Die Errichtung der Anlage geschah auf ihre Initiative, weil sie das Betreiben der Anlage mit einem detaillierten Anforderungskatalog ausschrieb.
Im Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan verpflichtete sich die KG der Klägerin gegenüber zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage. Das für das Contracting typische Auftragsverhältnis liegt daher vor.
Die Vertragsverhältnisse sind langfristig angelegt: Der Wärmelieferungsvertrag vom 27. Juli 2011 hat eine feste Laufzeit ohne Kündigungsmöglichkeit von über 10 Jahren (bis 31. Dezember 2021, § 11 des Vertrages). Der Einspeisevertrag vom 30. Oktober 2012 hat nach 7.1 eine Laufzeit von 20 Jahren. Das Recht gem. 7.2 des Einspeisevertrages für beide Parteien, den Vertrag mit einer Frist von 6 Monaten zu kündigen, steht der Langfristigkeit schon deswegen nicht entgegen, weil der Wärmelieferungsvertrag über 10 Jahre nicht ordentlich kündbar ist und die Verträge im Zusammenhang zu würdigen sind.
Das HZA weist zwar zu Recht darauf hin, dass für die KG keine Verpflichtung zur Einspeisung des elektrischen Stroms in das Netz der Klägerin besteht. Da sie allerdings im Jahr 2013 nur mit dem Stromnetz der Klägerin verbunden war und ein Eigenverbrauch nicht in Betracht kam, bestand tatsächlich keine andere Möglichkeit für die KG, als den Strom in das Netz der Klägerin einzuspeisen. Eine Abnahmeverpflichtung des Stroms ist zwar im Einspeisevertrag nicht geregelt. Diese ergibt sich aber aus § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien in der Fassung des Jahres 2013 (EEG), wonach Netzbetreiber grundsätzlich u. a. dazu verpflichtet sind, den gesamten angebotenen Strom aus Erneuerbaren Energien – hierzu gehören auch Biogase (vgl. § 3 Nr. 3 EEG) -, unverzüglich vorrangig abzunehmen. Nach § 3 Abs. 2 des Wärmeliefervertrages vom 27. Juli 2011 garantiert die KG eine Wärmemenge von mindestens 2,5 GWh je Jahr, die Klägerin ist aber nicht zur Abnahme der Wärme verpflichtet. Letzteres steht jedoch der Annahme eines Contracting-Verhältnisses nicht entgegen, weil im Übrigen dessen typische Merkmale vorliegen. Darüber hinaus hat die KG tatsächlich sowohl den gesamten produzierten Strom als auch die gesamte produzierte Wärme im Jahr 2013 an die Klägerin geliefert.
2. Die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG sind gegeben. Die Anlage hat eine Nennleistung von 0,6 MW und liegt damit unter dem vorgegebenen Maximalwert von 2 MW. Außerdem lieferte die Klägerin den in der Biosgasanlage erzeugten Strom an Letztverbraucher. Die Verbraucher entnahmen den Strom in einem Radius von 4 km um die Anlage und damit im räumlichen Zusammenhang mit der Anlage. Der BFH hat in seinem Urteil in BFH/NV 2004, 1357, Rz 23 einen Radius von 4,5 km nicht beanstandet.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
4. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.