Aktenzeichen 33 O 741/18
EG-FGV § 6 Abs. 1 S. 1, § 27
StGB § 13 Abs. 1, § 263 Abs. 1, § 325
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2
StVZO § 19 Abs. 2 u. 7
UWG § 5, § 9, § 16 Abs. 1
UWG aF § 4 Nr. 11
Pkw-EnVKV § 1, § 4, § 5
BImSchG § 38 Abs. 1
Leitsatz
1. Der Käufer eines Fahrzeugs mit manipulierter Abgassoftware hat gegen den Motorlieferanten des Fahrzeugs keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Bei der Entscheidung ist insbesondere von Relevanz, dass das betroffene Fahrzeug von der nicht am Rechtsstreit beteiligten SEAT S.A. hergestellt wurde und die Beklagte, mag sie auch die Fahrzeugherstellerin als deren Tochtergesellschaft beherrschen und steuern, lediglich den Motor geliefert hat. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Käufer kann aus den Grundsätzen der Prospekthaftung keine Ansprüche gegen den Motorlieferanten herleiten, wenn es bereits an einem schlüssigen Vortrag fehlt, inwieweit der Motorlieferant auf die vom Fahrzeughersteller herausgegebenen Prospekte und deren Inhalt Einfluss genommen haben soll. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Motorlieferant haftet auch nicht nach § 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB, wenn er weder unmittelbar noch mittelbar an den Vertragsverhandlungen beteiligt war noch als Herstellerin des Motors ein über sein allgemeines Absatzinteresse hinausgehendes wirtschaftliches Interesse gerade an dem Vertragsabschluss mit dem Käufer hatte. (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Durch die Entgegennahme der EG-Übereinstimmungsbescheinigung durch den Käufer ist auch keine selbständige Garantie i. S. von § 443 BGB zustande gekommen, weil der Übereinstimmungsbescheinigung weder ihrem Wortlaut noch ihrem Zweck nach ein solcher Erklärungs- und Rechtsbindungswillen beigemessen werden kann. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
5. Auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB ergibt sich kein Anspruch des Käufers. Zum einen fehlt es bereits an einer Täuschung, da eine aktive Täuschungshandlung des Motorherstellers nicht ersichtlich ist und der Motorhersteller auch keine Garantenstellung i. S. von § 13 Abs. 1 StGB hatte. Zum anderen ist auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB der Stoffgleichheit nicht gegeben. (Rn. 27 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
6. Eine Haftung des Motorherstellers ergibt sich auch nicht aus § 826 BGB, da es bereits an einer dem Motorhersteller adäquat zuzurechnenden Handlung fehlt, wenn dieser bezüglich des streitgegenständlichen Fahrzeugs eigene Erklärungen weder direkt noch durch Werbeanzeigen oder Werbeprospekte oder sonstige Werbung für den Motor verlautbart hat. Der Motorhersteller hatte gegenüber dem Käufer auch keine Offenbarungspflicht bzgl. der unzulässigen Abschalteinrichtung. (Rn. 38 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
7. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG, § 4 Nr. 11 UWG a. F., § 5 UWG, § 325 StGB, §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV oder § 38 Abs. 1 BImSchG bestehen ebenfalls nicht. (Rn. 42 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Klage ist zulässig aber unbegründet und war daher insgesamt abzuweisen.
I. Zulässigkeit
Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Deggendorf ergibt sich aus § 32 ZPO.
II. Begründetheit
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs an die Beklagte, da ihm die geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter keinem materiell-rechtlichen Gesichtspunkt zustehen.
Bei der Entscheidung ist insbesondere von Relevanz, dass das klägerische Fahrzeug von der nicht am Rechtsstreit beteiligten SEAT S.A. hergestellt wurde und die Beklagte, mag sie auch die Fahrzeugherstellerin als deren Tochtergesellschaft beherrschen und steuern, lediglich den Motor geliefert hat, Dennoch sind die genannten Gesellschaften aber eigenständige juristische Personen.
