Europarecht

Betriebsuntersagung eines “Dieselskandal”-Fahrzeugs bei fehlender Mitwirkung an Rückrufaktion

Aktenzeichen  11 BV 19.823

Datum:
22.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28024
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FZV § 3 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 1, Abs. 2, § 6 Abs. 3 S. 1, § 14 Abs. 1
EG-FGV § 25 Abs. 1, Abs. 2
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2

 

Leitsatz

Nimmt ein Fahrzeughalter trotz Aufforderung an einer Rückrufaktion zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht teil, kann ihm die Zulassungsbehörde den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen untersagen (Parallelentscheidung zu VGH München BeckRS 2019, 27093; siehe auch OVG Münster BeckRS 2018, 18875; BeckRS 2018, 18876; VGH Kassel BeckRS 2019, 4233; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2019, 4847). (Rn. 38 und 39) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 23 K 18.2903 2018-11-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid, mit dem die Beklagte den Betrieb des Fahrzeugs der Klägerin im öffentlichen Verkehr untersagt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Nach § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) vom 3. Februar 2011 (BGBl I S. 139), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2019 (BGBl I S. 1416), kann die nach Landesrecht zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Kraftfahrzeugeigentümer oder -halter eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach dieser Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung erweist. Eine Gefährdung der Verkehrssicherheit mag bei vorschriftswidrigen Fahrzeugen häufig vorliegen, ist jedoch für die Aufforderung zur Mängelbeseitigung und für die Betriebsuntersagung nicht Voraussetzung. Da die Betriebsuntersagung als Dauerverwaltungsakt das Fahrzeug bis zum Nachweis der Mängelbeseitigung von der Teilnahme am Straßenverkehr ausschließt (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 FZV), ist insoweit der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 5 FZV Rn. 6a m.w.N.).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Betriebsuntersagung sind erfüllt.
Offen bleiben kann daher …, wie weit die Bestandskraft des von der Klägerin nicht angefochtenen Bescheids vom 17. Mai 2018 reicht, mit dem die Beklagte sie zur Vorlage eines Nachweises über die Mängelbeseitigung oder zur Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs verpflichtet hat.
Das Fahrzeug der Klägerin war bei Erlass des angefochtenen Bescheids nicht (mehr) vorschriftsmäßig im Sinne von § 5 Abs. 1 FZV. Daran hat sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts geändert.
Im Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung am 16. Februar 2011 entsprach das Fahrzeug der EG-Typgenehmigung, die das Kraftfahrt-Bundesamt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundesamts (KBAG) vom 4. August 1951 (BGBl I S. 489), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Mai 2017 (BGBl I S. 1214), und § 2 Abs. 1 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung – EG-FGV) vom 3. Februar 2011 (BGBl I S. 126), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl I S. 522), ursprünglich erteilt hatte. Mit der EG-Typgenehmigung wird von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in Anwendung der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (ABl Nr. L 263 S. 1) bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbständigen technischen Einheit den einschlägigen Regelungen und technischen Anforderungen entspricht (Art. 3 Nr. 5, Art. 4 Abs. 2, Art. 8 ff. RL 2007/46/EG, § 4 EG-FGV, § 2 Nr. 4a FZV). Der Fahrzeughersteller legt jedem Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, eine Übereinstimmungsbescheinigung bei (Art. 18 Abs. 1 RL 2007/46/EG, § 6 Abs. 1 EG-FGV, § 2 Nr. 7 FZV). Bei erstmaliger Zulassung eines Fahrzeugs (Erstzulassung) ist der Nachweis, dass das Fahrzeug einem Typ entspricht, für den eine EG-Typgenehmigung vorliegt, durch Vorlage der Übereinstimmungsbescheinigung zu führen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 FZV). Dieser Nachweis muss somit bei der Erstzulassung des klägerischen Fahrzeugs vorgelegen haben.
