Aktenzeichen B 3 K 17.31769
Leitsatz
1. Ein Asylbewerber hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufnahme in einer bestimmten Aufnahmeeinrichtung.
2. Das Grundrecht auf freie Wahl des Ehepartners wird durch eine Aufenthaltsverpflichtung nach § 47 AsylG über die Durchführung des Asylverfahrens bei der zuständigen Stelle nicht verletzt, wenn diese mit einer erst seit kurzem bestehenden Verlobung begründet wird. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. Der Bevollmächtigte der Klägerinnen erkläre sich mit Schriftsatz vom 07.07.2017 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden. Der Beklagte äußerte sich nicht.
II.
Nach sachgerechter Auslegung des Klageantrags vom 08.02.2017 (§ 88 VwGO) begehren die Klägerinnen die Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung Dresden, da die Erstaufnahmeeinrichtung Dresden mit Anlaufbescheinigungen vom 01.02.2017 die Aufnahme mangels Zuständigkeit verweigert und die Klägerinnen an die Aufnahmeeinrichtung Oberfranken weitergeleitet hat. Zur Verwirklichung des Rechtsschutzziels der Antragstellerinnen bedarf es daher keiner „Weiterleitung“ in die Aufnahmeeinrichtung Dresden, sondern die Aufnahme der Antragstellerinnen durch die Aufnahmeeinrichtung Dresden (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 AsylG).
III.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Aufnahme in die Erstaufnahmeeinrichtung Dresden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerinnen sind vielmehr verpflichtet, sich unverzüglich bei der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken in Bamberg zu melden.
1. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 AsylG ist die Aufnahmeeinrichtung bei der sich der Ausländer gemeldet hat (nur) für die Unterbringung zuständig, wenn diese über einen freien Unterbringungs Platz verfügt und die ihr zugeordnete Außenstelle des Bundesamts Asylanträge aus dem Herkunftsland des Ausländers bearbeitet. Ist die Aufnahmeeinrichtung, bei der sich der Asylsuchende gemeldet hat, nicht nach § 46 Abs. 1 Satz 2 AsylG zuständig, so ist die nach § 46 Abs. 2 Satz 1 AsylG von der zentralen Verteilungsstelle genannte Aufnahmeeinrichtung für die Aufnahme des Asylbewerbers zuständig (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 3 AsylG).
Vorliegend wurden die Klägerinnen – nachdem diese bei der Landesdirektion Sachsen, Abt. Asyl und Ausländerrecht, in Dresden Asylanträge stellen wollten – gemäß § 19 Abs. 1 AsylG an die Erstaufnahmeeinrichtung Dresden als nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung zwecks Meldung nach § 22 AsylG verwiesen. Auf Veranlassung der Aufnahmeeinrichtung Dresden hat die zentrale Verteilungsstelle dem Beklagten mitgeteilt, dass Bamberg die zuständige Ausnahmeeinrichtung für die Klägerinnen ist. Daraufhin verfügte der Beklagte mit Anlaufbescheinigungen vom 01.02.2017 die Weiterleitung der Klägerinnen nach Bamberg (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 Alt. 2 AsylG). Die Klägerinnen sind verpflichtet, den en nach Bamberg unverzüglich zu folgen (§ 22 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Kommen die Klägerinnen der Verpflichtung sich in Bamberg zu melden nicht unverzüglich nach, findet § 33 Abs. 1, 5 u. 6 AsylG entsprechende Anwendung (§ 22 Abs. 3 Satz 3 AsylG).
Da die Vorschriften der §§ 45 und 46 AsylG in erster Linie eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Bundesländern gewährleisten sollen und organisatorische Belange im Blick haben, hat der Asylbewerber grundsätzlich keinen Anspruch, einem bestimmten Land oder bestimmten Ort zugewiesen zu werden (VG Ansbach, B.v. 25.6.2015 – AN 3 S. 15.30853 – juris; VG Saarland, B.v. 23.6.2015 – 3 L 108/15 – juris). Die Bestimmung des Aufenthaltes während des Asylverfahrens wird zudem ergänzt durch § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG, wonach der Ausländer, der um Asyl nachsucht, keinen Anspruch darauf hat, sich in einem bestimmten Land oder einem bestimmten Ort aufzuhalten (VG Saarland, B.v. 23.6.2015 – 3 L 108/15 – juris).
2. Ein Anspruch auf Unterbringung in Dresden folgt auch nicht aus § 46 Abs. 3 Satz 2 AsylG.
Nach § 46 Abs. 3 Satz 2 AsylG sind Ausländer und ihre Familienangehörigen i.S.d. § 26 Abs. 1 – 3 AsylG als Gruppe bei der der zentralen Verteilungsstelle zu melden. Befindet sich im Zeitpunkt der Meldung ein in § 46 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 26 Abs. 1 – 3 AsylG genannter Familienangehöriger aber bereits erlaubt im Bundesgebiet, so ist das Gesetz so zu verstehen, dass dies bei der Bestimmung der zuständigen Aufnahmeeinrichtung nicht berücksichtigt wird. Diesem Gesichtspunkt ist allenfalls im Rahmen des nachträglichen Verteilungsverfahrens nach § 50 bzw. 51 AsylG Rechnung zu tragen (vgl. Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 46 Rz. 10 und § 51 Rz. 4).
Im Übrigen handelt es sich bei dem Verlobten der Klägerin zu 1 nicht um einen Lebenspartner im Sinne des § 26 Abs. 1 AsylG (vgl. Marx a.a.O., § 26 Rz. 28).
3. Da Gesetzgeber für die Aufnahme in Erstaufnahmeeinrichtungen bzw. für Weiterleitungsverfügungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 AsylG kein explizites Prüfprogramm im Hinblick auf die Berücksichtigung der Interessen der Ausländer formuliert hat, wird teilweise in der Rechtsprechung von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen und § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG analog herangezogen (vgl. hierzu ausführlich VG Ansbach, B.v. 25.6.2015 – AN 3 S. 15.30853 – juris; VG Bremen, B.v. 13.8.2014 – 4 V 837/14 – juris, jeweils m.w.N. auch zur abweichenden Ansicht).
Nach § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG ist einer Haushaltsgemeinschaft zwischen Ehegatten oder Eltern und ihren minderjährigen Kindern oder sonstigen zwingenden Gründen, die der Verteilung an einem bestimmten Ort entgegenstehen, Rechnung zu tragen.
Selbst bei Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze besteht kein Anspruch der Klägerinnen auf Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung Dresden. Die Klägerin zu 1 und der in Dresden untergebrachte … … sind weder verheiratet noch ist die Klägerin zu 2 ein minderjähriges Kind des Verlobten der Klägerin zu 1. Sonstige zwingende Gründe im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG sind für das Gericht nicht ersichtlich, zumal nicht annähernd glaubhaft gemacht wurde, dass die Eheschließung unmittelbar bevorsteht und die erforderlichen Dokumente hierfür vorliegen. Für die Vorbereitung einer Hochzeit ist die gemeinsame Unterbringung nicht zwingend erforderlich. Sollte tatsächlich zeitnah eine Eheschließung stattfinden, kann die Wahrung der Familieneinheit unverzüglich im Rahmen einer Umverteilung nach § 51 AsylG hergestellt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist gem. § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.