Aktenzeichen 20 U 579/19
Leitsatz
1. Die Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss ist nicht erst dann zu verneinen, wenn dem Käufer positiv bekannt ist, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es reicht aus, dass er es jedenfalls für möglich gehalten hat, dass das Fahrzeug von dem ihm bekannten „VW-Dieselskandal“ betroffen ist, und er keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese sich aufdrängende Frage vor Vertragsschluss zu klären. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
24 O 2046/18 2019-01-10 Urt LGLANDSHUT LG Landshut
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 10.01.2019, Aktenzeichen 24 O 2046/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut sowie dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.240,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines PKW … Touran, in den ein von der Beklagten hergestellter Motor der Baureihe „EA 189“ eingebaut ist.
Die Klagepartei erwarb am 23.01.2016 einen gebrauchten … Touran mit der Fahrgestellnummer …37 zu einem Gesamtpreis von 20.400,00 Euro. In dem Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte Motor des Typs „EA 189“ verbaut. Die Steuerungssoftware dieses Motors erkennt, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet. Während im Testlauf die Motorsteuerung dergestalt erfolgt, dass mittels einer Abgasrückführung die Abgase zusätzlich gereinigt werden und in der Folge die Grenzwerte nach Euro 5 eingehalten werden (Modus 1), schaltet die Software im normalen Fahrbetrieb im Straßenverkehr in Modus 0, bei dem eine deutlich geringere Abgasrückführung erfolgt und in der Folge der Stickoxidausstoß wesentlich höher ist, so dass die Grenzwerte nach Euro 5 nicht mehr eingehalten werden.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Landshut vom 10.01.2019 Bezug genommen. Änderungen oder Ergänzungen im Sachverhalt haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 10.01.2019 die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des vorgenannten Urteils Bezug genommen.
Das erstinstanzliche Urteil ist der Klagepartei am 26.01.2019 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 05.02.2019, eingegangen beim Oberlandesgericht am 06.02.2019, hat die Klagepartei Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 21.05.2019, eingegangen am selben Tage, begründet, nachdem auf ihren Antrag vom 26.03.2019 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.04.2019 und auf ihren weiteren Antrag vom 23.04.2019 bis zum 21.05.2019 verlängert worden war.
Die Klagepartei beantragt,
1.Unter Abänderung des am 10.01.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Landshut, Aktenzeichen 24 O 2046/18, die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs … Touran mit der Fahrgestellnummer …37 an den Kläger 20.400,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit 16.05.2018 zu zahlen.
2.Unter Abänderung des am 10.01.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Landshut, Aktenzeichen 24 O 2046/18, festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 16.05.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3.Unter Abänderung des am 10.01.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Landshut, Aktenzeichen 24 O 2046/18, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwalts M. H. in Höhe von 1.613,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung der Klagepartei vom 21.05.2019 (Bd. III Bl. 10/16 d.A.) und die Berufungserwiderung der Beklagten vom 28.08.2019 (Bd. III Bl. 26/55 d.A.).
Der Senat hat mit Beschluss vom 18.10.2019 (Bd. III Bl. 56/60 d.A.), der Klagepartei zugestellt am selben Tage, darauf hingewiesen, dass er die einstimmige Zurückweisung des Rechtsmittels gem. § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 10.01.2019, Aktenzeichen 24 O 2046/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung der Zurückweisung der Berufung in der Sache wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 18.10.2019 Bezug genommen, an dem nach erneuter Überprüfung in vollem Umfang festgehalten wird. Richter am Oberlandesgericht Dr. W., der an dem Hinweisbeschluss nicht mitgewirkt hat, macht sich dessen Inhalt vollumfänglich zu eigen.
Auch die Ausführungen der Klagepartei in ihrer Gegenerklärung vom 02.12.2019 (Bl. 65/66 d.A.) führen zu keiner anderen Beurteilung.
1. Soweit die Klagepartei der Ansicht des Senats widerspricht, dass ihre Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, vermag sie dies nicht zur Überzeugung des Senats zu begründen.
Wie im Hinweisbeschluss näher dargelegt wird, ist die Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss nicht erst dann zu verneinen, wenn dem Käufer positiv bekannt ist, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Vielmehr reicht aus, dass er es jedenfalls für möglich gehalten hat, dass das Fahrzeug von dem ihm bekannten „VW-Dieselskandal“ betroffen ist, und er keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese sich aufdrängende Frage vor Vertragsschluss zu klären. Denn ein solches Verhalten des Käufers lässt im Allgemeinen den Rückschluss darauf zu, dass er die als möglich erkannte Betroffenheit des Pkws billigend in Kauf genommen hat, weil er diesem Umstand für seine Kaufentscheidung keine wesentliche Bedeutung beigemessen hat. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Käufers, der für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Schädigungshandlung und Schadenseintritt darlegungs- und beweisbelastet ist.
So lag der Fall hier. Die Klagepartei hatte, wie im Hinweisbeschluss näher dargelegt, nach der eigenen Einlassung Kenntnis vom „VW-Dieselskandal“ bei Abschluss des Kaufvertrags über den streitgegenständlichen …-Touran am 23.01.2016, hat dies aber nicht zum Anlass genommen, nähere Erkundigungen anzustellen, ob auch das streitgegenständliche Fahrzeug betroffen ist. Aufgrund dieser Einlassung der Klagepartei kommt es entgegen den Ausführungen in der Gegenerklärung auf die Frage, ob die im September 2015 erfolgte adhoc-Mitteilung oder die darauf folgende umfangreiche Berichterstattung in allen Medien beim Kläger die Kenntnis vom „Dieselskandal“ begründete, nicht an. Auch setzt entgegen der in der Gegenerklärung vertretenen Ansicht eine Kenntnis von der vorangegangenen Täuschungshandlung der Beklagten nicht voraus, dass der Klagepartei die technischen Einzelheiten der streitgegenständlichen Umschaltlogik bekannt waren.
2. Entgegen der Auffassung der Klagepartei bedarf es auch nicht einer Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
Hier ist allein die Frage der Kausalität der Täuschung entscheidungserheblich; diese aber ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einzelfallbezogen zu beantworten (vgl. BGH, Urteil v. 04.06.2013, VI ZR 288/12, juris Rn. 25).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.