Europarecht

Formerfordernisse für Gerichtsstandsklausel im internationalen B2B-Geschäft

Aktenzeichen  3 HK O 7193/15

Datum:
17.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 131529
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EuGVVO Art. 25 Abs. 1
ZPO § 38 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Haben die Parteien die Anwendung deutschen Rechtes vereinbart, so kommen neben Art. 25 EuGVVO  auch die deutschen Prozessrechtsvorschriften und damit die in § 38 ZPO vorgesehenen Möglichkeiten zum Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung zur Anwendung. Gemäß § 38 Abs. 1 ZPO kann damit auch durch eine stillschweigende Vereinbarung zwischen Kaufleuten eine Gerichtsstandsvereinbarung rechtswirksam getroffen werden. (Rn. 20 – 24) (red. LS Götz Schulze)

Tenor

Das angerufene Landgericht Nürnberg-Fürth ist örtlich und damit international zuständig.

Gründe

I.
Für den eingeklagten Anspruch ist die örtliche und damit internationale Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth gegeben, da eine rechtswirksame und vom Gericht daher zu beachtende Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden ist.
1. Trotz des nicht unerheblichen Auftragsumfanges wurde dieser Vertrag zwischen den Parteien nicht in irgendeiner Weise schriftlich niedergelegt. Dieser Vertrag ist vielmehr dadurch zustande gekommen, dass ein von der Klägerin erstelltes Angebot durch die Beklagte mündlich angenommen und damit der angebotene Auftrag erteilt worden ist.
Derartige mündliche Vertragsabschlüsse sind rechtlich selbstverständlich möglich, auch wenn (gerade bei grenzüberschreitenden Leistungen) zur rechtlichen Absicherung der Vertragspartner bei Vollkaufleuten eigentlich die schriftliche Niederlegung dieses Vertrages in irgendeiner Form (zum Beispiel durch Email) zwischenzeitlich erwartet werden könnte. Die sich hinsichtlich dieser Zuständigkeitsvereinbarung nunmehr ergebenden rechtlichen Schwierigkeiten gehen somit auf dieses unvorsichtige Verhalten beider Parteien zurück.
2. Da die Klägerin ihren Sitz in Deutschland, die Beklagte jedoch in Österreich hat, wären für eine Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich die Vorschriften der EuGVVO anzuwenden.
a) Nach Art. 25 Abs. 1 EuGVVO kann hierbei zwischen Prozessparteien eine Vereinbarung über den Gerichtsstand getroffen werden. Diese jetzt anzuwendenden Vorschriften gehen hierbei auf die Brüssel I-Verordnung zurück, die in Art. 23 eine entsprechende Regelung enthalten hat, wobei die Klägerin sich in ihren Schriftsätzen mit Benennung der Rechtsvorschriften sich offenbar auf diese frühere Vorschrift bezogen hat.
Zur Rechtswirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 Abs. 1 lit. a EuGVVO ist eine schriftliche Abfassung oder nach mündlicher Vereinbarung eine schriftliche Bestätigung erforderlich.
Dass diese Förmlichkeiten von den Parteien bei ihrem Vertragsschluss eingehalten worden sind, kann nicht gesehen werden. Denn die Beklagte hat auf das schriftliche Angebot einschließlich des darin enthaltenen Gerichtsstandes nicht schriftlich in irgend einer Weise reagiert. Auch wenn sich die Parteien nach Vortrag der Klägerin über diesen Gerichtsstand einig gewesen sind, fehlt es doch an den hierbei zu beachtenden Förmlichkeiten.
b) Zwar hat die Klägerin ergänzend auch auf die Möglichkeit eines Handelsbrauches im Sinne von Art. 25 Abs. 1 lit. c EuGVVO hingewiesen. Aus den von ihr vorgelegten Unterlagen wie den Montagebedingungen oder allgemeinen Geschäftsbedingungen anderer Firmen lässt sich jedoch noch nicht ableiten, dass tatsächlich in dieser Branche ein Handelsbrauch dahingehend besteht, es sei bei etwaigen Streitigkeiten dann stets das für die Montagefirma zuständige Gericht zuständig. Ein derartiger Handelsbrauch kann insbesondere dann nicht angenommen werden, wenn bei einem Auftraggeber allgemeine Geschäftsbedingungen enthalten sind, die ebenfalls in den Vertrag einbezogen werden sollen und in denen genau entgegengesetzt der Gerichtsstand des Auftraggebers als vereinbart angesehen wird.
