Aktenzeichen 11 BV 19.824
EG-FGV § 25 Abs. 1, Abs. 2
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
VwGO § 93 S. 1
Leitsatz
1. Nimmt ein Fahrzeughalter trotz Aufforderung an einer Rückrufaktion zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht teil, kann ihm die Zulassungsbehörde den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen untersagen. (Rn. 47 und 48)
2. Nach Verkündung der verfahrensabschließenden Entscheidungen kann das Gericht eine Verbindung von Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung nicht mehr wirksam beschließen. (Rn. 24)
Verfahrensgang
M 23 K 18.2332 u.a. 2018-11-28 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung gegen die Ausgangsurteile hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide, mit denen die Beklagte den Kläger als Fahrzeughalter zunächst zum Nachweis der Mängelbeseitigung durch Teilnahme an der Rückrufaktion verpflichtet und ihm nach Fristablauf den Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr untersagt hat, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, obwohl zu den beiden ange-fochtenen Ausgangsentscheidungen nur ein schriftlich abgefasstes und begründetes Urteil vorliegt (§ 130 Abs. 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat die Entscheidungen über die Klagen in den beiden Ausgangsverfahren am Tag der mündlichen Verhandlung gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO verkündet. In den Entscheidungsgründen des gemäß § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO nachträglich abgefassten und den Beteiligten zugestellten Urteils hat es aus-geführt, die Kammer verbinde die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung (§ 93 Satz 1 VwGO).
Nach Verkündung der verfahrensabschließenden Entscheidungen konnte das Ausgangsgericht eine solche Verbindung jedoch nicht mehr wirksam beschließen. Das Gericht kann seine Entscheidung nur bis zur Verkündung des Urteils, mit der dieses wirksam wird, abändern. Danach ist eine Änderung nicht mehr möglich (BVerwG, U.v. 12.7.1985 – 6 C 95.82 – BVerwGE 72, 28/37). Damit scheidet auch eine nach-trägliche Verbindung von Verfahren, in denen das Gericht seine abschließende Entscheidung bereits verkündet hat, aus. Da das Verwaltungsgericht die Verfahren in der mündlichen Verhandlung ausweislich der Sitzungsniederschrift zwar zur gemein-samen Verhandlung, vor der Entscheidungsverkündung aber nicht mehr zur gemein-samen Entscheidung verbunden hat, ist der nachträglich ergangene Verbindungsbeschluss zur gemeinsamen Entscheidung unwirksam und gilt als nicht ergangen. Der Senat hat deshalb die Verfahren gemäß § 93 Satz 1 VwGO (nochmals) zur gemein-samen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
II. Die Berufung ist zulässig.
Der Zulässigkeit der Klage gegen den Bescheid vom 16. April 2018, mit dem die Beklagte den Kläger zum Nachweis der Mängelbeseitigung bis spätestens 30. April 2018 aufgefordert hat, steht insbesondere nicht entgegen, dass der Bescheid sich durch Zeitablauf oder – wie die Beklagte meint – durch die nachfolgend erlassene Betriebsuntersagung mit Bescheid vom 8. Mai 2018 erledigt hätte und der Kläger durch die Mängelbeseitigungsaufforderung nicht mehr eigenständig beschwert wäre.
