Europarecht

Keine Relevanz von Unterlagen zu 3.0 l – Motoren in den USA für die Frage einer sittenwidrigen Schädigung

Aktenzeichen  20 U 542/19

Datum:
6.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43728
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826

 

Leitsatz

Die Unterlagen zum Vorliegen von Abschalteinrichtungen bei 3.0 l – Motoren in den USA sind als nicht aussagekräftig zu erachten, weil die dort vertriebenen Pkw mit 3.0 l – Motoren speziell für den US-Markt entwickelt worden sind. Aussagen zu diesen Produkten sind damit nicht per se für auf dem hiesigen Markt vertriebene gültig. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

41 O 696/18 2019-01-22 Urt LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 22. Januar 2019, Az. 41 O 696/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 3. September 2019.

Gründe

Entgegen der Ansicht der Berufung weist das landgerichtliche Urteil keinen Rechtsfehler auf. Zu den Berufungsangriffen im Einzelnen:
1. Soweit die Klagepartei rügt, das Landgericht habe es fehlerhaft unterlassen, einen Hinweis gemäß § 139 ZPO zu erteilen, worauf sie „dezidierter und ausführlicher zu den Punkten, die letztendlich zur Abweisung geführt haben“, vorgetragen hätte, kann dies der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.
Dass die Klagepartei einen entscheidungserheblichen Gesichtspunkt erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hätte (§ 139 Abs. 2 ZPO) oder Zulässigkeitsfragen betroffen wären (§ 139 Abs. 3 ZPO), ist nicht ersichtlich, weshalb im konkreten Fall eine Hinweispflicht gemäß § 139 Abs. 4 ZPO nicht bestand.
Auch ein Verstoß gegen die Erörterungs- und Fragepflicht liegt offensichtlich nicht vor, denn Anhaltspunkte dafür, dass der Parteivortrag unvollständig oder unklar gewesen wäre, ergeben sich nach Aktenlage nicht. Damit war die Klagepartei, sofern ihr tiefergehender Vortrag möglich war, gemäß §§ 138, 282 ZPO gehalten, von sich aus umfassend vorzutragen.
Jeder erstmals in der Berufung gehaltene neue Vortrag zur Frage der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom „Abgasskandal“ ist deshalb gemäß § 531 Abs. 2 ZPO verspätet und nicht berücksichtigungsfähig.
2. Dass das Landgericht auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen keinen Anhaltspunkt dafür gesehen hat, dass das streitgegenständliche Kfz über einen Motor mit Abschalteinrichtung verfügt, begegnet keinen Bedenken.
a) Soweit die Berufung darauf hinweist, dass der streitgegenständliche Motor im Realbetrieb einen höheren Stickstoffausstoß hat als im Testbetrieb, spricht dies allein nicht für das Vorliegen einer unzulässigen Abschaltvorrichtung, sondern kann – wie allgemein bekannt ist – mannigfache Ursachen haben.
b) Die Unterlagen zum Vorliegen von Abschalteinrichtungen bei 3.0 l – Motoren in den USA durfte das Gericht (unabhängig von der von der Beklagtenpartei monierten Vorlage wesentlicher Dokumente nur in englischer Sprache) schon deshalb für hiesigen Fall für nicht aussagekräftig erachten, weil, wie sich aus der Anlage K 8 ergibt (dort „Exhibit 2“, S. 15 Ziffer 39), die dort vertriebenen Pkw mit 3.0 l – Motoren speziell für den US-Markt entwickelt worden sind. Aussagen zu diesen Produkten sind damit nicht per se für auf dem hiesigen Markt vertriebene gültig. Dass die in Europa eingesetzten Dieselmotoren sich im Hinblick auf ihre technische Ausführung von Dieselmotoren auf dem US-Markt unterscheiden, hat auch die Beklagte erstinstanzlich unwidersprochen vorgebracht (vgl. Klageerwiderung vom 17. Juli 2018, Bl. 87 ff., dort S. 8, Bl. 94).
c) Die von der Klagepartei angeführten Messungen und Erkenntnisse zu Dieselfahrzeugen anderer Hersteller bzw. zu Pkw desselben Typs aus späteren Modelljahren besagen für hiesigen Fall nichts.
Die Ausführungen der Klagepartei bezüglich AdBlue sind insofern unbehelflich, als der Vortrag der Beklagten, dass der streitgegenständliche Pkw nicht über einen AdBlue-Tank verfügt, erstinstanzlich unstreitig geblieben ist.
Die Auskunft der Staatsanwaltschaft Braunschweig bezieht sich ausschließlich auf Pkw mit eingebautem EA189 – Motor und ist für hiesiges Verfahren deshalb irrelevant.
d) Dass das Landgericht den Vortrag der Klagepartei, in dem von ihr erworbenen Fahrzeug sei eine unzulässige Abschaltvorrichtung eingebaut, als ins Blaue hinein und das von ihr angebotene Sachverständigengutachten als Ausforschungsbeweis bewertet hat, lässt nach Vorstehendem keinen Rechtsfehler erkennen.
3. Die Behauptung der Berufung, die Beklagte habe erstinstanzlich schon nicht erheblich bestritten, dass in dem streitgegenständlichen Pkw eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden sei, sondern dies immer nur damit begründet, dass kein EA 189 – Motor verbaut worden sei, trifft nicht zu. Vielmehr hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung vom 17. Juli 2018 (Bl. 87 ff., dort S. 21, Bl. 107) ohne Bezugnahme auf den unterschiedlichen Motorentyp ausgeführt, dass die vom Kläger „in Bezug genommene … Software“ im streitgegenständlichen Fahrzeug „schon gar nicht zum Einsatz“ gekommen sei. Auch im nachgelassenen Schriftsatz vom 28. Dezember 2018 (BL. 238 ff., dort S. 4, Bl. 241) stellt die Beklagte fest: „Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt nicht über einen solchen „Prüfbetriebsmodus“.“
4. Soweit die Berufung (S. 40 ff. der Berufungsbegründung) sich zu Ausführungen des Landgerichts Ellwangen zur Passivlegitimation der Beklagten verhält, ist dies für hiesiges Verfahren ersichtlich nicht von Bedeutung.
Dass die Beklagte, wie die Berufung vorträgt (S. 47 der Berufungsbegründung), eine „unterschiedliche Emissionsbehandlung je nachdem, ob sich das Fahrzeug im NEFZ im Modus 1 befand, oder im Modus 0 für den Normalbetrieb“ eingeräumt hätte, trifft nicht zu, weshalb die weiteren Ausführungen der Berufung hierzu nicht beachtlich sind. Ob eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut wurde, ist vielmehr zwischen den Parteien streitig und steht zur Darlegungs- und Beweislast der Klagepartei.

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