Europarecht

Diesel-Abgasskandal: Anspruch des Käufers gegen den Hersteller gem. § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB

Aktenzeichen  18 U 6558/19

Datum:
24.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16461
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 100,§ 241 Abs. 2, § 311 Abs. 3, § 280 Abs. 1 S. 1, § 288 Abs. 1, § 291, § 826
FZV § 3 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Das Inverkehrbringen eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs unter Verschweigen einer gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung begründet einen Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Hersteller gem. § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB auf Erstattung des Kaufpreises gegen Herausgabe des Fahrzeugs. (Rn. 53 – 85) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Käufer muss sich allerdings auf seinen Schadensersatzanspruch im Wege des Vorteilsausgleichs den Wert der von ihm tatsächlich gezogenen Nutzungen des Kraftfahrzeugs anrechnen lassen. Die Nutzungsentschädigung ermittelt der Senat im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) nach der Formel „Bruttokaufpreis mal tatsächlich gefahrene Kilometer dividiert durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs“. (Rn. 88) (Rn. 95) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

6 O 1108/19 2019-10-18 Endurteil LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 18.10.2019, Az.: 6 O 1108/19, dahin abgeändert, dass die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt wird, an den Kläger 14.368,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.08.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Pkws VW Tiguan 2.0 TDI, FIN: …43.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 62% und der Kläger 38%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger, der mit Kaufvertrag vom 15.05.2015 einen vom sogenannten Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw als Gebrauchtfahrzeug erworben hat, begehrt die Feststellung, dass die Beklagte als Herstellerin verpflichtet ist, ihm Schadensersatz für diejenigen Schäden zu leisten, die aus der Manipulation der Abgaskontrolle durch eine unzulässige Abschalteinrichtung resultieren. Daneben nimmt er die Beklagte auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Hilfsweise macht er einen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises von 21.000 € Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte geltend und begehrt die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der „Rücknahme“ des streitgegenständlichen Pkws im Annahmeverzug befindet.
Hinsichtlich der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 18.10.2019 (Az.: 6 O 1108/19) Bezug genommen.
Ergänzend stellt der Senat fest, dass der Pkw im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat einen Kilometerstand von 127.045 aufwies. Im Berufungstermin hat die Beklagte die Einrede der Verjährung zurückgenommen (Protokoll vom 18.02.2020, S. 2 = Bl. 456 d.A.).
Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger 14.875,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.12.2018 Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Pkws an die Beklagte zu zahlen. Zur Begründung hat es – soweit in zweiter Instanz noch von Bedeutung – im Wesentlichen ausgeführt:
Der primär gestellte Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, weil dem Kläger die Bezifferung des Schadens möglich und zumutbar sei. Sämtliche geltend gemachten Ansprüche seien auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet, was zu einem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übertragung von Eigentum und Besitz an dem streitgegenständlichen Pkw an die Beklagte führe. Diesen Anspruch könne der Kläger auch unter Berücksichtigung einer abzuziehenden Nutzungsentschädigung beziffern, was er in seinem Hilfsantrag (scil.: zu Ziff. 1) auch getan habe.
Weitergehende Schäden müsse der Geschädigte konkretisieren, wobei die Zulässigkeit der Feststellungsklage bei reinen Vermögensschäden von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts abhänge. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass Steuernachforderungen hinreichend wahrscheinlich seien. In der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2019 habe er selbst angegeben, dass er von etwaigen Forderungen des Finanzamts gegen ihn nichts gehört habe. Außerdem bemesse sich die Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 8 Nr. 1 lit. b KraftStG allein nach den Kohlendioxidemissionen und dem Hubraum; die zuständigen Steuerbehörden hätten in den mehr als dreieinhalb Jahren seit Bekanntwerden des Abgasskandals auch – soweit ersichtlich – keine Schritte in der vom Beklagten befürchteten Richtung unternommen. Die Politik habe von vornherein deutlich signalisiert, dass etwaige Steuerausfälle allenfalls vom Hersteller der betroffenen Fahrzeuge zu ersetzen sein würden.
Die vorrangige Leistungsklage trete auch nicht deshalb zurück, weil die Beklagte die Erwartung rechtfertige, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfte. Letzteres sei nicht der Fall.
Ein Anspruch auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stehe dem Kläger nicht zu. Zum einen habe er bereits nicht schlüssig dargelegt, dass seine Prozessbevollmächtigten in der vorliegenden Angelegenheit vorgerichtlich tätig geworden seien. Das vorgelegte Schreiben vom 04.12.2018 (Anlage K 2) beziehe sich nicht auf den Kläger, sondern betreffe „die Interessen zahlreicher geschädigter Pkw-Käufer des VW-Abgasskandals“. Zum anderen sei nicht ausreichend dargelegt, dass ein außergerichtliches Vorgehen gegen die Beklagte Ende 2018 erfolgversprechend gewesen sei. Das Gericht gehe davon aus, dass die Beklagte in den „Dieselskandal-Fällen“ außergerichtlich keine Zugeständnisse gemacht habe und dies aus versicherungstechnischen Gründen auch nicht habe machen können. Dies sei der Klagepartei auch bewusst gewesen, wie sich aus den als Anlage K 3 – K 14 vorgelegten Korrespondenz zwischen der Beklagten und der Rechtsanwaltskanzlei Dr. S. & S. ergebe.
Hinsichtlich der – hilfsweise – beantragten „Rückzahlung“ des Kaufpreises sei die Klage im tenorierten Umfang begründet. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 3 BGB sowie aus §§ 826, 31 BGB zu.
Zwischen den Parteien bestehe ein Schuldverhältnis. Die Beklagte sei zwar nicht Vertragspartnerin des Klägers geworden, habe aber besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Das Gericht sei davon überzeugt, dass der Kläger in die Beklagte als einen der größten deutschen Automobilhersteller ein besonderes Vertrauen gesetzt habe, dass sämtliche Gesetze und Vorschriften eingehalten würden. Bei seiner Anhörung habe der Kläger angegeben, dass er aufgrund seiner Erfahrungen in der Vergangenheit ein besonderes Vertrauen in die Marke entwickelt und schon vor dem Kauf des streitgegenständlichen Pkws etwa 15 Jahre lang Fahrzeuge der Beklagten gefahren sei. Für den streitgegenständlichen Pkw sei durch einen Mitarbeiter der Beklagten eine Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt worden. Hierdurch habe die Beklagte eine persönliche Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen übernommen. Dass die Beklagte zur Ausstellung dieser Bescheinigung verpflichtet sei, ändere nichts an den vertrauensbegründenden Umständen.
Der Kläger habe zudem gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB, weil sich die Manipulation als der Beklagten zurechenbare vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstelle. Die Beklagte habe den Kläger über die Gesetzeskonformität des von ihm erworbenen Fahrzeugs bzw. des darin verbauten Motors getäuscht. Diese Täuschung sei für die Kaufentscheidung des Klägers kausal geworden. Der Kläger habe plausibel vorgetragen, dass er bei Kenntnis des Umstands, dass der streitgegenständliche Pkw möglicherweise von einer abgasrechtlichen Problematik betroffen sei, den Kaufvertrag nicht geschlossen hätte. Die Beklagte habe verwerflich gehandelt. Sie habe die unzulässige Abgassteuerung zur Überzeugung des Gerichts im Rahmen einer planmäßig lang angelegten Strategie lediglich aus Gewinnstreben verwendet, wobei sie die berechtigten Kundeninteressen und die Belange der Allgemeinheit, insbesondere des Umweltschutzes, bedenkenlos hintangestellt habe.
Auch der erforderliche Schädigungsvorsatz sowie die Kenntnis derjenigen Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen ließen, lägen auf Seiten der Beklagten vor. Auch dies folgere das Gericht aus dem planmäßigen perfiden Vorgehen der Beklagten. Im Anschluss an das Oberlandesgericht Karlsruhe (Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18) erscheine es dem Gericht angesichts der Tragweite der Entscheidung über die riskante Gestaltung der Motorsteuerungssoftware, die für eine ganze Dieselmotorengeneration konzipiert worden sei, welche flächendeckend konzernweit in vielen Millionen Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, mehr als fernliegend, dass diese Entscheidung ohne Einbindung des Vorstands getroffen worden sei und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte.
Dem Kläger stehe nach dem Grundsatz der Naturalrestitution ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Kaufvertrags zu; er könne deshalb „Rückzahlung“ des gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkws an die Beklagte (§ 255 BGB analog) verlangen. Im Rahmen des Vorteilsausgleichs müsse sich der Kläger allerdings die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen.
Der Kaufpreis habe 21.000 € betragen; die Fahrleistung bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger bei 70.300 km. Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung habe das Fahrzeug einen Kilometerstand von 122.704 aufgewiesen. Unter Zugrundelegung der bei Abschluss des Kaufvertrages zu erwartenden Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Dieselfahrzeugs von 250.000 km errechne sich eine Nutzungsentschädigung von 6.124,01 €.
