Aktenzeichen 19 CS 17.551
Leitsatz
1 Eine den Schutz des Privatlebens auslösende Verbindung mit der Bundesrepublik Deutschland als Aufenthaltsstaat kommt grds. für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen sind, während sie mit ihrem Heimatland im Wesentlichen nur noch das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (BVerwG BeckRS 1998, 30025823; VGH BW BeckRS 2011, 46736). (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein langfristiger Aufenthalt im Gastland ist allein noch kein den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK eröffnendes Kriterium. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Bandbreite der schwerwiegenden Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 2 AufenthG, die von vorsätzlichen Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (§ 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG) bis zu nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstößen gegen Rechtsvorschriften (§ 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG) reicht, erfordert eine differenzierte Betrachtungsweise bei der Anwendung des Regel-Ausnahme-Systems. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 5 S 15.2534 2017-02-22 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. November 2015 anzuordnen.
Der Antragsteller, ein albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo, der nach seiner Einreise im Jahr 1997 im Bundesgebiet ein Asylerstverfahren und zwei Asylfolgeverfahren erfolglos betrieben hat und dem nach Duldung seines weiteren Aufenthalts (nach § 55 AuslG bzw. § 60a AufenthG) vom 30. September 2008 bis zum 25. März 2011 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt worden sind, trägt – in weitgehender Wiederholung seiner erstinstanzlichen Ausführungen – vor, die der Versagung eines Aufenthaltstitels zugrunde liegende und gleichzeitig verfügte Ausweisung sei rechtswidrig, weil kein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse bestehe, allerdings angesichts seines rund zwanzigjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet jedoch ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse (1.). Wegen seines Gesundheitszustands könne der Antragsteller, bei dem eine ernsthafte Suizidgefahr bestehe, nicht in den Kosovo zurückkehren (2.).
1. Dieser Vortrag stellt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wegen der mit Bescheid vom 13. November 2015 verfügten Ausweisung dürfe dem Antragsteller gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt werden, nicht in Frage, denn die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Ausweisungsverfügung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, ist in Anbetracht des Beschwerdevortrags nicht zu beanstanden (zur Inzidentüberprüfung der Ausweisungsverfügung in solchen Fällen vgl. z.B. BayVGH, B.v. 19.1.2015 – 10 CS 14.2656 – juris Rn. 22).
Der Antragsteller ist in den Jahren 2004 bis 2006 wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe, gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung, Erschleichens von Leistungen (mit geringwertigem Schaden) und wiederholter Verstöße gegen eine räumliche Beschränkung nach dem Aufenthaltsgesetz zu Geldstrafen, aber auch zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten und 2 Wochen unter Strafaussetzung zur Bewährung sowie zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat ohne Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden (vgl. hierzu auch S. 6, 7). Vor deren Tilgung im Bundeszentralregister und dem damit einhergehenden Eintritt des Verwertungsverbots nach § 51 BZRG ist der Antragsteller am 10. Juni 2015 vom Amtsgericht N. wegen Leistungserschleichung in drei Fällen rechtskräftig zu einer weiteren Geldstrafe (90 Tagessätze) verurteilt worden.
Der Hinweis des Antragstellers auf die Tatsache, dass einzelne Straftaten mehr als 10 Jahre zurückliegen, verfängt schon allein deshalb nicht mehr, weil der Antragsteller nicht nur am 10. Juni 2015 geahndet worden ist, sondern zwischenzeitlich mit (seit 18.1.2017 rechtskräftigem) Urteil des Amtsgerichts N. vom 1. August 2016 erneut wegen Leistungserschleichung zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wurde. Nachdem sich die in den Strafurteilen vom 10. Juni 2015 und 1. August 2016 abgeurteilten Delikte der Leistungserschleichung weder als vereinzelter noch als geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften bewerten lassen (der Kläger ist Wiederholungstäter und es handelt sich um Vorsatztaten), liegt ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vor.
Das Verwaltungsgericht hat auch die Bleibeinteressen des Antragstellers im Zuge der Überprüfung der Ausweisung rechtsfehlerfrei ermittelt und abgewogen; sowohl die Dauer des Aufenthalts des im Alter von 25 Jahren eingereisten Antragstellers als auch die persönlichen Lebensverhältnisse wurden gewürdigt.
Im Übrigen sind sowohl die Antragsgegnerin als auch das Verwaltungsgericht (BA, S. 13, Nr. 2) zutreffend nicht nur von § 11 Abs. 1 AufenthG ausgegangen, sondern auch davon, dass allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Regelfall nicht vorliegen. Insbesondere stehen § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen.
