Aktenzeichen M 2 K 16.4765
Leitsatz
Eine Sandfiltergrabenanlage als Kleinkläranlage, die technisch auf der DIN 4261, Stand 1954, beruht, entspricht bereits seit längerem nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik, so dass eine wasserrechtliche Erlaubnis für eine solche Anlagen nicht mehr neu erteilt werden kann. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht in der Sache ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der aufgrund des bestandskräftigen Widerrufs der ursprünglichen beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis vom 15. Februar 1966 notwendigen (1.), streitgegenständlich erneut begehrten beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis für den (Weiter-)Betrieb der bestehenden Sandfiltergrabenanlage als Kleinkläranlage für die Abwasserbeseitigung der Gebäude … 2 und 3, FlNr. …, Gemarkung … (2.), § 113 Abs. 5 VwGO.
1. Die einer Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Bescheid des ehemaligen Landratsamts … vom 15. Februar 1966 erteilte beschränkte wasserrechtlichen Erlaubnis nach Art. 17 Bayerisches Wassergesetz a.F. (BayWG 1963) zur Einleitung von Hausabwässern von bis zu 125 Personen und des Regenwassers aus dem Anwesen „Kindererholungsheim …“ in einen Entwässerungsgraben wurde mit bestandskräftigem Bescheid des Beklagten vom 30. April 2004 widerrufen. Es bedarf daher einer erneuten wasserrechtlichen Erlaubnis für den (Fort-)Betrieb dieser Anlage.
2. Der Beklagte geht im streitbefangenen Bescheid vom 20. September 2016 zutreffender Weise davon aus, dass die Klägerin keinen Anspruch auf erneute Erteilung der erforderlichen beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis (§§ 8, 9 Abs. 1 Nr. 4 und § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 Wasserhaushaltsgesetz – WHG –, Art. 15 Bayerisches Wassergesetz – BayWG) für den streitgegenständlich nachgesuchten (Weiter-)Betrieb des seit den 1960er Jahren auf ihrem Anwesen bestehenden Sandfiltergrabensystems als Kleinkläranlage für häusliches Abwasser unter anschließender Einleitung in das Grundwasser hat.
Das Vorhaben entspricht nicht mehr den technischen Anforderungen, die nach geltender Rechtslage an Abwasseranlagen zu stellen sind.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 WHG müssen – wie hier – kleinere Abwasseranlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, betrieben und unterhalten werden. Hiervon geht der Beklagte im streitbefangenen Bescheid zutreffend aus. Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, wenn er dort unter Bezugnahme auf die aktuellen Hinweise des Landesamts für Umwelt zu Kleinkläranlagen (Kleinkläranlagen – Katalog häufiger Fragen und Antworten, Stand November 2015, im Internet abrufbar unter www.lfu.bayern.de) darauf abstellt, dass die antragsgegenständliche Sandfiltergrabenanlage als Kleinkläranlage, die technisch auf der DIN 4261, Stand 1954, beruht (vgl. Bescheid des ehemaligen Landratsamt … vom 15.2.1966), bereits seit längerem nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und daher eine wasserrechtliche Erlaubnis für eine solche Anlagen nicht mehr neu erteilt werden kann. Bereits seit der Streichung der vormals einschlägigen Nr. 6.3.2 der DIN 4261 Teil 1 „Kleinkläranlagen – Anlagen ohne Abwasserbelüftung“, zuletzt mit Stand 1991, Anfang der 2000er Jahre genügen Filtergrabenanlagen wie die antragsgegenständliche als Anlagen der Abwasserbeseitigung nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Dies hat auch das Wasserwirtschaftsamt … ausdrücklich bestätigt (vgl. E-Mail vom 22.1.2015, Bl. 156 der Akten).
Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind Vorschriften, die speziell die technische Konstruktion, die Beschaffenheit sowie die Wirkungsweise technischer Anlagen zum Gegenstand haben und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie praktischen Erfahrungen beruhen. DIN-Vorschriften sind grundsätzlich geeignet, als Regeln der Technik anerkannt zu werden. Dass die hier einschlägige DIN 4261 diese Funktion sachgerecht ausfüllt, ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.1997 – 8 C 51/95 – juris Rn. 10; Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 60 Rn. 23). Diese technischen Vorschriften haben zur Aufgabe, insbesondere auch fortschreitend zu beschreiben, ob und mit welchen technischen Verfahren und Vorgaben ein gesetzlich vorgeschriebenes Anforderungsniveau oder Schutzziel erreicht werden kann.
Vorliegend gehen beide nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG mit besonderer Sachkunde ausgestattete amtliche Sachverständige, deren Auskünften und fachlichen Einschätzungen nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 7.3.2016 – 8 ZB 14.2628 – juris Rn. 8) und des erkennenden Gerichts (vgl. zuletzt U.v. 10.10.2017 – M 2 K 17.4293 – zur Veröffentlichung in juris vorgesehen) besondere Bedeutung im Sinne eines gesetzlich eröffneten Bewertungsvorgangs zukommt, einvernehmlich von einer Ungeeignetheit der vorhandenen Anlage zu einer nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik adäquaten Abwasserbeseitigung aus.
Ein Tatsachengericht kann ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht grundsätzlich gutachterliche Stellungnahmen, insbesondere von Fachbehörden, heranziehen, und zwar auch dann, wenn sie – wie hier – von der federführenden Behörde des Beklagten, dem Landratsamt …, bereits im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden. Es ist vorliegend weder vorgetragen noch in irgendeiner Weise ersichtlich, dass die vorgenannten Auskünfte des Landesamtes für Umwelt und des Wasserwirtschaftsamts … unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend bzw. in sonstiger Weise mit Fehlern bemakelt sein könnten. Der zur Klagebegründung von der Klägerin letztlich allein herangezogene Umstand, dass durch die bei den Behördenakten befindlichen Wartungsprotokolle aus dem Jahr 2016 nachgewiesen werden könne, dass die streitige Sandfilteranlage die nach der Abwasserverordnung geltenden Überwachungswerte einhalte, ist hierzu nicht geeignet. Der Vortrag ist zudem mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen zum Fehlen einer allgemein anerkannten Regel der Technik für diese Anlage mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 WHG von Rechts wegen auch unerheblich.
Sonach sind vorliegend schädliche Gewässerveränderungen i.S.d. § 3 Nr. 10 WHG deshalb möglich, weil durch den (Weiter-)Betrieb der nicht den Anforderungen des § 60 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 WHG genügenden streitigen Sandfiltergrabenanlage Gewässereigenschaften jedenfalls beeinträchtigt werden können. Es liegt mithin der Versagungsgrund nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 2 WHG vor. Auf die Frage der sachgerechten Ausübung des Bewirtschaftungsermessens durch den Beklagten nach § 12 Abs. 2 WHG kommt es folglich nicht mehr an.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).