Die (scil.: Hilfs-)Anträge auf Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht seien ebenfalls unzulässig, weil dem Kläger das Feststellungsinteresse fehle. Der Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zugum-Zug-Leistung im Annahmeverzug befinde, sei zwar zulässig, aber unbegründet. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass er der Beklagten ein wörtliches Angebot auf „Rückübereignung“ des streitgegenständlichen Pkws unterbreitet habe. Dem Schreiben vom 04.12.2018 (Anlage K 2) sei ein solches Angebot nicht zu entnehmen.
Das erstinstanzliche Urteil ist den Parteivertretern jeweils am 21.10.2019 zugestellt worden. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18.11.2019, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 22.01.2020, eingegangen am selben Tage, begründet, nachdem auf ihren Antrag vom 18.11.2019 die Berufungsbegründungsfrist bis 23.01.2020 verlängert worden war. Die Berufungsschrift des Klägers vom 20.11.2019 ist am 21.11.2019 beim Oberlandesgericht eingegangen, seine Berufungsbegründung am 21.01.2020, nachdem auf Antrag des Klägers die Berufungsbegründungsfrist entsprechend verlängert worden war.
Die Beklagte führt zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen aus:
Sämtliche klägerseits geltend gemachten Schadensersatzansprüche scheiterten bereits am Fehlen eines Schadens, was das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht erkannt habe. Allein die nachträgliche „Ungewolltheit“ einer Verbindlichkeit vermöge einen Schaden nicht zu begründen; Voraussetzung sei vielmehr, dass ein abgeschlossener Vertrag sich als nachteilig für den Anspruchssteller erweise.
Der Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei für den Kläger nicht wirtschaftlich nachteilig gewesen. Der Kläger habe hierdurch keine messbare Vermögenseinbuße im Sinne eines rechnerischen Minus erlitten. Unstreitig sei das streitgegenständliche Fahrzeug zu jeder Zeit technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt gewesen. Die streitgegenständliche Software habe keinen Einfluss auf die Zulassung oder Zulassungsfähigkeit. Es bestehe auch kein auf die streitgegenständliche Software zurückzuführendes Stilllegungsrisiko. Die EG-Typgenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp sei weiterhin wirksam. Die zuständigen Behörden hätten die Typgenehmigungen für die betroffenen Fahrzeuge nicht widerrufen bzw. entzogen. Die Beklagte habe durch den mit dem Kraftfahrtbundesamt Ende 2015 abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan dafür gesorgt, dass die Umschaltlogik in betroffenen Fahrzeugen aller Konzernmarken mittels eines Updates entfernt werde.
Ein rechnerisches Minus lasse sich auch nicht mit einem vermeintlichen Stillegungsrisiko für das streitgegenständliche Fahrzeug begründen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehe ein solches Risiko ohnehin nicht mehr; denn der Kläger habe das Update bereits durchführen lassen. Selbst bei einer unzutreffend vorgenommenen exante-Sicht habe zu keinem Zeitpunkt eine von der Beklagten verursachte Gefahr der Stilllegung bestanden. Im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses habe das Stilllegungsrisiko allenfalls eine Vermögensgefährdung begründet; denn es hätten so lange keine behördlichen Sanktionen gedroht, wie die Umschaltlogik nicht „offengelegt“ gewesen sei. Nach der „Offenlegung“ der Umschaltlogik habe sich das Stilllegungsrisiko schließlich nicht realisiert, weil die zuständigen Behörden das Update für die betroffenen Fahrzeuge freigegeben hätten.
Ein nachteiliger Vertrag ergebe sich auch nicht aus vermeintlichen technischen Nachteilen, die angeblich durch das Update entstünden. Der Kläger habe keine vermeintlich aufgetretenen Nachteile substantiiert vorgetragen. Nach den Feststellungen der zuständigen Behörden habe das Update keine nachteiligen Auswirkungen auf relevante Parameter.
Es liege schließlich auch kein Schaden durch subjektive Zweckverfehlung vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Frage der Gebrauchsbeeinträchtigung danach zu beurteilen, ob die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansehe. Im vorliegenden Fall seien keine besonderen Zwecke des Klägers ersichtlich, die über die gewöhnliche Verwendung des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs hinausgingen. Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses habe es keine öffentliche Diskussion über Stickoxidwerte auf dem Prüfstand gegeben; der Kläger habe sich deshalb hierzu keinerlei Gedanken gemacht. Für den mit einem Pkw-Kauf gewöhnlich verfolgten Zweck, nämlich die Nutzung im Straßenverkehr, sei das Fahrzeug jederzeit voll brauchbar gewesen.
Der vermeintlich eingetretene Schaden sei, wie das Oberlandesgericht Braunschweig in seinem Urteil vom 19.02.2019 (Az.: 7 U 134/17) zutreffend ausgeführt habe, auch nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst. Der klägerseits geltend gemachte Schaden beruhe letztlich auf einer vermeintlichen Verletzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und einer Nicht-Aufklärung hierüber. Mit der angeblichen Verletzung dieser – nicht drittschützenden – Norm könne keine Ersatzpflicht begründet werden; die Käufer seien lediglich mittelbar Betroffene.
Hilfsweise berufe sich die Beklagte darauf, dass jedenfalls nach dem Update kein Schaden mehr vorliege. Der Kläger habe durch das Update genau das Fahrzeug erlangt, das er habe erwerben wollen. Nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung lasse die nachträgliche Beseitigung eines verschwiegenen Mangels bzw. eines bereits eingetretenen Vermögensschadens einen auf § 826 BGB gestützten Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages entfallen. Es wäre rechtsmissbräuchlich, wenn ein Käufer Schadensersatz wegen einer Schädigung begehre, deren Tatbestand sich vollständig rückgängig machen lasse.
Der Nutzungsansatz sei zu niedrig angesetzt. Der vom Landgericht verfolgte Ansatz einer linearen Berechnung anhand der gefahrenen Kilometer missachte die Besonderheiten des deliktischen Schadensrechts. Nach § 249 Abs. 1 BGB sei der aus Delikt zum Schadensersatz Berechtigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis hypothetisch stünde. Folglich müsse ermittelt werden, wie der Kläger „heute“ stehen würde, wenn er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte. Die Annahme, dass der Kläger in Kenntnis der Umstände gänzlich vom Erwerb eines Fahrzeugs abgesehen hätte, wäre fernliegend. Im Falle des zu unterstellenden Erwerbs eines Alternativfahrzeugs wäre das Vermögen des Klägers mit dem Wertverlust des Alternativfahrzeugs belastet gewesen. Dieser ersparte Wertverlust müsse bei der Berechnung des Schadens berücksichtigt werden. Dieser Auffassung habe sich im Grundsatz auch das Oberlandesgericht Frankfurt im Hinweisbeschluss vom 25.09.2019 (Az.: 17 U 45/19) angeschlossen.
Rechtsfehlerhaft unterstelle das Landgericht einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verschweigen der Umschaltlogik und der Kaufentscheidung. Dabei verkenne das Landgericht, dass der Kläger für die haftungsbegründende Kausalität vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet sei. Zum Beweis der haftungsbegründenden Kausalität könne nicht auf einen Anscheinsbeweis zurückgegriffen werden, weil es keine typische Ursache gebe, die regelmäßig zum Abschluss eines Kaufvertrags führe. Die Entscheidung über den Kauf eines Fahrzeugs beruhe regelmäßig auf einem Bündel unterschiedlicher Motive, in das sich die Ergebnisse der Abgasuntersuchung nur als ein weiterer möglicher Beweggrund einreihten. Folglich fehle es bei der Entscheidungsfindung bereits an einem Lebenssachverhalt, der hinreichend reproduzierbar sei. Auch die für Fälle der Prospekthaftung entwickelte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei nicht anwendbar, weil diese eine Verletzung (vor) vertraglicher Aufklärungspflichten voraussetze.
Der Kläger habe weder dargelegt noch bewiesen, dass die Beklagte ihn zur Eingehung der angeblich ungewollten Verbindlichkeit veranlasst habe. Der Kausalitätsnachweis scheitere bereits an der Darlegung einer kausalen Täuschung durch die Beklagte. Die Beklagte sei am Kaufvertragsschluss nicht beteiligt gewesen. Eine aktive Täuschung durch die Programmierung der Software oder das Inverkehrbringen des Fahrzeugs scheide ebenfalls aus; denn eine Täuschung erfordere einen kommunikativen Akt gegenüber dem Getäuschten. Im Inverkehrbringen des Fahrzeugs liege nicht die konkludente Erklärung darüber, dass der streitgegenständliche Pkw den gesetzlichen Bestimmungen in jeder Hinsicht entspreche. Vielmehr sei anerkannt, dass im Anbieten des Kaufgegenstandes nicht die konkludente Erklärung liege, dass die Sache frei von Mängeln sei oder den Qualitätserwartungen des Käufers entspreche.
Die Beklagte habe die Kaufentscheidung des Klägers auch nicht durch eine unterlassene Aufklärung beeinflusst. Eine entsprechende Aufklärungspflicht habe nicht bestanden, wie sich bereits aus den in der Pkw-EnVKV geregelten gesetzlichen Informationspflichten der Hersteller und Händler von Kraftfahrzeugen ergebe. Danach träfen den Hersteller nur Informationspflichten hinsichtlich des „offiziellen Kraftstoffverbrauchs“ und der „offiziellen spezifischen CO₂-Emissionen“ hinsichtlich des Stickoxid-Ausstoßes habe der Gesetzgeber keine Informationspflicht normiert. Wie die Beklagte wiederholt ausgeführt habe, gälten die Stickoxid-Grenzwerte, die für den Erhalt der EG-Typgenehmigung der Emissionsklassen EU4 bis EU6 maßgeblich seien, gerade nicht im realen Straßenbetrieb, sondern allein unter artifiziellen Bedingungen auf dem Prüfstand. Die Umschaltlogik stelle auch keinen wertbildenden Faktor von ganz besonderem Gewicht dar, also einen Umstand, der den Vertragszweck des Käufers vereiteln und deshalb für eine Kaufentscheidung kausal sein könne. Die Umschaltlogik habe die Nutzung des Fahrzeugs unstreitig nicht beeinträchtigt; das Fahrzeug habe jederzeit ohne jede Beeinträchtigung des Vertragszwecks als Fortbewegungsmittel genutzt werden können.
Das „vertragliche Nachverhalten“ des Klägers deute darauf hin, dass der Abschluss des Kaufvertrages tatsächlich nicht als ein auf einer Täuschung durch die Beklagte beruhender Schaden angesehen werden könne. Der Kläger habe sein Fahrzeug nach Vertragsschluss über Jahre beschwerdefrei und ohne Einschränkungen beschwerdefrei genutzt und tue dies immer noch. Es habe daher den Anschein, als habe der Kläger zunächst an der „EA189-Thematik“ und dem erforderlichen Update keinen Anstoß genommen. Erst als es im Jahre 2017 – unabhängig von der streitgegenständlichen Umschaltlogik – vermehrt zu einer Diskussion über Fahrverbote in einigen Innenstädten für Dieselfahrzeuge aller Hersteller gekommen sei, habe der Kläger nach einer Möglichkeit gesucht, um vermeintlich ungewollte Folgen des Kaufvertragsschlusses rückgängig zu machen bzw. finanzielle Vorteile aus der „EA189-Thematik“ zu ziehen.
Erst recht bestehe kein Kausalzusammenhang beim Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs. Zweiterwerber unterlägen selbst bei unterstellt fehlerhaften Angaben in etwaigen Prospekten keiner kausalen Täuschung. Die Annahme, dass im Rahmen von Gebrauchtwagenkäufen Werbeaussagen des Herstellers eine maßgebliche Rolle spielten, sei realitätsfern. Auch scheide eine Täuschung von Gebrauchtfahrzeug-Erwerbern durch das ursprüngliche Inverkehrbringen des Fahrzeugs aus; denn dieses sei ausschließlich in den direkten Absatzmarkt erfolgt und ohnehin ohne jeden Erklärungswert gegenüber den Erwerbern der Neufahrzeuge.
Die Beklagte beantragt,
das am 18.10.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Traunstein, Az.: 6 O 1108/19, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
Im Rahmen seiner eigenen Berufung beantragt er:
Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 18.10.2019, Az.: 6 O 1108/19, wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Traunstein zurückverwiesen.
Hilfsweise, für den Fall, dass eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommt:
Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 18.10.2019, Az.: 6 O 1108/19, wird wie nachfolgend abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei das Fahrzeug VW Tiguan 2.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: …43) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.
Hilfsweise zum Antrag zu Ziff. 1:
Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei in den Motor, Typ EA189, des Fahrzeugs VW Tiguan 2.0 TDI, FIN: …43, eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige (sic!) Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.789,76 € freizustellen.
Hilfsanträge:
1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei 21.000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.12.2018 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkws VW Tiguan 2.0 TDI, FIN: …43.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei das Fahrzeug VW Tiguan 2.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: …43) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.
Hilfsweise zum Antrag zu Ziff. 2:
Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei in den Motor, Typ EA189, des Fahrzeugs VW Tiguan 2.0 TDI, FIN: …43, eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige (sic!) Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.789,76 € freizustellen (sic!).
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Der Kläger tritt der Berufung der Beklagten unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen entgegen. Zur Begründung seiner eigenen Berufung führt er im Wesentlichen aus, der Feststellungsantrag zu Ziffer 1 sei entgegen der Ansicht des Landgerichts zulässig; eine abschließende Bezifferung des Schadens sei weder möglich noch notwendig.
Bestehe der nach § 826 BGB zu ersetzende Schaden in der sittenwidrigen Herbeiführung eines Vertrages, sei der Geschädigte nicht gezwungen, Ersatz des Kaufpreises gegen Herausgabe des Fahrzeugs zu fordern. Er könne den Vertrag auch bestehen lassen und Ersatz der durch die unerlaubte Handlung entstandenen Nachteile verlangen. Aufgrund der Desinformationspolitik der Beklagten solle zunächst noch keine abschließende Entscheidung darüber fallen, ob der Kläger den Pkw an die Beklagte zurückgebe; dies habe das Landgericht nicht berücksichtigt.
Es drohe der Entzug der Typengenehmigung. Das Landgericht habe den klägerischen Vortrag zu dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen überhaupt nicht berücksichtigt. Zwischenzeitlich liefen offenbar weitere Verfahren auf Entzug der Typengenehmigung vor dem Verwaltungsgericht Schleswig. Im Falle des Entzugs der Typengenehmigung wäre das Fahrzeug sofort stillzulegen. Dadurch würden dem Kläger weitere Schäden entstehen.
Ebenso wenig habe das Landgericht berücksichtigt, dass aufgrund der im Deliktsrecht geltenden Vorteilsausgleichung üblicherweise eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen sei. Die Nutzungsentschädigung wäre aus dem geminderten Kaufpreis des Fahrzeugs zu berechnen, weil das Fahrzeug von Beginn an einen Minderwert aufgewiesen habe. Der Minderwert wäre im Rahmen des vorliegenden Verfahrens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln. Zwischen den Parteien sei streitig, wie hoch die Nutzungsentschädigung sei. Zu einer Bezifferung bedürfe der Kläger sachverständiger Hilfe. Teilweise nähmen die Gerichte eine Schätzung nach § 287 ZPO vor. Wie bereits erstinstanzlich ausgeführt, könne ein Feststellungsantrag gestellt werden, wenn der Schaden nur durch eine Schätzung des Gerichts festgestellt werden könne. Der Kläger könne den Rückabwicklungsbetrag im Übrigen auch deshalb nicht beziffern, weil die Beklagte darlegen und beweisen müsse, wie hoch die Nutzungsentschädigung sei. Bei Klageerhebung stehe zudem die Höhe des Schadens noch nicht fest, weil für dessen Höhe der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend sei.
Nicht alle Schäden seien bezifferbar; es drohten steuerliche Schäden. Außerdem habe das Kraftfahrtbundesamt angekündigt, sukzessive alle Geschädigten, die das Update noch nicht hätten aufspielen lassen, anzuschreiben. Der Kläger sei nicht in der Lage, das Update aufspielen zu lassen, weil für eine Bewertung des Fahrzeugs eine Begutachtung vor und nach dem Update erforderlich sei. Der Kläger müsse deshalb gegen das (scil.: erwartete) Vorgehen des Kraftfahrtbundesamtes und der Zulassungsstelle Rechtsbehelfe einlegen, wofür Anwaltsund Gerichtskosten anfallen würden.
Der Kläger habe erstinstanzlich umfassend dazu vorgetragen, dass es aufgrund der bestehenden Manipulation bereits zu Schäden am Fahrzeug gekommen sei. Insbesondere infolge des unvermittelten Umschaltens im Normalbetrieb in den Rollenprüfstandsmodus sei es in den USA bereits zu massiven Schäden an den Dieselpartikelfiltern und an den AGR-Ventilen gekommen. Es bestehe daher die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger das Fahrzeug während des laufenden Verfahrens zur Reparatur bringen müsse.
Eine Feststellungsklage sei schließlich auch deshalb zulässig, weil die Beklagte aufgrund eines Feststellungsurteils leisten werde.
