Aktenzeichen 31 O 689/18
BGB § 31, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 439 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 25 Abs. 2, Abs. 3, § 27
VO (EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2
StGB § 13 Abs. 1, § 263
StVZO § 19 Abs. 2, Abs. 7
FZV § 5
Leitsatz
1. Der bestandskräftige Bescheid des Kraftfahrbundesamtes, mit dem eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt und ein Software-Update freigegeben wird, ist für das Zivilgericht bindend mit der Folge, dass die behördlichen Feststellungen einen Mangel begründen und eine Beseitigung durch Nachbesserung möglich ist. (Rn. 17 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Befürchtungen, das Software-Update sei zur Behebung des Mangels tatsächlich entgegen der Feststellungen des Kraftfahrbundesamtes nicht geeignet, sind kein plausibler Sachvortrag, der einer Beweiserhebung zugänglich ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Schaden des Käufers entfällt durch die Möglichkeit, das Software-Update kostenlos aufzuspielen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung führt nicht zum Erlöschen der EG-Typgenehmigung oder der Betriebserlaubnis. (Rn. 29 und 30) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die VO (EG) 715/2007 und die EG-FVG-Richtlinien schützen nicht individuelle Vermögensinteressen. (Rn. 32, 34 und 35) (redaktioneller Leitsatz)
6. Eine deliktische Haftung des Autoherstellers aus § 826 BGB setzt substantiierten Vortrag voraus, dass im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Vorstandsmitglieder des Autoherstellers von der verbauten Manipulationssoftware Kenntnis hatten; eine Bezugnahme auf Presseberichte ist nicht ausreichend. (Rn. 37 und 41) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert beträgt 12.000 €.
Gründe
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Deggendorf örtlich zuständig. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung erachtet das Landgericht Deggendorf seine örtliche Zuständigkeit in Verfahren gegen die Beklagte dann als gegeben, wenn der Wohnsitz des Klägers im hiesigen Bezirk liegt. Dies ist hier der Fall. Ein Gerichtsstand in Deggendorf folgt insoweit aus § 32 ZPO. Außerdem hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung rügelos eingelasssen, § 39 ZPO.
B.
In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Das erkennende Gericht schließt sich der Rechtsauffassung des Landgerichts Braunschweig (U. v. 20.12.2017 – 3 O 2436/16) an. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Der klägerseits geltend gemachte Anspruch folgt weder aus §§ 826, 31 BGB, noch aus § 823 II BGB, § 263 StGB, noch aus §§ 823 II BGB, §§ 6 I, 27 EG-FGV.
Mangels Begründetheit der Hauptforderung konnten auch die weiteren Klageanträge keinen Erfolg haben.
I.
Das dem Kläger ausgelieferte Fahrzeug ist weder mit einem dauerhaften Mangel behaftet noch haftet ihm ein merkantiler Minderwert an; es fehlt somit schon an einem Schaden, den der Kläger geltend machen könnte.
1. Das streitgegenständliche Fahrzeug war zwar bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet, weil es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S. von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet war, die aufgrund des 1. Bescheides des KBA (K 6) zu beseitigen war.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der das Gericht folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend. Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb (selbst wenn sie fehlerhaft sein sollten) zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung – ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes – zu Grunde zu legen.
3. Durch den bestandskräftigen 1. Bescheid des KBA und durch dessen Freigabebestätigung im 2. Bescheid ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt.
a) dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen ursprünglich verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S. von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelte;
b) dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigung verpflichtet war, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen war;
c) dass für die betroffenen Fahrzeuge dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen;
d) dass das KBA dabei folgende Sachverhalte mit folgenden Ergebnissen überprüft hat:
-keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr,
-vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig,
-Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen eingehalten,
-ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchswerte und CO2-Emissionen in Prüfungen durch einen Technischen Dienst bestätigt,
-bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment unverändert sowie
-bisherige Geräuschemissionswerte unverändert.
4. Aus diesen Feststellungen und Regelungen ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung,
a)dass es sich bei der unzulässigen, zu beseitigenden Abschalteinrichtung um einen Sachmangel i.S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB handelte und
b)dass die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein Software-Update geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 I 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin möglich ist,
c)dass somit entgegen der Auffassung des Klägers ein Sach- oder Rechtsmangel, erst recht ein nicht behebbarer Mangel, nicht vorliegt,
d)und dass der derzeit noch vorhandene Mangel durch das Update jederzeit und unstreitig für den Kläger kostenlos beseitigt werden könnte (hierbei geht das Gericht davon aus, dass das Update bislang noch nicht durchgeführt wurde).
