Europarecht

Keine Beihilfe für Nahrungsergänzungsmittel

Aktenzeichen  Au 2 K 17.350

Datum:
16.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37294
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 18 S. 1 Nr. 1
AMG § 2

 

Leitsatz

1 Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (Anschluss an BVerwG BeckRS 2009, 35096). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Präparat „Resource Thicken up“ ist kein Arzneimittel, sondern ein Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Beihilfefestsetzungsbescheide des Landesamts für Finanzen, Dienststelle Bezügestelle Beihilfe, vom 29. November 2016 und vom 16. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 16. Februar 2017 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe zu den mit Rechnung vom 22. November 2016 geltend gemachten Aufwendungen für die Anschaffung des Andickungsmittels „Resource Thicken up“ in Höhe von 81,30 EUR (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
Nach § 18 Satz 1 Nr. 1 der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) sind die aus Anlass einer Krankheit bei ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen oder Heilpraktikerleistungen nach §§ 8 bis 17 BayBhV verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten apothekenpflichtigen Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) beihilfefähig. Davon ausgenommen sind jedoch u.a. Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (§ 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV).
Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel“, sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, U.v. 30.5.1996 – 2 C 5.95 -ZBR 1996, 314).
Unter Arzneimitteln im Sinne von § 18 Satz 1 BayBhV sind dementsprechend grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.7.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu BVerwG, U.v. 26.5.2009 – 3 C 5.09 – NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (NdsOVG, B.v. 8.7.2004 – 11 ME 12/04 – NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (vgl. zum Ganzen: VGH Baden-Württemberg, U.v. 23.2.2010 – 13 S 2696/09 – juris Rn. 23)
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist. Entscheidend ist dabei die überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher darstellt (vgl. BayVGH U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 30)
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Präparat „Resource Thicken up“ kein Arzneimittel, sondern ein Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel. Es dient nicht Heilzwecken und es entfaltet auch keine therapeutische Wirkung im eigentlichen Sinne. Eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers findet nicht statt. Es enthält keinen Wirkstoff, der durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen soll, und führt auch zu keiner Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers oder zu einer nennenswerten Auswirkung auf den Stoffwechsel. Nach der gängigen Produktbeschreibung im Internet (vgl. https://www.dieberaterapotheke.de/resourcethickenuppulver-6x227gpulver00699106?fromSearch=true oder https://www.aponeo.de/07565797-resourcethickenuppulver.html?a=1& pzn=07565797& pid=60) besteht es aus modifizierter Maisstärke, also einem gewöhnlichen Nahrungsbestandteil. Diese Zusammensetzung – ohne jeden pharmazeutischen Wirkstoff – spricht gegen den Arzneimittelcharakter des Präparats. Auch nach der dort hinterlegten Produktbeschreibung wird es der Produktgruppe „Lebensmittel“ und nicht etwa den Arzneimitteln zugeordnet. Es dient allein zum Andicken von Flüssigkeiten und pürierten Speisen, damit diese von Personen, die an Schluckstörungen leiden, aufgenommen werden können. Lassen die Angaben des Herstellers jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten vermissen und enthält das Präparat ausschließlich einen gewöhnlichen Nahrungsbestandteil wie hier modifizierte Maisstärke, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn zudem keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnte (vgl. zur Beihilfefähigkeit des Andickungsmittels „Thick § Easy“: VGH Baden-Württemberg, U.v. 23.2.2010 – 13 S 2696/09 – juris Rn. 28). Eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn kommt nicht in Betracht und die Beihilfefähigkeit ist ausgeschlossen, da es sich um ein Lebensmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel handelt, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (vgl. § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV sowie VV-Nr. 1 zu § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV).
Auch die weiteren von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte führen zu keiner anderen Bewertung der Rechtslage. Insbesondere können die Ausführungen der Klägerin zum Arzneimittelgesetz aufgrund dessen andersartiger Zielsetzung (s.o.) nicht überzeugen. Weiter ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, wie Art. 20 der Behindertenkonvention einen Beihilfeanspruch der Klägerin begründen sollte. Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124a, § 124 VwGO).

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