Europarecht

Fahren mit 17 Jahren ohne Begleitperson

Aktenzeichen  W 6 E 17.137

Datum:
2.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 2
FeV FeV § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 48a Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 74 Abs. 1 Nr. 1
VwGO VwGO § 123

 

Leitsatz

1 Ausnahmen vom Mindestalter bzw. von der Begleitauflage sind nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV praktisch nur möglich, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die für den Betreffenden im Vergleich zu Gleichaltrigen eine außergewöhnliche Härte darstellen. Denn das Allgemeininteresse an der Verkehrssicherheit nimmt einen sehr hohen Stellenwert ein, da junge Fahranfänger an schweren Unfallgeschehen extrem überproportional beteiligt sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Witterungsverhältnisse stellen regelmäßig keine unbillige Härte dar bezüglich der Benutzung anderer Verkehrsmittel oder niederrangiger Fahrerlaubnisklassen, da die Fahrweise grundsätzlich den Witterungsverhältnissen anzupassen ist und somit keine erhöhte Gefährdungslage ergibt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Auch für tägliche Fahrten zum Ausbildungsort verbleibt die Möglichkeit, ein Zimmer am Ausbildungsort zu nehmen oder sich durch Familienmitglieder zum Bahnhof bringen zu lassen. Außergewöhnliche Umstände für eine Ausnahmegenehmigung liegen darin nicht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die am … 1999 geborene Antragstellerin begehrt in der Sache die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Fahrt ohne Begleitperson mit einem Kraftfahrzeug von ihrem Wohnort in Sch. zur Ausbildungsstätte nach Schw. vor Vollendung des 18. Lebensjahres.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 ließ die Antragstellerin beim Antragsgegner (vertreten durch das Landratsamt Kitzingen) für sich eine Ausnahmegenehmigung für die Fahrerlaubnis der Klasse B vor Erreichen des Mindestalters von 18 Jahren beantragen, und zwar für Fahrten vom Wohnort zur Berufsfachschule für Physiotherapie, R-Straße 10 in … Schw. sowie für Fahrten zu Praktika in verschiedenen Orten. Die Ausbildungsdauer sei vom 1. August 2016 bis 31. Juli 2019. Die Unterrichtszeiten gingen von 08:15 Uhr bis 16:15 Uhr, teilweise auch bis 18:00 Uhr. Ihre Eltern seien in Vollzeit berufstätig. Die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel sei nicht zumutbar. Für die Fahrten zur Berufsschule würde sie 1 Stunde 51 Minuten benötigen, für die Rückfahrt 2 Stunden 24 Minuten und bei Unterrichtsende um 18:00 Uhr 6 Stunden 5 Minuten bei Wartezeiten von 4 Stunden 41 Minuten. Die Fahrzeiten würden sich bei der Ableistung der Praktika noch verschärfen.
Nach wiederholtem Schriftwechsel lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Januar 2017 den Antrag der Antragstellerin auf Genehmigung einer Ausnahme vom Mindestalter zur Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B für Fahrten zur Berufsfachschule ab. In den Gründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 74 Abs. 1 und 2 FeV könne von dem in § 10 Abs. 1 lfd. Nr. 5 Buchstabe a) FeV vorgesehenen Mindestalter mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters eine Ausnahme genehmigt werden. Die Entscheidung stehe im pflichtgemäßen Ermessen. Ausnahmen dürften nicht dazu führen, dass die zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Verordnungsgebers für das Mindestalter unterlaufen werde. Ein strenger Maßstab sei anzulegen. Eine restriktive Handhabung sei geboten. Beim Landratsamt Kitzingen würden alle Anträge anhand einheitlicher Kriterien überprüft. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere die zurückgelegte Entfernung, das Bestehen bzw. Nichtbestehen öffentlicher Verkehrsverbindungen, die Möglichkeit der Benutzung von Fahrzeugen durch die Antragstellerin auch ohne die begehrte Ausnahmegenehmigung und die Möglichkeit von Mitfahrgelegenheiten bzw. Fahrdiensten durch die Familie. Die Antragstellerin müsse alle zumutbaren Möglichkeiten nutzen. Für (Teil-)Strecken bis 20 km von der Wohnung zur Schule, zur Ausbildungsstätte oder zum nächsten ÖPNV-Standort werde es grundsätzlich als zumutbar angesehen, diese Strecke mit Fahrzeugen zurückzulegen, für die keine Fahrerlaubnis benötigt werde oder für die bereits eine Fahrerlaubnis erworben werden könne oder bereits erworben worden sei, weil hierfür das erforderliche Mindestalter bereits erreicht