Eine Erledigung eines Verwaltungsakts (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) und des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO) tritt bei Wegfall der mit der Anfechtungsklage bekämpften beschwerenden Regelung ein. Kann der Rechtsmittelführer sein Ziel nicht mehr erreichen, weil er es bereits außerhalb des Prozesses erreicht hat oder weil es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen überhaupt nicht mehr erreichbar ist, ist die Hauptsache erledigt (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 100 m.w.N.). Eine solche Erledigung ist vorlie-gend aber weder durch Ablauf der im Bescheid vom 16. April 2018 gesetzten Frist für den Nachweis der Mängelbeseitigung noch durch die anschließend verfügte Betriebsuntersagung eingetreten. Letztere beruht auf der Nichtteilnahme des Klägers an der Rückrufaktion des Fahrzeugherstellers zur Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung. Die Beklagte hat dem Kläger den Betrieb des Fahrzeugs im öffent-lichen Verkehr ausdrücklich „so lange untersagt, bis der erforderliche Nachweis über die Beseitigung der festgestellten Mängel erbracht ist“ (Nr. 1 des Bescheids vom 8.5.2018), und bestimmt, die Betriebsuntersagung sei gegenstandslos, wenn der Kläger den Nachweis spätestens innerhalb einer Woche nach Unanfechtbarkeit des Bescheids erbringe (Nr. 4 Satz 2 des Bescheids vom 8.5.2018). Würde das Gericht die von der Beklagten ausgesprochene Verpflichtung zum Nachweis der Mängelbeseitigung aufheben, wäre hierdurch der Betriebsuntersagung die rechtliche Grundlage entzogen. Außerdem könnte der Kläger, der nach wie vor Halter des Fahrzeugs ist und an der Rückrufaktion des Fahrzeugherstellers nicht teilgenommen hat, auch jetzt noch den Nachweis der Mängelbeseitigung erbringen mit der Folge, dass die Betriebsuntersagung gegenstandslos wäre. Da der mit der Verpflichtung zum Nachweis der Mängelbeseitigung verfolgte Zweck fortbesteht und nach wie vor erfüllt wer-den kann, hat sich der hierzu erlassene Verwaltungsakt nicht erledigt, solange die Betriebsuntersagung, die auf der Mängelbeseitigungsaufforderung beruht, nicht be-standskräftig ist.
III. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der Kläger kann die Aufhebung der angefochtenen Bescheide nicht verlangen, da diese rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen.
1. Rechtsgrundlage für die von der Beklagten zunächst ausgesprochene Verpflichtung zum Nachweis der Mängelbeseitigung und für die nach Fristablauf verfügte Betriebsuntersagung ist § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) vom 3. Februar 2011 (BGBl I S. 139), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2019 (BGBl I S. 1416). Danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschrän-ken oder untersagen, wenn es sich als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektro-kleinstfahrzeuge-Verordnung erweist. Eine Gefährdung der Verkehrssicherheit mag bei vorschriftswidrigen Fahrzeugen häufig vorliegen, ist jedoch für die Aufforderung zur Mängelbeseitigung und für die Betriebsuntersagung nicht Voraussetzung. Da die Betriebsuntersagung als Dauerverwaltungsakt das Fahrzeug bis zum Nachweis der Mängelbeseitigung von der Teilnahme am Straßenverkehr ausschließt (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 FZV), ist insoweit der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich (vgl. Dauer in Hentschel/Kö-nig/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 5 FZV Rn. 6a m.w.N.).
2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verpflichtung des Klägers zum Nachweis der Mängelbeseitigung und für die anschließende Betriebsuntersagung sind erfüllt. Das klägerische Fahrzeug war bei Erlass der angefochtenen Bescheide nicht (mehr) vorschriftsmäßig im Sinne von § 5 Abs. 1 FZV. Daran hat sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts geändert.
a) Im Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung am 30. Oktober 2009 entsprach das Fahrzeug der EG-Typgenehmigung, die das Kraftfahrt-Bundesamt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundesamts (KBAG) vom 4. August 1951 (BGBl I S. 489), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Mai 2017 (BGBl I S. 1214), und § 2 Abs. 1 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung – EG-FGV) vom 3. Februar 2011 (BGBl I S. 126), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl I S. 522), ursprünglich erteilt hatte. Mit der EG-Typgenehmigung wird von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in Anwendung der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (ABl Nr. L 263 S. 1) be-scheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbständigen technischen Einheit den einschlägigen Regelungen und technischen Anforderungen entspricht (Art. 3 Nr. 5, Art. 4 Abs. 2, Art. 8 ff. RL 2007/46/EG, § 4 EG-FGV, § 2 Nr. 4a FZV). Der Fahrzeughersteller legt jedem Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, eine Übereinstimmungsbescheinigung bei (Art. 18 Abs. 1 RL 2007/46/EG, § 6 Abs. 1 EG-FGV, § 2 Nr. 7 FZV). Bei erstmaliger Zulassung eines Fahrzeugs (Erstzulassung) ist der Nachweis, dass das Fahrzeug einem Typ entspricht, für den eine EG-Typgenehmigung vorliegt, durch Vorlage der Übereinstimmungsbescheinigung zu führen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 FZV). Dieser Nachweis muss somit bei der Erstzulassung des klägerischen Fahrzeugs vorgelegen haben.
b) Nach Bekanntwerden der Verwendung einer Software zur Motorsteuerung durch den Fahrzeughersteller, die bei Abgastests auf dem Prüfstand vom standardmäßigen Betriebsmodus auf einen Modus mit niedrigerem Stickoxidausstoß umschaltet, hat das Kraftfahrt-Bundesamt diese Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft. Bei der Abschalteinrichtung handelt es sich um ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingeleg-ten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter er-mittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu akti-vieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird (Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge [ABl Nr. L 171 S. 1]). Grundsätzlich ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007). Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, wenn die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist und wenn die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis c VO (EG) Nr. 715/2007).
Gestützt auf § 25 Abs. 2 EG-FGV hat das Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrzeughersteller verpflichtet, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge zu ergreifen (Pressemitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 16.10.2015, https://www.kba.de/DE/Presse/Archiv/Abgasthematik/vw_inhalt.html?nn=646098; vgl. auch BGH, B.v. 8.1.2019 – VIII ZR 225/17 – NJW 2019, 1133 Rn. 6). Als geeignet und damit zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge ausrei-chend für den Dieselmotor des Typs EA189 2,0 TDI sieht das Kraftfahrt-Bundesamt die im Rahmen einer Rückrufaktion vorzunehmende Anpassung der Software an (Rückrufcode 23Q7). Im Fall des Klägers hat das Kraftfahrt-Bundesamt die Zulassungsbehörde der Beklagten mit Schreiben vom 14. Februar 2018 über die grund-sätzliche Vorgehensweise gegenüber dem Fahrzeughersteller und über die Nichtteilnahme des Klägers an der Rückrufaktion informiert.
Mit den gegenüber den Herstellern erlassenen Bescheiden hat das Kraftfahrt-Bundesamt die ursprünglich erteilten EG-Typgenehmigungen modifiziert (vgl. HessVGH, B.v. 20.3.2019 – 2 B 261.19 – NVwZ 2019, 1297 Rn. 10). Die EG-Typgenehmigung wird dem Hersteller erteilt (§ 3 Abs. 5 Satz 1 EG-FGV). Gleiches gilt für deren Modifikation und für die Anordnung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Übereinstimmung der Fahrzeuge mit dem ursprünglich genehmigten Typ. Die Anordnung betrifft daher das Rechtsverhältnis zwischen dem Kraftfahrt-Bundesamt und dem Hersteller (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 RL 2007/46/EG). Sie kann von den Zulassungsstellen für Maßnahmen gegenüber den Fahrzeughaltern zugrunde gelegt werden. Die von den Bescheiden des Kraftfahrt-Bundesamts betroffenen Fahrzeuge und damit auch das klägerische Fahrzeug entsprechen ohne Teilnahme an der Rückrufaktion nicht mehr der modifizierten EG-Typgenehmigung und sind daher als nicht vorschriftsmäßig im Sinne von § 5 Abs. 1 FZV anzusehen (ebenso u.a. Hess-VGH, B.v. 20.3.2019 – 2 B 261.19 – NVwZ 2019, 1297 Rn. 5; OVG Berlin-Bbg, B.v. 25.3.2019 – OVG 1 S 125.18 – NVwZ 2019, 1143 Rn. 10).
c) Im Fall des Klägers ergibt sich auch nichts Anderes aus dem von ihm vorgelegten Untersuchungsergebnis, wonach seinem Fahrzeug bei der Vorführung zur Hauptuntersuchung gemäß § 29 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. März 2019 (BGBl I S. 332), am 27. August 2018 trotz der Nichtteilnahme an der Rückrufaktion die Prüfplakette zugeteilt wurde. Zwar setzt die Zuteilung der Prüfplakette, mit der bescheinigt wird, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Untersuchung vor-schriftsmäßig nach Nummer 1.2 der Anlage VIII zur StVZO ist (§ 29 Abs. 3 Satz 2 StVZO), grundsätzlich voraus, dass sämtliche Vorschriften der Anlage VIII zur StVZO eingehalten sind (§ 29 Abs. 3 Satz 1 StVZO). Hierzu zählt im Rahmen der Prüfung der Umweltbelastung auch das Abgasverhalten (vgl. Nr. 1.2.1.1 der Anlage VIII i.V.m. Nr. 6.8.2 der Anlage VIIIa zur StVZO). Wenn jedoch der Prüfer bei der Hauptuntersuchung die Nichtteilnahme an der Rückrufaktion entweder nicht erkannt oder die Prüfplakette gleichwohl zugeteilt hat, bedeutet dies nicht, dass die Zulassungsbehörden dadurch gehindert wären, eine feststehende Nichtteilnahme an der Rückrufaktion und eine sich daraus ergebende Vorschriftswidrigkeit im Rahmen von § 5 Abs. 1 FZV zu berücksichtigen.
d) Dem Kläger kommt auch nicht zugute, dass nicht er, sondern der Fahrzeughersteller die unzulässige Abschalteinrichtung zu verantworten hat. Zum einen kann der Kläger gegen den Hersteller Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche gel-tend machen. Zum anderen ist er für den fortdauernden Zustand der Vorschriftswidrigkeit seines Fahrzeugs zumindest seit der vom Hersteller lange Zeit vor den ergan-genen Bescheiden eingeräumten Möglichkeit, durch Teilnahme an der Rückrufaktion Abhilfe zu schaffen, mitverantwortlich.
e) Die von der Beklagten ausgesprochene Verpflichtung zur Mängelbeseitigung ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil die Zulassungsbehörde in ihrem Bescheid vom 16. April 2018 – abweichend von der vorausgegangenen Anhörung durch Schreiben vom 27. Februar 2018 – als Nachweis die Bestätigung einer technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr oder einer Polizeidienststelle verlangt hat. Wie die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 2019 klargestellt hat, sollte hierdurch die zunächst dem Kläger mitgeteilte und wohl auch näherliegende Nachweismöglichkeit durch Bestätigung einer Vertragswerkstatt oder des Herstellers über die Teilnahme an der Rückrufaktion nicht ausgeschlossen wer-den. Hierfür spricht auch die in der Betriebsuntersagung mit Bescheid vom 8. Mai 2018 unter Nr. 4 getroffene Regelung, wonach als Nachweis bei einer Rückrufaktion eine Bestätigung des Fahrzeugherstellers oder einer Vertragswerkstatt zähle, aus der hervorgehe, dass die Arbeiten zur Rückrufaktion gemäß den Vorgaben des Herstellers durchgeführt wurden. Damit ist festgelegt, dass der Kläger den erforderlichen Nachweis auch auf diese Weise erbringen kann.
3. Die ergangenen Verwaltungsakte erweisen sich auch nicht deshalb als rechtswid-rig, weil die Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (§ 114 Satz 1 VwGO). Vielmehr hat die Beklagte erkannt, dass § 5 Abs. 1 FZV ihr einen Ermessensspielraum eröffnet, und hat ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.
a) § 5 Abs. 1 FZV räumt den Zulassungsbehörden bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm grundsätzlich ein Entschließungs- und Auswahlermessen ein. Allerdings sind Fallgestaltungen, in denen die Zulassungsbehörde trotz Vorschriftswidrigkeit des Fahrzeugs von einem Einschreiten absieht, allenfalls in beson-ders gelagerten Konstellationen denkbar. Ein solches Absehen von Maßnahmen käme etwa dann in Betracht, wenn der Fahrzeughalter im Anhörungsverfahren glaubhaft und nachvollziehbar darlegt, das Fahrzeug in allernächster Zeit dauerhaft stilllegen zu wollen. Das war und ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Kläger bis zuletzt erklärt, er wolle das Fahrzeug ohne Durchführung des Soft-ware-Updates weiterhin nutzen. In einem solchen Fall ist das Einschreiten der Zulassungsbehörde zur Verhinderung der Teilnahme eines vorschriftswidrigen Fahrzeugs am Straßenverkehr intendiert.