Aus dem Umstand allein, dass Firmen, die allgemeine Geschäftsbedingungen anwenden, hierbei häufig für Rechtsstreitigkeiten auch das für sie örtlich zuständige Gericht vereinbaren wollen, kann daher noch nicht auf einen tatsächlich bestehenden Handelsbrauch mit Festlegung eines ganz bestimmten Gerichtsstandes geschlossen werden.
c) Soweit die Klägerin sich auch auf die elektronische Übermittlung des Auftrages im Sinne von Art. 25 Abs. 2 EuGVVO berufen hat, fehlt es ebenfalls an der hierfür einzuhaltenden Förmlichkeit. Diese Vorschrift könnte dann zugrunde gelegt werden, wenn die Beklagte als Auftraggeberin ebenfalls ihren Auftrag durch elektronische Übermittlung erteilt hätte, sodass auf beiden Seiten zwar kein einheitlich unterzeichnetes Dokument vorliegen würde, jedoch durch die inhaltlich übereinstimmenden elektronischen Botschaften ein in gewisser Weise schriftlicher Vertrag vorliegen würde.
d) Aus den Vorschriften des EuGVVO, die auch nach der europarechtlichen Rechtsprechung streng anzuwenden sind, kann daher noch nicht auf die Rechtswirksamkeit dieser im Angebot der Klägerin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen werden.
3. Allerdings haben die Parteien zudem die Anwendung deutschen Rechtes im Streitfalle vereinbart.
a) Dieser im Angebot der Klägerin enthaltenen Vereinbarung hat die Beklagte ebenfalls nicht widersprochen, sodass von ihrer Anwendbarkeit auszugehen ist.
Demgemäß hat die Beklagte in ihrer vorsorglichen Klageerwiderung mit Bestreiten der eingeklagten Ansprüche sich stets auf bundesdeutsche Rechtsvorschriften berufen. Dies gilt auch für die angeblich mangelhaften Arbeiten der Klägerin beim Wiederaufbau der Maschinenanlagen in Österreich, für die insoweit dann die Anwendbarkeit österreichischen Mängelrechtes denkbar wäre.
b) Mit dieser vereinbarten Anwendbarkeit bundesdeutschem Rechts wurde daher zugleich die Anwendbarkeit der Prozessrechtsvorschriften geregelt. Die prozessuale Behandlung dieses Streitfalles richtet sich somit nach den Vorschriften der bundesdeutschen ZPO. Damit sind ebenfalls die in § 38 ZPO vorgesehenen Möglichkeiten zum Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung anwendbar geworden.
c) Gemäß § 38 Abs. 1 ZPO kann damit auch durch eine stillschweigende Vereinbarung zwischen Kaufleuten eine Gerichtsstandsvereinbarung rechtswirksam getroffen werden.
Nachdem in dem Angebot der Klägerin schriftlich auf den von ihr vorgeschlagenen Gerichtsstand ausdrücklich hingewiesen worden ist und die Beklagte dieses Angebot ohne jedwede Abänderung mündlich akzeptiert hat, ist daher von einer derart stillschweigenden Vereinbarung auszugehen.
d) Allerdings hat die Beklagte auf die Regelung des Art. 38 Abs. 2 ZPO hingewiesen. Nach dieser Vorschrift ist (entsprechend Art. 25 EuGVVO) eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen Angehörigen verschiedener Staaten schriftlich oder mit schriftlicher Bestätigung zu schließen.
Unter Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtssprechung (OLG Nürnberg, NJW 1985, 1296) hat die Beklagte erklärt, dass es sich insoweit um eine Spezialvorschrift handele, die der Regelung des Art. 38 Abs. 1 ZPO vorgehe.
Diese Auffassung der Beklagten wird teilweise von der Kommentarliteratur gestützt (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 38 Rn. 25) wie diese Auffassung auch abgelehnt wird. Auch die Rechtssprechung ist unterschiedlicher Auffassung, da ein Vorrang des § 38 Abs. 2 ZPO bei Vollkaufleuten ausdrücklich abgelehnt wird (OLG Saarbrücken, NJW 2000, 670 (671)).
e) Die Vorschrift des jetzigen § 38 Abs. 2 ZPO war im ursprünglichen Gesetzesentwurf nicht enthalten (vgl. BT-Drs VI/1167, Seite 2 bzw. BT-Drs 7/268 Seite 3). Erst im Rahmen der Gesetzesberatung wurde diese Vorschrift in Angleichung an das zwischenzeitlich vorhandene europäische Recht eingefügt. Nach dem Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drs 7/1384, Seite 4) sollte mit dieser Einfügung auch anderen Personen als Vollkaufleuten die Wahl eines Gerichtsstandes ermöglicht werden. Zuvor hatte der Rechtsausschuss in seinem Bericht (a.a.O. Seite 3) bereits darauf hingewiesen, dass für Kaufleute wegen ihrer Erfahrung eine Ausnahme von den grundsätzlichen Prorogationsverbot gemacht werden kann, da der mit dem Gesetzesentwurf beabsichtigte Zweck, Rechtssuchende zu schützen, nicht erforderlich sei.
f) Betrachtet man sich den Wortlaut des § 38 ZPO, so kann durchaus entnommen werden, dass es sich bei der Vorschrift des § 38 Abs. 2 ZPO um eine zusätzliche Regelung handeln soll. In § 38 Abs. 1 wird eine Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend bei bestimmten Prozessparteien, darunter auch Kaufleuten, zugelassen. Damit ist eine Regelung getroffen worden, aufgrund der Kaufleute in der Lage sind, den Gerichtsstand für ihre Streitigkeiten selbst vereinbaren zu können.
Betrachtet man nun den Wortlaut des folgenden Absatzes 2 dieser Vorschrift, so ist darin zu lesen, dass „die Zuständigkeit eines Gerichtes des ersten Rechtszuges … ferner vereinbart werden kann, wenn mindestens …“. Mit diesem Wort „ferner“ wird somit vom Gesetzgeber deutlich gemacht, dass es sich um eine zusätzliche Gerichtsstandsvereinbarung handelt, die also außerhalb des Regelungsbereiches von § 38 Abs. 1 ZPO liegen soll. Mit dieser Vorschrift wird somit ermöglicht, dass auch andere Personen als die in Abs. 1 ZPO erwähnten Kaufleute eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen können, wobei diese dann jedoch entweder schriftlich getroffen oder bei mündlicher Absprache schriftlich zu bestätigen ist. Insoweit wird damit ein zusätzliches Wirksamkeitserfordernis eingefügt. Dieses zusätzliche Erfordernis hat durchaus seine Berechtigung, wenn der Sinn dieser damaligen Gesetzesänderung war, die Rechte von Rechtssuchenden zu schützen. Denn mit dieser Regelung wird es auch anderen Personen als Vollkaufleuten ermöglicht, bei Einhaltung der entsprechenden Förmlichkeiten eine solche Gerichtsstandsvereinbarung treffen zu können.
Diese zusätzlichen Erfordernisse der Schriftlichkeit gelten auch in Abs. 3 des § 38 ZPO, von dem dann alle sonstigen Fälle für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung erfasst werden sollen.
g) Bei Gegenüberstellung dieser Absätze wird somit aus deren Wortlaut durchaus erkennbar, dass in § 38 Abs. 1 ZPO eine Regelung für Kaufleute getroffen worden ist, während die darauffolgenden Absätze sich auf einen anderen Personenkreis beziehen sollen.
Dass dann auch die in § 38 Abs. 2 ZPO für diese anderen Personenkreise vorgesehenen Förmlichkeiten durch Kaufleute einzuhalten sind, kann daher nicht angenommen werden (B.Blindenmayer, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und das darauf anzuwendende Recht, 2002, Seite 231).
4. Da deshalb im konkreten Fall die zwischen den Parteien stillschweigend getroffene Gerichtsstandvereinbarung nach dem anzuwendenden § 38 Abs. 1 ZPO rechtswirksam ist, wurde somit das Landgericht Nürnberg-Fürth als das örtlich (und damit internationale) zuständige Gericht festgelegt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist daher die Klage bei dem zuständigen Gericht erhoben worden und also zulässig, was durch ein entsprechendes Zwischenurteil, § 280 ZPO, festzustellen ist.

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