Aktenzeichen M 18 K 17.30377
Leitsatz
1 Eine ordnungsgemäße Belehrung iSd § 33 Abs. 4 AsylG liegt nicht vor, wenn das Ladungsschreiben ausschließlich in deutscher Sprache und damit für einen anwaltlich nicht vertretenen Ausländer in einer ihm nicht verständlichen Sprache verfasst ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Belehrung über die Rechtsfolgen eines unentschuldigten Nichtwahrnehmens des Anhörungstermins ist fehlerhaft, wenn sie darauf verweist, dass das Nichterscheinen zur Anhörung nachteilige Folgen haben „kann“ oder die Möglichkeit einer Entscheidung ohne persönliche Anhörung benennt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 § 33 Abs. 4 AsylG verlangt eine schriftliche Belehrung gegen Empfangsbestätigung, was regelmäßig eine Aushändigung an den Betroffenen persönlichen erfordert. Dies ist bei einer formlosen Zustellung bzw. einer Zustellung gegen Postzustellungsurkunde nicht gewährleistet. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom … wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Der Bescheid des Bundesamts vom … ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Nach § 33 Abs. 1 AsylG gilt ein Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung u.a. zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachkommen ist. Nach § 33 Abs. 4 AsylG ist der Ausländer auf die u.a. nach § 33 Abs. 1 AsylG eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen. Nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG stellt das Bundesamt in den Fällen u.a. des § 33 Abs. 1 AsylG das Verfahren ein.
Die Belehrung in den Ladungsschreiben vom 11. Oktober 2016 und vom 8. November 2016 entspricht nicht den Anforderungen des § 33 Abs. 4 AsylG. Die Voraussetzungen der fiktiven Antragsrücknahme liegen daher nicht vor.
Eine ordnungsgemäße Belehrung in vorgenanntem Sinn scheitert zunächst daran, dass nach Aktenlage beide Ladungsschreiben ausschließlich in deutscher Sprache verfasst waren. In anwaltlich nicht vertretenen Fällen hat aber das Bundesamt in einer dem Kläger verständlichen Sprache über den Inhalt der Vermutungstatbestände des § 33 Abs. 2 AsylG zu belehren (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 33, Rn. 23).
Darüber hinaus wurde die Belehrung dem Kläger nicht wirksam bekanntgegeben. Zwar muss der Kläger nach § 10 Abs. 2 AsylG grundsätzlich die Zustellung von Ladungsschreiben an seine letzte beim Bundesamt aktenkundige Anschrift gegen sich gelten lassen. Die Ladungsschreiben mit der darin enthaltenen Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG wurden dem Kläger formlos bzw. gegen Postzustellungsurkunde zugestellt. § 33 Abs. 4 AsylG statuiert aber eine schriftliche Belehrung gegen Empfangsbestätigung; dies wird regelmäßig eine Aushändigung an den Betroffenen persönlichen erfordern. Letzteres ist bei einer formlosen Zustellung bzw. einer gegen Postzustellungsurkunde indes nicht gewährleistet. Die erforderliche Belehrung wurde dem Kläger damit nicht wirksam erteilt.
Die allgemeine Belehrung, die der Kläger am … … … vom Bundesamt erhielt, entspricht zwar den vorgenannten Formerfordernissen, da der Kläger zum einen diese Belehrung auch in Übersetzung in die Sprache Paschtu erhielt und ihm diese Belehrung zum anderen auch persönlich gegen Unterschriftsleistung übergeben wurde. Diese Belehrung weist aber inhaltlich nicht hinreichend auf die Rechtsfolgen eines unentschuldigten Nichtwahrnehmens des Anhörungstermins hin. Die Belehrung verwendet zum einen die Formulierung, dass das Nichterscheinen nachteilige Folgen haben „kann“; die Rechtsfolgen nach § 33 Abs. 3, Abs. 5 Satz 1 AsylG sind demgegenüber zwingend. Weiter benennt das Anhörungsschreiben auch die Möglichkeit einer Entscheidung ohne persönliche Anhörung; nach den genannten rechtlichen Vorgaben ist diese Rechtsfolge aber nicht vorgesehen.
Die Entscheidung des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid, das Asylverfahren nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG einzustellen, erweist sich nach alledem als rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.