Europarecht

Erlöschen einer Niederlassungserlaubnis wegen Zäsur im Integrationszusammenhang

Aktenzeichen  AN 5 K 16.02139

Datum:
21.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 110059
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 7, Abs. 2 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1 Hält sich ein Ausländer über einen längeren, insgesamt mehrjährigen Zeitraum im Wesentlichen im Ausland aufhält, spricht die Vermutung für eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes mit der Folge, dass die Niederlassungserlaubnis erlischt, sofern nicht besondere Umstände einen entgegenstehenden Willen dokumentieren, trotz des Auslandsaufenthaltes den Lebensmittelpunkt in Deutschland zu belassen oder jedenfalls alsbald zurückzukehren. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Integrationszusammenhang, der den Ausländer mit der Bundesrepublik Deutschland verbindet und der im Rahmen des § 51 Abs. 2 AufenthG seinen Niederschlag im Erfordernis des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis gefunden hat, ist zerrissen, wenn ein Auslandsaufenthalt vorliegt, der nach § 51 Abs. 1 AufenthG bzw. nach einer Vorläufernorm dazu geführt hat, dass ein Aufenthaltstitel erloschen ist. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2016 in der Fassung vom 20. April 2017 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die dem Kläger am 1. März 2001 durch die Stadt … erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die ab dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt, erloschen ist (I.), und hat den Kläger zu Recht unter III. unter Fristsetzung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufgefordert sowie ebenfalls zu Recht dem Kläger unter IV. die Abschiebung, insbesondere in die Türkei, angedroht.
Der Rechtmäßigkeit der Erlöschensfeststellung unter I. des Bescheids vom 26. Oktober 2016 steht zunächst nicht entgegen, dass das Datum der Erteilung der Niederlassungserlaubnis unzutreffend mit dem 7. Januar 2001 angegeben ist. Denn für den Kläger, den Adressaten des Bescheids, lässt sich unschwer erschließen, dass die ihm am 1. März 2001 erteilte, ab 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgeltende, unbefristete Aufenthaltserlaubnis gemeint ist. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Begründung des Bescheids, in der die Daten zutreffend angegeben sind.
Die Feststellung, dass die dem Kläger erteilte, als Niederlassungserlaubnis fortgeltende unbefristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 51 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 AufenthG erloschen ist, ist auch in der Sache zutreffend.
Die Niederlassungserlaubnis des Klägers ist vorliegend bereits nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen.
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist. Ob ein Ausländer aus einem nicht nur vorübergehenden Grund ausreist, beurteilt sich nicht allein nach dem inneren Willen des Ausländers, sondern vielmehr sind die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles maßgeblich (VG Ansbach, B.v. 14.8.2013 – AN 5 E 13.01304 – juris Rn. 23). Eine nicht nur vorübergehende Ausreise liegt u.a. dann vor, wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwar wegen eines begrenzten Zwecks und der Absicht der späteren Rückkehr verlässt, wenn sich der Zweck aber nicht auf einen überschaubaren Zeitraum bezieht, sondern langfristig und zeitlich völlig unbestimmt auf unabsehbare Zeit ausgerichtet ist (VG Berlin, U.v. 23.9.2015 – 24 K 248.14 – juris Rn. 22). Zu berücksichtigen ist auch die Dauer der Abwesenheit. Je länger die Abwesenheit andauert und je deutlicher sie über einen bloßen Besuchs- und Erholungsaufenthalt im Ausland hinausgeht, desto mehr spricht dafür, dass der Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehender Natur ist. Ergibt sich aus den gesamten Umständen des Einzelfalles, dass sich der Ausländer über einen längeren, insgesamt mehrjährigen Zeitraum im Wesentlichen im Ausland aufhält, spricht die Vermutung für eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes, wenn nicht besondere Umstände einen entgegenstehenden Willen dokumentieren, trotz des Auslandsaufenthalts den Lebensmittelpunkt in Deutschland zu belassen oder jedenfalls alsbald zurückzukehren. Dabei kann der Ausländer das Erlöschen seines Aufenthaltstitels nicht allein dadurch vermeiden, dass er jeweils kurz vor Ablauf von sechs Monaten nach der Ausreise kurzzeitig ins Bundesgebiet zurückkehrt (VG Berlin, U.v. 23.9.2015 – 24 K 248.14 – juris Rn. 22; VG Ansbach, B.v. 14.8.2013 – AN 5 E 13.01304 – juris Rn. 23).