sei. Bei Strecken von mehr als 20 km bis 50 km werde überprüft, ob die Ausbildungsstelle/Schule/Berufsfachschule bei Nutzung der ÖPNV mit einem zumutbaren zeitlichen Mehraufwand erreicht werden könne. Als zumutbar werde ein zeitlicher Mehraufwand von bis zu zwei Stunden am Tag gegenüber der Benutzung eines Pkw angesehen. Bei Teilstrecken über 50 km sei vom Antragsteller die Anmietung einer Wohnung oder eines Zimmers zu überprüfen. Seit 1. August 2016 bewältige die Antragstellerin die Wegstrecke vom Wohnort zur Berufsfachschule in Schw und zurück durch den Fahrdienst ihrer Mutter. Diese sei als selbständige Kindertagespflegerin tätig. Die Fahrtstrecke mit dem Pkw zwischen Wohnung in Sch und Berufsfachschule in Schw betrage laut Routenplan 31,1 km und die Fahrzeit 35 Minuten (ohne Berücksichtigung von Verkehrsstaus und gegebenenfalls einer Parkplatzsuche). Eine direkte und geeignete Verbindung mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zwischen Wohnung und Ausbildungsstelle bestehe nicht. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, ab Bahnhof K die Ausbildungsstelle mit dem ÖPNV zu erreichen. Die Wegstrecke von der Wohnung bis zum Bahnhof K betrage 11,5 km. Der Antragstellerin sei es auch möglich und zumutbar, diese Strecke mit einem Verkehrsmittel (zwei- oder dreirädrige Kleinkrafträder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge) zurückzulegen, für welche sie seit … 2015 die Fahrerlaubnis der Klasse AM oder A1 erwerben könne bzw. seit … 2016 erworben habe (Fahrerlaubnis der Klasse AM im Rahmen des begleiteten Fahrens erworben). Wenn der Antragstellerin die Nutzung eines Kleinkraftrades zu gefährlich erscheine, begründe diese persönliche Einschätzung keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung. Selbst schlechte Straßen- und Witterungsverhältnisse würden sich auf wenige Tage im Winter beschränken. Die Notwendigkeit, Strecken zur Berufsfachschule bzw. Teilstrecken bis zum nächsten ÖPNV-Haltepunkt mit einem Fahrzeug zurückzulegen, für welches das Mindestalter der entsprechenden Fahrerlaubnisklasse erreicht sei, bestehe für viele Jugendliche in vergleichbarer Situation und insbesondere in ländlichen Gebieten. Gleiches gelte für die Notwendigkeit von Fahrdiensten. Die Belastung unterscheide die Antragstellerin insoweit nicht von anderen Jugendlichen. Der Antragstellerin sei es möglich, mit dem Zug von K nach R zu fahren, dort umzusteigen und weiter nach Schw zu fahren. Vom Bahnhof in Schw sei nur ein zumutbarer Fußweg von 619 m zurückzulegen. Dies gelte auch für die Rückfahrt auch bei früherem oder späterem Unterrichtsende. Für alle Fahrtstrecken werde ein zeitlicher Aufwand mit der ÖPNV von 59 Minuten benötigt. Für die Fahrtstrecke vom Wohnort zum Bahnhof K und zurück (jeweils 11,5 km) gehe das Landratsamt jeweils von einem rechnerischen Zeitaufwand für ein Fahrzeug der Führerscheinklasse AM (maximal 45 km/h) von 18 Minuten aus. Somit ergebe sich ein zeitlicher Aufwand von 1 Stunde 17 Minuten pro Strecke. Nach Abzug der Fahrtzeit, die mit dem Pkw benötigt werde (1 Stunde 10 Minuten) ergebe sich ein täglicher Mehraufwand von 1 Stunde 24 Minuten. Eine tägliche zeitliche Mehrbelastung von bis zu 2 Stunden sei zumutbar. Des Weiteren habe die Antragstellerin die Alternative, ein Zimmer in der Nähe der Berufsfachschule in Schw zu nehmen. Eine 1-Zimmer-Wohnung werde mit einer Kaltmiete schon ab 173,00 EUR angeboten. Darüber hinaus erfülle die Antragstellerin nicht die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung nach der ermessenslenkenden Richtlinie für die Ausnahme vom Mindestalter gemäß § 10 i.V.m. § 74 FeV. Gemäß Nr. A.8 der Richtlinie sei die Ausnahmegenehmigung auf das absolut notwendige Maß zu beschränken. Danach käme hier allenfalls eine Ausnahmegenehmigung für die Strecke vom Wohnort zum Bahnhof K in Betracht. Der möglichen finanziellen Mehrbelastung durch einen Umzug nach Schw bzw. im Hinblick auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder die Anschaffung eines Kleinkraftrades sei entgegenzuhalten, dass man demgegenüber auch den Aufwand für die Anschaffung und die Unterhaltung eines Pkw sowie die dazukommenden Kraftstoffkosten in Rechnung stellen müsse. In der Gesamtschau der vorgenannten Gründe sowie unter Berücksichtigung aller vorgetragenen Argumente werde nach pflichtgemäßem Ermessen der Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Ausnahme vom Mindestalter abgelehnt.
