Aktenzeichen S 5 SO 31/20 ER
SGB XII § 24 Abs. 1 S. 1, § 24 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
Es liegt bereits keine außergewöhnliche Notlage und damit keine Ausnahme vom Leistungsausschluß gemäß § 24 Abs. 1 S. 1, S. 2 SGB XII vor,. (Rn. 16 – 21)
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt mit dem vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der im Jahr 1967 in P. geborene Antragsteller wohnt seit Juni 2015 in S., F.. Er beantragte am 30.01.2020 erneut Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII beim Antragsgegner, nachdem bereits in der Vergangenheit Anträge mit Verweis, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nicht erfülle, rechtskräftig, abgelehnt wurden.
Am 17.03.2020 ergänzte der Antragsteller diesen Leistungsantrag. Aufgrund der Covid-19-Pandemie könne er nicht nach Deutschland zurückkehren, so dass die Anspruchsvoraussetzungen vorlägen. Aufgrund der nunmehr höheren Lebensmittelkosten könne er seinen Grundbedarf nicht mehr aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln decken. Aufgrund eines gegen ihn vorliegenden Haftbefehls der Bayerischen Justiz sei er gehindert, nach B-Stadt zurückzukehren, wo er Opfer schwerer Straftaten durch die Bayerische Justiz geworden sei.
Der Antragsteller gibt in den Antragsunterlagen an, allein eine 66 qm große Wohnung zu einer Bruttokaltmiete in Höhe von 786,71 € zu bewohnen und monatliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 208,58 € zahlen zu müssen.
Die Deutsche Rentenversicherung … gewährt dem Antragsteller eine monatliche Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von derzeit 1153,93 €.
Seit dem 28.01.2016 bezog der Antragsteller französische Wohnbeihilfe in Höhe von 136,50 €, im Jahr 2018 in Höhe von 110,00 €. Ob er aktuell diese Beihilfe weiter erhält ist nicht bekannt.
Nachdem der Antragsgegner bisher nicht über den Leistungsantrag entschieden hat, stellte der Antragsteller am 31.03.2020 den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und beantragt,
1. Dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Fachanwalt für Sozialrecht beizuordnen.
2. Den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß SGB XII seit dem 30.01.2020, hilfsweise ab sofort, zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang und die gerichtliche Verfahrensakte verwiesen.
II.
1. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, die besondere Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Im vorliegenden Fall ist bereits kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Gewährung der von ihm begehrten Leistungen.
Gemäß § 24 Abs. 1 S.1 SGB XII erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Materiellrechtlich gilt für im Ausland lebende Deutsche der Grundsatz, dass Sozialhilfe auch an Deutsche nicht ins Ausland gezahlt wird. Nach dem Territorialitätsgrundsatz sind staatliche Fürsorgeleistungen nur an Personen im eigenen Hoheitsgebiet zu leisten. Leistungen erhält grundsätzlich nur, wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
Gemäß § 24 Abs. 1 S.2 SGB XII kann vom Grundsatz des Leistungsausschlusses im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland entweder aufgrund der Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss, oder aufgrund einer längerfristigen stationären Betreuung in einer Einrichtung bzw. Schwere der Pflegebedürftigkeit oder aufgrund hoheitlicher Gewalt nicht möglich ist.
Denn grundsätzlich hat jeder hilfebedürftige Deutsche im Ausland die Möglichkeit nach Deutschland zurückzukehren und so in den Genuss staatlicher Fürsorgeleistungen zu kommen. Insoweit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt. Nur wenn eine Rückkehr aus den im Gesetz abschließend benannten Gründen unmöglich ist, muss, um die Gleichbehandlung zu wahren, ausnahmsweise Sozialhilfe ins Ausland gezahlt werden.
Im Fall des Antragstellers ist bereits die erste Voraussetzung für die Abweichung vom Grundsatz des Leistungsausschlusses, das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notlage, nicht erfüllt.
Eine außergewöhnliche Notlage liegt vor, wenn sie in ihrer Intensität deutlich über diejenigen Notlagen hinausgeht, denen üblicherweise mit Mitteln der Sozialhilfe zu begegnen ist. Es müssten besonders bedeutsame, existenzielle Rechtsgüter unmittelbar gefährdet oder verletzt sein.
Es besteht keinerlei Anhalt dafür, dass Leib, Leben, Gesundheit oder sonstige existentiellen Rechtsgüter des Antragstellers durch den Leistungsausschluss unmittelbar gefährdet sind. Der Antragsteller verfügt über finanzielle Mittel mindestens in Höhe seiner Rente wegen Erwerbsminderung, die auch bei einem gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers in Deutschland einen Anspruch auf Leistungen nach SGB XII ausschließen würden.
Grundsicherung als Leistung der Sozialhilfe bedeutet, dass die Regelbedarfe, aktuell in Höhe des ermittelten Pauschalbetrages für Alleinlebende von 432,00 € monatlich, und die Kosten für angemessenen Wohnraum gedeckt sein sollen. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten liegt in Anlehnung an die Tabelle des § 12 Wohngeldgesetzes zuzüglich des Sicherheitszuschlages von 10% für einen Alleinstehenden in der Mietenstufe I aktuell bei 371,80 €, in der Mietenstufe III (z.B. P.. Stadt) bei 468,60 € zuzüglich angemessene Heizkosten. Diese Bedarfe kann der Antragsteller, auch nach Abzug der Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung, aus seinem Renteneinkommen in Höhe von 1153,93 € decken. Er ist verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel vorrangig zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes einzusetzen.
Damit liegt bereits keine existentielle Notlage im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII vor.
Auf das kumulativ weiter vorausgesetzte besondere Rückkehrhindernis gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 -3 SGB II kommt es folglich nicht an.
Selbst wenn für den Antragsteller tatsächlich aufgrund der Covis-19-Pandemie keine Rückkehrmöglichkeit bestanden haben sollte bzw. weiter nicht bestünde, so hätte dies folglich keinen Leistungsanspruch gemäß § 41a SGB XII begründet.
Anzumerken ist am Rande, dass die vom Antragsteller selbst geschilderte finanzielle Notsituation allein aus dem Grund existiert, dass er in einer unangemessen großen und teuren Wohnung wohnt, deren Kosten sozialhilferechtlich nicht über einen Betrag in Höhe von maximal 470,00 € für Bruttokaltmiete berücksichtigt werden können. Dieser Zustand bestand vor und besteht unverändert aktuell während der Corona-Pandemie. Der Umstand, dass der Antragsteller nach eigenem Vortrag derzeit keine Lebensmittel bei der Tafel erhält, ist ebenso nicht entscheidungserheblich. Denn die Festlegung und Berechnung der Regelbedarfe geht nicht von einer kostenlosen oder kostengünstigen Bedarfsdeckung für Lebensmittel durch die Tafel oder andere Sozialeinrichtungen aus, sondern ist bemessen auf Grundlage von Einkäufen in Supermärkten. Selbst wenn der Antragsteller tatsächlich bisher durch die Nutzung der Tafel Einsparungen erzielen konnte, so ist dies leistungsrechtlich nicht relevant.
Auch weiterhin bleibt dem Antragsteller die Entscheidung selbst überlassen, ob er künftig weiter in seiner unangemessen teuren Wohnung im Zentrum S… verbleibt oder durch Senkung der Unterkunftskosten selbst seine finanzielle Situation positiver gestaltet.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war abzulehnen.
Gemäß § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war bereits deshalb abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. Bezug genommen.