Aktenzeichen 18 W 1321/19
Leitsatz
Tenor
Hinweis gemäß § 139 ZPO:
Nach vorläufiger Prüfung ist die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts vom 20.08.2019, mit dem das Landgericht das rechtskräftige Versäumnisurteil vom 30.04.2019 gegen die ehemalige Beklagte … von Amts wegen aufgehoben hat, nach dem Grundsatz der „Meistbegünstigung“ zulässig. Denn nach allgemeiner Auffassung dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachtoil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2008 – XII ZB 125/06, MDR 2009, 1000, juris Rn. 17). Eine Aufhebung des Versäumnisurteils hätte hier – nach Einlegung eines Einspruchs durch die Beklagtenpartei – allenfalls nach mündlicher Verhandlung durch Urteil gemäß § 343 ZPO erfolgen können. Für eine Aufhebung durch Beschluss fehlt hingegen jegliche Rechtsgrundlage. Gegen ein das Versäumnisurteil formgerecht aufhebendes Endurteil wäre das Rechtsmittel der Berufung statthaft gewesen. Nach dem Grundsatz der „Meistbegünstigung“ ist mithin aufgrund der tatsächlichen (inkorrekten) Entscheidungsform in Form eines Beschlusses auch die eingelegte sofortige Beschwerde zulässig. Zugleich erweist sich diese nach vorläufiger Prüfung auch als begründet, da das Landgericht ein in Rechtskraft erwachsenes Versäumnisurteil, gegen das nur der (befristete) Rechtsbehelf des Einspruchs zulässig wäre, ohne jegliche Rechtsgrundlage durch einfachen Beschluss „von Amts wegen“ aufgehoben hat. Eine entsprechende Befugnis ist dem Gesetz fremd, der Beschluss erweist sich als objektiv willkürliche Maßnahme, für die es an jeder rechtlichen Grundlage fehlt.
Insbesondere handelt es sich bei dem Versäumnisurteil vom 30.04.2019 auch nicht um ein sog, Schein- oder Nichturteil oder ein wirkungsloses bzw, -gemindertes Urteil, das aufgrund eines besonders schwerwiegenden Mangels unwirksam wäre (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., Vor § 300 Rn. 13 ff.; MüKoZPO/Musielak, 5. Aufl. 2016, Vor § 300 Rn. 3 ff.). Zwar hätte das Versäumnisurteil wegen Unzulässigkeit der Klage nicht ergehen dürfen, der ursprünglichen Beklagten fehlte bereits bei Klagezustellung aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die passive Prozessführungsbefugnis und dem Kläger, der seine Forderung nur noch durch Anmeldung im Insolvenzverfahren realisieren konnte, das Rechtsschutzbedürfnis für eine entsprechende Klage (vgl. BGH, Beschluss vom 11.12.2008 – IX ZB 232/08, NJW-RR 2009, 566, juris Rn. 7). Als spezieller und ausschließlicher Rechtsbehelf gegen das erlassene (echte) Versäumnisurteil ist jedoch der Rechtsbehelf des Einspruchs vorgesehen, d.h. das Versäumnisurteil als fehlerhafte Entscheidung muss angefochten werden, um den Eintritt der Rechtskraft zu verhindern (vgl. Zöller/Feskorn a.a.O. Rn. 20). Dies ist hier nicht erfolgt. Auch aus der vom Landgericht in Bezug genommenen Kommentierung bei Zöller/Greger, § 249 Rn. 10 lässt sich für das vorliegende Verfahren nichts Gegenteiliges ableiten, vielmehr wird dadurch nochmals bekräftigt, dass Urteile bei Verfahrensverstößen grundsätzlich nicht nichtig, sondern mit den üblichen Rechtsbehelfen anfechtbar sind.
Der Senat sieht sich allerdings daran gehindert, durch Beschluss über die sofortige Beschwerde zu entscheiden. Denn der Grundsatz der Meistbegünstigung führt nicht dazu, dass das Rechtsmittelgericht auf dem vom unteren Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste, vielmehr hat es das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Fall einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre (vgl. BGH a.a.O., juris Rn. 28). Dies bedeutet, dass in das Berufungsverfahren überzuleiten und – grundsätzlich nach mündlicher Verhandlung – über die sofortige Beschwerde durch Urteil zu entscheiden ist.
Die Parteien erhalten Gelegenheit für Stellungnahme zu vorstehenden Hinweis bis zum 07.01.2020. Der Termin könnte abgesetzt werden, wenn beide Parteien ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklären (§ 128 Abs. 2 ZPO).