Aktenzeichen M 9 S 16.51299
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
1 Erteilt ein Mitgliedstaat der Europäischen Union einem Drittstaatsangehörigen ein Visum, ist er nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Durchführung von dessen Asylverfahren zuständig. (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Der Umstand, dass ein Asylbewerber in der Bundesrepublik seine Aufnahme als Vertriebener beantragt hat, führt nicht dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Asylverfahren durchzuführen hätte. (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für dieses und für das Verfahren M 9 K 16.51298 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind ukrainische Staatsangehörige und reisten mit einem Visum für Polen am 15. August 2016 in das Bundesgebiet ein. Sie stellten am 24. August 2016 Asylanträge.
Am 14. November 2016 wurde ein Übernahmeersuchen aufgrund des erteilten Visums an Polen aufgrund der Visa gerichtet. Die polnischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 25. November 2016 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO.
Bei ihrer Anhörung hatten die Antragsteller erklärt, dass die Großmutter des Antragstellers zu 2) und ein Verwandter väterlicherseits als Spätaussiedler mit deutscher Staatsangehörigkeit in Deutschland wohnen würden.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anträge als unzulässig ab, stellte das Fehlen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG fest, ordnete die Abschiebung nach Polen an und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die Asylanträge seien gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Polen aufgrund der erteilten Visa gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2016, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am selben Tage, erhob die Bevollmächtigte der Antragsteller Klage (M 9 K 16.51298) und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO:
1. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung des Bundesamts vom 19. Dezember 2016.
2. Prozesskostenhilfe für beide Verfahren.
Der Antragsteller zu 2) sei deutscher Volkszugehöriger. Seine Großmutter sei anerkannte Spätaussiedlerin und deutsche Staatsangehörige. Die Einbeziehung des Antragstellers zu 2) in den Aufnahmebescheid als Abkömmling sei beim Bundesverwaltungsamt beantragt worden. Die Bundesrepublik hätte bereits aus diesem Grund von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen. Der Antragsteller zu 2) sei mit seiner Ehefrau und seinen Eltern sowie zwei noch minderjährigen Brüdern eingereist, die ebenfalls Asyl beantragt hätten. Der jüngere Bruder sei herzkrank. Eine Trennung vom Rest der Familie sei eine unangemessene Belastung. Die Antragstellerin sei schwanger und es geben Komplikationen, weshalb sie nicht reisen könne.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Die Verfahren der Eltern und Geschwister des Antragstellers zu 2) sind mit den Aktenzeichen M 9 K 16.51298 und M 9 S. 16.51299 beim Verwaltungsgericht München anhängig.
II.
Die zulässigen Anträge haben keinen Erfolg.
Die Asylanträge wurden zu Recht als unzulässig abgelehnt, da Polen nach der Dublin III-VO für die Durchführung zuständig ist, Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO. Die Antragsteller hatten ein Visum für Polen.
Abschiebungshindernisse sind nicht erkennbar. Im Hinblick auf die Lebensverhältnisse in Polen besteht nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 Grundrechtecharta wegen systemischer Mängel. Der Umstand, dass die Antragsteller ihre Aufnahme als Vertriebene beantragt haben, führt nicht dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Asylverfahren durchzuführen hätte. Aufenthaltstitel wurden nicht vorgelegt, so dass auch gegen die Befristungsentscheidung gemäß § 11 AufenthG und die Abschiebungsanordnung auch diesbezüglich keine rechtlichen Bedenken bestehen; der Vortrag aus dem dem Antrag beigefügten Schreiben des Bundesverwaltungsamts vom 19. Oktober 2016 genügt dafür nicht. Die Tatsache einer Schwangerschaft begründet keine Reiseunfähigkeit in das benachbarte Polen; angebliche Komplikationen sind nicht belegt. Die Anträge waren mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war ebenfalls abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.