Aktenzeichen M 23 E 17.4007
TierSchG § 2, § 15, § 16a
BGB § 1006
Leitsatz
Für Maßnahmen nach § 16a TierSchG ist es unerheblich, ob der Halter auch Eigentümer des Tieres ist, denn es kommt nicht auf seine rechtliche, sondern allein auf seine tatsächliche Beziehung zu dem Tier an. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Am … Juni 2016 beschlagnahmte die Polizei in … (Gemeinde …) die …-hündin „…“ nachdem sie verwahrlost, eingesperrt und ohne Futter und Wasser angetroffen wurde. Sie übergab das Tier an das Tierheim in Dachau, dessen Träger der Tierschutzverein Dachau e.V. ist. Das Tier war von Herrn … c. und dessen Sohn … C. in deren Wohnung gehalten worden.
Nachdem die Antragstellerin zu 1), die Ex-Ehefrau von … und Mutter von … C., von dem Vorfall erfahren hatte, wandte sie sich am 18. und 23. Juni 2017 an das Landratsamt wegen Rückgabe des Tieres, legt eine Bestätigung des Vereins für … e.V. über den Kauf des Tieres aus dem Jahr 2008 vor und verlangte am … Juli 2017 vom Tierheim Dachau die Herausgabe des Tieres, das in ihrem Eigentum stehe und nach der Trennung der Eheleute lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen bei dem Ex-Ehemann verblieben sei.
Am 14. Juli 2017 teilte der Antragsteller zu 2) dem Landratsamt mit, dass er seit 14. Juli 2017 Eigentümer des Tieres sei. Er forderte die Behörde auf, das Tierheim anzuweisen, das Tier an ihn herauszugeben.
Das Landratsamt verwies die Antragsteller in einem Schreiben vom 19. Juli 2017 darauf, dass nach Erlass eines Bescheides gegen Herrn … c. über die Herausgabe entschieden werde. Ergänzend teilte es mit Schreiben vom 2. August 2017 mit, dass das Tierheim die Freigabe zur weiteren Vermittlung erhalten habe.
Nachdem das Tier näher untersucht worden war, erteilte das Landratsamt Dachau Herrn … C. am 24. Juli 2017 u.a. ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot (Ziff. 1/ 2 des Bescheids) und erklärte die Anordnung für sofort vollziehbar (Ziff. 3). Gegenüber Herrn … c. wurde am 24. Juli 2017 neben einem Tierhaltungsund Betreuungsverbot, das für sofort vollziehbar erklärt wurde (Ziff. 3/ 4/ 6 des Bescheids), u.a. die durch die Polizei durchgeführte vorübergehende Fortnahme der Hündin … und die anderweitige pflegliche Unterbringung im Tierheim Dachau schriftlich bestätigt und die endgültige Fortnahme des Tieres sowie die Weitervermittlung durch das Tierheim Dachau angeordnet. Der Adressat habe dies zu dulden (Ziff. 1).
Beide Bescheide sind mittlerweile bestandskräftig.
Am 4. August 2017 forderten die Antragsteller das Tierheim zur Herausgabe des Tieres auf. Der Tierschutzverein teilte am 7. August 2017 mit, dass der Hund bereits weitervermittelt worden sei.
Am 23. August 2017, eingegangen am 25. August 2017, beantragten die Antragsteller darauf beim Bayerischen Verwaltungsgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, den Antragsgegner zu verpflichten, die „Freigabe des Tieres gegenüber dem Tierheim Dachau zur weiteren Vermittlung“ rückgängig zu machen und die …-hündin … an die Antragsteller zu übergeben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen und unter Darlegung des Verfahrensgangs ausgeführt, dass § 16a Tierschutzgesetz (TierSchG) verletzt worden sei. Den Antragstellern sei kein anfechtbarer Verwaltungsakt erteilt worden. Bei den Antragstellern sei eine tierschutzgerechte Haltung ohne weiteres möglich. Die Weitergabe sei daher rückgängig zu machen. Die Sache sei dringlich, da die Eigentumsrechte sonst deutlich erschwert bzw. vereitelt würden. Schließlich sei das Tier nach wie vor in Obhut des Tierheims in Dachau, da der Abgabeadressat dritter Vorsitzender des Tierschutzvereins sei und in unmittelbarem Umgriff des Tierheims wohne. Der Abgabevertrag sei unwirksam. Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus dem Eigentumsrecht. Als Anordnungsgrund müsse auch das hohe Alter des Tieres und dessen Wohl berücksichtigt werden.