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger nach Auffassung der Kammer das Bundesgebiet am 17. März 2010 aus einem nicht vorübergehenden Grund verlassen, so dass seine ihm am 1. März 2001 von der Stadt … ausgestellte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die ab dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt, erloschen ist.
Nach Überzeugung der Kammer hielt sich der Kläger im Zeitraum vom 17. März 2010 bis zu seiner letzten Wiedereinreise am 21. Dezember 2015 für mehr als fünf Jahre im Ausland auf, so dass auch in Anbetracht der übrigen Umstände von einem nicht nur vorübergehenden Zweck des Auslandsaufenthalts auszugehen ist. Neben dem langjährigen Zeitraum sprechen für eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes, dass sich der Kläger bereits zuvor, jedenfalls zum 1. Januar 2006, von seiner ersten Ehefrau getrennt hatte und seine Wohnung in … zum 5. März 2007 verlassen hatte, ohne einen neuen festen Wohnsitz im Bundesgebiet zu begründen. Das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn kam allein der Mutter zu. Seinen eigenen Darstellungen nach kam er bei unterschiedlichen Freunden und Verwandten unter und war, wie sich aus seinem Antrag auf Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom 1. März 2001 sowie aus seinen späteren Darstellungen ergibt, zum fraglichen Zeitpunkt wohl bereits seit mehreren Jahren erwerbslos. Dabei gibt der Kläger zwar an, er habe 2011 einen Job selbst gekündigt, doch findet sich hierüber nichts in den Akten; auch substantiierte Angaben des Klägers fehlen völlig. Gleiches gilt hinsichtlich eines auf Grund der Erlaubnis der Stadt … vom 6. September 2004 möglichen Betriebs einer Gaststätte. Tragfähige Bindungen zum Bundesgebiet bestanden somit zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers nicht mehr, so dass die angesichts des langjährigen Auslandsaufenthalts bestehende Vermutung für eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes ins Ausland nicht widerlegt wird. Angesichts der insoweit eindeutigen Bestempelung des Passes des Klägers und angesichts dessen, dass auch die Prozessbevollmächtigte des Klägers in ihrem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 4. Oktober 2016 von einer Ausreise des Klägers am 17. März 2010 ausging, bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Kläger an diesem Tag aus einem nicht nur vorübergehenden Grund ausgereist ist, und nicht erst, wie die Prozessbevollmächtigte des Klägers in früheren Schreiben und auch in Gerichtsverfahren ausgeführt hat, im Jahr 2011. Angesichts der ansonsten aus dem Reisepass des Klägers ersichtlichen lückenlosen Bestempelung fehlen für eine Ausreise zu einem im Übrigen auch nicht weiter konkretisierten Zeitpunkt im Jahr 2011 jegliche Anhaltspunkte.
Im Übrigen ist die Niederlassungserlaubnis des Klägers vorliegend jedenfalls nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer ausreist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Für den Eintritt der Rechtsfolge des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG kommt es weder auf die Natur des Ausreisegrundes noch auf diejenigen Gründe an, aus denen ein Ausländer nicht innerhalb der sechs Monatsfrist wieder in das Bundesgebiet eingereist ist (VG Freiburg, B.v. 28.3.2012 – 4 K 333/12 – juris Rn. 2). Auf die subjektive Vorstellung des Ausländers von seinem Ausreisezweck kommt es ebenso wenig an, wie auf ein etwaiges Verschulden an der verspäteten Wiedereinreise (VG Augsburg, U.v. 20.6.2012 – AU 6 K 11.1639 – juris Rn. 18). Wie ausgeführt hielt sich der Kläger nach Auffassung der Kammer vom 17. März 2010 bis zum 21. Dezember 2015, einem Zeitraum, der deutlich länger als sechs Monate ist, im Ausland auf, ohne dass die Ausländerbehörde eine längere Frist bestimmt hätte, so dass die Niederlassungserlaubnis des Klägers jedenfalls nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen ist.
Der Kläger kann sich entgegen der Auffassung seiner Prozessbevollmächtigten auch nicht auf § 51 Abs. 2 AufenthG berufen.