Das Landgericht habe der Berechnung der Nutzungsentschädigung eine zu niedrige Gesamtfahrleistung zugrunde gelegt. Tatsächlich seien mit Fahrzeugen der streitgegenständlichen Art regelmäßig Laufleistungen von 500.000 km zu erreichen.
Soweit das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgelehnt habe, übersehe es, dass für die Entstehung und die Höhe der Gebühr für die außergerichtliche Tätigkeit weder erforderlich noch allein maßgeblich sei, dass eine Tätigkeit gegenüber dem Gegner entfaltet werde. Nach der Vorbemerkung 2.4 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entstehe die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten den Sachverhalt, so wie er in der Klageschrift dargestellt sei, im Rahmen des außergerichtlichen Mandats ermittelt.
Hinsichtlich des Annahmeverzugs der Beklagten, den das Landgericht rechtsfehlerhaft verneint habe, werde auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen.
Die Beklagte entgegnet auf die Berufung des Klägers im Wesentlichen, das Landgericht habe den Antrag des Klägers auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten zutreffend abgewiesen. Der Klageantrag sei schon wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit des Eintritts irgendeines Schadens nicht substantiiert dargelegt, so dass es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis fehle.
Entgegen der Behauptung des Klägers gebe es keinerlei Hinweise darauf, dass der Kläger aufgrund der streitgegenständlichen Thematik zukünftig zu Kfz-Steuernachzahlungen herangezogen werden könnte. Ein solches Szenario sei nicht denkbar, weil sich die Steuerlast bei ab dem 01.07.2009 zugelassenen Fahrzeugen nach dem Hubraum und dem CO₂-Ausstoß bemesse; die vom Kläger beanstandete Software steuere aber den NOx-Ausstoß. Die Angaben der Beklagten zu den CO₂-Emissionen des Fahrzeugs seien vollständig richtig.
Entgegen den Ausführungen des Klägers drohe weder ein Entzug der Typenzulassung noch eine Stilllegung des Fahrzeugs. Der diesbezügliche Vortrag sei bereits deshalb irrelevant, weil der Kläger die „technische Maßnahme“ (d.h.: das Software-Update) bereits habe durchführen lassen.
Bei der Bemessung der Nutzungsentschädigung, die der Kläger auch unter Zugrundelegung europarechtlicher Grundsätze schulde, sei der Bruttokaufpreis des Fahrzeugs zugrunde zu legen. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei uneingeschränkt gebrauchstauglich.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 22.01.2020 (Bl. 396/435 d.A.) und 10.02.2020 (Bl. 438/452 d.A.), die Schriftsätze des Klägers vom 21.01.2020 (Bl. 386/393 d.A.) und 10.02.2020 (Bl. 453/454 d.A.) sowie das Protokoll vom 18.02.2020 (Bl. 455/457 d.A.), jeweils mit zugehörigen Anlagen, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur insoweit begründet, als der dem Kläger zuzusprechende Schadensersatz sich im Hinblick auf die seit dem Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz gefahrenen weiteren Kilometer auf 14.368,70 € reduziert und die Beklagte den Schadensersatzbetrag erst ab Rechtshängigkeit des auf Zahlung gerichteten Hilfsantrags zu Ziffer 1 zu verzinsen hat.
1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts besteht zwischen den Parteien allerdings kein Schuldverhältnis im Sinne von § 311 Abs. 2 und 3 BGB. Unstreitig hat der Kläger den streitgegenständlichen Pkw nicht von der Beklagten, sondern von der A. GmbH erworben. Er hat auch nicht dargelegt, dass die Beklagte in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch den Gang der Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat.
Voraussetzung hierfür wäre, dass der Dritte unmittelbar oder mittelbar an den Vertragsverhandlungen teilgenommen und durch sein Auftreten eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernommen hat (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 311 Rn. 63 m.w.N.). Das Vertrauen des Käufers auf die Richtigkeit der von der Beklagten erteilten EG-Übereinstimmungsbescheinigung reicht hierfür ebenso wenig aus wie das Vertrauen, das der Kläger nach seinen Angaben vor dem Landgericht am 27.08.2019 der Marke VW hinsichtlich der technischen Leistung und Zuverlässigkeit der Fahrzeuge entgegengebracht hat (vgl. hierzu Protokoll, S. 2 = Bl. 333 d.A.).
2. Einen deliktischen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB, kraft dessen der Kläger von der Beklagten verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob er den streitgegenständlichen Pkw nicht erworben hätte (§ 249 Abs. 1 BGB), hat das Landgericht dagegen mit zutreffender Begründung bejaht.
a) Das Inverkehrbringen eines Kraftfahrzeugs, dessen Motor vom Typ EA 189 mit der im Tatbestand des angefochtenen Urteils näher beschriebenen Umschaltlogik ausgerüstet ist, stellt eine konkludente Täuschung des jeweiligen Käufers des Fahrzeugs durch die Beklagte dar (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 21 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 22 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 44 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19, Rn. 4 ff.; sämtl. Entscheidungen, falls nicht anders angegeben, zit. nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 33 ff.).
aa) Mit dem Inverkehrbringen eines derartigen Kraftfahrzeugs hat die Beklagte konkludent zum Ausdruck gebracht, dass dieses entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf.
Der Hersteller eines Kraftfahrzeugs hat die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt als zuständige Behörde (§ 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; im Folgenden: EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das Kraftfahrtbundesamt nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge entweder gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen bzw. zurücknehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Anordnung einer Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
Vor diesem Hintergrund kann der Käufer eines Kraftfahrzeugs nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass nicht deren nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser Käufererwartung ist dem Inverkehrbringen eines Motors der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge, in denen dieser Motor eingebaut wird, vorliegen.
bb) Die in dem streitgegenständlichen Pkw installierte Motorsteuerungssoftware enthielt bis zum Aufspielen des Software-Updates – was nach Angaben des Klägers „um Weihnachten 2016“ geschehen ist (vgl. Protokoll vom 27.08.2019, S. 2 = Bl. 33 d.A.) – eine Umschaltlogik, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der VO [EG] Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (Abl. 2007 L 171; im Folgenden: VO [EG] Nr. 715/2007) zu qualifizieren ist (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, Rn. 5 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 27; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 25 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 45; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 35).
Aufgrund dieser unzulässigen Abschalteinrichtung erfüllte der streitgegenständliche Pkw im maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger entgegen der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs abgegebenen konkludenten Erklärung der Beklagten nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung mit der Folge, dass zumindest die abstrakte Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestand.
cc) Das Inverkehrbringen von Fahrzeugen, deren Motor mit einer nicht offen gelegten unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, stellt eine konkludente Täuschung nicht nur der jeweiligen Ersterwerber, sondern auch solcher Käufer dar, die das Fahrzeug – wie der Kläger – gebraucht von einem Dritten erworben haben. Der Beklagten war nach allgemeiner Lebenserfahrung bewusst, dass zumindest ein erheblicher Teil der so ausgerüsteten Neufahrzeuge später als Gebrauchtwagen unverändert weiterveräußert würde.
b) Die konkludente Täuschung des Klägers darüber, dass der streitgegenständliche Pkw infolge der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung erfüllte, war auch sittenwidrig.
aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, Rn. 16, WM 2016, 1975). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, welche die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH a.a.O.); eine arglistige Täuschung stellt regelmäßig zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten dar (BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, Rn. 13, BGHZ 161, 361, 366).
bb) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu werten (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 42 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 45 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.07.2019 – 16 U 199/18, Rn. 5 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 48 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.09.2019 – 17 U 45/19, Rn. 4 ff.).
Die Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten ergibt sich insbesondere aus den daraus resultierenden Folgen. Den Käufern drohte jedenfalls vor dem Aufspielen des – als Angebot zur Schadenswiedergutmachung zu wertenden – Software-Updates ein erheblicher Schaden in Form einer Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs durch die Zulassungsbehörde. Das Bestehen dieses Risikos hat die Beklagte den Käufern der betroffenen Fahrzeuge durch Verheimlichen der Funktionsweise der Umschaltlogik arglistig verschwiegen. Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt nach der Lebenserfahrung allein das Streben nach einer Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Durch die vorausgegangene Täuschung der Genehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte außerdem bei Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlichrechtlichen Genehmigungsverfahrens und in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht.
c) Der Schaden ist in dem Abschluss des Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug zu sehen, den der Kläger nach seiner glaubhaften Darstellung in Kenntnis des Vorhandenseins der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht geschlossen hätte.
aa) Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Ansatz subjektbezogen. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 18, NJW-RR 2015, 275; Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, Rn. 16, BGHZ 161, 361).