Es ist sowohl aus anderen Verfahren gerichtsbekannt als auch offenkundig im Sinne des § 291 ZPO, dass die SEAT S.A. die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist.
Über die pauschale Behauptung, dass die SEAT S.A. von der Beklagten beherrscht wäre und deren Weisungen unterworfen ist, vermag der Kläger nicht schlüssig und nachvollziehbar aufzuzeigen, inwieweit die Beklagte für Handlungen der nicht am Rechtsstreit beteiligten Fahrzeugherstellerin (SEAT S.A.) einstehen sollte. Sinn und Zweck der Gründung von eigenständigen Tochtergesellschaften ist gerade, dass diese rechtlich eigenständig sind und im Falle einer Insolvenz aufgrund unternehmerischer Fehlentscheidungen lediglich die handelnde Gesellschaft bzw. das handelnde Unternehmen als Haftungsmasse zur Verfügung steht und ein Rückgriff auf das Vermögen der Gesellschafter, hier also der Beklagten, in der Regel nicht möglich sein soll. Eine solche Durchgriffshaftung auf die Beklagten existiert nicht und vermag die Klage auch nicht schlüssig darzulegen.
Auch im Übrigen ergeben sich auch aus den nachfolgenden Erwägungen, dass der Kläger keine materiellen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte hat.
1. Prospekthaftung
Aus den Grundsätzen der Prospekthaftung kann der Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte herleiten. Insoweit fehlt es bereits an einem schlüssigen Vortrag des Klägers inwieweit seine Kaufentscheidung durch Prospekte beeinflusst gewesen sein sollte.
Vorliegend kommt insbesondere hinzu, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, inwieweit die Beklagte – die VW AG – dem Kläger gegenüber hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugs – einem SEAT – mit Prospektangaben aufgetreten sein sollte.
Dem Kläger gelingt es bereits nicht substantiiert vorzutragen, inwieweit die Beklagte auf die von der SEAT S.A. herausgegebenen Prospekte und deren Inhalt Einfluss genommen haben soll.
2. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB
Auch eine Haftung der Beklagten nach § 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht.
Nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB entsteht ein Schuldverhältnis zwischen Nicht-Vertragsparteien insbesondere dann, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Das ist bei der Beklagten nicht der Fall. Sie war weder unmittelbar noch mittelbar an den Vertragsverhandlungen beteiligt noch hatte sie als Herstellerin des Motors ein über ihr allgemeines – durch die Lieferung des Motors an die Fahrzeugherstellerin ohnehin befriedigtes – Absatzinteresse hinausgehendes wirtschaftliches Interesse gerade an dem Vertragsabschluss mit dem Kläger.
3. EG-Übereinstimmungsbescheinigung als Garantie
Auch die sog. EG-Übereinstimmungsbescheinigung für das streitgegenständliche Fahrzeug scheidet als vertrauensbegründende Maßnahme im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrages aus, weil sie nicht von der Beklagten als Motorenherstellerin, sondern von der Fahrzeugherstellerin ausgestellt wurde und zudem erst nach dem Vertragsschluss in Erfüllung desselben zusammen mit dem Fahrzeug übergeben worden ist.
Ohnehin konnte durch die Entgegennahme der EG-Übereinstimmungsbescheinigung auch keine Garantie i. S. von § 443 BGB zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits zustande kommen.
Durch die Entgegennahme der EG-Übereinstimmungsbescheinigung durch den Kläger ist keine selbständige Garantie i. S. von § 443 BGB zustande gekommen, weil der Übereinstimmungsbescheinigung weder ihrem Wortlaut noch ihrem Zweck nach ein solcher Erklärungs- und Rechtsbindungswillen beigemessen werden kann.