2. Am 3. Februar 2017 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 6 K 17.123 wegen der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom vorgeschriebenen Mindestalter der Fahrerlaubnis Klage erheben und am 8. Februar 2017 im vorliegenden Verfahren beantragen,
Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin eine Ausnahmegenehmigung vom Mindestalter gemäß § 74 FeV für unbegleitetes Fahren vom Wohnsitz der Antragstellerin A 4, … Sch zur H-Akademie der AWO e.V. Berufsfachschule für Physiotherapie, R-Straße 10, … Schw und zurück von Montag bis Freitag ab Erreichen deren 17. Lebensjahres zu erteilen.
Zur Begründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen vorbringen: Die Voraussetzungen des § 74 FeV für die Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung lägen vor. Die am * 1999 geborene Antragstellerin habe am 20. Dezember 2016 die praktische Fahrprüfung für die Klasse BF 17 (begleitetes Fahren) bestanden. Die Antragstellerin benötige noch die Ausnahmegenehmigung für unbegleitetes Führen eines Fahrzeugs der Fahrzeugklasse B für ihren täglichen Schulweg. Die Mutter der Antragstellerin und ihr Stiefvater seien beide in Vollzeit berufstätig. Bei der Mutter seien kurzfristige Buchungen möglich und üblich. Die Fahrt mit dem Pkw belaufe sich bei 31,1 km auf 34 Minuten, täglich somit auf 1 Stunde und 8 Minuten. Die intensive Suche nach einer entsprechenden Mitfahrgelegenheit sei bis heute erfolglos verlaufen. Die Antragstellerin wolle auf keinen Fall Mofa, Roller oder Kleinkraftrad fahren, da diese aufgrund negativer Erfahrungen durch mehrere schwere Zweirad-Unfälle im Freundeskreis große Angst habe, von unaufmerksamen Autofahrern übersehen zu werden. Schließlich fürchte sie auch um ihre Gesundheit. Bei Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel würde sich die Dauer des täglichen Schulwegs morgens vom Wohnsitz der Antragstellerin zur Berufsfachschule auf 1 Stunde 51 Minuten bei einer Wartezeit von insgesamt 9 Minuten belaufen. Die Heimfahrt dauere bei Schulende um 16:15 Uhr 2 Stunden 24 Minuten bei einer Wartezeit von 57 Minuten. Es ergebe sich so ein täglicher Zeitaufwand von 4 Stunden und 15 Minuten, somit ein Mehraufwand von 3 Stunden und 7 Minuten. Bei Schulende um 12:30 Uhr dauere die Heimfahrt 2 Stunden und 32 Minuten bei einer Wartezeit von 47 Minuten, somit ein Mehraufwand von 3 Stunden und 15 Minuten. Bei Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel belaufe sich je nach Schulschluss allein die tägliche Gesamtwartezeit auf 2 Stunden 33 Minuten bzw. 2 Stunden 41 Minuten. Aufgrund des ohne Pkw-Nutzung erforderlichen mehrfachen Umsteigens schieden die einzelnen Wartezeiten und Fahrtzeiten zum Zwecke des Selbststudiums aus. Unter der Woche verbleibe keine Zeit mehr, den Unterrichtsstoff nachzuarbeiten. Die Zustimmung ihrer Mutter gemäß § 74 Abs. 2 FeV liege vor.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 14. Februar 2017:
Der Antrag wird abgelehnt.
In der Antragserwiderung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus: Es werde vollumfänglich auf die Begründung des ablehnenden Bescheides vom 12. Januar 2017 verwiesen. Dort sei ausführlich dargelegt, weshalb eine Ausnahme nicht genehmigt werde. Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Auch ein Anordnungsgrund liege nicht vor. Denn wie im Bescheid dargelegt, sei der Antragstellerin eine tägliche zeitliche Mehrbelastung bei Nutzung des ÖPNV im Vergleich zu einer Fahrt mit dem Pkw von bis zu 2 Stunden zumutbar, auch wenn hier eine Kombination mehrerer Verkehrsmittel erforderlich sei. Es sei deshalb nicht ersichtlich, dass die Schulausbildung massiv gefährdet sei, so dass es nicht zuzumuten wäre, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens W 6 K 17.123) sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Das Gericht entscheidet nach eigenem Ermessen, ob und mit welchem Inhalt es eine einstweilige Anordnung erlässt. Die von der Entscheidung betroffenen öffentlichen und privaten Interessen müssen gegeneinander abgewogen werden. In die Abwägung sind grundsätzlich einzustellen die Bedeutung und die Dringlichkeit des in Frage stehenden Anspruchs der Antragstellerin sowie die Zumutbarkeit, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, das Maß einer eventuellen Gefährdung öffentlicher Interessen oder schutzwürdiger Interessen Dritter und die Frage, ob die durch die Anordnung möglicherweise entstehenden Nachteile für die Allgemeinheit, die Antragstellerin oder für Dritte von Auflagen abhängig gemacht werden können. Außerdem sind, soweit sie sich übersehen lassen, auch die Erfolgsaussichten in einem zu erwartenden Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen.
Eine einstweilige Anordnung ist zu treffen, wenn aufgrund einer im Verfahren des Eilrechtsschutzes lediglich vorzunehmenden summarischen Prüfung ein Anordnungsgrund, also ein Grund für die erhöhte Eilbedürftigkeit der Entscheidung, besteht und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht wird (vgl. § 920 ZPO i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO).