5. Soweit der Kläger einen verbleibenden merkantilen Minderwert behauptet, wäre ein solcher zwar geeignet, die Unmöglichkeit der Nachbesserung zu begründen. Das hätte aber ein entsprechend substantiiertes Vorbringen vorausgesetzt. Entsprechender Vortrag ist aber nicht erfolgt. Denn der Klägervortrag lässt nicht erkennen, inwieweit der erörterte Preisrückgang auf das Software- bzw. Update-Problem oder aber auf den Umstand zurückzuführen ist, dass Diesel-PKW heutzutage ganz allgemein „in Verruf geraten“ sind und deshalb schlechter verkäuflich sind als dies früher der Fall war. Für den Fall eines Unfallwagens z.B. ist anerkannt, dass der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert als Mangel auch nach einer technischen Reparatur verbleiben. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil der Kaufinteressenten eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht. Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, weil es im Zusammenhang mit dem Abgasskandal an einer vergleichbaren, am Markt gewonnenen Erfahrung fehlt. Der Kläger hätte deshalb einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung – und nicht auf die allgemein ins Negative gedrehte Einstellung zu Dieselfahrzeugen, zum Beispiel wegen Fahrverboten in bestimmten Innenstädten – zurückzuführen ist, konkret darlegen müssen. Dies ist nicht geschehen. Im Gegenteil beschreibt der Kläger selbst das Problem der Fahrverbote (Klageschrift S. 56); diese Fahrverbote haben aber nichts mit dem VW-Skandal zu tun, sondern damit, dass zu viele Dieselfahrzeuge (LKW und PKW) aller Marken zu viele Schadstoffe ausstoßen, und zwar nicht nur, weil die Grenzwerte pro Fahrzeug nicht eingehalten werden, sondern schlicht weil zu viele Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. Der Kläger wird nicht ernstlich die Beklagte hierfür als verantwortlich ansehen wollen.
6. Der Kläger meint, das Update sei zur Behebung des festgestellten Mangels nicht geeignet. Hierzu führt er aber nur Befürchtungen (Klageschrift S. 48) ins Feld. Dies ist kein plausibler Sachvortrag. Dass der Kläger meint, das Update führe zu einer geringeren Lebensdauer bestimmter Bauteile seines Wagens, ist unbeheiflich, weil er nicht mitteilt, welche Lebensdauer denn vertraglich vereinbart oder vom Hersteller einstmals öffentlich angepriesen worden sein soll. So wird nicht ansatzweise erkennbar, von welcher ursprünglich vorgesehenen Lebensdauer das Fahrzeug nunmehr nachteilig abweichen soll. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass ein derartiger Vortrag wohl ins Blaue hinein erfolgen müsste – dem Gericht ist jedenfalls aus jahrzehntelanger Rechtsprechungstätigkeit kein Fall eines PKW-Kaufvertrages bekannt, in dem – jenseits von Garantie und/oder Gewährleistung – eine bestimmte Haltbarkeit des Fahrzeugs zugesichert oder vereinbart worden wäre. Dass das Update entgegen der Auffassung des KBA den Mangel nicht behebe (Klageschrift S. 50 ff), will der Kläger einerseits mit Medienberichten belegen (die als taugliches Beweismittel selbstredend ausscheiden – die Vorlage eines Presseberichts belegt, dass der Bericht geschrieben wurde, nicht aber, dass sein Inhalt zutrifft), andererseits mit sachverständigem Zeugnis. Er sagt aber nicht,
-wo die erlaubten Grenzwerte tatsächlich liegen
-wie hoch der Ausstoß vor
-und nach dem Update tatsächlich ist.
Auch insoweit erfolgt also der klägerische Vortrag sichtlich ins Blaue hinein. Eine Beweiserhebung über diesen Vortrag stellte den klassischen Fall eines Ausforschungsbeweises dar.
7. Ein Schaden liegt auch nicht in einem Eingriff in die Entschließungsfreiheit des Käufers (so ist Bl. 68 der Klageschrift wohl zu verstehen). Unabhängig von allen anderen in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen liegt nämlich ein Schaden schon deshalb nicht vor, weil mit Durchführung des für ihn kostenlosen Updates der Kläger ein vorschriftsgemäßes, insbesondere auch seinen behaupteten Umweltschutzvorstellungen entsprechendes Fahrzeug habe könnte; dass er ein (nach seiner Darstellung) umweltgefährdendes Fahrzeug weiterhin nutzt, liegt daher an ihm allein.
II.
Unabhängig davon, dass der Kläger, wie soeben gezeigt, ohnehin keinen Schaden erlitten hat, kann er seine Schadensersatzforderung gegen die Beklagte nicht
-aus § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB oder
-aus § 826 BGB
-und auch nicht aus §§ 823 II, §§ 6, 27 EG-FGV herleiten.
1. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB wäre zunächst eine Täuschung des Klägers durch die Beklagte. Hinreichend dargetan hat der Kläger eine Täuschung über das streitgegenständliche Fahrzeug allein hinsichtlich der verwendeten unzulässigen Abschalteinrichtung. Insoweit ist aber keine aktive Täuschungshandlung der Beklagten ersichtlich, sondern allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung.
a) Eine solche Täuschung durch Unterlassen setzt eine Garantenstellung gem. § 13 I StGB voraus, d.h. dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat. Soweit es – wie hier – um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer, mit dem immerhin ein Vertragsverhältnis besteht, erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht. Das muss für den vertraglich nicht mit dem Käufer verbundenen, mithin weiter entfernten Fahrzeughersteller erst recht gelten.
b) Die Vorgehensweise der Klägerseite, weitreichende Pflichten des Lieferanten (also des PKW-Herstellers) gegenüber dem Kunden (also der Klagepartei) darzustellen und hieraus folgend eine unmittelbare Haftung des Herstellers gegenüber dem Kunden herzuleiten, läuft dem gesetzgeberischen Konzept des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts zuwider. Hiernach besteht ein Gewährleistungsanspruch des Kunden primär nur gegenüber seinem Verkäufer, nicht aber gegenüber dem Hersteller (vgl. Paulus/Zwirlein, NJW 2018, 1841, 1842); der Verkäufer kann sodann ggfs. gegenüber dem Hersteller Regress nehmen.
c) Eine Aufklärungspflicht der Beklagten würde gleichwohl dann bestehen, wenn infolge der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für sein Fahrzeug erloschen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Nach § 19 II, VII StVZO erlischt die Betriebserlaubnis in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung der Kammer sind damit jedoch nur Veränderungen gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 II StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden [kann], dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“.
Auch droht keine Entziehung der EG-Typgenehmigung insgesamt, weil das KBA in seinem 1. Bescheid sein ihm gem. § 25 III EG-FGV zustehendes Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt hat, dass es eine Entziehung der EG-Typgenehmigung in die Wege geleitet hat. Die Behörde ist vielmehr nach § 25 II EG-FGV vorgegangen und hat Nebenbestimmungen zur bestehenden Typgenehmigung angeordnet. Doch selbst eine Entziehung der Typgenehmigung hätte erst dann der Nichtnutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs zur Folge, wenn die zuständige Landesbehörde daraufhin wiederum von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde.
d) Dass die Verwendung der zwar unzulässigen, aber allein durch ein vom KBA freigegebenes Software-Update zu beseitigenden Abschalteinrichtung auf andere Weise einen wertbildenden Faktor darstellt, dem der Markt ein ganz besonderes Gewicht beimisst, ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich. Das gilt insbesondere für den vom Kläger behaupteten Verbleib eines merkantilen Minderwerts. Auch hier gilt nämlich wiederum (s.o.), dass ein etwaiger Wertverfall von Dieselfahrzeugen ganz oder überwiegend darin begründet ist, dass der Verbraucher unabhängig von konkreten Vorfällen oder Mängeln diesen Fahrzeugen Vorbehalte entgegenbringt – und zwar markenübergreifend -, die sich in niedrigeren Verkaufszahlen und damit einhergehend in niedrigeren Marktpreisen niederschlagen.
e) Eine Garantenpflicht der Beklagten zugunsten des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist. Dies ist nicht der Fall. Den Erwägungsgründen (1) bis (6) und (27) der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen. Der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.
f) Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges aus.
2. Entsprechendes gilt für § 823 II BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV. Unabhängig davon, ob die Beklagte diese Vorschriften verletzt hat, fehlt ihnen der von § 823 II BGB vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Norm als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf den Inhalt und den Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Bei Vorschriften, die – wie hier die EG-FGV – Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie – hier der Richtlinie 2007/46/EG – an. Den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) zufolge bezweckt die Richtlinie 2007/46/EG die Vollendung des Binnenmarkts und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. An keiner Stelle lässt sich hingegen ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV (S. 36 der BR-Drucks. 190/09) in Übereinstimmung damit ausführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll.
3. a) Für eine Haftung aus § 826 reicht allein der – feststehende – Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 – II ZR 109/84, juris Rn. 15 m.w.N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen, und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 nicht verzichtet werden kann. Wie bereits ausgeführt, dient die EG-Verordnung aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen.
Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht. Wie bereits im Zusammenhang mit der Garantenstellung (§ 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB) ausgeführt, trifft das zum einen auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung und zum anderen auf die außerhalb einer vertraglichen Beziehung zum Kläger stehende Beklagte nicht zu.
b) Die deliktische Haftung aus § 826 BGB scheidet im Übrigen schon deshalb aus, weil der Kläger nicht annähernd substantiiert dargestellt hat, dass im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Vorstandsmitglieder der Beklagten von der verbauten Manipulationssoftware Kenntnis hatten.
aa) Dies wäre aber erforderlich gewesen, um eine Haftung der Beklagten begründen zu können. Sie haftet nämlich gem. § 31 BGB nur für das Verhalten von Vorstandsmitgliedern. Substantiiertes und mit Beweisangeboten unterlegtes Vorbringen der Klagepartei,
-welches (namentlich zu benennende) Vorstandsmitglied
-zu welchem Zeitpunkt
-von welchen Vorgängen Kenntnis gehabt haben soll, ist aber nicht erfolgt. Dies ist indes unverzichtbar, weil nicht auf die Feststellung verzichtet werden kann, ob der damalige Vorstand der Beklagten (oder ein sonstiger verfassungsmäßiger Vertreter i.S.d. § 31 BGB) die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH v. 28.06.2016, VI ZR 536/15 – NJW 2017, 250 Rn. 27). Falsch ist demgegenüber die auf Klägerseite bestehende Auffassung (vgl. Klageschrift S. 20 ff, 28 ff, 73 ff und 92), ausreichend für eine Haftung sei die Kenntnis informierter Mitarbeiter.
bb) Presseberichte zu zitieren (Klageschrift S. 19 ff) ersetzt nicht konkreten Vortrag dazu, welches Vorstandsmitglied zu welchem Zeitpunkt von welchen Vorgängen Kenntnis gehabt haben soll. Dass ein „systematischer Betrug in einem Konzern der Größe der Beklagten … nicht auf mittlerer Ebene organisiert werden“ könne (Klageschrift S. 29), belegt nicht, dass Vorständler relevante Kenntnis gehabt hätten, sondern belegt im Gegenteil, dass der Kläger nicht als sicheres Wissen vortragen kann, dass jemand aus dem Vorstand der Beklagten tatsächlich die erforderliche Kenntnis gehabt hätte. Tatsächlich stellt der Kläger lediglich Mutmaßungen darüber an, wie ein systematischer Betrug zu organisieren sei.
dd) Gänzlich unbehelflich sind Ausführungen zu US-amerikanischen Vorgängen (S. 31 ff).
ee) Für eine Kenntnis der Herren W., D. und N. beruft der Kläger sich wieder – erneut unbehelflich – nur auf Presseberichte.
ff) Gespräche von Autoherstellern nach dem hier erfolgten Verkauf belegen eine Kenntnis zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht (zu Bl. 36).
4. Eine Haftung der Beklagten aus § 831 BGB macht der Kläger nicht geltend; das Gericht nimmt aber der Vollständigkeit halber hierzu Stellung. Es trifft zwar zu, dass diese Vorschrift eine eigenständige Haftungsgrundlage darstellt, die neben andere deliktische Haftungstatbestände tritt (Palandt/Sprau, BGB, 77., Aufl., § 831 Rn. 2). Die Beklagte wendet aber auch insoweit zutreffend ein, dass der Kläger keinen Vortrag dazu gehalten hat, welcher exakt zu benennende Mitarbeiter auf Weisung exakt welchen Vorstandsmitgliedes exakt welche unerlaubte Handlung zum Nachteil des Klägers begangen haben soll; erforderlich wäre weiterhin gewesen, hinsichtlich des zu benennenden Mitarbeiters in dessen Person die Verwirklichung sämtlicher objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale einer unerlaubten Handlung vorzutragen. Dies ist nicht geschehen.
C.
Eine Haftung der Beklagten scheidet daher schon dem Grunde nach aus, so dass auch die weiteren Klageanträge einschließlich des Hilfsantrags, der ebenfalls eine Schadensersatzpflicht der Beklagten voraussetzt, abzuweisen waren.
D.
Kosten: § 91 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO
Der Streitwert folgt dem Kaufpreis des Fahrzeugs; ein Abzug wegen eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Vorteilsausgleichs, den der Kläger aber gerade nicht vornehmen will (Klageschrift S. 92 ff), kommt nicht in Betracht.