Ihrem Wortlaut nach wird in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung, die nicht einmal an den Kläger adressiert ist, sondern gem. § 6 Abs. 1 S. 1 EG-FGV lediglich dem Fahrzeug beizufügen ist, nur „bestätigt“, dass der streitgegenständliche PKW mit dem in der Genehmigung beschriebenen Typ übereinstimmt. Der Zweck der Übereinstimmungsbescheinigung besteht in der Vereinfachung und Formalisierung des Zulassungsverfahrens. Die Zulassungsbehörden sollen allein aufgrund der vorgelegten Übereinstimmungsbescheinigung das jeweilige Fahrzeug zulassen (§ 6 Abs. 3 S. 1 FZV), d. h. ohne die vom KBA im Genehmigungsverfahren geprüften materiellen Anforderungen erneut prüfen zu müssen. Die Übereinstimmungsbescheinigung dient also allein dazu, die problemlose Zulassung des jeweiligen Fahrzeugs zu gewährleisten.
4. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB
Auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB ergibt sich kein Anspruch des Klägers. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB wäre zunächst eine Täuschung des Klägers. Hinreichend dargetan hat der Kläger eine Täuschung in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug – einen SEAT – durch die Beklagte – die VW AG – allein hinsichtlich der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Es steht zwar zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte das Motorsteuergerät des im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motors mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehen hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte einräumt den Motor hergestellt zu haben. Insoweit ist aber keine aktive Täuschungshandlung der Beklagten ersichtlich, sondern allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung, für die es jedoch an einer Garantenstellung der Beklagten i. S. von § 13 Abs. 1 StGB fehlt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 2007, 398, 399 m. w. N.), der das Gericht folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend. Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Diese Grundsätze sind auch auf europäische Rechtsakte übertragbar.
Das KBA hat das Software-Update für Fahrzeuge des Typs SEAT Alhambra freigegeben und bestätigt, dass die technische Lösung in Form des Software-Updates hinsichtlich der Abgasemissionen und Dauerhaltbarkeit emissionsmindernder Einrichtungen die gesetzlichen Vorgaben einhält. Ferner dass Kraftstoffverbrauch und CO₂-Emissionen unverändert bleiben, ebenso die Motorleistung. Zwar hat der Kläger dies bestritten, jedoch ist aus der Vielzahl der anhängigen Verfahren und der medialen Berichterstattung bekannt, dass die Software-Updates für die Motoren des Typs EA 189 EU5 vom KBA freigegeben sind und weder ein Widerruf der Typengenehmigung noch – jedenfalls nicht nach der hier bereits erfolgten Durchführung des Software-Updates – eine Betriebsuntersagung droht.
b) Eine Täuschung durch Unterlassen setzt gem. § 13 Abs. 1 StGB eine Garantenstellung voraus, d. h. dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolges einzustehen hat. Soweit es um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer, mit dem immerhin ein Vertragsverhältnis besteht, erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993 – 3 St RR 127/93 -, juris Rn. 24 f.). Für die Beklagte – die VW AG – muss das in der vorliegenden Konstellation, in der sie nur Lieferantin des Motors an die Fahrzeugherstellerin – die SEAT S.A. – ist, die das Fahrzeug in den Verkehr gebracht hat und damit mittelbar über Autohaus M. GmbH, welche es wiederum an den Kläger weiterverkauft hat, mithin vom Kläger denkbar weit entfernt ist, erst recht gelten.
Eine Aufklärungspflicht der Beklagten würde gleichwohl dann bestehen, wenn, wie der Kläger meint, infolge der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erloschen wäre. Nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung des Gerichts sind damit aber nur Veränderungen am Fahrzeug gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 Abs. 2 StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden kann, dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“.
Dass aber die Verwendung der zwar unzulässigen, aber allein durch ein von der Genehmigungsbehörde freigegebenes Software-Update zu beseitigenden Abschalteinrichtung auf andere Weise einen wertbildenden Faktor darstellt, dem der Markt ein ganz besonderes Gewicht beimisst, ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich.