Vorliegend besteht die Besonderheit, dass die Antragstellerin mit der einstweiligen Anordnung vorläufig das Gleiche begehrt, wie sie im Wesentlichen auch in einem Hauptsacheverfahren begehrt, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV (Fahrerlaubnisverordnung). Damit begehrt die Antragstellerin eine Vorwegnahme der Hauptsache, was grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung widerspricht. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einer Antragstellerin nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer Neuentscheidung der Hauptsache, das gewähren, was sie nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für einen Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht. Im Falle einer Ermessensentscheidung kommt eine einstweilige Anordnung regelmäßig nur im Falle einer „Ermessensreduzierung auf Null“ in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2014 – 11 CE 14.1986 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 123 Rn. 12 und 13 f.).
Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen hat die Sache keinen Erfolg.
Das Gericht geht dabei vom Bestehen eines Anordnungsgrundes aus, weil das Ausbildungsverhältnis der Antragstellerin bereits am 1. August 2016 begonnen hat und sie nach ihren glaubhaften Angaben bisher von ihrer Mutter nach Schw* gebracht und von dort abgeholt wurde, wobei dies aufgrund der Berufstätigkeit der Mutter auf Dauer unzumutbar sei.
Allerdings ist ein Anordnungsanspruch zur Überzeugung des Gerichts nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Im Sofortverfahren kann bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf die begehrte Ausnahmegenehmigung gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV hat. Die Ausnahmegenehmigung steht im Ermessen der Behörde. Eine Verpflichtung zu einer solchen Ausnahmegenehmigung kann seitens des Gerichts nur im Falle einer „Ermessensreduzierung auf Null“ ausgesprochen werden. Eine solche Ermessensreduzierung auf Null kann vorliegend nicht angenommen werden. Auch ein sogenannter Bescheidungsausspruch kann nicht ergehen, weil es an den Voraussetzungen dafür fehlt.
Das Landratsamt Kitzingen hat in seinem Bescheid vom 12. Januar 2017 ausführlich begründet, dass ein Anspruch auf die erteilte Ausnahmegenehmigung nicht besteht. Der zutreffenden und plausiblen Begründung des Bescheides folgt das Gericht und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist noch anzumerken:
Rechtsgrundlage ist § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 5 FeV und § 48a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FeV. Dabei ist anzumerken, dass die Antragstellerin keine Ausnahme vom Mindestalter für die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 FeV benötigt, denn gemäß § 48a Abs. 1 FeV gilt für sie bereits das Mindestalter 17 Jahre. Sie begehrt in der Sache vielmehr die Genehmigung, auf dem Weg zu ihrer Ausbildungsstätte im Rahmen der ihr bereits erteilten Fahrerlaubnis ohne die Begleitauflage nach § 48 a Abs. 2 Satz 1 FeV zu fahren, bis diese Auflage gemäß § 48a Abs. 2 Satz 2 FeV mit Vollendung des 18. Lebensjahr automatisch entfällt. Sie begehrt demnach eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV von der Begleitauflage gemäß § 48a Abs. 2 Satz 1 FeV, aber begrenzt auf Fahrten zwischen Wohnort und ihrer Ausbildungsstätte, und nicht eine Ausnahme vom Mindestalter für den Fahrerlaubniserwerb. Das Begehren kommt allerdings in der Sache einer Ausnahme vom Mindestalter nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 FeV für das unbegleitete Fahren von Kraftfahrzeugen der Klasse B gleich. Für eine derartige Entscheidung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie für eine Ausnahme vom Mindestalter für die Erteilung der Fahrerlaubnis (Dauer, NZV 2008, 318; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, § 10 FeV Rn. 15, § 48a FeV Rn. 19; Janker in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 2 StVG Rn. 13).
