Europarecht

Erfolgreicher Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen Abschiebungsanordnung bei Nichtzustellung des Hinweises zur schriftlichen Stellungnahme an den Bevollmächtigten

Aktenzeichen  M 5 S 16.32093

Datum:
25.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 10 Abs. 2 S. 1, § 25 Abs. 5 S. 3, § 34a Abs. 2 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Ist ein Bevollmächtigter bestellt, genügt die Zustellung des Hinweises zur Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats nach Nichtfolgung einer Ladung zur persönlichen Anhörung ohne genügende Entschuldigung an den Ausländer selbst nicht. Maßgeblich ist die Zustellung an den Bevollmächtigten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von … gewährt.
II.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 10. August 2016 (M 5 K 16.32092) gegen die Abschiebungsanordnung der Antragsgegnerin vom 1. August 2016 (6032093-269) wird angeordnet.
III.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Anträge,
1. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 10. August 2016 (M 5 K 16.32092) gegen die Abschiebungsanordnung der Antragsgegnerin vom 1. August 2016 (6032093-269) anzuordnen
und
2. dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen,
sind zulässig und begründet.
1. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war stattzugeben, weil der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes aus den nachfolgenden Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO).
2. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylgesetzes (AsylG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag zu 1. ist begründet, weil das private Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Abschiebungsanordnung einstweilen, das heißt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt.
a) Die Erhebung einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG hat von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG). Das Gericht ordnet auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung nur unter der Voraussetzung an, dass der betreffenden Klage überwiegende Erfolgsaussichten beizumessen sind oder dass die sofortige Vollziehung der Abschiebungsanordnung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Betroffenen zur Folge haben würde. Ist nach der summarischen Beurteilung der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so hat das Gericht eine Abwägung der wechselseitigen Interessen vorzunehmen, um zu ermitteln, wessen Interesse für die Dauer des Hauptsacheverfahrens der Vorrang gebührt.
b) Ausgehend hiervon war dem gegen die Abschiebungsanordnung gerichteten Eilantrag stattzugeben, da der angefochtene Bescheid vom 1. August 2016 rechtswidrig ist.
Der fragliche Bescheid vom 1. August 2016 ist gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AsylG nach Aktenlage und unter Berücksichtigung der Nichtmitwirkung des Antragstellers ergangen. Voraussetzung einer solchen Entscheidung ist, dass der Ausländer, der ohne genügende Entschuldigung einer Ladung zu seiner persönlichen Anhörung nicht gefolgt ist, auch innerhalb einer weiteren Frist von einem Monat sich nicht schriftlich geäußert hat. Die Monatsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, ab dem ihm Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme gegeben wurde, was die Zustellung eines entsprechenden Hinweises voraussetzt.
Vorliegend fehlt es an einer ordnungsgemäßen Zustellung eines solchen Hinweises. Das an den Bevollmächtigten des Antragstellers adressierte Anschreiben mit dem entsprechenden Hinweis, datierend auf den 24. Mai 2016 (Bl. 50 der Akten), wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 28. Mai 2016 durch Niederlegung dem Antragsteller persönlich zugestellt, nicht jedoch seinem Bevollmächtigten. Insofern befindet sich weder ein Zustellnachweis, noch ein Versandvermerk in der Akte. Der Vermerk vom 24. Mai 2016 (Bl. 49 der Akten) enthält lediglich die Angabe „Aufforderung zur Stellungnahme am 24. Mai 2016 versandt“, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine entsprechende Versendung auch an den Bevollmächtigten des Antragstellers vorgenommen worden ist. Der Bevollmächtigte hat hierzu angegeben, dass ihm das fragliche Schreiben vom 24. Mai 2016 (Bl. 50 der Akten) nicht vorliege.
Der Antragsteller muss die durch Niederlegung an sich selbst vorgenommene Zustellung des fraglichen Schreibens vom 24. Mai 2016 unter der zuletzt von ihm angegebenen Adresse auch nicht gegen sich gelten lassen, da er einen Bevollmächtigten bestellt hat und nicht davon ausgegangen werden kann, dass an diesen nicht zugestellt werden konnte (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG).
Mangels wirksam gewährter Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats nach dem vom Antragsteller versäumten Anhörungstermin durfte eine Entscheidung über den Asylantrag ohne persönliche Anhörung nach Aktenlage nicht ergehen.
3. Dem Antrag war daher mit der Kosten folge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG stattzugeben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen