Aktenzeichen 20 ZB 17.50008
EMRK Art. 3
Leitsatz
1 Ist das Verwaltungsgericht nicht von systemischen Mängeln des Asylverfahrens in Bulgarien ausgegangen, sondern hat die besondere Schutzbedürftigkeit im Einzelfall geprüft, hat die Frage, ob eine Überstellung im Dublin-Verfahren nach Bulgarien generell für unzulässig erachtet wird, keine grundsätzliche Bedeutung, wenn nicht dargelegt wird, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist und warum ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Darlegung der Grundsatzbedeutung genügt es nicht, unter Hinweis auf divergierende Rechtsprechung ein Klärungsbedürfnis zu behaupten. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 4 K 15.50313 2016-12-13 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 13. Dezember 2016 (Az. W 4 K 15.50313) hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG wurde nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise dargelegt und liegt auch nicht vor.
Der Kläger lässt zur Begründung seines Zulassungsantrags wie folgt ausführen:
„Wie das Verwaltungsgericht selbst in den Urteilsgründen auf Seite 7 unter Punkt 3.1 ausführt, herrscht in der Rechtsprechung Uneinigkeit darüber ob generell von systemischen Mängeln in Bulgarien auszugehen ist und dadurch eine Überstellung im Dublin-Verfahren grundsätzlich für unzulässig bzw. zulässig erachtet wird. Daher ist die Frage, ob von systemischen Mängeln in Bulgarien auszugehen ist, grundsätzlich zu klären.“
Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Frage nicht dargelegt. Für die Darlegung der Grundsatzbedeutung genügt es nicht, diese unter Verweis auf divergierende Rechtsprechung zu einer Rechts- oder Tatsachenfrage zu behaupten. Die Darlegungsanforderungen dieses Zulassungsgrundes sind nur erfüllt, wenn der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und ausführt, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und damit im Berufungsverfahren klärungsfähig ist sowie erläutert, weshalb sie klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, warum ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
Diesen Anforderungen wird die vom Kläger vorgelegte Begründung nicht gerecht, weil nicht dargelegt worden ist, dass sich die o.g. Frage in einem Berufungsverfahren entscheidungserheblich stellen würde. Denn das Verwaltungsgericht hat sich zwar der Auffassung des Teils der Rechtsprechung angeschlossen, der nicht generell von systemischen Mängeln des Asylsystems bzw. der Aufnahmebedingungen in Bulgarien ausgeht und eine Überstellung dorthin für grundsätzlich zulässig erachtet (UA S. 7 ff.). Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 – juris) hat es sodann jedoch – zusammengefasst – ausgeführt, dass sich bei besonders schutzbedürftigen Personen die Verweigerung staatlicher Hilfeleistung zu einer existenziellen Gefahr verdichten könne, weshalb die besondere Schutzbedürftigkeit im Einzelfall zu prüfen sei (UA S. 12, 2. Absatz). Besonders schutzbedürftigen Personen könne weder im Rahmen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen noch im Hinblick auf die Umstände nach einer eventuellen Anerkennung (in Bulgarien) angemessen Rechnung getragen werden. Dies stelle einen gravierenden Mangel dar, der sich im Lichte des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK je nach der individuellen Betroffenheit des Einzelnen und der spezifischen Situation, in die er nach Bulgarien überstellt werde, als systemisch erweisen und zu einem rechtlichen Überstellungshindernis verdichten könne (UA S. 13).
Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht die besondere Schutzbedürftigkeit des Klägers im Hinblick auf die vorgetragene psychische Erkrankung anhand der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen überprüft (UA S. 13 ff.) sowie eine behandelnde Ärztin in der mündlichen Verhandlung als Sachverständige vernommen (vgl. Niederschrift vom 13.12.2016 in der Gerichtsakte). Dabei ist es jedoch unter Anwendung der nach ständiger Rechtsprechung an die Substantiierung einer behandlungsbedürftigen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu stellenden Anforderungen (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – NJW 2008, 330, juris) zu dem Ergebnis gekommen, dass ein ausreichender Nachweis für eine schwerwiegende psychische Erkrankung nicht erbracht worden sei (UA S. 14), weshalb es sich bei dem Kläger nicht um eine sog. vulnerable Person handle (UA S. 15 f.). Der Überstellung stünden auch keine sonstigen Abschiebungshindernisse entgegen (UA S. 16 f.). Damit hat das Verwaltungsgericht gerade nicht entscheidungserheblich auf die Frage abgestellt, ob das Asylsystem bzw. die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel aufweisen. Es ist vielmehr bei Annahme spezifischer Mängel in Bezug auf besonders schutzbedürftige Personen einzelfallbezogen zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger nicht unter diesen Personenkreis falle. Dies wirft aber gerade nicht die geltend gemachte Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).