Ausnahmen vom Mindestalter bzw. von der Begleitauflage sind nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV möglich. Dabei ist jedoch ein strenger Maßstab anzuwenden und eine Ausnahmegenehmigung praktisch nur möglich, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die für den Betreffenden im Vergleich zu Gleichaltrigen eine außergewöhnliche Härte darstellen. Denn das Allgemeininteresse an der Verkehrssicherheit nimmt einen sehr hohen Stellenwert ein, da junge Fahranfänger an schweren Unfallgeschehen extrem überproportional beteiligt sind. Deshalb will der Verordnungsgeber durch die vorgesehene Altersgrenze bzw. durch die Begleitauflage mit der Verkehrsteilnahme von unter 18-jährigen Kraftfahrzeugführern dem damit verbundenen erhöhten Risiko für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer entgegenwirken. Der Verordnungsgeber geht davon aus, dass von jungen Menschen aufgrund ihrer altersbedingten besonderen Entwicklungssituation dann, wenn sie Kraftfahrzeuge führen, eine signifikant erhöhte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeht. Eine unzumutbare Härte wäre nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen so schwere Nachteile entstünden, dass bei der Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Betroffenen die erhöhten Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs durch junge Fahranfänger zurücktreten müssten. Das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit ist auch nicht deshalb nachrangig, weil die Antragstellerin bereits Inhaberin einer Fahrerlaubnis der Klasse B für begleitetes Fahren ist. In der Zeit des begleitenden Fahrens soll gerade erst die Fahrkompetenz erworben werden, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres fortwirkt, damit Fahranfänger nach der Begleitphase mit einem deutlich herabgesenkten Risikoniveau in die Phase des selbständigen Fahrens eintreten (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/5315 S. 8). Allein die Tatsache, dass ein Minderjähriger bereits im Rahmen des begleitenden Fahrens ab 17 ohne Beanstandung ein Kraftfahrzeug geführt hat, rechtfertigt keine Ausnahme, da dann ohne Einzelfallprüfung nach einer gewissen Zeit unfallfreien Fahrens eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen wäre, wobei unberücksichtigt bliebe, dass das gerade auf den Einfluss der Begleitperson beruht. Bei der Prüfung des Einzelfalles ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Entfernungen zu überbrücken sind, welche öffentlichen Verkehrsverbindungen bestehen, welche Fahrzeuge die Antragstellerin auch ohne begehrte Ausnahmegenehmigung benutzen darf, ob es für andere Personen zumutbar ist, die Antragstellerin bis zum Erreichen des Mindestalters zu fahren und welche sonstigen Alternativen bestehen. Im Rahmen des Ermessens ist wegen des besonderen Risikos junger Fahranfänger und wegen der Bedeutung der körperlichen und geistigen Reife für das eigenverantwortliche Führen von Kraftfahrzeugen restriktiv zu entscheiden. Es müssen bei der Antragstellerin außergewöhnliche, von der Situation Gleichaltriger wesentlich abweichende Umstände vorliegen, die für sie eine unzumutbare Härte darstellen (vgl. zum Ganzen Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 10 Rn. 13; BayVGH, B.v. 13.10.2014 – 11 CE 14.1986 – juris; B.v. 3.11.2011 – 11 CE 11.2193 – juris sowie VG Köln, U.v. 25.3.2015 – 23 K 6741/14 – juris; B.v. 10.1.2011 – 11 L 1653/10 – VRR 2011, 83; B.v. 3.5.2010 – 11 L 524/10 – juris; VG Osnabrück, GB.v. 14.5.2014 – 6 A 158/13 – juris; VG München, B.v. 29.8.2011 – M 6b E 11.3900 – juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 5.10.2010 – 9 K 1864/10 – juris; VG Regensburg, U.v. 1.2.2010 – RN 8 K 09.1392 – juris; VGH BW, B.v. 7.10.2008 – 10 S 2012/08 – NJW 2009, 870; VG Augsburg, U.v. 1.7.2008 – Au 3 K 08.625 – juris; U.v. 21.12.2007 – Au 3 K 07.1245 – juris; B.v. 24.1.2003 – Au 3 E 03.1 – juris; VG Braunschweig, B.v. 18.2.2008 – 6 B 411/07 – NZV 2008, 315).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin jedenfalls mangels Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte keinen Anspruch auf die begehrte Genehmigung, weil für sie zumutbare Alternativen bestehen. Der Antragsgegner hat sich bei der Ablehnung der Ausnahmegenehmigung nicht ermessensfehlerhaft verhalten, geschweige denn, dass eine Ermessensreduzierung auf Null vorläge.
Der Antragsgegner hat sich zudem auf seine übliche Verwaltungspraxis bezogen sowie auf die Unterfränkischen Richtlinien für Ausnahmen vom Mindestalter gemäß § 10 i.V.m. § 74 FeV, deren Anwendung nicht zu beanstanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2014 – 11 CE 14.1986 – juris) und die mit ihren Kriterien weitgehend identisch sind mit ähnlichen Richtlinien in anderen Regierungsbezirken (siehe Bayerischer Landtag, Drs. 16/11532 vom 19.3.2012). In den Unterfränkischen Richtlinien für die Ausnahme vom Mindestalter ist ausgeführt, dass diese Richtlinien ermessenslenkende Wirkung haben, aber nicht die Ermessensausübung im Einzelfall bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Mindestalter ersetzen (A.1.). Vorrangig sind die Fahrerlaubnisklassen in Erwägung zu ziehen, die altersentsprechend ausgehend vom vorgegebenen Mindestalter erworben werden können (A.3.). Witterungsverhältnisse stellen regelmäßig keine unbillige Härte dar bezüglich der Benutzung anderer Verkehrsmittel oder niederrangiger Fahrerlaubnisklassen, da die Fahrweise grundsätzlich den Witterungsverhältnissen anzupassen ist und somit keine erhöhte Gefährdungslage ergibt (A.6.). Eine Ausnahmegenehmigung ist auf das absolut notwendige Maß zu beschränken. Zum Beispiel: Der Beschäftigungsort ist von der nahegelegenen Kreisstadt (Entfernung Wohnort – Kreisstadt 20 km) mit ÖPNV/SPNV erreichbar. Eine Ausnahmegenehmigung kommt nur für die Strecke zwischen Wohnort und Kreisstadt in Betracht und auch nur dann, wenn für diese Strecke kein ÖPNV besteht bzw. die Strecke ohne Ausnahmegenehmigung nicht zurückgelegt werden kann. Dem Antragsteller ist zuzumuten, zwischen Kreisstadt und Beschäftigungsort den ÖPNV/SPNV zu nutzen (A.8.). Es ist grundsätzlich zu prüfen, wie die Strecke zum Ausbildungs-/Arbeitsplatz bisher bewältigt wurde/wird und ob dies auch weiterhin zumutbar ist (A.9.). Bei Strecken ab 50 km ist vom Antragsteller die Möglichkeit einer Einmietung am Ausbildungs-/Arbeitsplatz zu überprüfen. Voraussetzung sind schlechte öffentliche Verkehrsanbindungen, ein täglicher zeitlicher Mehraufwand > 2 Stunden gegenüber Benutzung von Pkw, Nachweis über persönlichen Fahrplan, Härtesituation an mindestens drei Tagen je Woche. In jedem Fall soll die Fahrerlaubnis der Klasse B vorrangig zur nächstgelegenen Anbindung zu öffentlichen Verkehrsmitteln beschränkt werden (B. – Klasse B).