Als abgelehntem Asylbewerber darf dem Antragsteller nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vor seiner Ausreise nur ein Aufenthaltstitel nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes (aus humanitären Gründen) erteilt werden. Gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (Satz 1). Sie soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist (Satz 2), darf aber nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (Sätze 3 und 4).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Juni 2006 (1 C 14.05 – juris) ausgeführt, eine freiwillige Ausreise sei im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich auch aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u.a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG scheiden vorliegend aus wegen der Erfolglosigkeit des Antragstellers in seinen Asylverfahren). Die Verlängerung der in der Vergangenheit nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis ist im Fall des Antragstellers nicht wegen eines schutzwürdigen Privatlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK geboten.
Der EGMR führt aus, man müsse akzeptieren, dass die Gesamtheit der sozialen Bindungen zwischen den niedergelassenen Einwanderern und der Gemeinschaft, in der sie leben, fester Bestandteil des „Privatlebens“ im Sinne des Art. 8 EMRK ist (EGMR, U.v. 18.10.2006 – Üner/Königreich der Niederlande, Nr. 46410/99 – juris), so dass der Schutz des Privatlebens den Schutz vor Aufenthaltsbeendigung umfasst. In seinem Urteil vom 24. November 2009 (Omojudi/Vereinigtes Königreich, Nr. 182/08 – InfAuslR 2010, 178 ff) hat der EGMR das Privatleben als „die Gesamtheit der sozialen Bindungen zwischen Migranten, die sich seit langem im Aufnahmeland aufhalten, einerseits und der Aufnahmegesellschaft andererseits“ bezeichnet. Auch dem ökonomischen Erfolg der Erwerbstätigkeit kann Bedeutung für das Bestehen hinreichend fester Bindungen zum Aufnahmestaat und damit für die Bejahung eines Privatlebens im Bundesgebiet zukommen (berücksichtigt z.B. von EGMR, U.v. 28.6.2007 , Nr. 31753/02 – juris Ziff. 64; vgl. auch Art. 8 Abs. 2 EMRK, der auf „das wirtschaftliche Wohl eines Landes“ als Abwägungsgesichtspunkt verweist). Eine danach den Schutz des Privatlebens auslösende Verbindung mit der Bundesrepublik Deutschland als Aufenthaltsstaat kommt grundsätzlich für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen sind, während sie mit ihrem Heimatland im Wesentlichen nur noch das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.1998 – 1 C 8.96 – NVwZ 1999, 303, VGH Baden-Württemberg, U.v. 13.12.2010 – 11 S. 2359.10 – juris).
Allerdings ist ein langfristiger Aufenthalt im Gastland allein grundsätzlich noch kein den Schutzbereich eröffnendes Kriterium (vgl. BayVGH, B.v. 17. August 2016 – 19 ZB 14.1596 – juris Rn. 9 m.w.N.). Auch das Bundesverwaltungsgericht führt aus, eine nach Art. 8 Abs. 1 EMRK schützenswerte Verwurzelung eines Ausländers komme grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 3.08, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09, B.v. 1.3.2011 – 1 B 2.11 – jeweils juris, ebenso BayVGH, U.v. 23.11.2010 – 10 B 09.731 – U.v. 21.12.2011 – 10 B 11.182 – jeweils juris, a. A. VGH Baden-Württemberg, U.v. 13.12.2010 – 11 S. 2359.10 m.w.N. zum Streitstand – juris).
Der Antragsteller hat im Bundesgebiet nur geringe Integrationserfolge erzielt; mit der Beschwerde wird über die Dauer des Aufenthalts hinaus nichts Substantielles vorgetragen. Die Ausländerbehörde hat dem Antragsteller auch nicht die Niederlassung im Bundesgebiet erlaubt, sondern durch ihr Verhalten allenfalls schwache Anhaltspunkte für die Hoffnung auf einen Daueraufenthalt geliefert. Der Antragsteller hat seinen Aufenthalt zwischen den Jahren 1997 und 2007 ausschließlich durch (im Ergebnis erfolglose) Asylverfahren bewerkstelligt; zeitweise wurde sein Aufenthalt lediglich geduldet; von einer dauerhaften Bleibeperspektive konnte er in dieser Zeit, während der er auch nicht erwerbstätig sein durfte, nicht ausgehen. Zwischen September 2008 und März 2011 wurden dem Antragsteller Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen der schwierigen Lebensbedingungen der Minderheit der Ashkali, welcher der Antragsteller angehören soll, erteilt, weil er auch über einen längeren Zeitraum nicht straffällig geworden war. Während des gesamten Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet ist eine wirtschaftliche Integration kaum erfolgt. Nach der Erlaubnis zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ab Oktober 2007 sind trotz des erlernten Berufes eines Elektrotechnikers nur in geringem Umfang Erwerbstätigkeiten des Antragstellers in den Akten feststellbar. Für die Jahre 2011 und 2012 sind zeitweise Tätigkeiten für Zeitarbeitsfirmen nachweisbar, für das Jahr 2013 eine Tätigkeit als Fahrzeugreiniger. Bei dieser Sachlage wirkt es sich entscheidend zum Nachteil des Antragstellers aus, dass angesichts seines Alters von 25 Jahren bei der Einreise und der geringen Integration während seines langjährigen Aufenthalts davon auszugehen ist, dass seine sozialen Bindungen zum Herkunftsland, in dem seine Eltern leben, überwiegend fortbestehen und ihm eine Rückkehr – auch wenn sie mit Schwierigkeiten verbunden ist – zumutbar ist. Von einer Integration des Antragstellers im Bundesgebiet kann auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Antragsteller in einer Art und Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, dass die Antragsgegnerin den Regelversagungsgrund des Ausweisungsinteresses (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) zutreffend angenommen hat.