Im Falle einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Bereits eine solche Verpflichtung stellt unter den eingangs dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 19 m.w.N.). Insoweit bewirkt die Norm nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, Rn. 17 unter Verweis auf Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 385).
bb) Wegen des subjektbezogenen Schadensbegriffs kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entscheidend darauf an, ob der streitgegenständliche Pkw im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung objektiv einen geringeren Marktwert hatte oder seine tatsächliche Nutzbarkeit eingeschränkt war.
Die Beklagte kann auch nicht einwenden, dass der Vertragsschluss für den Kläger deshalb nicht subjektiv konkret nachteilig gewesen wäre, weil das Fahrzeug für seine Zwecke uneingeschränkt brauchbar gewesen sei. In diesem Zusammenhang verkennt die Beklagte zunächst, dass es nicht ihr obliegt, die vom Käufer mit dem Erwerb des Fahrzeugs verfolgten Zwecke zu definieren.
Unabhängig davon kann im Hinblick auf die vor Aufspielen des Software-Updates zumindest abstrakt bestehende Gefahr eines Entzugs der EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt und einer hierauf gestützten Stilllegung des Fahrzeugs keine Rede davon sein, dass der streitgegenständliche Pkw für die Zwecke des Klägers uneingeschränkt geeignet war. Entgegen der Ansicht der Beklagten begründet das Stilllegungsrisiko auch nicht lediglich eine Vermögensgefährdung. Denn der Schaden des Klägers besteht nicht in dem Risiko der Stilllegung als solchem, sondern in der ungewollten Verpflichtung, die der Kläger mit Erwerb eines mit diesem ihm verheimlichten Risiko behafteten Pkws eingegangen ist.
Aus diesem Grunde kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass das Stilllegungsrisiko jedenfalls mit dem Aufspielen des Software-Updates Ende 2016 entfallen ist. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, kommt es in den Fällen, in denen der Geschädigte eine Verletzung seiner von § 826 BGB geschützten wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geltend macht, auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Später eingetretene Umstände können nicht ungeschehen machen, dass der Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw nur infolge einer vorsätzlichen sittenwidrigen Täuschung des Klägers durch die Beklagte zustande gekommen war.
Mit dem Aufspielenlassen des von der Beklagten angebotenen Software-Updates hat der Kläger auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass der streitgegenständliche Pkw nach dieser Maßnahme in jeder Hinsicht seinen berechtigten Erwartungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspreche. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte mit Bescheid vom 14.10.2015 verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Dieselmotor vom Typ EA 189 „die unzulässige Abschalteinrichtung“ zu entfernen. Bei dieser Sachlage musste der Kläger das Update aufspielen lassen, um die Zulässigkeit der weiteren Nutzung seines Fahrzeugs nicht zu gefährden.
cc) Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Braunschweig (vgl. hierzu Urteil vom 19.02.2019 – 7 U 134/17, Rn. 186 ff., zit. nach juris) ist der klägerseits geltend gemachte Schaden auch vom Schutzzweck des § 826 BGB gedeckt.
Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung gilt allgemein, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen. Auf eine derartige Eingrenzung der Haftung kann, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden. Ein Verhalten kann hinsichtlich der Herbeiführung bestimmter Schäden oder der Schädigung bestimmter Personen als sittlich anstößig zu werten sein, während ihm diese Qualifikation hinsichtlich anderer, ebenfalls adäquat verursachter Schadensfolgen nicht zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.1985 – II ZR 108/84, BGHZ 96, 231, 236; Urteil vom 03.03.2008 – II ZR 310/06, Rn. 17 m.w.N.).
Das Oberlandesgericht Braunschweig begründet seine Auffassung, dass die im Zusammenhang mit dem Gefahrenbereich „Übereinstimmungsbescheinigung“ stehenden Schäden aus der Haftung nach § 826 BGB herauszunehmen seien, damit, dass den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen des europäischen und nationalen Rechts, insbesondere § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FVG, keine individualschützende Wirkung zukomme (Urteil vom 19.02.2019 – 7 U 134/17, Rn. 186 ff., Rn. 141 ff.). Diese Argumentation verkennt, dass die Haftung der Beklagten aus § 826 BGB nicht an die Verletzung einer Individualrechtsschutz gewährenden Rechtsnorm, sondern an die mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundene konkludente Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typengenehmigungsvoraussetzungen anknüpft. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von erheblicher Bedeutung, weil er über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird. Schutzgut des § 826 BGB ist in Fällen wie dem vorliegenden – wie unter lit. aa näher dargelegt – auch die der allgemeinen Handlungsfreiheit unterfallende wirtschaftliche Dispositionsfreiheit (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, Rn. 17 m.w.N., BGHZ 161, 361).
dd) Die vom Landgericht getroffene Feststellung, dass die der Beklagten zur Last liegende sittenwidrige Täuschungshandlung für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkws durch den Kläger kausal gewesen ist, beruht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage.
Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger angegeben, dass er das Fahrzeug sicher nicht gekauft hätte, wenn er von der seiner Ansicht nach unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hätte (Protokoll vom 27.08.2019, S. 2 = Bl. 333 d.A.).
In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Verletzung von (vor-)vertraglichen Aufklärungspflichten angenommene Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens uneingeschränkt auf eine Haftung aus unerlaubter Handlung übertragen werden kann. Es entspricht jedenfalls der allgemeinen Lebenserfahrung, dass niemand zum gewöhnlichen Gebrauch ein Kraftfahrzeug kauft, von dem er weiß, dass es im Zeitpunkt des Erwerbs die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht erfüllt, und bei dem zumindest die abstrakte Gefahr besteht, dass das Kraftfahrtbundesamt die in Unkenntnis dieses Umstands erteilte EG-Typgenehmigung zurücknimmt oder widerruft.
d) Die auf Seiten der Beklagten für den Einsatz der die Abgaswerte manipulierenden Motorsteuerungssoftware verantwortlichen Personen haben vorsätzlich gehandelt.
Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, Rn. 25 m.w.N.). Es genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Urteil der Sittenwidrigkeit begründen (BGH, Urteil vom 13.09.2004 – II ZR 276/02, Rn. 36).
Die unzulässige Abschalteinrichtung bezweckte eine gezielte Täuschung des Kraftfahrtbundesamts, um die erforderliche EG-Typgenehmigung für die mit dem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgerüsteten Fahrzeuge zu erlangen, obwohl im normalen Fahrbetrieb die maßgeblichen Grenzwerte für die Emission von Stickoxiden überschritten wurden. Die Verantwortlichen wussten, dass die Genehmigungsbehörde bei Kenntnis der Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware die EG-Typgenehmigung nicht erteilt hätte, weil die Fahrzeuge die hierfür erforderlichen materiellen Voraussetzungen nicht erfüllten. Nach allgemeiner Lebenserfahrung schlossen sie zumindest die Möglichkeit nicht aus, dass die unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt werden könnte. Sie nahmen billigend in Kauf, dass in diesem Fall die ahnungslosen Käufer der Fahrzeuge der Gefahr ausgesetzt sein würden, dass das Kraftfahrtbundesamt die erteilte EG-Typgenehmigung zurücknimmt und den Betrieb der betroffenen Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen untersagt. Den Verantwortlichen war auch bewusst, dass kein vernünftiger Käufer in Kenntnis dieses bewusst verheimlichten Risikos ein derartiges Fahrzeug erwerben würde und die betroffenen Fahrzeuge nach Bekanntwerden der Manipulation einen erheblichen Wertverlust erleiden würden.
e) Das klägerische Vorbringen zur Verwirklichung des Haftungstatbestands durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB ist gemäß § 138 Abs. 2 und 3 ZPO als zugestanden anzusehen, weil die Beklagte insoweit der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist.
Die deliktische Haftung einer juristischen Person gemäß § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinn des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15, Rn. 13, 23, 25 f.).
In Bezug auf diese haftungsbegründende Voraussetzung trifft die Beklagte aber eine sekundäre Darlegungslast, weil der Kläger den Sachverhalt nicht ermitteln kann, während der Beklagten die erforderliche tatsächliche Aufklärung möglich und zumutbar ist (im Ergebnis ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 79 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 75 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.07.2019 – 16 U 199/18, Rn. 10 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 71 ff.).
Ihrer sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen. Zudem besteht – wie das Landgericht im Anschluss an das Oberlandesgericht Karlsruhe zutreffend ausführt – angesichts der wirtschaftlichen und rechtlichen Tragweite der Entscheidung für den Einsatz der beanstandeten Motorsteuerungssoftware eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Vorstandsmitglied oder sonstiger Repräsentant deren Verwendung gebilligt hat. Ein „Verhaltensexzess eines untergeordneten Mitarbeiters“, der den Vorstand ebenfalls getäuscht haben müsste, wäre nach der Lebenserfahrung höchst unwahrscheinlich (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18, BeckRS 2019, 3395).