Das Gericht geht davon aus, dass die Antragstellerin die Ausbildungsstelle – vom Bahnhof K aus – in zumutbarer Weise mit Mitteln des öffentlichen Verkehrs erreichen kann und dass sie den Bahnhof in Kitzingen entweder mit Fahrzeugen der Fahrerlaubnisklasse AM oder A1 oder durch den Fahrdienst ihrer Mutter (gegebenenfalls andere Personen) erreichen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es (nur) um einen Zeitraum von rund zehn Monaten geht, den sie zu überbrücken hat. Gewisse Härten muss die Antragstellerin hinnehmen. Auszugehen ist von ihren unstreitig vorgetragenen Unterrichtszeiten, also morgendlicher Beginn in Schw* um 08:15 Uhr und Unterrichtsende in der Berufsfachschule um 16:15 Uhr bzw. teilweise um 18:00 Uhr und freitags um 12:30 Uhr. Die zusätzlich zunächst angesprochenen zwingenden Pflichtpraktika in verschiedenen Orten bleiben im vorliegenden Verfahren außer Betracht, weil sie erst im Juni beginnen und darüber hinaus nur an einzelnen Tagen anfallen, so dass diese für sich keine außergewöhnliche und unzumutbare Härte begründen, die die Annahme eines Ausnahmefalles rechtfertigen. Für die üblichen Unterrichtstage hat der Antragsgegner nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass unter Einbeziehung des jeweiligen Unterrichtsbeginns und Unterrichtsendes von Montag bis Freitag eine vertretbare und damit zumutbare Verbindung mit dem Schienenverkehr von K nach Schw besteht. So fährt ein Zug um 06:57 Uhr und kommt nach Umsteigen in Schw um 07:44 Uhr an. Umgekehrt nach Unterrichtsende ist die Abfahrt des Zuges um 17:13 Uhr und Ankunft in K um 18:00 Uhr bzw. Abfahrt 18:13 Uhr und Ankunft 19:00 Uhr und Abfahrt 13:13 Uhr und Ankunft 14:00 Uhr. Für die Fahrzeit vom Wohnort zum Bahnhof in K und zurück (jeweils 11,5 km) geht das Landratsamt von einem rechnerischen Zeitaufwand für ein Fahrzeug der Führscheinklasse AM von 18 Minuten aus und gelangt so insgesamt zu einem zeitlichen Aufwand pro Strecke am Tag von 1 Stunde 17 Minuten, ein täglicher Aufwand somit von 2 Stunden 34 Minuten. Zieht man davon die veranschlagte Zeit mit dem Pkw von 1 Stunde 10 Minuten ab, bleibt ein täglicher Mehraufwand von 1 Stunde 24 Minuten. Diese Zeit bleibt deutlich unter den auch nach den Unterfränkischen Richtlinien für zumutbar angesehenen 2 Stunden an täglicher zeitlicher Mehrbelastung, selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin für Fußwege und Umstiege noch weitere Minuten täglich hinzurechnen wollte. Der Antragsgegner hat des Weiteren ebenfalls in Einklang mit den Unterfränkischen Richtlinien ergänzt, dass eventuelle Zeiten ab Unterrichtsende bis Abfahrt des Zuges zum Selbststudium genutzt werden können.
Die Berechnung dieses Zeitaufwandes hat die Antragstellerin nicht in Abrede gestellt. Die von der Antragstellerseite in Rechnung gestellte Zeitdauer des ÖPNV bezieht sich auf die Nutzung des ÖPNV von Sch bis nach Schw. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass alternative Verbindungen zu berücksichtigen und in die Abwägung einzubeziehen sind, konkret insbesondere die Fahrt von einem anderen ÖPNV/SPNV-Haltepunkt aus, wie hier gerade vom Bahnhof K aus. Nach Nr. A.3 der Unterfränkischen Richtlinien für Ausnahmen vom Mindestalter kommt eine Ausnahmegenehmigung für die Fahrt der Antragstellerin von Sch* nach Schw von vornherein nicht in Betracht, weil eine Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der nahegelegenen Kreisstadt in K besteht.