Durch Schriftsatz zum 5. September 2017 nahm der Antragsgegner zum Antrag Stellung, beantragte Antragsablehnung und begründete dies unter Darlegung des Verfahrensgangs im Wesentlichen damit, dass die Antragstellerin zu 1) im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben seien, da ein geeigneter Eigentumsnachweis nicht vorgelegt worden sei. Zudem sei das Tier zwischen 2012 und 2017 von der Antragstellerin zu 1) bewusst bei ihrem Ex-Ehemann belassen worden. Sie hätte, nachdem zu ihrer Ex-Familie weiterhin Kontakt bestanden habe, das Tier jederzeit an sich nehmen können. Verschiedene Vorfälle in der Vergangenheit (so im Jahr 2014 vorgelegene Anhaltspunkte für Vernachlässigung des Tieres, sichtbar durch Ohrenentzündung bzw. Schwanzbeißen) seien von der Antragstellerin zu 1) ignoriert worden.
Am 18. Oktober 2017 erörterte der Berichterstatter der Kammer die Streitsache mit den Parteien. Die Parteien wiederholten ihre schriftsätzlich gestellten Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 123 VwGO kann auf Antrag das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Dabei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist darüber hinaus grundsätzlich Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Grundsätzlich kann das Gericht nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur für beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Eine Ausnahme gilt grundsätzlich nur dann, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.1999 – 2 VR 1/99 – juris Rn. 24; OVG Lüneburg, B.v. 3.5.2012 – 13 ME 9/12 – juris Rn. 6; OVG NRW, B.v. 11.7.1995 – 25 B 1788/95 – juris Rn. 2).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Die Antragsteller können einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen, ganz unabhängig von der jeweils individuellen eigentumsrechtlichen Dispositionsbefugnis aufgrund des Übereignungsvertrags vom 14. Juli 2017.
Schon zum Zeitpunkt der Antragstellung, erst recht zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, war der von den Antragstellern dem Grunde nach angegriffene Fortnahme- und Veräußerungsbescheid gegenüber Herrn … c. bereits vollzogen. Ob die Übereignung an den derzeitigen Halter tatsächlich wirksam war oder nicht, lässt sich in dem vorliegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht abschließend klären. Zumindest drängt sich aber deren Unwirksamkeit -wie der Bevollmächtigte meint – nicht geradezu auf, so dass sich hieraus ein Anordnungsanspruch aus Eigentum gleichsam von selbst erklären würde.
Der Tierschutzverein Dachau hat nach Aktenlage in Kenntnis der sofortigen Vollziehbarkeit der Veräußerungsanordnung und Duldungsverfügung (Ziff. 1 des Bescheids vom 24. Juli 2017) und der Freigabe durch das Landratsamt Anfang August 2017 (und damit vor Antragstellung im vorliegenden Verfahren) den Hund an den Dritten vermittelt. Mit Vollziehung der Anordnung hat sich diese erledigt. Die Vertreter des Antragsgegners haben in dem Erörterungstermin dargelegt, dass damit die Verantwortung des Landratsamtes für die Frage des künftigen Aufenthaltsortes des Hundes endet. Dem folgt das Gericht.
Ein Anordnungsanspruch lässt sich (mit der Folge der behaupteten Unwirksamkeit/ Nichtigkeit der Anordnung und Übereignung) auch nicht daraus ableiten, dass den Antragstellern vor der Anordnung der Veräußerung die Möglichkeit hätte eingeräumt werden müssen, ihrerseits für eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung zu sorgen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Alternative TierSchG; vgl. zur Berücksichtigung Dritter als Eigentümer: Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage, § 16a Rn. 38). In dem Erörterungstermin wurde von Antragsgegnerseite in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass man dem schon deswegen nicht nahegetreten sei, da die Antragstellerin zu 1) in der Vergangenheit einzelne tierschutzwidrige Zustände des Tieres (so etwa Vorfälle im Jahr 2014) hätte erkennen können, sie hiergegen aber nichts unternommen habe. Diesen Vorwurf der Passivität konnten die Antragsteller nicht überzeugend entkräften; er ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen.
