Aktenzeichen 32 U 3155/19
StGB § 263
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1
ZPO § 522 Abs. 2
Leitsatz
An dem für § 826 BGB erforderlichen Schädigungsvorsatz fehlt es bereits dann, wenn die Personen, deren Verhalten dem ggf. Ersatzverpflichteten nach § 31 BGB oder § 831 BGB zuzurechnen ist, zwar wussten, dass das „Thermofenster“ bzw. eine Abschalteinrichtung, die das Emissionsverhalten auf dem Prüfstand – quasi als Nebenwirkung – verändert, vorhanden ist, sie aber – möglicherweise fälschlicherweise – von deren Erforderlichkeit ausgingen, um den Motor vor einer Beschädigung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
29 O 17098/18 2019-05-17 Urt LGMUENCHENI LG München I
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17.05.2019, Az. 29 O 17098/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Die Berufung dürfte zwar noch zulässig sein. Die Klagepartei hat immerhin ausgeführt, warum sie die Ausführungen des Landgerichts für unrichtig hält.
Die Berufung ist aber unbegründet.
a) Soweit sich die Klagepartei auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung beruft, bestehen solche nicht.
aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob das von der Klagepartei angeführte „Thermofenster“ eine gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG (d.h. ein Konstruktionsteil bzw. eine Software, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert werde, das nicht länger arbeite, als dies zum Anlassen des Motors erforderlich sei und auch nicht notwendig sei, um den Motor vor einer Beschädigung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten) darstellt, da es jedenfalls an dem für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB erforderlichen Vorsatz der Beklagten fehlt. An einem solchen würde es bereits dann fehlen, wenn die Personen, deren Verhalten der Beklagten nach § 31 BGB oder § 831 BGB zuzurechnen ist, zwar wussten, dass das „Thermofenster“ bzw. eine Abschalteinrichtung, die das Emissionsverhalten auf dem Prüfstand – quasi als Nebenwirkung – verändert, vorhanden ist, sie aber – möglicherweise fälschlicherweise – von deren Erforderlichkeit ausgingen, um den Motor vor einer Beschädigung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Anhaltspunkte, dass das Thermofenster gerade zur Täuschung auf dem Prüfstand konzipiert war, sind – anders als in den xx-Fällen – nicht ersichtlich.
bb) Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. §§ 6, 27 EG EG-FGV scheidet von vorneherein aus, da diese nicht drittschützend ist und die Klagepartei jedenfalls nicht vor dem Abschluss von nachteiligen Kaufverträgen schützen soll (z.B. Senatshinweis vom 20.05.2019 – 32 U 1775/19; OLG München Beschluss v. 27.02.2018 – 27 U 2793/17).
b) Ansprüche nach §§ 311, 280 BGB scheiden schon deshalb aus, da ein Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande kam und der Gefahrübergang stattgefunden hat (BGH Urteil vom 27.03.2009 – V ZR 30/08 = BGHZ 180, 205 = NJW 2009, 2120 m.w.N.). Eine Ausnahme wegen vorsätzlicher Täuschung liegt nicht vor (s. oben).
c) Die Klägerin hat auch nicht nach §§ 437 ff. BGB einen Anspruch auf Zahlung von 13.634 € oder auf Rückgängigmachung des Kaufvertrags. Nach dem Hinweisbeschluss des BGH vom 08.01.2019 (VIII ZR 225/17) ist zwar ein Fahrzeug nicht frei von Sachmängeln, wenn bei Übergabe an den Käufer eine den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierende Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG installiert ist, die gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässig ist, da in diesem Falle dem Fahrzeug die Eignung für die gewöhnliche Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB fehlt, weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde (§ 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) besteht und somit bei Gefahrübergang der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet ist. Es kann jedoch trotzdem dahingestellt bleiben, ob das von der Klagepartei angeführte „Thermofenster“ eine gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung ist – was die Beklagte bestritten hat -, da bereits aus folgenden Gründen kein Anspruch besteht.
aa) Ein Anspruch nach § 437 Nr. 3; §§ 480 ff. BGB scheidet schon mangels Verschulden aus (s. oben)
bb) Die Klägerin kann den durch den Hauptantrag gefordeten Betrag auch nicht als (verschuldensunabhängige) Minderung gemäß § 441 BGB verlangen, denn die Minderung setzt voraus, dass entweder die Voraussetzungen nach § 323 Abs. 2 BGB gegeben sind oder der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung verweigert oder die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist bzw. für den Käufer unzumutbar ist (§ 440 BGB). Diese Voraussetzungen hat der darlegungsund beweispflichtige Kläger nicht einmal im Ansatz dargetan, geschweige denn bewiesen. Auch aus den Sachvorträgen der Parteien ergibt sich nicht, dass die Klägerin Nacherfüllung, sei es in Form der Beseitigung des Mangels (z. B. durch Software-Update) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache, verlangt hat. Vielmehr hat die Beklagte freiwillig die Software aktualisiert. Dass die Nacherfüllung unmöglich sei oder dem Käufer nicht zumutbar sei, ist nicht ersichtlich. Auch Nachteile für die Klägerin, die durch das durch Software-Update entstanden sind, wurden nicht dargetan.
cc) Aus den gleichen Gründen ist auch ein Rücktritt vom Vertrag ausgeschlossen, so dass auch der Hilfsantrag keinen Erfolg haben kann.
Im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 19.12.2019.