Nach § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erlischt die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht nach § 51 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 AufenthG, wenn sein Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 oder nach § 54 Abs. 2 Nrn. 5 bis 7 AufenthG besteht. Zwar ist kein Ausweisungsinteresse im Sinne der Vorschrift bzw. ein dem nach der zum fraglichen Zeitpunkt des Erlöschens geltenden Gesetzesfassung entsprechender Ausweisungsgrund ersichtlich, jedoch erfüllt der Kläger entgegen der Auffassung seiner Prozessbevollmächtigten nicht die Voraussetzung eines mindestens 15jährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet im Sinne der Norm.
Zwar hielt sich der Kläger, was insoweit unstreitig ist, von seiner Geburt 1971 bis zu seiner ersten Ausreise in die Türkei, die der Kläger selbst in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Jahr 1998 mit 1984 angegeben hat, den die Prozessbevollmächtigte des Klägers sowie der Kläger nunmehr mit 1985 angeben, 13 oder 14 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf und hielt sich, was insoweit auch unstreitig ist, von seiner Wiedereinreise am 31. Januar 1998 mit einem Visum zur Familienzusammenführung bis zu seiner Ausreise am 17. März 2010 für weitere 12 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers können die beiden Zeiträume jedoch nicht dergestalt zusammengerechnet werden, dass das Erfordernis des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eines mindestens 15jährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet erfüllt wäre.
Denn, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, führte die Ausreise des Klägers 1984 oder 1985, nach der sich der Kläger für 14 oder 13 Jahre im Ausland aufhielt, dazu, dass die ihm zuvor erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis bereits nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG in der damaligen Fassung erloschen ist. Dieses Erlöschen führt auch dazu, dass die zuvor zurückgelegten Aufenthaltszeiten nicht mehr zu späteren Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts hinzugerechnet werden können. Zwar führt die Prozessbevollmächtigte des Klägers zutreffend an, dass es Sinn und Zweck der Privilegierung des § 51 Abs. 2 AufenthG ist, die Niederlassungserlaubnis von Ausländern, die sich lange Zeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, nicht durch Auslandsaufenthalte zum Erlöschen zu bringen. Jedoch fordert § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG neben dem langjährigen Aufenthalt auch den Besitz einer Niederlassungserlaubnis, so dass dieser Sinn und Zweck der Norm nur dann greift, wenn ein Ausländer zusätzlich zum rein zeitlich zu bemessenden langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet Integrationsleistungen erbracht hat, die ihren Niederschlag in der Erteilung der Niederlassungserlaubnis gefunden haben. Der Integrationszusammenhang, der den Ausländer mit der Bundesrepublik Deutschland verbindet und der im Rahmen des § 51 Abs. 2 AufenthG seinen Niederschlag im Erfordernis des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis gefunden hat, ist jedoch zerrissen, wenn ein Auslandsaufenthalt vorliegt, der nach § 51 Abs. 1 AufenthG bzw. nach einer Vorläufernorm dazu geführt hat, dass ein Aufenthaltstitel erloschen ist. In diesem Fall liegt, wie die Beklagte zutreffend angenommen hat, eine Zäsur vor, die es verbietet, Aufenthaltszeiten, die vor der Zäsur liegen, zu Aufenthaltszeiten, die nach einer solchen Zäsur liegen, zusammenzurechnen, um so einen rechnerischen Gesamtaufenthalt von mehr als 15 Jahren im Sinne des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erzielen. Zwar führt die Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Bezugnahme auf Stimmen in der Literatur (Möller in Hofmann, AuslR, 2. Aufl., 2016, § 51 AufenthG, Rn. 25) grundsätzlich zutreffend aus, dass ein ununterbrochener Aufenthalt von § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht gefordert wird. Dies sieht auch die Beklagte grundsätzlich nicht anders. Im Ansatzpunkt zutreffend geht die Prozessbevollmächtigte des Klägers dabei davon aus, dass der Wortlaut des Gesetzes nicht einen ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens 15 Jahren erfordert, sondern lediglich einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet von mindestens 15 Jahren. Dieses Erfordernis lässt Unterbrechungen des Aufenthalts durchaus zu, was auch die Beklagte nicht anders sieht. Damit sind Auslandsreisen grundsätzlich unschädlich im Sinne des § 51 Abs. 2 AufenthG. Dies gilt jedoch nur, solange der der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Bundesgebiet zugrundeliegende Aufenthaltstitel nicht erloschen ist. Führt ein Auslandsaufenthalt, der unter § 51 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 AufenthG (oder einer Vorgängernorm) fällt, dazu, dass der Integrationszusammenhang des Ausländers zum Bundesgebiet zerrissen ist, was letztlich die Ratio des Erlöschens eines Aufenthaltstitels nach diesen Normen ist, kann sich der Ausländer auf zuvor erreichte Integrationsleistungen später nicht mehr berufen (vgl. auch OVG NRW, B.v. 8.7.2005 – 18 B 1017/05 – juris Rn. 2, wonach sich ein Ausländer, dessen unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG erloschen ist, sich nicht auf § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit dem Ziel einer Weitergeltung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis als Niederlassungserlaubnis nach § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG berufen kann).