Nach Bekanntwerden der Verwendung einer Software zur Motorsteuerung durch den Fahrzeughersteller, die bei Abgastests auf dem Prüfstand vom standardmäßigen Betriebsmodus auf einen Modus mit niedrigerem Stickoxidausstoß umschaltet, hat das Kraftfahrt-Bundesamt diese Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft. Bei der Abschalteinrichtung handelt es sich um ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird (Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge [ABl Nr. L 171 S. 1]). Grundsätzlich ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007). Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, wenn die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist und wenn die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis c VO (EG) Nr. 715/2007).
Gestützt auf § 25 Abs. 2 EG-FGV hat das Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrzeughersteller verpflichtet, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge zu ergreifen (Pressemitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 16.10.2015, https://www.kba.de/DE/Presse/Archiv/Abgasthematik/vw_inhalt.html?nn=646098; vgl. auch BGH, B.v. 8.1.2019 – VIII ZR 225/17 – NJW 2019, 1133 = juris Rn. 6). Als geeignet und damit zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge ausreichend für den Dieselmotor des Typs EA189 2,0 TDI sieht das Kraftfahrt-Bundesamt die im Rahmen einer Rückrufaktion vorzunehmende Anpassung der Software an (Rückrufcode 23Q7). Im Fall der Klägerin hat das Kraftfahrt-Bundesamt die Zulassungsbehörde der Beklagten mit Schreiben vom 12. März 2018 über die grundsätzliche Vorgehensweise gegenüber dem Fahrzeughersteller und über die Nichtteilnahme der Klägerin an der Rückrufaktion informiert.
Mit den gegenüber den Herstellern erlassenen Bescheiden hat das Kraftfahrt-Bundesamt die ursprünglich erteilten EG-Typgenehmigungen modifiziert (vgl. HessVGH, B.v. 20.3.2019 – 2 B 261.19 – NVwZ 2019, 1297 = juris Rn. 10). Die EG-Typgenehmigung wird dem Hersteller erteilt (§ 3 Abs. 5 Satz 1 EG-FGV). Gleiches gilt für deren Modifikation und für die Anordnung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Übereinstimmung der Fahrzeuge mit dem ursprünglich genehmigten Typ. Die Anordnung betrifft daher das Rechtsverhältnis zwischen dem Kraftfahrt-Bundesamt und dem Hersteller (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 RL 2007/46/EG). Sie kann von den Zulassungsstellen für Maßnahmen gegenüber den Fahrzeughaltern zugrunde gelegt werden. Die von den Bescheiden des Kraftfahrt-Bundesamts betroffenen Fahrzeuge und damit auch das klägerische Fahrzeug entsprechen ohne Teilnahme an der Rückrufaktion nicht mehr der modifizierten EG-Typgenehmigung und sind daher als nicht vorschriftsmäßig im Sinne von § 5 Abs. 1 FZV anzusehen (ebenso u.a. HessVGH, a.a.O. Rn. 5; OVG Berlin-Bbg, B.v. 25.3.2019 – OVG 1 S 125.18 – NVwZ 2019, 1143 = juris Rn. 10).
Im Fall der Klägerin ergibt sich auch nichts anderes aus dem von ihr vorgelegten Untersuchungsergebnis, wonach ihrem Fahrzeug bei der Vorführung zur Hauptuntersuchung gemäß § 29 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. März 2019 (BGBl I S. 332), am 25. Januar 2018 trotz der Nichtteilnahme an der Rückrufaktion die Prüfplakette zugeteilt worden ist. Zwar setzt die Zuteilung der Prüfplakette, mit der bescheinigt wird, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Untersuchung vorschriftsmäßig nach Nummer 1.2 der Anlage VIII zur StVZO ist (§ 29 Abs. 3 Satz 2 StVZO), grundsätzlich voraus, dass sämtliche Vorschriften der Anlage VIII zur StVZO eingehalten sind (§ 29 Abs. 3 Satz 1 StVZO). Hierzu zählt im Rahmen der Prüfung der Umweltbelastung auch das Abgasverhalten (vgl. Nr. 1.2.1.1 der Anlage VIII i.V.m. Nr. 6.8.2 der Anlage Villa zur StVZO). Wenn jedoch der Prüfer bei der Hauptuntersuchung die Nichtteilnahme an der Rückrufaktion entweder nicht erkannt oder die Prüfplakette gleichwohl zugeteilt hat, bedeutet dies nicht, dass die Zulassungsbehörden dadurch gehindert wären, eine feststehende Nichtteilnahme an der Rückrufaktion und eine sich daraus ergebende Vorschriftswidrigkeit im Rahmen von § 5 Abs. 1 FZV zu berücksichtigen.
Der Klägerin kommt auch nicht zugute, dass nicht sie, sondern der Fahrzeughersteller die unzulässige Abschalteinrichtung zu verantworten hat. Zum einen kann sie gegen den Hersteller Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Zum anderen ist sie für den fortdauernden Zustand der Vorschriftswidrigkeit ihres Fahrzeugs zumindest seit der vom Hersteller lange Zeit vor dem ergangenen Bescheid eingeräumten Möglichkeit, durch Teilnahme an der Rückrufaktion Abhilfe zu schaffen, mitverantwortlich.
2. Die Betriebsuntersagung erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil die Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (§ 114 Satz 1 VwGO). Vielmehr hat sie erkannt, dass § 5 Abs. 1 FZV ihr einen Ermessensspielraum eröffnet, und ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.