Aufgrund der nunmehr bestandskräftig erfolgten Fortgabe des Tieres vermögen die Antragsteller mit dem Angriff auf die Anordnungen im Bescheid vom 24. Juli 2017 ohnehin nicht mehr durchzudringen. Die Anordnung hatte sich bereits im Zeitpunkt der Antragstellung erledigt.
Selbst wenn es zutreffen sollte, dass das Landratsamt aufgrund vorliegender Anhaltspunkte für das Eigentum der Antragstellerin zu 1) an dem Hund mit Bescheidserlass eine gleichzeitige Duldungsanordnung an sie zumindest hätte erwägen müssen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 16a Rn. 34), dürfte das Landratsamt berechtigt davon ausgegangen sein, dass die alleinige Bestätigung des Vereins für … … e.V. vom 19. Juni 2017 über den Kauf des Tieres im Jahr 2008 schon aufgrund der späteren äußeren Umstände der Trennung der Eheleute und des Besitz des Ex-Ehemanns an dem Tier sowie wegen Fehlens wesentlicher Details des Kaufs nicht schon für sich geeignet war, die aktuellen Eigentumsverhältnisse zu belegen; an den Nachweis des Eigentums sind strenge Anforderungen zu stellen (Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 16a Rn. 38; zum Beweis des Eigentums: VG Aachen, U. v. 4.4.2011 – 6 K 1949/09 – juris). Die Besitzerstellung des Halters spricht vielmehr für dessen Eigentümerstellung (vgl. § 1006 BGB).
Im vorliegenden Fall war – entgegen der Auffassung der Antragsteller – bei Bescheidserlass jedenfalls Herr … c. Halter und Besitzer des Tieres. Unerheblich für Maßnahmen nach § 16a TierSchG ist es, ob der Halter auch Eigentümer des Tieres ist, denn es kommt nicht auf seine rechtliche, sondern allein auf seine tatsächliche Beziehung zu dem Tier an. Die Kriterien, die notwendig sind, um einer Person als Halter im engeren Sinne zu qualifizieren, nämlich unmittelbarer Besitz an dem Tier, Bestimmungsmacht, über die Lebensbedingungen und sonstigen für das Tier wesentliche Umstände zu entscheiden, eigenes Interesse an dem Tier und gewisse zeitliche Verfestigung dieser tatsächlichen Beziehung (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 2 Rn. 4) lagen bei ihm ersichtlich allesamt vor.
Im Übrigen wäre es den Antragstellern möglich gewesen, kurz nach Mitteilung des Landratsamtes über die Freigabe des Tieres am 2. August 2017 den Vollzug im Wege einer Sicherungsanordnung zu verhindern. Für eine nunmehr verlangte nachträgliche Rückgängigmachung besteht hingegen kein zumindest im Zuge eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu berücksichtigender Anordnungsanspruch.
Schließlich und unabhängig von Vorstehendem dürfte dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls aber ein rechtlich relevanter Anordnungsgrund der besonderen Dringlichkeit fehlen. In dem Erörterungstermin wurde von Antragsgegnerseite aus veterinärfachlicher Sicht (§ 15 Abs. 2 TierSchG) dargelegt, dass die Hündin von dem derzeitigen Halter offenkundig in tierschutzgerechter Weise gehalten wird, was auch anhand verschiedener Fotos demonstriert und ersichtlich wurde. Vor diesem Hintergrund vermag das Gericht kein rechtlich geschütztes Interesse zu erkennen, das die umgehende Herausgabe des Tieres rechtfertigen bzw. erforderlich machen würde. Von Antragstellerseite konnte außer der (nachvollziehbaren) persönlichen Bindung zu dem Tier bzw. (nachvollziehbaren) emotionalen Interessen auch nicht glaubhaft gemacht werden, warum ausschließlich die Herausgabe an die Antragsteller dem Wohl des Tieres entspräche, auch nicht wegen des vorgetragenen fortgeschrittenen Lebensalter des Tieres bzw. wegen dessen eingeprägter dauerhafter Bindung an die Antragstellerin zu 1), die bereits mit dem Wegzug der Antragstellerin zu 1) und Verbleib des Tieres in … im Jahr 2012 beendet worden sein dürfte.
Über mögliche zivilrechtliche Ansprüche auf Herausgabe, über eine etwaige Aufhebung der Veräußerungsanordnung unter Folgenbeseitigung bzw. über etwaigen Schadensersatz aufgrund unterbliebener Duldungsanordnung an die Antragsteller ist vorliegend nicht zu entscheiden.
Der Antrag war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.