3. Der erstattungsfähige Schaden des Klägers beläuft sich in der Hauptsache unter Berücksichtigung des gebotenen Vorteilsausgleichs auf 14.368,70 €.
a) Der Ersatzanspruch aus § 826 BGB ist auf das negative Interesse gerichtet. Wenn der Geschädigte – wie im vorliegenden Fall der Kläger – durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrages veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Vertrages zu. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht getäuscht worden wäre. Der Kläger kann deshalb grundsätzlich Ersatz des für den Erwerb des Fahrzeugs aufgewendeten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übertragung des in Vollziehung des Kaufvertrages erlangten Eigentums am Fahrzeug auf die Beklagte verlangen (vgl. BGH, Urteile vom 19.07.2004 – II ZR 217/03 und II ZR 402/02; Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 28; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19 OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, KG, Urteil vom 26.09.2019 – 4 U 77/18, Rn. 122; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.09.2019 – 17 U 45/19, Rn. 36).
b) Entgegen seiner Ansicht muss sich der Kläger allerdings auf seinen Schadensersatzanspruch im Wege des Vorteilsausgleichs den Wert der von ihm tatsächlich gezogenen Nutzungen des Kraftfahrzeugs anrechnen lassen.
aa) Es stellt einen anerkannten Grundsatz des Schadensrechts dar, dass der Geschädigte nicht besser gestellt werden darf, als er ohne das schädigende Ereignis stünde, dass ihm also neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2015 – XI ZR 536/14, Rn. 22, NJW 2015, 3160).
Im Wege der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten diejenigen Vorteile anzurechnen, die ihm die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Die vorteilhaften Umstände müssen mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen. Zu berücksichtigen ist ferner, ob eine Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder der Gläubiger unzumutbar belastet noch der Schädiger unbillig entlastet wird (BGH, Urteil vom 18.10.2018 – III ZR 497/16, Rn. 17 m.w.N.).
bb) Der Schaden des Klägers ist im Abschluss des Kaufvertrags über den streitgegenständlichen Pkw zu sehen, den er in Kenntnis des Vorhandenseins der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht geschlossen hätte. Andererseits hat der Erwerb des Pkws dem Kläger die Möglichkeit verschafft, das Fahrzeug zu nutzen. Die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger stellt deshalb einen Gebrauchsvorteil (§ 100 BGB) dar, der durch den täuschungsbedingten Erwerb des Pkws adäquat kausal verursacht worden ist und mit diesem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang steht. Da der Kläger im Wege der Naturalrestitution so zu stellen ist, als ob er den Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw nicht abgeschlossen hätte, wäre es in sich widersprüchlich, ihm neben der Schadensersatzleistung die Gebrauchsvorteile zu belassen, die er aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen hat.
Eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass die mit dem schädigenden Ereignis in einem adäquaten und qualifizierten Zusammenhang stehenden Vorteile auf den Schadensersatzanspruch des Geschädigten anzurechnen sind, bedarf stets einer besonderen Rechtfertigung unter Wertungsgesichtspunkten, die im vorliegenden Fall nicht ersichtlich ist.
cc) Der Senat teilt nicht die Ansicht des Oberlandesgerichts Hamburg (Hinweisbeschluss vom 13.01.2020 – 15 U 190/19), dass es bei wertender Betrachtung geboten sein könnte, die Anrechnung der Nutzungsentschädigung auf den Zeitraum bis zur Geltendmachung des Verlangens nach einer Rückabwicklung des Vertrags zu beschränken, um die Beklagte als Schädiger nicht unbillig zu entlasten (a.a.O., Rn. 11 ff., zit. nach juris). Begründet wird dies mit der Erwägung, dass die Beklagte mit der Verweigerung der „Rückabwicklung“ des Kaufvertrags den Geschädigten wirtschaftlich gleichsam zwinge, das betroffene Fahrzeug, von dem er sich befreien will, für die Dauer des Rechtsstreits zu nutzen. Bei entsprechend langer Prozessdauer, auf welche die Beklagte durchaus Einfluss habe, wäre sie der Verpflichtung zur Erstattung des Kaufpreises weitgehend oder gar vollständig enthoben (a.a.O., Rn. 11).
Diese Argumentation verkennt, dass der Geschädigte einer etwaigen Verzögerungstaktik der Beklagten nicht schutzlos ausgeliefert ist. Aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB steht ihm ein Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens zu, wenn sich die Beklagte mit der Erfüllung eines berechtigten Schadensersatzanspruchs in Verzug befindet. Andererseits kommt der weiteren Nutzung des betroffen Fahrzeugs – zu der der Geschädigte nicht verpflichtet ist – ein Vermögenswert zu. Der Geschädigte kann selbst entscheiden, ob es für ihn wirtschaftlich günstiger ist, das „Abschmelzen“ seines Schadensersatzanspruchs infolge weiterer Nutzung des Fahrzeugs hinzunehmen oder sich bereits vor der Schadensersatzleistung der Beklagte ein anderes Fahrzeug anzuschaffen, wobei sämtliche verzögerungsbedingten Mehrkosten von der Beklagten zu tragen sind.
dd) Die Nutzungsentschädigung ermittelt der Senat im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) nach der Formel „Bruttokaufpreis mal tatsächlich gefahrene Kilometer dividiert durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs“ (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2161; ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, Rn. 79 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, Rn. 75 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.07.2019 – 16 U 199/18, Rn. 10 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 – 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215, Rn. 71 ff.).
(1) Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Vorteilsausgleich nicht unter Berücksichtigung eines merkantilen Minderwerts des Fahrzeugs, sondern auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises zu ermitteln. Anderseits ist aber kein rechtfertigender Grund dafür ersichtlich, den Käufer mit dem den Eigentümer treffenden überproportionalen Wertverlust eines Kraftfahrzeugs zu Beginn der Nutzung zu belasten.
Da der Schadensersatzanspruch auf Befreiung von dem geschlossenen Kaufvertrag über das Fahrzeug gerichtet ist, erscheint es vielmehr sachgerecht, die Nutzungsentschädigung nach der eingangs wiedergegebenen Formel zu berechnen. Denn nach der Vorstellung der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war der vereinbarte Kaufpreis dem Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs äquivalent. Da es sich bei einem Kraftfahrzeug im Regelfall um einen Gebrauchsgegenstand handelt, wird dessen Wert in erster Linie durch die darin verkörperten Gebrauchsmöglichkeiten bestimmt. Die Formel setzt die vom Käufer tatsächlich gezogenen Nutzungen in Relation zu der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erwartenden Gesamt- bzw. Restnutzung des Fahrzeugs.
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass infolge der unzulässigen Abschalteinrichtung die tatsächliche Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Pkws als Verkehrsmittel eingeschränkt gewesen sei. Das erscheint auch fernliegend, weil sich die der Beklagten zur Last liegende Manipulation ausschließlich auf die Effektivität der Abgasreinigung ausgewirkt hat. Die behaupteten und von der Beklagten bestrittenen nachteiligen Folgen des Software-Updates – ein „Ruckeln“, ein lauteres Motorengeräusch, ein Stinken „vom Auspuff her“ und ein geschätzter Kraftstoffmehrverbrauch von einem Liter (vgl. Protokoll vom 27.08.2019, S. 2 = Bl. 333 d.A.) – könnten, selbst wenn sie vorlägen, eine Herabsetzung der Nutzungsentschädigung für den Zeitraum nach Aufspielen des Updates nicht rechtfertigen.
(2) Mangels Vorliegens besonderer Umstände legt der Senat bei Personenkraftwagen mit Dieselmotor von der Art des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km zugrunde. Dies beruht auf der Erwägung, dass der Gesamtgebrauchswert eines Pkws nicht allein durch die Gesamtlaufleistung des Motors bestimmt, sondern auch durch den zu erwartenden Verschleiß der übrigen Bauteile begrenzt wird.
Aus den Kilometerständen im Zeitpunkt des Erwerbs am 15.05.2015 von 70.300 und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.02.2020 von 127.045 ergibt sich, dass der Kläger im Jahr durchschnittlich ca. 12.000 km zurückgelegt hat. Angesichts dieser jährlichen Fahrleistung erscheint eine Korrektur der angenommenen Gesamtlaufleistung von 250.000 km nicht veranlasst.