Die Ausübung des Auswahlermessens durch die Beklagte ist ebenfalls nicht zu be-anstanden. § 5 Abs. 1 FZV sieht insoweit alternativ die Aufforderung zur Mängelbeseitigung innerhalb einer angemessenen Frist oder die Beschränkung oder Untersagung des Fahrzeugbetriebs auf öffentlichen Straßen vor. Die Beklagte hat diese Maßnahmen gestuft ergriffen und dem Kläger zunächst die Möglichkeit des Nachweises der Mängelbeseitigung innerhalb einer mehrfach verlängerten Frist eingeräumt. Erst nach Ablauf der zuletzt gesetzten Frist und ausdrücklich erklärter Weigerung des Klägers, an der Rückrufaktion teilzunehmen, hat sie ihm den Fahrzeugbetrieb im öffentlichen Verkehr untersagt, bis der erforderliche Nachweis der Mängelbeseitigung erbracht ist. Dies entspricht dem Zweck der Ermächtigung in § 5 Abs. 1 FZV, zugelassene, aber nicht vorschriftsmäßige Fahrzeuge bis zum Nachweis der Mängelbeseitigung nicht mehr am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Mittelbar dient die Maßnahme der Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes der be-troffenen Fahrzeuge im Normalbetrieb.
aa) Sowohl die zunächst verfügte Verpflichtung zum Nachweis der Mängelbeseitigung als auch die nach Fristablauf ausgesprochene Betriebsuntersagung sind zur Erfüllung dieses Zwecks offensichtlich geeignet.
Das Kraftfahrt-Bundesamt geht davon aus, dass die betroffenen Fahrzeuge nach Teilnahme an der Rückrufaktion der modifizierten EG-Typgenehmigung entsprechen und damit wieder vorschriftsmäßig sind. Dem können sich die Zulassungsbehörden anschließen, ohne die technischen Einzelheiten des Software-Updates einer eigenen Überprüfung unterziehen zu müssen. Zu einer solchen Überprüfung sind die Zulassungsbehörden weder verpflichtet noch in der Lage. Vielmehr obliegt die Typgenehmigung und die Typprüfung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen allein dem Kraft-fahrt-Bundesamt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KBAG, § 2 Abs. 1, § 25 EG-FGV). Für die Eignung der getroffenen Maßnahmen zur Erreichung des Zwecks der gesetzli-chen Ermächtigungsgrundlage kommt es auch nicht darauf an, ob die Fahrzeuge nach Durchführung des Software-Updates die in Anhang I zur VO (EG) Nr. 715/2007 festgelegten Emissionsgrenzwerte einhalten und ob die Abschalteinrichtung damit als zulässig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 anzusehen ist. Auch diese Prüfung ist allein Sache des Kraftfahrt-Bundesamts und nicht der Zulassungsbehörden. Im Übrigen ist die vom Kläger geäußerte Befürchtung, mit dem Software-Update werde erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung eingerichtet, eine Spekulation, die die Eignung der von der Beklagten angeordneten Maßnahmen zur Erreichung des Zwecks nicht widerlegt.
bb) Beide getroffenen Maßnahmen sind zur Erreichung des Zwecks auch erforderlich.
Zur Zweckerfüllung gleichermaßen geeignete, den Kläger aber weniger belastende Maßnahmen sind nicht ersichtlich. Die Beklagte ist maßvoll und gestuft vorgegangen und hat den Kläger zunächst zur beabsichtigten Vorgehensweise angehört. Nach Eingang seiner Äußerung hat sie ihm die vorgesehenen Maßnahmen mit Schreiben vom 11. April 2018 nochmals erläutert und ihn erst dann mit Bescheid vom 16. April 2018 zur Vorlage eines Nachweises über die Mängelbeseitigung bis spätestens 30. April 2018 oder zur Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs verpflichtet. Erst nach-dem der Kläger auch diese Frist verstreichen ließ, erging der Bescheid vom 8. Mai 2018 mit der Untersagung des Fahrzeugbetriebs bis zum Nachweis der Mängelbeseitigung und der Aufforderung zur Vorlage der Kennzeichenschilder und der Zulassungsbescheinigung Teil I.
cc) Schließlich sind beide Maßnahmen, insbesondere auch die Betriebsuntersagung, als verhältnismäßig im engeren Sinne anzusehen.