Das Gericht hält es auch für zumutbar für die Antragstellerin, täglich von ihrem Wohnort zum Bahnhof nach K und zurück zu gelangen.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Antragstellerseite nichts dazu vorgebracht hat, dass und gegebenenfalls warum eine Fahrt mit verschiedenen Verkehrsmitteln zunächst von Sch nach K und dann mit der Bahn von K über R nach Schw unzumutbar sein sollte. Die Antragstellerin könnte schon selbst mit dem Führerschein der Fahrerlaubnisklasse AM, den sie nach ausdrücklicher Aussage der Antragsgegnerin am … 2016 zusammen mit der Fahrerlaubnis im Rahmen des begleiteten Fahrens erworben hat, den Weg von Sch nach K zurücklegen. Der allgemeine Einwand der Antragstellerseite, dass die Antragstellerin auf keinen Fall Mofa, Roller oder Kleinkraftrad fahren wolle, da sie negative Erfahrungen aus dem Freundeskreis und deshalb Angst habe und zudem Bedenken wegen Witterungsverhältnisse und Gesundheit bestünden, verfängt ebenfalls nicht. Denn zunächst sind nach den Unterfränkischen Richtlinien für die Ausnahme vom Mindestalter (vgl. A.3 und A.6) vorrangig die Fahrerlaubnisklassen in Erwägung zu ziehen, die altersentsprechend ausgehend vom vorgegebenen Mindestalter erworben werden können. Dabei stellen Witterungsverhältnisse regelmäßig keine unbillige Härte bezüglich der Benutzung anderer Verkehrsmittel wie Fahrrad oder Mofa und dergleichen dar. Die Fahrweise ist den Verhältnissen anzupassen. Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass mit der Fahrerlaubnis der Klasse AM nicht nur zweirädrige, sondern auch dreirädrige Kraftfahrzeuge gefahren werden dürfen und sogar vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 45 km/h (vgl. dazu etwa Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 6 FeV Rn. 30 f.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Strecke von Sch* nach Kitzingen (11,5 km) deutlich kürzer ist als die Strecke nach Schw* und auch deshalb für die Antragstellerin zumutbar ist, diese Strecke mit einem entsprechenden Fahrzeug der Klasse AM zu bewältigen.
Das Gleiche gilt auch für die Möglichkeit, sich gegebenenfalls von der Mutter nach K fahren und von dort auch abholen zu lassen. Denn auch insoweit ist der Zeitaufwand und die übrige Belastung für die Mutter in diesem Fall deutlich geringer, als wenn sie – was offenbar bis heute erfolgt – die Antragstellerin bis nach Schw fährt und dort wieder abholt. Die Antragstellerin muss jedenfalls alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Ausbildungsort ohne Ausnahmegenehmigung zu erreichen (vgl. etwa VG Köln, U.v. 25.3.2015 – 23 K 6741/14 – juris). Nach A.9. ist grundsätzlich zu überprüfen, wie die Strecke zum Ausbildungsplatz bisher bewältigt wurde. Wurde diese bisher in der Familie organisiert, ist dies grundsätzlich auch weiterhin zumutbar.
Die Antragstellerin hat bei ihrer Argumentation zwar darauf hingewiesen, dass es der Mutter der Antragstellerin nicht zuzumuten sei, sie täglich zur Ausbildungsstätte zu fahren und wieder abzuholen, so wie es offenkundig bis heute geschieht. Die Antragstellerin hat jedoch selbst nicht vorgetragen, dass es ihrer Mutter nicht zuzumuten sein könnte, die etwa 15 Minuten dauernde Fahrt von 11,5 km nach K* durchzuführen bzw. diese Fahrten nicht zumindest gelegentlich unternehmen zu können. Diese Alternativen fallen zu Lasten der Antragstellerin ins Gewicht (vgl. VG Würzburg, B.v. 1.9.2014 – W 6 E 14.874 – juris und BayVGH, B.v. 13.10.2014 – 11 CE 14.1986 – juris sowie VG München, B.v. 29.8.2011 – M 6b E 11.3900 – juris; VGH BW, B.v. 7.10.2008 – 10 S 2012/08 – NJW 2009, 870; VG Augsburg, U.v. 21.12.2007 – Au 3 K 07.1245 – juris).
