Aktenzeichen M 26 S 16.234
VwGO VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
Leitsatz
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung der Inlandsungültigkeit seiner tschechischen Fahrerlaubnis und die für sofort vollziehbar erklärte Aufforderung, seinen tschechischen EU-Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks für das Inland vorzulegen.
Dem Antragsteller wurde die (damals deutsche) Fahrerlaubnis mit Urteil des Landgerichts A… vom 26. Juni 2003 rechtskräftig entzogen. Die verhängte Sperrfrist endete am … Dezember 2003. Eine deutsche Fahrerlaubnis wurde seitdem nicht mehr erteilt.
Der Antragsteller war sodann im Besitz einer tschechischen EU-Fahrerlaubnis der Klassen A und B, ausgestellt am … Oktober 2004. Im zugehörigen Führerschein war ein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland eingetragen. Am … September 2009 wurde dem Antragsteller erneut ein tschechischer Führerschein ausgestellt. Darin sind für die Fahrerlaubnisklassen A und B jeweils das Erteilungsdatum … Oktober 2004 sowie ein tschechischer Wohnsitz vermerkt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. Dezember 2015, zugestellt am … Dezember 2015, stellte die Antragsgegnerin fest, dass für den Antragsteller mit der tschechischen Fahrerlaubnis der Klassen A und B, erteilt am … September 2009 durch B…, Nr. … in der Bundesrepublik Deutschland keine Fahrberechtigung besteht (Nr. 1 des Bescheids). Unter Nr. 2 wurde der Antragsteller aufgefordert, seinen tschechischen Führerschein zwecks Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung vorzulegen. Ein Zwangsgeld über a… EUR wurde angedroht (Nr. 3) und die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, ein ausländischer Führerschein sei zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen, wenn keine Fahrberechtigung für das Inland bestehe. Die tschechische EU-Fahrerlaubnis vom … Oktober 2004 sei wegen eines aus dem Führerschein hervorgehenden Wohnsitzverstoßes inlandsungültig. Bei dem am … September 2009 ausgestellten Führerschein, der einen tschechischen Wohnsitz aufführe, handele es sich lediglich um ein Ersatzdokument.
Der Antragsteller hat am … Januar 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und gleichzeitig beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom … März 2016,
den Antrag abzulehnen.
Mit Beschluss vom 13. April 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 26 K 16.233 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Interessenabwägung, die sich auch an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert. Hier bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids, so dass das Interesse der Antragsgegnerin an der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung überwiegt.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu den Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 14. Dezember 2015 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die Antragsgegnerin hat unter ausreichender Würdigung des Einzelfalls dargelegt, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen (s. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Sie hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren, ergibt.
Die in Nr. 1 des Bescheids vom 14. Dezember 2015 enthaltene Feststellung der nicht bestehenden Fahrberechtigung erweist sich nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zur weiteren Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Die Antragsgegnerin hat sowohl die den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen zutreffend angegeben als auch im Ergebnis richtig festgestellt, dass der Antragsteller mit seinem zweiten tschechischen Führerschein vom … September 2009 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht fahrberechtigt ist, § 28 Abs. 4 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV. Ergänzend verweist das erkennende Gericht auch auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragserwiderung vom … März 2016, denen es ebenso folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
Der Kläger hat durch die in der Tschechischen Republik am … Oktober 2004 erworbene Fahrerlaubnis der Klassen A und B keine Berechtigung erworben, entsprechende Kraftfahrzeuge im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland, zu führen, da diese Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis des seinerzeit gültigen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b i. V. m. Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG erteilt wurde und sich dieser Verstoß aus dem tschechischen Führerschein vom … Oktober 2004 durch die Eintragung des deutschen Wohnsitzes in Feld 8 selbst ergab, § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV (BVerwG, U.v. 25.8.2011 – 3 C 25/10 – juris). Dieser Wohnsitzverstoß und damit die fehlende Berechtigung setzen sich auch in dem am … September 2009 ausgestellten Führerschein fort, auch wenn in diesem Führerschein nun im Feld 8 ein in der Tschechischen Republik liegender Wohnsitz eingetragen ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.5.2012 – 11 CS 12.171 – juris). Denn es ist nicht ersichtlich, dass der am … September 2009 ausgestellte Führerschein eine zu diesem Datum (neu) erteilte Fahrerlaubnis dokumentiert. Er ist vielmehr als Ersatzdokument im Sinne des Art. 11 Abs. 5 der Richtlinie 2006/126/EG zu klassifizieren, welches dem Antragsteller keine Berechtigung verschaffen kann, die über den Umfang der Befugnisse hinausgeht, die mit dem am … Oktober 2004 ausgestellten Führerschein beurkundet wurden (s. BayVGH, B.v. 18.1.2010 – 11 CS 09.2079 – juris). Hierfür spricht vorliegend, dass das auf der Rückseite des Führerscheins unter Spalte 10 enthaltene Datum der ersten Fahrerlaubniserteilung (s. Anhang I der Richtlinie 2006/126/EG [Bestimmungen zum EG-Muster-Führerschein]) für die Klassen A und B exakt demjenigen entspricht, welches bereits in dem ursprünglichen tschechischen Führerschein des Antragstellers vom … Oktober 2004 als Ausstellungsdatum unter der Nr. 4a und als Erteilungsdatum für die Fahrerlaubnis in der Spalte 10 angegeben war. Wäre dem Antragsteller am … September 2009 eine Fahrerlaubnis für die Klassen A und B tatsächlich – aufgrund einer aktuellen Beurteilung seiner Fahreignung – neu erteilt worden, hätte für eine Aufnahme des Erteilungsdatums … Oktober 2004 in Spalte 10 keine Veranlassung bestanden (s. VG Augsburg, B.v. 17.10.2014 – Au 7 S 14.1310 – juris). Soweit der Antragsteller in seinem Schreiben vom … Mai 2015 an die Antragsgegnerseite darauf verweist, dass die tschechischen Behörden seine Fahreignung im 5-jährigen Abstand überprüfen und nach Untersuchung die Fahrerlaubnis wiedererteilen bzw. verlängern würden, ist dies schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die von der Tschechischen Republik ausgestellten Führerscheindokumente keine Befristung der Fahrerlaubnis und auch keine Auflagen erkennen lassen.
Dass im Jahr 2004 das sich damals aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b i. V. m. Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG ergebende Wohnsitzerfordernis noch nicht Eingang in das tschechische Recht gefunden hatte, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein der Verstoß gegen die damals schon geltende o.g. Richtlinie selbst (BayVGH, B.v. 29.5.2012 – 11 CS 12.171 – juris). Ebenso ist nicht von Belang, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt der Ausstellung des zweiten Führerscheins am … September 2009 in Tschechien wohnhaft war bzw. dort noch wohnhaft ist (s. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, FeV, § 28 Rn. 26).
Da somit die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Feststellung in Nr. 1 der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der sofortigen Vollziehbarkeit der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Anordnung, den Führerschein zum Zweck der Eintragung des Sperrvermerks vorzulegen. Die – im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte – Vorlagepflicht ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i. V. m. § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV.
Rechtliche Bedenken gegen die im Bescheid enthaltenen Festsetzungen zu den Zwangsmitteln bzw. den Kosten des Verwaltungsverfahrens wurden weder vorgetragen, noch sind solche sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5, 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand November 2013).