Hiergegen kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, er befürchte mögliche Folgeschäden für sein Fahrzeug, wenn er das Software-Update durchführen lasse. Dieser Einwand betrifft ebenso wie etwaige Nachteile in den zivilrechtlichen Verfahren im Falle des durchgeführten Software-Updates ausschließlich das Rechtsverhältnis zwi-schen dem Kläger und dem Fahrzeughersteller und berührt nicht die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs angeordneten Maßnahmen (so auch OVG NW, B.v. 17.8.2018 – 8 B 865.18 – NVwZ 2018, 1662 Rn. 37 f.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 25.3.2019 – OVG 1 S 125.18 – NVwZ 2019, 1143 Rn. 11). Der Kläger wird durch die von der Beklagten verlangte Mängelbeseitigung nicht mit Kosten belastet. Die Kosten für das Software-Update trägt der Fahrzeughersteller. Der vom Kläger befürchteten Erschwerung der Beweisführung hätte er durch Antrag auf Begutachtung durch einen Sachverständigen im Wege des selbständigen Beweisverfahrens gemäß §§ 485 ff. ZPO begegnen können.
Die von der Beklagten getroffene Güterabwägung ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil die Auswirkungen der Mängelbeseitigung für die Luftreinhaltung und den Gesundheitsschutz bezogen auf das einzelne Fahrzeug vergleichsweise gering sind. Insoweit ist für emissionsbegrenzende Maßnahmen bei gleichartigen Fahrzeugmängeln nicht auf das jeweilige Fahrzeug abzustellen, sondern auf die Gesamtzahl der von den Rückrufaktionen betroffenen Fahrzeuge (ebenso OVG NW, B.v. 17.8.2018 – 8 B 865.18 – NVwZ 2018, 1662 Rn. 23 ff.; HessVGH, B.v. 20.3.2019 – 2 B 261.19 – NVwZ 2019, 1297 Rn. 18; OVG Berlin-Bbg, B.v. 25.3.2019 – OVG 1 S 125.18 – NVwZ 2019, 1143 Rn. 8;). Den Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts in der Pressemitteilung vom 16. Oktober 2015 zufolge handelt es sich allein im Bundesgebiet um 2,4 Millionen Fahrzeuge, in denen der Dieselmotor der Baureihe EA189 mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbaut war. Nur mit Maßnahmen gegenüber allen betroffenen Fahrzeugen lässt sich die angestrebte umfassende Korrektur der von den Fahrzeugherstellern verwendeten unzulässigen Softwareprogrammierung und damit eine Verbesserung des Abgasverhaltens der Motoren im Normalbetrieb, insbesondere die Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes, in messbarem Umfang erreichen.
4. Ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken begegnet die von der Beklagten in Nr. 2 des Bescheids vom 8. Mai 2018 ausgesprochene und von der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht modifizierte Verpflichtung des Klägers, innerhalb einer Woche nach Bestandskraft des Bescheids die Kennzeichenschilder zur Entstempelung und die Zulassungsbescheinigung Teil I vorzulegen. Sie beruht auf § 5 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 FZV und ergibt sich zwingend aus der Betriebsuntersagung. Ist der Betrieb eines Fahrzeugs, für das ein Kennzeichen zugeteilt ist, untersagt, hat der Eigentümer oder Halter das Fahrzeug unverzüglich nach Maßgabe des § 14 FZV außer Betrieb setzen zu lassen oder der Zulassungsbehörde nachzuweisen, dass die Gründe für die Beschränkung oder Untersagung des Betriebs nicht oder nicht mehr vorliegen (§ 5 Abs. 2 FZV). Soll ein zugelassenes Fahrzeug, dem ein Kennzeichen zugeteilt ist, außer Betrieb gesetzt werden, hat der Halter oder der Verfügungsberechtigte dies bei der Zulassungsbehörde unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I zu beantragen und die Kennzeichen zur Entstempelung vorzulegen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FZV). Die Zulassungsbehörde ver-merkt die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs unter Angabe des Datums auf der Zulassungsbescheinigung Teil I und händigt die vorgelegten Unterlagen sowie die entstempelten Kennzeichenschilder wieder aus (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FZV).
5. Schließlich ist auch die Zwangsgeldandrohung in Nrn. 3 und 4 des Bescheids vom 8. Mai 2018 in Höhe von 250,- Euro für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage der Kennzeichenschilder und der Zulassungsbescheinigung Teil I nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage hierfür sind Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, Art. 31 und Art. 36 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 des Bayerischen Ver-waltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. November 1970 (BayRS II S. 232), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl S. 98).
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
V. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.