Der Kläger müsste einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung zurückzuführen ist, schon konkret darlegen. Das wäre ihm, wenn es eine solche Wertverschiebung denn gäbe, auch ohne Weiteres möglich, weil der Kraftfahrzeugmarkt generell schon sehr transparent ist (wie z. B. durch die sog. Schwacke-Liste) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem unter besonderer medialer Aufmerksamkeit (wie z. B. durch das „DAT Diesel-Barometer“) steht. Ohne solche Anknüpfungstatsachen würde aber die dazu angebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens auf einen im Zivilprozess nicht zulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen. Zudem hat die Beklagte unter Vorlage von Schwacke Umfragen konkret dargelegt, dass die Preisentwicklung von EURO5 Dieselfahrzeugen in den Jahren 2015 und 2016 unauffällig stabil verlaufen ist. Die zu einem späteren Zeitpunkt eingetretenen Preisverluste dürften auch nach Überzeugung des Gerichts wesentlich auf die Diskussion um Dieselfahrverbote zurückzuführen sein, nicht aber auf die unzulässigen Abschaltvorrichtungen. Dem entsprechenden Vortrag der Beklagten ist der Kläger auch nicht substantiiert entgegengetreten.
Eine Garantenpflicht zugunsten des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13 Rn. 35a m. w. N.). Den Erwägungsgründen der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen, insbesondere mit dem Ziel der erheblichen Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte. Der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.
c) Jedenfalls ist auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB der Stoffgleichheit nicht gegeben. § 263 Abs. 1 StGB verlangt neben dem Vorsatz des Täters eine Bereicherungsabsicht. Im Rahmen dieser Absicht muss der angestrebte Vermögensvorteil ‘stoffgleich’ dem zugefügten Schaden entsprechen, was bedeutet, dass Vorteil und Schaden auf derselben Verfügung beruhen müssen und der Vorteil zulasten des geschädigten Vermögens gehen muss. Gemäß § 263 StGB muss der Täter einen Vermögensvorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten in der Weise anstreben, dass dieser Vorteil „die Kehrseite des Schadens“ ist.
Der aus der zu unterstellenden Täuschung seitens der Beklagten ihr erwachsene Vorteil ist keine unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Verfügung, die den Schaden des Klägers herbeigeführt hat. Als Vorteil in Betracht käme allein der Abschluss des für den Kläger nachteiligen Kaufvertrags und damit die Begründung des Kaufpreisanspruchs. Dieser Vorteil ist weder bei der Beklagten als Motorenherstellerin, noch bei der SEAT S.A. als Fahrzeugherstellerin, sondern bei der Autohaus Maidl Gmbh eingetreten. Von einer Stoffgleichheit kann daher keine Rede sein, insbesondere da das Fahrzeug ausweislich der Anlage K1 als Gebrauchtfahrzeug bzw. EU-Reimport mit 20km verkauft wurde. Der Kläger vermag eine Stoffgleichheit auch nicht schlüssig darzulegen.
d) Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges aus.
5. § 826 BGB
Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 826 BGB.
Es fehlt bereits an einer der Beklagten adäquat zuzurechnenden entsprechenden Handlung der Beklagten selbst gegenüber dem Kläger. Eigene Erklärungen bezüglich des streitgegenständlichen SEAT Alhambra hat die Beklagte weder direkt noch durch Werbeanzeigen oder Werbeprospekte oder sonstige Werbung für den Motor verlautbart. Unklar ist auch, ob die Beklagte den Fahrzeughersteller SEAT bei Lieferung des Motors getäuscht hat.
Für eine Haftung aus § 826 reicht auch allein der – feststehende – Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 – II ZR 109/84 -, juris Rn. 15 m. w. N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Gebots oder Verbots fallen und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 nicht verzichtet werden kann. Wie bereits ausgeführt, dient die EG-Verordnung aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen.
Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht. Wie bereits im Zusammenhang mit der Garantenstellung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) ausgeführt, trifft das auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu.
6. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG
Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG. Zwar dient § 16 UWG ohne Zweifel dem Schutz des Verbrauchers, es ist aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte i. S. von § 16 Abs. 1 UWG den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorrufen wollte, zumal sie am Vertragsschluss unstreitig nicht beteiligt war. Der Vorwurf des Klägers geht im Kern ohnehin nur dahin, dass die Beklagte mit der Einhaltung der Grenzwerte der Euro 5-Norm geworben hat. Diese mussten aber alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten. Damit ist also kein besonderer Vorteil angepriesen.
