Aktenzeichen L 12 KA 38/15
SGB X SGB X § 32 Abs. 1
Leitsatz
Nebenbestimmungen können isoliert mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden. (amtlicher Leitsatz)
Die Anfechtungsklage ist nur begründet, wenn der Verwaltungsakt ohne Nebenbestimmung rechtmäßig ist. (amtlicher Leitsatz)
Neben einer Vollzeitbeschäftigung ist eine Zulassung als Vertragsarzt ausgeschlossen, siehe BSG, Urteil vom 16.12.2015, B 6 KA 19/15 R. (amtlicher Leitsatz)
Tenor
I.
Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.02.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben und in Ziffer 1 des Gerichtsbescheids vom 04.02.2015 die Ziffer 3 des Beschlusses des Beklagten vom 28.11.2013 aufgehoben. Deshalb war der Gerichtsbescheid vom 04.02.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Zutreffend ist das Sozialgericht zunächst davon ausgegangen, dass gegen die Nebenbestimmung zum Zulassungsbescheid der Klägerin eine Anfechtungsklage statthaft ist. Insoweit ist es der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 13.10.2010, B 6 KA 40/09 R, juris Rn. 13) sowie der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Anfechtung belastender Nebenbestimmungen (grundlegend Urteil vom 22.11.2000, 11 C 2/00, juris Leitsatz 1 und Rn. 25) gefolgt.
Das SG hat jedoch verkannt, dass der Hauptantrag auf isolierte Aufhebung der Nebenbestimmung unbegründet ist.
Ob eine Klage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann – wovon das SG ausgegangen ist -, hängt nämlich davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann; dies ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens (BVerwG, Urteil vom 22.11.2000 – 11 C 2/00 -, juris Rn. 25, BVerwGE 112, 221-227). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist eine isolierte Aufhebung der angefochtenen Nebenbestimmung nur möglich, wenn der Haupt-Verwaltungsakt und die Nebenbestimmung teilbar sind (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage § 32 Rn. 36) und der ohne die Nebenbestimmung verbliebene Verwaltungsakt seinerseits rechtmäßig ist. Steht die angefochtene Nebenbestimmung mit dem eigentlichen Inhalt des Verwaltungsaktes derart in einem Zusammenhang, dass sie die mit dem Verwaltungsakt ausgesprochene Rechtsgewährung inhaltlich einschränkt und dass nach der Aufhebung der Nebenbestimmung der bestehen bleibende Teil des Verwaltungsakts entgegen dem geltenden Recht eine uneingeschränkte Begünstigung enthielte, so schließt dies materiellrechtlich die isolierte Aufhebung aus, so dass in der Konsequenz die darauf gerichtete Klage abzuweisen ist.
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass eine isolierte Aufhebung der Nebenbestimmung nicht möglich und die Klage deshalb im Hauptantrag abzuweisen ist. Eine Zulassung der Klägerin mit hälftigem Versorgungsauftrag verstößt gegen § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV, da die Klägerin als in einem Vollzeit-Dienstverhältnis mit der Universität A-Stadt stehende Lebenszeitbeamtin unter Berücksichtigung der Dauer und der zeitlichen Lage dieser Tätigkeit den Versicherten nicht in dem einem halben Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung steht und insbesondere nicht in der Lage ist, Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten. Ohne eine Bedingung im Sinne des § 20 Abs. 3 Ärzte ZV, § 32 Abs. 2 Nummer 2 SGB X, die eine dienstliche Freistellung von den beamtenrechtlichen Pflichten für die mindestens notwendigen vertragsärztlichen Tätigkeiten im Rahmen einer Reduzierung der Arbeitszeit sicherstellt und damit die Eignung des Vertragsarztes im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte ZV herstellt, kann einem Vollzeitbeamten keine hälftige Zulassung als Vertragsarzt erteilt werden. Die unbedingte Zulassung eines Vollzeitbeamten ist wegen eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte ZV rechtswidrig. Ergänzend weist der Senat auf das Urteil des BSG vom 16.12.2015, B 6 KA 19/15 R, hin, nach dem eine Vollzeittätigkeit einer auch hälftigen Zulassung grundsätzlich entgegensteht.
Die Versetzung der Klägerin an das Universitätsklinikum B-Stadt ändert an diesem Ergebnis nichts. Die Klägerin ist nach wie vor Vollzeitbeamtin, wie sich auch aus dem Schreiben des Universitätsklinikums B-Stadt vom 14.03.2016 ergibt. Die Möglichkeit einer Reduzierung der Arbeitszeit ist keine hinreichende Voraussetzung für eine (hälftige) Zulassung. Deshalb kann offen bleiben, ob durch die Versetzung der Klägerin zum 01.10.2015 eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist oder ob eine Verlegung des Vertragsarztsitzes vor bestandskräftiger Zulassung durch formlose Mitteilung (vgl. BSG Urteil vom 02.09.2009, B 6 KA 27/08 R) vorlag.
Im Ergebnis scheidet eine isolierte Aufhebung der Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides vom 28.11.2013 aus. Die Klage war deshalb im Hauptantrag abzuweisen.
Die von der Klägerin hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklagen in Form von Bescheidungsklagen sind ebenfalls unbegründet, so dass die Klage auch insoweit abzuweisen ist.
Ein Anspruch der Klägerin auf eine neue Entscheidung des Beklagten besteht weder hinsichtlich der Nebenbestimmung, also bezüglich des Hilfsantrags 2, noch bezüglich der hälftigen Zulassung, d. h. hinsichtlich des Hilfsantrags 3. Nach der insoweit klaren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 16.12.2015 hat die Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hinsichtlich einer hälftigen Zulassung. Ihre Vollzeittätigkeit schließt eine vertragsärztliche Zulassung aus.
Damit war der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 154 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtsfrage im Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.12.2015 abschließend geklärt ist.