Des Weiteren hat die Antragstellerin die Alternative, ein Zimmer in Schw oder in der Nähe zu nehmen. Der Antragsgegner hat im streitgegenständlichen Bescheid darauf hingewiesen, dass 1-Zimmer-Wohnungen mit einer Kaltmiete schon ab 173,00 EUR angeboten würden, so dass sich angesichts des hohen Guts der Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer auch die Frage stellt, für knapp zehn Monate in die Nähe der Berufsfachschule zu ziehen (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 11 CE 11.2193 – juris, VG Köln, B.v. 3.5.2010 – 11 L 524/10 – juris; VG Braunschweig, B.v. 18.2.2008 – 6 B 411/07 – NZV 2008, 315). Auch dazu hat die Antragstellerin nichts substanziiert vorgebracht. Allerdings ist anzumerken, dass nach den Unterfränkischen Richtlinien für die Ausnahme vom Mindestalter unter Nr. B. – Klasse B eine derartige Überprüfung erst ab 50 km Entfernung zum Ausbildungsplatz zu erfolgen hat.
Soweit im Hinblick auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und der Fahrzeuge der Klassen AM bzw. A1 eine eventuelle finanzielle Mehrbelastung zu bedenken ist, ist dem entgegenzuhalten, dass man demgegenüber auch den Aufwand für die Unterhaltung eines Pkw sowie die dazukommenden Kraftstoffkosten in Rechnung stellen muss (BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 11 CE 11.2193 – juris).
Nach alledem kann das Gericht nicht erkennen, dass der Antragsgegner sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte bzw. dass eine „Ermessensreduzierung auf Null“ vorläge. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO lediglich zu überprüfen hat, ob die Ablehnung der begehrten Ausnahme im konkreten Fall rechtswidrig ist, weil die Behörde die gesetzlichen Grenzen nicht erkannt, diese überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Art und Weise Gebrauch gemacht hat. Der Antragsgegner hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. Januar 2017 umfassend und nachvollziehbar Ermessenserwägungen angestellt, die nicht von der Hand zu weisen sind. Dass der Antragsgegner dabei von falschen Voraussetzungen oder von sachwidrigen Erwägungen ausgegangen ist, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Antragsgegner auf die gängige Verwaltungspraxis sowie auf die ermessenslenkenden Unterfränkischen Richtlinien für die Ausnahme vom Mindestalter gemäß § 10 i.V.m. § 74 FeV verwiesen. Dass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung auf allgemeine Richtlinien Bezug nimmt, die eine gleichmäßige Rechtsanwendung gewährleisten sollen, ist nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 13.10.2014 – 11 CE 14.1986 – juris; VG Regensburg, U.v. 1.2.2010 – RN 8 K 09.1392 – juris; VG Braunschweig, B.v. 18.2.2008 – 6 B 411/07 – NZV 2008, 315).
Eine erforderliche „Ermessensreduzierung auf Null“ kann sich vor diesem Hintergrund auch nicht aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergeben, weil der Antragsgegner sich gerade an seiner ständigen Verwaltungspraxis und an den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften orientiert hat und damit die Antragstellerin nicht anders behandelt hat als andere Jugendliche in einer vergleichbaren Situation (vgl. VG Köln, U.v. 25.3.2015 – 23 K 6741/14 – juris).
Schließlich ist in dem Zusammenhang ergänzend darauf hinzuweisen, dass vor Erteilung einer Ausnahmegenehmigung auch noch die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV zur Feststellung der Kraftfahreignung zu erwägen ist, selbst wenn das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte unterstellt würde (vgl. VG Braunschweig, B.v. 18.2.2008 – 6 B 411/07 – NZV 2008, 315; Dauer, NZV 2008, 318; vgl. auch Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 10 Rn. 14). Der Antragsgegner hat im Behördenverfahren deutlich gemacht, dass er in dem Fall, dass eine Ausnahmegenehmigung in Betracht käme, auf die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht verzichten, sondern das Ermessen dahingehend ausüben würde, ein solches Gutachten zu fordern. Da der Antragsgegner indes schon das Vorliegen eines Härtefalls verneint hat, kann ihm nicht angelastet werden, dass er von der Antragstellerin bislang die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens noch nicht verlangt hat (vgl. VG München, B.v. 29.8.2011 – M 6b E 11.3900 – juris).
Nach alledem sieht das Gericht die Voraussetzung für die Gewährung einer Ausnahmegenehmigung nicht erfüllt, weil bei der Antragstellerin keine außergewöhnlichen, von der Situation Gleichaltriger wesentlich abweichenden Umstände vorliegen, die für sie eine unzumutbare Härte darstellen. Vielmehr stehen in zumutbarer Weise andere Verkehrsmittel zur Verfügung, sowohl aus dem Bereich des ÖPNV bzw. Schienenpersonenverkehrs als auch Kraftfahrzeuge, die sie schon fahren darf, bzw. es gibt Personen, denen zumutbar ist, die Antragstellerin bis zum Erreichen des Mindestalters zumindest zum Bahnhof nach Kitzingen zu fahren.
Nach alledem konnte der Antrag im vorliegenden Eilverfahren keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 52 Abs. 1 und § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Nr. 46.3 ist bei einer Fahrerlaubnis der Klasse B ein Streitwert von 5.000,00 EUR zugrunde zu legen, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für das Sofortverfahren zu halbieren ist, so dass ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war.

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