Der Kläger hat aber schon eine werbende Äußerung der Beklagten – der VW AG – betreffend das streitgegenständliche Fahrzeug – einem SEAT – nicht schlüssig dargelegt.
7. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG a. F.
Ob § 4 Nr. 11 UWG in der Fassung vom 03.03.2010 auch ein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB darstellt, kann hier dahinstehen, weil die Beklagte jedenfalls nicht gegen Vorschriften verstoßen hat, deren Einhaltung § 4 Nr.11 UWG a. F. schützt. §§ 1, 4, 5 Pkw-EnVKV gebieten lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte zu nennen sind (vgl. Begriffsbestimmungen in § 2 Nr. 5 u. 6 Pkw-EnVKV). Der Kläger bezweifelt aber selbst nicht, dass die genannten Werte im Typgenehmigungsverfahren (Fahrkurven des NEFZ) erzielt wurden.
Jedenfalls aber ist nicht die Beklagte als Herstellerin des Motors, sondern die SEAT S.A. nach den Vorschriften der Pkw-EnVKV verpflichtet. Insoweit ist die als verletzt gerügte Norm nicht an die Beklagte adressiert.
8. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 UWG
Der eingeklagte Anspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 5 UWG.
Der Kläger trägt insoweit vor, dass durch das wettbewerbsverzerrende Verhalten redliche Mitbewerber geschädigt worden seien. Hieraus lässt sich jedoch kein Individualanspruch des Klägers in der eingeklagten Form ableiten. Vielmehr regelt § 9 UWG lediglich eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber den Mitbewerbern, nicht aber gegenüber dem Verbraucher.
9. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 325 StGB
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 325 StGB. Schutzgegenstand des § 325 StGB ist die Luft und auch diese nicht im Sinne einer absoluten Reinheit, sondern nur im Sinne einer relativen Reinheit (Fischer, StGB, 61. Auflage, § 325 Rn. 2). Die Norm ist daher nicht individualschützend und daher kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Jedenfalls dient sie in erster Linie dem Schutz der Umwelt, jedoch sicher nicht dem Schutz des Vermögens des Klägers.
10. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV
Entsprechendes gilt für § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV. Denn unabhängig davon, ob die Beklagte diese Vorschriften verletzt hat, fehlt ihnen der von § 823 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Norm als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf den Inhalt und den Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Bei Vorschriften, die – wie hier die EG-FGV – Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie – hier der Richtlinie 2007/46/EG – an.
Den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) zufolge bezweckt die Richtlinie 2007/46/EG die Vollendung des Binnenmarkts und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. An keiner Stelle lässt sich hingegen ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV (S. 36 der BT-Drucks. 190/09) in Übereinstimmung damit ausführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll.
11. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 38 Abs. 1 BImSchG
Der Kläger kann auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 38 Abs. 1 BImSchG keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte herleiten. § 38 Abs. 1 BImSchG dient bereits nach seinem Wortlaut dem „Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen“ und sieht daher vor, dass Kraftfahrzeuge so beschaffen sein müssen, dass ihre Emissionen die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten. Die Norm dient daher in erster Linie dem Schutz der Umwelt, allenfalls noch dem Schutz der Gesundheit des Einzelnen, sie bezweckt aber in keinster Weise den Schutz des Vermögens des Klägers. § 38 Abs. 1 BImSchG stellt daher kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar.
III. Festellung Annahmeverzug
Nachdem der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung Zug um Zug gegen Fahrzeugrückgabe hat, war auch der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten hinsichtlich der Fahrzeugrücknahme als unbegründet abzuweisen.
IV. Nebenforderungen
Mangels Anspruch in der Hauptsache war die Klage auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und der eingeklagten Zinsen hinsichtlich der Haupt- und Nebenforderung abzuweisen. Insoweit teilen diese Nebenforderungen das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
V. Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S.1, S.2 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63, 48 GKG, 3 ff. ZPO.