Europarecht

Keine Irreführung durch Vertrieb von alkoholfreiem Erfrischungsgetränk “Ginger Beer”

Aktenzeichen  4 HK O 19176/16

Datum:
3.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155613
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 3
Bierverordnung § 1 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Den angesprochenen Verkehrskreisen ist bekannt, dass es sich bei “Ginger Beer” nicht um Bier, sondern um ein im englischsprachigen Ausland bereits seit Jahrzehnten vertriebenes und konsumiertes alkoholfreies Erfrischungsgetränk handelt. Der Durchschnittsverbraucher geht nicht davon aus, dass es Bier enthält. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Bierverordnung ist auf “Ginger Beer” nicht anwendbar. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage war als unbegründet abzuweisen, da weder eine Irreführung noch ein Verstoß gegen die Bierverordnung vorliegt, im einzelnen gilt folgendes:
1. Die Klage ist zulässig und nicht rechtsmißbräuchlich.
Dass die Klägerin hinsichtlich des unter I.1. angegriffenen Produkts bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, ändert hieran nichts. Hierbei handelt es sich um eine einstweilige Regelung, die – solange keine Abschlusserklärung abgegeben wurde – eine Hauptsacheklage nicht das Rechtsschutzbedürfnis nimmt,
Auch dass die Klägerin mit der Hauptsacheklage nicht nur gegen das Produkt von Bundaberg vorgeht sondern weitere Produkte, die sie als kerngleich ansieht, in den Tenor mit einbezogen hat, ist nicht rechtsmißbräuchlich sondern gängige Übung im gewerblichen Rechtsschutz. Die Bezugnahme auf die konkret angegriffenen Verletzungsformen im Tenor ist notwendig, um klarzustellen, welche Produktausgestaltungen von dem Umfang des Verbotstenors umfasst seien sollen.
2. Die Kammer kann der Auffassung des Kammergerichts, wonach die Bezeichnung „Ginger Beer“ für ein Getränk, dass kein Bier enthält, irreführend sein kann, weil und soweit dies vom inländischen Durchschnittsverbraucher als Hinweis auf Bierbestandteile verstanden wird, im vorliegenden Fall nicht folgen.
Die Mitglieder der Kammer, die zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, kennen „Ginger Beer“ aus eigener Wahrnehmung. Es ist ihnen bekannt, dass es sich hierbei nicht um ein Bier sondern um ein zunächst einmal alkoholfreies Erfrischungsgetränk handelt, dass in englischsprachigen Ausland unter der Bezeichnung „Ginger Beer“ (ähnlich wie „Ginger Ale“) bereits seit Jahrzehnten vertrieben und konsumiert wird.
Dieses eigene Verkehrsverständnis wird untermauert durch die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen. Aus dem vorgelegten Wikipediaauszug (auf Anlage LHR 18) ergibt sich, dass es sich bei Ginger Beer ähnlich wie Ginger Ale um einen Softdrink handelt. Dieses Verständnis ist inzwischen auch bei den angesprochenen Verkehrskreisen angekommen. Aus den als Anlage LHR 21 bis LHR 26 vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Limonade Ginger Beer in großem Umfang zur Herstellung von Mixgetränken verwendet wird.
Insbesondere in der konkreten, angegriffenen Ausführungsform wird deshalb der verständige Verbraucher nicht davon ausgehen, dass ein Produkt, dass eben nicht als „Bier“ oder „Beer“ sondern unter der Bezeichnung „Ginger Beer“ vertrieben wird, bierhaltig ist. Die konkreten Ausführungsformen zeichnen sich dadurch aus, dass die Bezeichnung „Ginger Beer“ in einem Schriftzug verwendet wird, bei dem die Bestandteile „Ginger“ und „Beer“ gleich groß sind und bei denen die angsprochenen Verkehrskreise den Bestandteil „Beer“ deshalb immer in einem Atemzug mit „Ginger“ lesen werden. Sie können daher unschwer erkennen, dass es sich bei den Produkten eben gerade nicht um Bier handelt sondern um Ginger Beer.
Zur Einhaltung des Reinheitgebots und der Bierverordnung zu fordern, dass einem aus dem Ausland importierten „Ginger Beer“ in mehr oder weniger großen Umfang auch Gerstenmalz zugesetzt wird, wie dies offensihcgtlich bei dem Ginger Beer der Klägerin der Fall ist, würde weder eine von der Klägerin behauptete Irreführung der Verbraucher beseitigen noch etwas daran ändern, dass zu unterscheiden ist, ob ein Produkt als „Bier“ oder „Beer“ oder aber als „Ginger Beer“ vertrieben wird.
Die Kammer kann daher bei den angegriffenen Produkten eine Irreführung der Verbraucher genau so wenig erkennen wie bei dem „Ginger Beer“ der Klägerin, das offensichtlich zu geringen Anteilen auf der Gärung von Gerstenmalz beruht. Auch hierbei handelt es sich nicht um Bier, dass dem Reinheitsgebot entspricht.
3. Ein Verstoß gegen die Bierverordnung scheitert bereits daran, dass die angegriffenen Produkte nicht darunter fallen. Gemäß § 1 Absatz 1 der Verordnung gilt sie nur für Getränke, die unter der Bezeichnung „Bier“ in den Verkehr gebracht werden. Wie gerade ausgeführt wurde, werden die angegriffenen Produkte – wie das Produkte der Klägerin – aber gerade nicht unter der Bezeichnung Bier sondern unter der Bezeichnung „Ginger Beer“ vertrieben. Darauf, ob die Ausnahmevorschrift des § 1 Absatz 2 Bierverordnung eingreift, kommt es deshalb nicht an.
4. Gleiches gilt für die Frage, ob § 1 Absatz 2 Bierverordnung deshalb nicht eingreift, weil den angegriffenen Getränken zulassungsbedürftige Zusatzstoffe zugesetzt wurden, für die keine Ausnahmeregelung nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetz getroffen wurde. Die Vorschrift des § 1 Absatz 2 Bierverordnung ist nur anwendbar auf Produkte, die unter der Bezeichnung „Bier“ gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden. Dies ist jedoch hier gerade nicht der Fall.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 I ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1.
Verkündet am 03.07.2017

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen