Europarecht

Gerichtsstand im Transportrecht

Aktenzeichen  14 U 1835/16

Datum:
16.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2017, 584
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
CMR CMR Art. 31 Abs. 1 Buchst. b, Art. 34, Art. 39 Abs. 2
ZPO ZPO § 250 S. 2, § 287
EuGVVO EuGVVO Art. 29
HGB HGB § 425
BGB BGB § 250 S. 1

 

Leitsatz

Art. 39 Abs. 2 CMR begründet keinen ausschließlichen Gerichtsstand. Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 34 CMR bleibt daneben der Gerichtsstand gemäß Art. 31 Abs. 1 lit. b) CMR eröffnet.

Verfahrensgang

2 HK O 952/15 2016-03-16 Endurteil LGMEMMINGEN LG Memmingen

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 16.03.2016, Az. 2 HK O 952/15, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gegenwert von 84.816,06 Rechnungseinheiten (Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds) am 16.03.2017 in Euro umzurechnen ist.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird, beschränkt auf die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin macht Schadenersatzansprüche aus einem internationalen Straßentransport geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Änderungen haben sich insoweit ergeben, als die Beklagte im Berufungsverfahren eine Kopie des Frachtbriefes vom 12.09.2014 (Anlage BK 1) vorlegen konnte, die im Unterschied zu der erstinstanzlich vorgelegten Kopie (nach Bl. 92 d. A.) in Feld 17 den Firmenstempel des Beklagten und in Feld 23 eine Unterschrift (nach bestrittener Behauptung des Beklagten die des beauftragten Fahrers) enthält.
Das Original des Frachtbriefes ist nach schriftlicher Mitteilung der Fa. B. nicht mehr auffindbar. Nach deren Darstellung hat der das Transportgut abholende Fahrer den Frachtbrief in allen vier ihm vorgelegten Exemplaren unterschrieben und drei Exemplare mitgenommen (Schriftsätze der Rechtsanwälte G. vom 28.09.2016 (Bl. 265/268 d. A.) und 18.10.2016 (Bl. 286/288 d. A.).
Diese Darstellung stimmt nur teilweise mit der Schilderung durch den Beklagten überein. Danach wurden die vom Fahrer mitgenommenen Exemplare des Frachtbriefes erst später, nach dem Brand des Fahrzeugs, vervollständigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 20.09.2016 (Bl. 255/260 d. A.) verwiesen.
Eine Aufklärung der Widersprüche (s. dazu Terminsverfügung vom 15.12.2016, Bl. 307/308 d. A. unter Ziffer 2a) durch Beweiserhebung erfolgte nicht.
Das Landgericht hat den Beklagten zunächst antragsgemäß per Versäumnisurteil vom 18.08.2015 (Bl. 12/16 d. A.) verurteilt, an die Klägerin 84.816,06 Rechnungseinheiten (Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds), umzurechnen am Tag der Zahlung nebst Zinsen in Höhe von 5% hieraus seit 15.09.2014 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.973,90 € zu zahlen.
Nach Einspruch des Beklagten erging das angefochtene Urteil mit folgendem Tenor:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Memmingen vom 18.08.2015 wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin den Gegenwert von 84.816,06 Rechnungseinheiten (Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds), umzurechnen am 16.03.2016, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% seit dem 16.09.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Landgerichts Memmingen vom 18.08.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Das Landgericht bejahte seine internationale Zuständigkeit nach Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 b CMR. Ein Fall des Art. 39 Abs. 2 CMR liege nicht vor. Der Frachtbrief enthalte weder die Unterschrift des Hauptfrachtführers, noch sei er vom Unterfrachtführer angenommen worden. Die Haftung des Beklagten bestehe verschuldensunabhängig nach Art. 17 Abs. 1 CMR. Die Höhe des geltend gemachten Schadens sei den Anforderungen des § 287 ZPO entsprechend nachgewiesen durch die schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Privatsachverständigen E., die vorgelegten Fotos und die Aussage des Zeugen K.
Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Versäumnisurteils vom 18.08.2015 sowie die Abweisung der Klage.
Es fehle bereits an der deutschen Gerichtsbarkeit. Nach Art. 39 Abs. 2 CMR seien ausschließlich polnische Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen. Die Klägerin könne, da sie ihrerseits noch nichts an den Transportversicherer der Versenderin bezahlt habe, auch noch keine Zahlung an sich verlangen. Ein Fall der Drittschadensliquidation liege nicht vor. Zudem sei bei der Schadensberechnung fehlerhafter Weise der Fakturenwert zugrunde gelegt worden.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, und beantragt die Zurückweisung der Berufung, sowie im Wege der Anschlussberufung,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.973,90 € zu bezahlen.
Nach entsprechenden Hinweisen des Senats stellte der Kläger noch folgende Hilfsanträge:
Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Ansprüchen der A.G. C. & S. SE, K. 2, …Hamburg (Zeichen Ls57427 vom 12.09.2014) im Gegenwert von 84.816,06 Rechnungseinheiten (Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds), umzurechnen am Tag der Zahlung, nebst Zinsen in Höhe von 5% daraus seit dem 15.09.2014 freizustellen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin hin wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.973,90 € zu bezahlen.
Hilfshilfsweise:
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin gegenüber aus einem Transport vom 12.09.2014 ab der B. GmbH & Co., I., an die B. P. sp.z.o.o., ul. …, … Bolesiawiec, Transportgut sieben Holzgestelle plus sechs Paletten Crustleder plus WB/WW Leder mit einem Gesamtgewicht von 10182,000 kg, und dem Brandschadenereignis während dieses Transports, bis zum Gegenwert von 84.816,06 Rechnungseinheiten (Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds), umzurechnen am Tag der Zahlung Wertersatz zu leisten hat.
2. Es wird ferner festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Zinsen in Höhe von 5% seit dem 15.09.2014 aus dem von ihm zu leistenden Wertersatz zu bezahlen.
3. Es wird weiterhin festgestellt, dass durch den gegenständlichen Brand während der Durchführung des besagten Transportes ein Mindestschaden im Gegenwert von 84.816,06 Rechnungseinheiten entstanden ist.
4. Auf die Anschlussberufung der Klägerin hin wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.973,90 € zu bezahlen.
Zur Begründung trägt die Klägerin vor:
Ein Fall des Art. 39 Abs. 2 CMR liege nicht vor. Es fehle die Unterschrift der Klägerin als Hauptfrachtführerin, auch habe der Fahrer des Beklagten den Frachtbrief nicht übernommen.
Das Landgericht habe zu Unrecht einen auf den Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichteten Anspruch verneint. Der Klägervertreter sei erst beauftragt worden, nachdem der Beklagte durch ein Schreiben des für die Klägerin tätigen Versicherungsmaklers in Verzug gesetzt worden sei. Bei entsprechendem richterlichem Hinweis hätte dies erstinstanzlich vorgetragen und belegt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat mit Verfügung vom 03.08.2016 (Bl. 216/217 d. A.) auf der damaligen Tatsachengrundlage rechtliche Hinweise erteilt. Aufgrund des nachfolgenden Parteivortrags und der Angaben der Fa. B. ergingen unter dem 07.10.2016 weitere Hinweise (Bl. 278/279 d. A.).
Im Rahmen der Ladungsverfügung vom 15.12.2016 wurden noch einmal rechtliche Hinweise erteilt (Bl. 307/310 d. A.), auf die verwiesen wird.
II.
Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, aber unbegründet.
1. Die deutschen Gerichte sind nach Art. 31 Abs. 1 b CMR international zuständig. Dies gilt auch dann, wenn zugleich der Gerichtsstand des Art. 39 Abs. 2 CMR eröffnet sein sollte, wozu der Senat keine abschließenden Feststellungen getroffen hat.
1.1. Der Rechtsstreit betrifft einen Transport von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen von einem Vertragsstaat in einen anderen. Damit ist der Anwendungsbereich des CMR-Übereinkommens eröffnet.
1.2. Die Übernahme des Gutes erfolgte in I. und damit in Deutschland. Damit sind die Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 b CMR für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte erfüllt.
1.3 Der besondere Gerichtsstand des Art. 39 Abs. 2 CMR – so er hier gegeben sein sollte – steht der Anwendung des Art. 31 Abs. 1 b CMR nicht entgegen.
1.3.1. Das OLG Karlsruhe (vom BGH zitiert im Urteil vom 19.04.2007, Az.: I ZR 90/04, dort Rn. 10, zitiert nach Juris) war der Auffassung, dass Art. 39 Abs. 2 CMR die allgemeine Zuständigkeitsregelung in Art. 31 Abs. 1 CMR nicht verdränge. Der BGH hat diese Frage in seinem Urteil nicht entschieden. Er konnte diese Frage offen lassen, weil schon kein Fall des Art. 34 CMR vorlag (BGH, a. a. O., Rn. 13 ff).
1.3.2. In der Literatur wird überwiegend darauf abgestellt, dass sich aus Art. 40 CMR der zwingende Charakter der Zuständigkeitsnorm ergebe, eine Verankerung der Zuständigkeit aufgrund des Prinzips des gesetzlichen Richters unverzichtbar sei, im Unterschied zu Art. 39 Abs. 3 CMR gerade nicht auf Art. 31 CMR verwiesen werde (vergl. Koller, a. a. O., Rn. 3 zu Art. 39 CMR; Jesser-Huß, a. a. O., Rn. 6 zu Art. 39 CMR; Schmid, a. a. O., Rn. 5 zu Art. 39 CMR; Ebenroth u. a., HGB, 3. A., 2015, Rn. 4 zu Art. 39 CMR). Allen zitierten Kommentarstellen ist gemeinsam, dass sie diese Frage nur kurz und knapp streifen. Eine breiter angelegte Argumentation findet dort nicht statt.
1.3.3. Die angeführten Argumente überzeugen nicht. Die Unabdingbarkeit eines Gerichtsstandes ist nicht zwingend gleichbedeutend mit seiner Ausschließlichkeit. Der hier möglicherweise gegebene internationale Gerichtsstand Polen mag nicht abbedungen werden können. Dies muss aber nicht heißen, dass es keinen weiteren geben kann.
Ein Zusammenhang mit dem Prinzip des gesetzlichen Richters vermag der Senat auch nicht zu erkennen. Es ist weder selten, noch ungewöhnlich, dass in einem Streitfall mehrere gerichtliche Zuständigkeiten eröffnet sind. Auch Art. 39 Abs. 2 CMR selbst eröffnet u. U. mehrere Gerichtsstände. Jeder dieser Gerichtsstände ist ein gesetzlicher Gerichtsstand und der dort zuständige Richter der gesetzliche Richter. Etwaige positive Kompetenzkonflikte haben eigene Regelungen (z. B. Art. 29 EuGVVO, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Die Verwendung der Formulierung „kann … seinen Anspruch … erheben“ ist schon sprachlich die Eröffnung einer Möglichkeit, nicht aber ein zwingendes „muss“. Dies gilt auch für die im französischen und englischen Wortlaut (beide letztlich verbindlich) verwendeten Hilfsverben „peut“ bzw. „may“, die für „können“ im Sinne von „dürfen“ stehen. Selbst wenn man bei der sprachlichen Auslegung die nicht von der Hand zuweisenden Argumente des Beklagten im Schriftsatz vom 23.01.2017 (Bl. 314/317 d. A.) berücksichtigt, fehlt bei Art. 39 Abs. 2 CMR jeder Hinweis auf die angebliche Ausschließlichkeit dieses Gerichtsstandes. Gerade wenn auf die gleichlautenden Formulierungen in Art. 31 Abs. 1 CMR einerseits und Art. 39 Abs. 2 CMR andererseits abgestellt wird, ist hervorzuheben, dass eine dem Satz 2 in Art. 31 Nr. 1 CMR vergleichbare Klausel in Art. 39 Abs. 2 CMR gerade fehlt. Der Senat vermag daher die Kritik von Helm (Frachtrecht II CMR, 2002, 2. A., S. 640 ff) gut nachzuvollziehen.
Es wäre auch in der Sache schwer verständlich, dass ein Samtfrachtführer zwar im Land irgendeines anderen Samtfrachtführers nach Art. 39 Abs. 2 CMR soll (mit-)verklagt werden können, am Ort der Übernahme oder Ablieferung der Ware aber nicht. Gerade diese Ausweitung des Gerichtsstandes nach Art. 39 Abs. 2 CMR auf das Herkunftsland anderer Transportbeteiligter zeigt, dass es bei dieser Norm nicht darum geht, den in Regress genommenen Frachtführer vor fremden Gerichtsständen zu schützen. Die nach Art. 39 Abs. 2 CMR möglichen Gerichtsstände sind im Zweifel in vielen Fällen weniger vorhersehbar als die in Art. 31 Abs. 1 CMR genannten.
Art. 34 ff CMR wollen aus Sicht des Absenders bzw. Empfängers die Zahl der Schuldner erhöhen und damit das Risiko einer Insolvenz vermindern wie sie auch die Greifbarkeit eines Schuldners verbessern (Koller, a. a. O. Rn. 1 vor Art. 34 CMR). In der Konsequenz eröffnet Art. 39 CMR dem in Anspruch genommenen Frachtführer verbesserte Möglichkeiten des Regresses. Mit dieser gesetzlichen Intention wäre es kaum vereinbar, wenn ein Samtfrachtführer, der die Ware in Deutschland in Empfang nahm, bei einem Schaden in Deutschland nicht auch in Deutschland verklagt werden könnte.
2. Die Haftung des Beklagten dem Grunde nach ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 CMR, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Etwaige Mängel des eingesetzten LKWs hat er unabhängig von einem etwaigen Verschulden zu vertreten, Art. 17 Abs. 3 CMR.
Dass dem Beklagten einer der Entlastungstatbestände des Art. 17 CMR zugute kommen könnte, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.
3. Die Schadensberechnung des Landgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen.
3.1. Den Wert der geschädigten Ware hat das Landgericht zutreffend nach Art. 23 Abs. 2 CMR bestimmt.
Mangels anderer Anhaltspunkte kann der Marktpreis anhand der für die zu Schaden gekommene Ware erstellten Verkaufsrechnung ermittelt werden. Sie ist insbesondere dann ein gewichtiges Indiz, wenn sie – wie hier – schon vor dem Schadensfall erstellt wurde (Koller, TransportR, 9. A., Rn. 5 zu Art. 23 CMR). Aufgrund der Einvernahme des Zeugen K., dessen Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel gezogen wird, steht auch fest, dass die Versenderin konzernintern keine sachfremden Erwägungen bei der Berechnung hat einfließen lassen.
3.2. Das Landgericht hat auch überzeugend begründet, weshalb es den objektiven Restwert der brandgeschädigten Ware mit maximal 36.000 € angesetzt hat. Diese Begründung macht sich der Senat zu eigen.
Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens war nicht geboten. Da die geschädigte Ware nicht mehr zur Verfügung steht, könnte ein gerichtlich bestellter Sachverständiger ausschließlich an die sachkundigen Feststellungen des Zeugen E. anknüpfen. Ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn ist daher aus einer derartigen Beweiserhebung nicht zu erwarten.
Es kommt hinzu, dass es sich bei dem Zeugen E. um einen professionellen Schadensgutachter für Transportschäden handelt. Derartige Havariekommissare genießen nicht zuletzt aufgrund ihrer persönlichen Integrität hohes Ansehen in der Transportbranche. Der Beklagte trägt auch nichts vor, was Zweifel an der Objektivität des Zeugen wecken könnte.
3.3. Der Klägerin bzw. der Fa. B. kann auch nicht der Vorwurf der Beweisvereitelung gemacht werden. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, auf eine Sicherstellung der geschädigten Ware trotz der mit ihr verbundenen Geruchsbelästigung zu dringen und die Gelegenheit für eine eigene Überprüfung des Schadensumfangs einzufordern. Dies wäre ihm umso leichter möglich gewesen, als er auch mit dem Rücktransport dieser Ware an die Versenderin beauftragt worden ist.
4. Nach nochmaliger Überprüfung der rechtlichen Argumente war die Berufung des Beklagten auch insoweit unbegründet, als er sich gegen eine Verurteilung zur Zahlung anstelle einer solchen zur Freistellung wandte.
Es liegt zwar entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kein Fall der Drittschadensliquidation vor, der Zahlungsanspruch ist aber aufgrund der Regelung in § 250 S. 2 BGB begründet.
4.1. Soweit der BGH in Transportschadensfällen die Grundsätze der Drittschadensliquidation anwandte, ging es immer um Fallgestaltungen, bei denen nicht der Anspruchsteller, sondern ein Dritter den Schaden oder einen Teil des Schadens erlitten hatte. Im Urteil vom 10.12.2009 (Az. I ZR 154/07, Rn. 29, zitiert nach Juris) ging es um nutzlos aufgewandte Kosten der Empfängerin für Steuerbanderolen, die mit den Zigaretten, für die sie bestimmt waren, gestohlen worden waren. Der Schaden ist hier nicht bei der Versenderin bzw. ihrer Sachversicherung, sondern bei der Empfängerin entstanden.
Bei der Entscheidung vom 22.01.2015 (Az.: I ZR 127/13, Rn. 25/26, zitiert nach Juris) ging es darum, dass der klagende Hauptfrachtführer seinem Auftraggeber aufgrund einer Haftungsbeschränkung weniger schuldete als sein ohne diese Begrenzung haftender Unterfrachtführer. Hier konnte der Hauptfrachtführer den seine eigene Haftung übersteigenden Schaden des Versenders als Drittschaden liquidieren. Diese Entscheidung zeigt aber zugleich, dass es bei derartigen Regressfällen abgesehen von solchen Ausnahmen immer um einen eigenen Schaden des Hauptfrachtführers geht (Koller, Transportrecht, 9. A., Rn. 9 zu Art. 13 CMR, Rn. 67 ff zu § 425 HGB). So auch hier.
4.2. Die Klägerin konnte aber jedenfalls im für die Entscheidung maßgeblichen letzten Termin zur mündlichen Verhandlung eine Umwandlung ihres Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch nach § 250 S. 2 BGB geltend machen, da sie ihrerseits den gegen sie geltend gemachten Anspruch zumindest in der hier geltend gemachten Höhe nicht bestreitet (Koller, a. a. O., Rn. 70 zu § 425 HGB). Sie hat insoweit der vom Transportversicherer der Fa. Bader geltend gemachten Haftung nicht widersprochen.
Einer gesonderten Fristsetzung nach § 250 S. 1 BGB bedurfte es angesichts der ernsthaften Erfüllungsverweigerung durch den Beklagten nicht mehr (Palandt-Grüneberg, BGB, 2017, Rn. 2 zu § 250 BGB).
Aus der vom Beklagten als Argument gegen die Anwendung von § 250 S. 2 BGB zitierten Entscheidung (Urteil vom 19.03.2015, Az.: I ZR 190/13, zitiert nach Juris) ergibt sich nichts anderes. Dort scheiterte die Umwandlung daran, dass die Schadenshöhe noch nicht feststand, somit nur eine Feststellungsklage, aber noch keine Leistungsklage möglich war. Ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts lag im genannten Verfahren nur eine ungefähre Schätzung, aber noch kein bezifferter Antrag vor. Im hiesigen Verfahren ist dies anders. Dass der bezifferte Schaden vom Beklagten bestritten wird, ändert nichts daran, dass er als feststehend geltend gemacht wird.
4.3. Im Ergebnis war daher der Beklagte zu verurteilen wie erstinstanzlich geschehen. Gemäß Art. 23 Abs. 7 S. 2 CMR erfolgt die Umrechnung in die in Deutschland gültige Landeswährung am Tag des Urteils. Art. 27 Abs. 2 CMR betrifft wie § 244 Abs. 2 BGB Fremdwährungsschulden.
Der Zinsanspruch folgt aus Art. 27 Abs. 1 CMR.
Die vorsorglich gestellten Hilfsanträge der Klägerin waren nicht mehr zu verbescheiden.
5. Die mit der Anschlussberufung weiter geltend gemachten Rechtsanwaltskosten wurden vom Landgericht zu Recht abgewiesen.
Bereits mit Schriftsatz vom 20.11.2015, S. 4 (Bl. 67 d. A.) hat der Beklagte auf die Unschlüssigkeit des diesbezüglichen Klagvortrags hingewiesen. Die Klägerin hat dies auch zur Kenntnis genommen (Schriftsatz vom 03.12.2015, S. 8, Bl. 85 d. A.). Eines weiteren Hinweises des Gerichts bedurfte es schon deshalb nicht mehr. Im Übrigen ergibt sich aus § 139 Abs. 2 ZPO, dass sich die richterliche Hinweispflicht nicht auf Nebenforderungen bezieht.
Die Mitteilung einer bloßen Haftbarmachung begründet noch keinen Verzug des Schuldners. Dass die Klägerin darüber hinaus den Beklagten unter dem 11.12.2014 unter einer Verzug begründenden Fristsetzung zur Zahlung aufgefordert hat, wurde erstinstanzlich so weder vorgetragen noch im Tatbestand festgestellt. Die beantragte Tatbestandsberichtigung wurde vom Erstgericht abgelehnt.
Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, was sie an einer schlüssigen Darstellung des den Anspruch begründenden Schuldnerverzugs, der aus Gründen des Kausalzusammenhangs vor der Beauftragung der Klägervertreter eingetreten sein müsste, gehindert hat.
Einer Berücksichtigung dieses Vortrags steht daher § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO entgegen.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
2. Die Revision war im tenorierten Umfang nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da zur Frage, ob der unabdingbare Gerichtsstand des Art. 39 Abs. 2 CMR zugleich ein ausschließlicher Gerichtsstand ist, in der Literatur streitig und höchstrichterlich noch nicht entschieden ist. Der BGH hat diese Frage im Urteil vom 19.04.2007 (Az. I ZR 90/04, Rn. 13 ff, zitiert nach Juris) offen gelassen.

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