§ 5 Abs. 1 FZV räumt den Zulassungsbehörden bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm grundsätzlich ein Entschließungs- und Auswahlermessen ein. Allerdings sind Fallgestaltungen, in denen die Zulassungsbehörde trotz Vorschriftswidrigkeit des Fahrzeugs von einem Einschreiten absieht, allenfalls in besonders gelagerten Konstellationen denkbar, etwa dann, wenn der Fahrzeughalter im Anhörungsverfahren glaubhaft und nachvollziehbar darlegt, das Fahrzeug in allernächster Zeit dauerhaft stilllegen zu wollen. Derartige Umstände hat die Klägerin jedoch nicht geltend gemacht. Regelmäßig, so auch im Fall der Klägerin, ist das Einschreiten der Zulassungsbehörde zur Verhinderung der Teilnahme eines vorschriftswidrigen Fahrzeugs am Straßenverkehr intendiert.
Die Ausübung des Auswahlermessens durch die Beklagte ist ebenfalls nicht zu beanstanden. § 5 Abs. 1 FZV sieht insoweit alternativ die Aufforderung zur Mängelbeseitigung innerhalb einer angemessenen Frist oder die Beschränkung oder Untersagung des Fahrzeugbetriebs auf öffentlichen Straßen vor. Die Beklagte hat diese Maßnahmen gestuft ergriffen und der Klägerin zunächst die Möglichkeit des Nachweises der Mängelbeseitigung innerhalb einer mehrfach verlängerten Frist eingeräumt. Erst nach Ablauf der zuletzt gesetzten Frist hat sie ihr den Fahrzeugbetrieb im öffentlichen Verkehr untersagt, bis der erforderliche Nachweis der Mängelbeseitigung erbracht ist. Dies entspricht dem Zweck der Ermächtigung in § 5 Abs. 1 FZV, zugelassene, aber nicht vorschriftsmäßige Fahrzeuge bis zum Nachweis der Mängelbeseitigung nicht mehr am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Mittelbar dient die Maßnahme der Reduzierung des Stickoxidausstoßes der betroffenen Fahrzeuge im Normalbetrieb.
Die Betriebsuntersagung ist zur Erfüllung dieses Zwecks offensichtlich geeignet und erforderlich.
Das Kraftfahrt-Bundesamt geht davon aus, dass die betroffenen Fahrzeuge nach Teilnahme an der Rückrufaktion der modifizierten EG-Typgenehmigung entsprechen und damit wieder vorschriftsmäßig sind. Dem können sich die Zulassungsbehörden anschließen, ohne die technischen Einzelheiten des Software-Updates einer eigenen Überprüfung unterziehen zu müssen. Zu einer solchen Überprüfung sind die Zulassungsbehörden weder verpflichtet noch in der Lage. Vielmehr obliegt die Typgenehmigung und die Typprüfung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen allein dem Kraftfahrt-Bundesamt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KBAG, § 2 Abs. 1, § 25 EG-FGV). Für die Eignung der getroffenen Maßnahmen zur Erreichung des Zwecks der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage kommt es auch nicht darauf an, ob die Fahrzeuge nach Durchführung des Software-Updates die in Anhang I zur VO (EG) Nr. 715/2007 festgelegten Emissionsgrenzwerte einhalten und ob die Abschalteinrichtung damit als zulässig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 anzusehen ist. Auch diese Prüfung ist allein Sache des Kraftfahrt-Bundesamts und nicht der Zulassungsbehörden. Im Übrigen ist die von der Klägerin geäußerte Befürchtung, mit dem Software-Update werde erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung eingerichtet, eine Spekulation, die die Eignung der von der Beklagten angeordneten Maßnahmen zur Erreichung des Zwecks nicht widerlegt.
Zur Zweckerfüllung gleichermaßen geeignete, die Klägerin weniger belastende Maßnahmen sind nicht ersichtlich. Die Beklagte ist maßvoll und gestuft vorgegangen. Nach Anhörung zur beabsichtigten Vorgehensweise hat sie mit Schreiben vom 26. April 2018 nochmals darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an der Rückrufaktion verpflichtend sei, die Klägerin auf Schadensersatzforderungen gegen den Fahrzeughersteller verwiesen und die Frist zum Nachweis der Mängelbeseitigung verlängert. Dann hat sie die Klägerin mit Bescheid vom 17. Mai 2018 zur Vorlage eines Nachweises über die Mängelbeseitigung bis spätestens 27. Mai 2018 oder zur Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs verpflichtet. Erst nachdem auch diese Frist fruchtlos verstrichen war, ist der streitgegenständliche Bescheid mit der Untersagung des Fahrzeugbetriebs bis zum Nachweis der Mängelbeseitigung und der Aufforderung zur Vorlage der Kennzeichenschilder und der Zulassungsbescheinigung Teil I ergangen.