(3) Der Kaufpreis des streitgegenständlichen Fahrzeugs betrug 21.000 €. Angesichts eines Kilometerstands im Zeitpunkt des Erwerbs von 70.300 war von einer voraussichtlichen Restlaufleistung von 179.700 km auszugehen (250.000 km – 70.300 km). Zum Zeitpunkt des Berufungstermins betrug der Kilometerstand unstreitig 127.045 (Protokoll vom 18.02.2020, S. 2 = Bl. 456 d.A.). Der Kläger ist somit insgesamt 56.745 km gefahren (127.045 km – 70.300 km). Der angemessene Vorteilsausgleich beläuft sich im vorliegenden Fall folglich auf 6.631,30 €. Demzufolge verbleibt ein Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von 14.368,70 € (21.000 € – 6.631,30 €).
c) Diesen Betrag hat die Beklagte erst ab Rechtshängigkeit des Hilfsantrags zu Ziffer 1 zu verzinsen, mit dem der Kläger Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkws an die Beklagte verlangt hat (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Hilfsantrag ist erstmals mit Schriftsatz vom 13.08.2019 (Bl. 119/277 d.A.) angekündigt worden, welcher der Beklagten am 15.08.2019 zugestellt worden ist. Nach dem Rechtsgedanken des § 187 Abs. 1 BGB ist Zinsbeginn der 16.08.2019.
Die geltend gemachten und vom Landgericht zuerkannten Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) ab dem 15.12.2018 stehen dem Kläger nicht zu, weil sich die Beklagte nicht im Verzug befand; es fehlt bereits an einer Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Mit dem als Anlage K 2 vorgelegten Schreiben vom 04.12.2018 hat der Kläger keinen bezifferten Anspruch geltend gemacht, sondern die Beklagte lediglich unter Fristsetzung auf den 14.12.218 zur Erklärung darüber aufgefordert, ob sie bereit sei, in Vergleichsverhandlungen mit seinen Prozessbevollmächtigten einzutreten
III.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, ist der mit dem Berufungsantrag zu Ziffer 1 weiterverfolgte Feststellungsantrag bereits unzulässig. Dem Kläger fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO), weil er sein Schadensersatzbegehren im Wege der vorrangigen Leistungsklage verfolgen kann. Entsprechendes gilt für den Hilfsantrag zum Berufungsantrag zu Ziffer 1, bei dem es sich nur um eine Präzisierung des Antrags bei unverändert gebliebenem Feststellungsziel handelt, sowie den Hilfsantrag zu Ziffer 2 und den diesen präzisierenden weiteren Hilfsantrag. Ist eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, fehlt dem Kläger aus prozessökonomischen Gründen für die Erhebung einer Feststellungsklage regelmäßig das erforderliche Feststellungsinteresse. Da ein Feststellungsurteil nicht vollstreckt werden kann, müsste der Kläger im Falle seines Obsiegens nochmals auf Leistung klagen. Die Leistungsklage eröffnet dagegen die Möglichkeit, den gesamten Streitstoff in einem Rechtsstreit zu erledigen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 7a; BGHZ 5, 314). Ein Feststellungsinteresse ist deshalb nur zu bejahen, wenn der Kläger seinen Anspruch noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwendigen Begutachtung beziffern kann, etwa weil sich der anspruchsbegründende Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung befindet (vgl. Zöller-Greger a.a.O. m.w.N.).
Der Kläger kann den ihm entstandenen Schaden ohne Schwierigkeiten beziffern:
a) Dahinstehen kann, ob eine Bezifferung des Schadens dann unmöglich wäre, wenn der Kläger sich dazu entschließen sollte, den streitgegenständlichen Pkw zu behalten. Denn der im vorliegenden Fall allein in Betracht kommende deliktische Schadensersatzanspruch gewährt dem Kläger gegen die Beklagte nur einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkws (§ 249 Abs. 1 BGB). Ein Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Minderwerts des Fahrzeugs steht dem Kläger dagegen nicht zu, weil die Beklagte ihm nicht auf das Erfüllungsinteresse haftet.
aa) Der Schadensersatzanspruch eines arglistig getäuschten Käufers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB gegen einen Dritten, der die Täuschung verübt hat, ist darauf gerichtet, dass der Käufer so gestellt wird, wie er stünde, wenn er nicht getäuscht worden wäre (vgl. hierzu und im Folgenden: BGH, Urteil vom 10.01.2011 – VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78, Leitsatz). Der nach den genannten Vorschriften zum Schadensersatz Verpflichtete hat lediglich den sogenannten Differenzschaden zu ersetzen. Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses. Dieses ist zu ersetzen, wenn der Geschädigte verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (vgl. BGH a.a.O., Rn. 8).
Dies gilt für die deliktische Haftung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sogar dann, wenn sie neben einer vertraglichen Schadensersatzpflicht besteht. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte. Dieser Grundsatz findet bei einem Kaufvertrag jedenfalls dann Anwendung, wenn dieser aufgrund falscher Angaben eines Dritten zustande gekommen ist. Die im Gewährleistungsrecht verankerte Besserstellung des Käufers ist nur gerechtfertigt, weil sie auf einem Rechtsgeschäft beruht; denn nur dieses, nicht aber die unerlaubte Handlung, kann den Käufer besser stellen, als er vorher stand. Der Käufer kann deshalb nur von dem Verkäufer Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Die unerlaubte Handlung eines Dritten kann dagegen nicht dazu führen, dass dieser haftungsrechtlich wie ein Verkäufer behandelt wird (vgl. BGH a.a.O., Rn. 9 m.w.N.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Bundesgerichtshof in dem bereits zitierten Urteil vom 10.01.2011 (Az.: VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78) zwar einen auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB gestützten Schadensersatzanspruch des Immobilienkäufers gegen einen Dritten, der ihn über den tatsächlichen Umfang der durchgeführten Dacharbeiten getäuscht hatte, auf Rückabwicklung des Kaufvertrages für möglich erachtet. Den statt dessen geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten hat er aber verneint, weil dieser Anspruch auf das Erfüllungsinteresse gerichtet sei (a.a.O., Rn. 11). Der VI. Zivilsenat hat dem damaligen Kläger auch ausdrücklich den ihm in erster Instanz zuerkannten Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der nach § 472 Abs. 1 BGB a.F. berechneten Minderung versagt, weil auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nicht die Regeln des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts Anwendung fänden (a.a.O., Rn. 12).
Für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB kann nichts anderes gelten, wenn die Schädigungshandlung – wie im vorliegenden Fall – in einer Täuschung des Käufers durch den vom Verkäufer verschiedenen Hersteller der Kaufsache zu sehen ist (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 25, NJW-RR 2015, 275).
bb) Lediglich bei der Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten besteht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich ein Wahlrecht desjenigen, der im Vertrauen auf die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben eines mit ihm vertraglich verbundenen Schädigers enttäuscht wurde und in diesem Zusammenhang eine vertragliche Bindung mit einem Dritten eingegangen ist. In einem solchen Fall kann der Anspruchsinhaber einerseits wählen, im Wege des Schadensersatzes vom Schädiger „Rückgängigmachung“ der Folgen des mit dem Dritten abgeschlossenen Vertrages zu verlangen, hierzu das Erlangte dem Schädiger zur Verfügung zu stellen und seine Aufwendungen ersetzt zu bekommen. Andererseits kann er auch an dem Vertrag mit dem Dritten insgesamt festhalten und vom Schädiger lediglich Entschädigung seines enttäuschten Vertrauens fordern; er kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie es der von ihm aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens des Schädigers angenommenen Situation entsprochen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 28, NJW-RR 2015, 275).
Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits besteht aber kein Schuldverhältnis, kraft dessen die Beklagte dem Kläger wegen Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten haften könnte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die obigen Ausführungen zur Berufung der Beklagten unter Ziffer II 1 verwiesen.
Ein allgemeiner rechtlicher Grundsatz des Inhalts, dass vertragliche und gesetzliche Haftung stets den gleichen Inhalt haben müssen, ist nicht anzuerkennen (BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 32, NJW-RR 2015, 275). Jeder Anspruch ist nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung nach selbständig zu beurteilen und folgt seinen eigenen Regeln. Abweichungen von diesem Grundsatz kommen nur ganz ausnahmsweise in Betracht und beschränken sich typischerweise auf Fallgestaltungen, in denen die – unmodifizierten – deliktischen Ansprüche den Zweck einer für den vertraglichen Anspruch geltenden Vorschrift vereiteln und die gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würden (vgl. BGH a.a.O.).
cc) Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 14.12.2019, Az.: 9 U 3/19) kann der Geschädigte zwar auch im Falle einer deliktischen Haftung des Schädigers aus § 826 BGB nach seiner freien Wahl den Vertrag bestehen lassen und Ersatz des durch die unerlaubte Handlung bedingten Mehraufwands verlangen. Das geschehe bei einem Kaufvertrag in der Weise, dass der Geschädigte so behandelt werde, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen (a.a.O., Rn. 56, zit. nach juris). Dem Kläger wäre allerdings aufgrund seines eigenen Vorbringens auch unter Zugrundelegung der abweichenden Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des angeblichen Minderwerts des streitgegenständlichen Pkws zu versagen.