Die vom Antragsteller begangenen vorsätzlichen Straftaten der Leistungserschleichung sind weder als vereinzelt noch als geringfügig im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG anzusehen. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich nicht als geringfügig anzusehen (vgl. BVerwG, B.v. 18.11.2004 – 1 C-23/03 – juris Rn. 19 ff.). Das im Urteil des Amtsgerichts ausgesprochene Strafmaß von 1 Monat Freiheitsstrafe ohne Bewährung spricht gegen eine Geringfügigkeit. Die Bejahung eines „Ausweisungsinteresses“ setzt auch nach der entsprechenden Begriffsänderung nicht voraus, dass im konkreten Fall eine Ausweisung rechtsfehlerfrei verfügt werden könnte (vgl. VGH BW, B.v. 25.8.2015 – 11 S 1500/15 – juris). Trotz des unterschiedlichen Gewichts der in § 54 AufenthG genannten Ausweisungsinteressen wird für die Regelerteilungsvoraussetzung des fehlenden Ausweisungsinteresses (zunächst) nicht weiter unterschieden oder gar eine Ausweisungsabwägung gemäß § 53 Abs. 1, 2 AufenthG getroffen (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, AufenthG § 5 Rn. 47). Nachdem die Prüfung von Ausweisungsinteressen bei Erteilung eines Aufenthaltstitels dem Zweck dient, aktuell zu befürchtende Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. §§ 53 ff. AufenthG abzuwenden (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, AufenthG § 5 Rn. 55), kommt es für die Frage, ob im Zeitpunkt der Erteilung eines Aufenthaltstitels ein Ausweisungsinteresse aktuell besteht, auf Art und Inhalt des jeweiligen Ausweisungsinteresses an (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand 9/2015, § 5 Rn. 31 b). Die Bandbreite der schwerwiegenden Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 2 AufenthG, die von vorsätzlichen Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) bis zu nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstößen gegen Rechtsvorschriften (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 AufenthG) reicht, erfordert insoweit eine differenzierte Betrachtungsweise bei der Anwendung des Regel-Ausnahme-Systems (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand 9/2015, § 5 Rn. 31).
Unter Berücksichtigung der fortgesetzten Begehungsweise eines gleichartigen Delikts trotz strafrechtlicher Ahndung (Amtsgericht N., U.v. 10. Juni 2015; erneute Tatbegehung am 29.3.2016) und der Tatsache, dass der Antragsteller zuvor bereits fünf Mal anderweitig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist (u.a. unerlaubtes Führen einer Schusswaffe, gefährliche Körperverletzung und wiederholte Leistungserschleichung), ist von aktuell zu befürchtenden Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland, vom Nichtvorliegen eine Ausnahmefalls und somit von einem der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegen stehenden, beachtlichen Ausweisungsinteresse auszugehen.
Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob von einem gesicherten Lebensunterhalt (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) ausgegangen werden kann.
2. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt auch vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (BayVGH, B.v. 31.5.2016 – 10 CE 16.838 – juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). In Betracht kommen damit nur inlandsbezogene Abschiebungsverbote. Eine bestehende psychische Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zwei Fällen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht. Aus dem nervenärztlichen Attest vom 7. August 2015 und aus dem Entlassungsbericht der Bezirkskliniken M. vom 2. September 2015 ergibt sich nicht, dass der Ausländer gerade aufgrund der diagnostizierten Erkrankungen reiseunfähig wäre oder dass sich das Krankheitsbild infolge einer Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Auch Anhaltspunkte für eine ernsthafte Selbstgefährdung werden nicht dargelegt.
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die vorgelegten ärztlichen Atteste den Anforderungen des § 60a Abs. 2 c AufenthG nicht genügen. Der Antragsteller ist dieser Bewertung weder substantiiert entgegen getreten noch hat er ärztliche Unterlagen vorgelegt, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Zu zielstaatsbezogen Abschiebungshindernissen hat die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller als (mehrfach) abgelehntem Asylbewerber zutreffend auf die ausschließliche Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge hingewiesen (§ 24 Abs. 2, § 42 AsylG).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).