Diese Maßnahme ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Klägerin kann die Betriebsuntersagung durch die von der Beklagten verlangte Mängelbeseitigung abwenden. Hiergegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, sie befürchte mögliche Folgeschäden für ihr Fahrzeug, wenn sie das Software-Update durchführen lasse. Dieser Einwand betrifft ebenso wie etwaige Nachteile in den zivilrechtlichen Verfahren im Falle des durchgeführten Software-Updates ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Fahrzeughersteller und berührt nicht die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs angeordneten Maßnahmen (so auch OVG NW, B.v. 17.8.2018 – 8 B 865.18 – NVwZ 2018, 1662 Rn. 37 f.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 25.3.2019 – OVG 1 S 125.18 – NVwZ 2019, 1143 = Juris Rn. 11). Die Klägerin wird durch die Mängelbeseitigung nicht mit Kosten belastet. Die Kosten für das Software-Update trägt der Fahrzeughersteller. Der von ihr befürchteten Erschwerung der Beweisführung hätte sie durch Antrag auf Begutachtung durch einen Sachverständigen im Wege des selbständigen Beweisverfahrens gemäß §§ 485 ff. ZPO begegnen können.
Die von der Beklagten getroffene Güterabwägung ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil die Auswirkungen der Mängelbeseitigung für die Luftreinhaltung und den Gesundheitsschutz bezogen auf das einzelne Fahrzeug vergleichsweise gering sind. Insoweit ist für emissionsbegrenzende Maßnahmen bei gleichartigen Fahrzeugmängeln nicht auf das jeweilige Fahrzeug abzustellen, sondern auf die Gesamtzahl der von den Rückrufaktionen betroffenen Fahrzeuge (ebenso OVG NW, B.v. 17.8.2018 – 8 B 865.18 – NVwZ 2018, 1662 Rn. 23 ff.; HessVGH, a.a.O. Rn. 18; OVG Berlin-Bbg, a.a.O. Rn. 8). Den Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts in der Pressemitteilung vom 16. Oktober 2015 zufolge handelt es sich allein im Bundesgebiet um 2,4 Millionen Fahrzeuge, in denen der Dieselmotor der Baureihe EA189 mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbaut war. Nur mit Maßnahmen gegenüber allen betroffenen Fahrzeugen lässt sich die angestrebte umfassende Korrektur der von den Fahrzeugherstellern verwendeten unzulässigen Softwareprogrammierung und damit eine Verbesserung des Abgasverhaltens der Motoren im Normalbetrieb, insbesondere die Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes, in messbarem Umfang erreichen.
3. Ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken begegnet die von der Beklagten in Nummer 2 des Bescheids vom 29. Mai 2018 ausgesprochene Verpflichtung der Klägerin, innerhalb einer Woche nach Bestandskraft des Bescheids die Kennzeichenschilder zur Entstempelung und die Zulassungsbescheinigung Teil I vorzulegen. Sie beruht auf § 5 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 FZV und ergibt sich zwingend aus der Betriebsuntersagung. Ist der Betrieb eines Fahrzeugs, für das ein Kennzeichen zugeteilt ist, untersagt, hat der Eigentümer oder Halter das Fahrzeug unverzüglich nach Maßgabe des § 14 FZV außer Betrieb setzen zu lassen oder der Zulassungsbehörde nachzuweisen, dass die Gründe für die Beschränkung oder Untersagung des Betriebs nicht oder nicht mehr vorliegen (§ 5 Abs. 2 FZV). Soll ein zugelassenes Fahrzeug, dem ein Kennzeichen zugeteilt ist, außer Betrieb gesetzt werden, hat der Halter oder der Verfügungsberechtigte dies bei der Zulassungsbehörde unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I zu beantragen und die Kennzeichen zur Entstempelung vorzulegen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FZV). Die Zulassungsbehörde vermerkt die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs unter Angabe des Datums auf der Zulassungsbescheinigung Teil I und händigt die vorgelegten Unterlagen sowie die entstempelten Kennzeichenschilder wieder aus (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FZV).
4. Schließlich ist auch die Zwangsgeldandrohung in Nummer 3 des Bescheids vom 29. Mai 2018 in Höhe von 250,– Euro für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage der Kennzeichenschilder und der Zulassungsbescheinigung Teil I nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage hierfür sind Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, Art. 31 und Art. 36 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. November 1970 (BayRS II S. 232), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl S. 98).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
6. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

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