Im Übrigen ist auch nicht dargelegt, dass der Lebensunterhalt des Klägers, wie von § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gefordert, zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des (potenziellen) Erlöschens seiner Niederlassungserlaubnis gesichert war. Maßgeblich für die Prognoseentscheidung, ob der Lebensunterhalt eines Ausländers im Sinne des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gesichert ist, ist der Zeitpunkt des Eintritts der Erlöschensvoraussetzungen und nicht der der Wiedereinreise (BayVGH, U.v. 5.4.2016 – 10 B 16.165 – juris Rn. 27 ff. m.w.N.). Denn insbesondere kann nur durch ein Abstellen auf den jeweils in Betracht kommenden Erlöschenszeitpunkt dem Sinn und Zweck der Erlöschensregelungen in § 51 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 AufenthG, Rechtsklarheit zu schaffen, ob ein Ausländer, der für längere Zeit ausreist, seinen Aufenthaltstitel weiter besitzt oder nicht, entsprochen werden. Zur Frage, ob der Lebensunterhalt des Klägers zum Zeitpunkt seiner Ausreise am 17. März 2010 gesichert war, hat seine Prozessbevollmächtigte jedoch – abgesehen von dem Hinweis auf eine Unterhaltspflicht seiner damaligen deutschen Ehefrau – nichts vorgetragen und auch keinerlei Nachweise vorgelegt. Zwar geht die Prozessbevollmächtigte des Klägers dabei zutreffend davon aus, dass der Lebensunterhalt eines Ausländers im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG auch durch Unterhaltsansprüche gegen Dritte, insbesondere gegen Ehepartner gesichert werden kann. Voraussetzung für eine Sicherung des Lebensunterhalts in diesem Sinne ist jedoch, dass diese Unterhaltsansprüche auch ausreichend werthaltig sind. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Steht dem Ausländer jedoch nur ein Unterhaltsanspruch zur Verfügung, der für sich nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu decken, würde dies zu einer jedenfalls ergänzenden Inanspruchnahme öffentlicher Mittel führen, wobei der Lebensunterhalt bereits dann nicht gesichert ist, wenn ein Anspruch auf die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel besteht, selbst wenn tatsächlich keine öffentlichen Mittel beansprucht werden. Da im vorliegenden Fall über die Einkommensverhältnisse der damaligen Ehefrau des Klägers nichts bekannt ist und auch nichts vorgetragen wurde, muss davon ausgegangen werden, dass der Lebensunterhalt des Klägers zum Zeitpunkt seiner Ausreise nicht gesichert war.
Auf § 51 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann sich der Kläger indes nicht berufen. Nach dieser Norm erlischt die Niederlassungserlaubnis eines mit einem deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers nicht nach § 51 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 AufenthG, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 oder § 54 Abs. 2 Nrn. 5 bis 7 AufenthG besteht. Denn, wie sich aus der Mitteilung der Meldebehörde der Stadt … vom 4. April 2006 ergibt, bestand die eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers mit seiner deutschen Ehefrau bereits seit dem 1. Januar 2006 nicht mehr.
Hat die Beklagte nach dem Vorstehenden zu Recht festgestellt, dass die dem Kläger am 1. März 2001 durch die Stadt … erteilte Niederlassungserlaubnis erloschen ist, so ist der Kläger nach § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet, wobei die Ausreisepflicht des Klägers nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG infolge seiner Einreise ohne Aufenthaltstitel am 21. Dezember 2015 vollziehbar ist. Dies hat weiter zur Folge, dass die Beklagte den Kläger auch zu Recht unter III. aufgefordert hat, das Bundesgebiet zu verlassen, sowie dass die Beklagte ebenfalls zu Recht dem Kläger unter IV. nach § 59 AufenthG die Abschiebung, insbesondere in die Türkei, angedroht hat.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich abzuweisen.

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