Der unter dem Einfluss einer Täuschung gezahlte höhere Kaufpreis stellt sich nur dann als ein im Rahmen des negativen Interesses zu ersetzender Schaden dar, wenn der Geschädigte bei Kenntnis der wahren Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses tatsächlich bereit gewesen wäre, die Kaufsache zu einem niedrigeren Preis zu erwerben. Davon kann im vorliegenden Fall aufgrund der eigenen Angaben des Klägers gerade nicht ausgegangen werden. Bei seiner informatorischen Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger vielmehr angegeben, dass er das streitgegenständliche Fahrzeug „sicher nicht gekauft“ hätte, wenn er von der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hätte (Protokoll vom 27.08.2019, S. 2 = Bl. 333 d.A.).
b) Die im Rahmen des gebotenen Vorteilsausgleichs von dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung steht einer Bezifferung des klägerischen Schadensersatzanspruchs – wie der Kläger durch den gestellten Hilfsantrag zu Ziffer 1 selbst erkennen lässt – nicht entgegen.
Wie oben im Rahmen der Berufung der Beklagten unter Ziffer II 3 lit. b cc im Einzelnen dargelegt, ist die Nutzungsentschädigung nicht unter Zugrundelegung eines etwaigen – der Höhe nach noch unbekannten – Minderwerts des Fahrzeugs, sondern auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises zu ermitteln. Die Schadensentstehung war mit Zahlung des Kaufpreises für den Pkw abgeschlossen. Die Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger wirkt sich allein auf die Höhe der anzurechnenden Vorteile aus. Dieser Umstand steht der Bezifferung des Schadens und damit der Erhebung einer Leistungsklage aber nicht entgegen. Selbst wenn der Kläger auf die weitere Nutzung seines Pkws angewiesen wäre, könnte er den ihm bei Klageerhebung zustehenden Schadensersatz auf der Grundlage der bis dahin gefahrenen Kilometer ermitteln. Der eintretenden „Abschmelzung“ des bezifferten Betrages infolge der weiteren Nutzung des Fahrzeugs könnte er dadurch Rechnung tragen, dass er den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
c) Da dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkws zusteht, ist er gerade nicht dem Risiko ausgesetzt, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Typgenehmigung entzogen oder der streitgegenständliche Pkw durch die zuständigen Behörden stillgelegt werden könnte. Der Ausgang des vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geführten Verfahrens ist daher für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne Relevanz.
Durch Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte könnte der Kläger auch die befürchteten künftigen Schäden am Fahrzeug vermeiden. Ein Grund dafür, warum er bereits eingetretene Schäden – die er entgegen seiner Behauptung nicht nachvollziehbar dargelegt hat – nicht beziffern könnte, ist nicht ersichtlich.
d) Die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Steuernachforderung infolge einer rückwirkenden höheren Besteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs für die Vergangenheit, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt.
Anders als bei der Verletzung absoluter Rechte (wie des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2018 – I ZR 187/16) reicht bei der vorliegenden Verletzung einer Norm zum Schutz des Vermögens, die im vorliegenden Fall allein in Betracht kommt, die bloße Möglichkeit des Eintritts künftiger Schadensfolgen für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht aus (Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256, Rn. 9 m.w.N.).
Zutreffend verweist die Beklagte darauf, dass die Kraftfahrzeugsteuer sich für die nach dem 01.07.2009 erstmals zugelassenen Kraftfahrzeuge gemäß § 8 Nr. 1 lit. b KraftStG nach dem Hubraum und den Kohlendioxid-Emissionen richtet. Die von der Beklagten verwendete Motorsteuerungssoftware wirkt sich aber auf die Stickoxid-Emissionen aus. Eine Manipulation des Kohlendioxid-Ausstoßes hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt.
e) Unverständlich bleibt die Darstellung in der Berufungsbegründung, es drohten weitere Schäden, weil der Kläger derzeit nicht in der Lage sei, das Software-Update aufzuspielen. Bei seiner informatorischen Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger selbst angegeben, dass er das Update „um Weihnachten 2016“ habe aufspielen lassen (Protokoll vom 27.08.2019, S. 2 = Bl. 333 d.A.).
f) Ein Feststellungsinteresse trotz möglicher Leistungsklage wird zwar ausnahmsweise für den Fall bejaht, dass das Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führt, weil der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten werde (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 8). An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall aber bereits deshalb, weil im Rahmen des primär verfolgten Feststellungsbegehren unklar bleibt, welche Ansprüche der Kläger geltend machen will. Es kann deshalb dahinstehen, ob diese Rechtsprechung überhaupt auf die Beklagte Anwendung findet.
2. Den geltend gemachten Anspruch auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht dem Kläger zu Recht versagt.
a) Der Senat teilt allerdings nicht die Ansicht des Landgerichts, dass die außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen von vornherein keine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung darstellte, weil die Beklagte – wie den klägerischen Prozessbevollmächtigten aus einer im Jahre 2016 zwischen der Beklagten und der Rechtsanwaltskanzlei Dr. S. & S. geführten Kommunikation bekannt gewesen sei – außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht zur Erfüllung von derartigen Schadensersatzansprüchen bereit gewesen sei.
Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte eine Erklärung dieses Inhalts mit Geltung für alle vergleichbaren Streitigkeiten gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin abgegeben hatte. Mangels einer derartigen Erklärung entsprach die außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vor Erhebung der Klage dem Gebot anwaltlicher Vorsicht, weil andernfalls die Gefahr bestand, dass die Beklagte die Ansprüche im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung unter Verwahrung gegen die Kostenlast ganz oder teilweise anerkennen könnte (§ 93 ZPO).
b) Tragfähig ist dagegen die weitere Begründung des Landgerichts, dass der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe, dass seine Prozessbevollmächtigten in vorliegender Angelegenheit für ihn tätig geworden seien. Das als Anlage K 2 vorgelegte Schreiben vom 04.12.2018 nennt im Betreff „Diverse / Volkswagen“; eine Darlegung der individuellen Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte lässt sich diesem Schreiben nicht entnehmen.
In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass es für die Entstehung der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht erforderlich sei, dass eine Tätigkeit gegenüber dem Gegner entfaltet werde. Dies betrifft allein das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten. Das Schreiben vom 04.12.2018 kann jedenfalls nicht als zweckentsprechende Maßnahme vorgerichtlicher Rechtsverfolgung angesehen werden, weil damit keine konkreten Ansprüche des Klägers geltend gemacht werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind nicht alle adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2015 – IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447). Die ohne Bezugnahme auf seine eigene Person ausgesprochene Aufforderung, in Vergleichsverhandlungen mit seinen Prozessbevollmächtigten einzutreten, erfüllt diese Voraussetzung nicht.
c) Der Hilfsantrag zu Ziffer 4 ist mit dem Hauptantrag zu Ziffer 2 identisch.
3. Zu Recht hat das Landgericht auch den Hilfsantrag zu Ziffer 3 auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der „Rücknahme“ des streitgegenständlichen Pkws im Annahmeverzug befinde, zurückgewiesen.
Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger dem Schuldner die Leistung so, wie sie geschuldet wird, anbietet (Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl, § 293 BGB, Rn. 9). Der Kläger hat der Beklagten die Übereignung des streitgegenständlichen Pkws erstmals mit dem im Schriftsatz vom 13.08.2019 (Bl. 119/277 d.A.) gestellten Hilfsantrag zu Ziffer 1 angeboten, allerdings nur Zug um Zug gegen die Zahlung des vollen Kaufpreises in Höhe von 21.000 €, worauf er keinen Anspruch hatte. Der Kläger wäre ersichtlich nicht bereit gewesen, den zutreffend errechneten Zahlungsbetrag entgegenzunehmen, denn er verfolgt den geltend gemachten Zahlungsanspruch mit seiner Berufung weiter.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. ZPO.
Der Kostenentscheidung ist ein fiktiver Streitwert von 23.289,76 € zugrunde zu legen, der sich aus dem mit Hilfsantrag zu Ziffer 1 bezifferten Schadensersatzanspruch in Höhe von 21.000 €, dem mit Hilfsantrag zu Ziffer 2 verfolgten weitergehenden Feststellungsbegehren, welches der Senat mit 500 € bewertet, sowie den – nicht streitwerterhöhenden – vorgerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 1.789,76 € zusammensetzt.
In Bezug auf den fiktiven Streitwert obsiegt der Kläger mit einem Betrag von 14.368,70 €, was einer Quote von gerundet 62% entspricht.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10 ZPO, die Anordnung der Abwendungsbefugnis in § 711 ZPO.
3. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Der Senat weicht mit seiner Entscheidung einerseits vom Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 19.02.2019, Az. 7 U 134/17, ab, das in einem vergleichbaren Fall einen Schadensersatzanspruch des Käufers aus § 826 BGB verneint hat, weil der Schaden nicht vom Schutzzweck dieser Norm umfasst sei.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen