Europarecht

Keine Schadensersatzansprüche gegenüber VW aufgrund des Kaufs eines gebrauchten Audi A 7 mit einem 3,0 Liter V6 TDI Dieselmotor

Aktenzeichen  21 U 4469/20

Datum:
23.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35090
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 4, § 529, § 540, § 546
AktG § 291, § 292, § 302, § 303, § 392

 

Leitsatz

1. Ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag zwischen der VW AG und der Audi AG begründet keine Haftung der Konzernmutter für etwaige Verbindlichkeiten der Konzerntochter; er betrifft allein das Konzerninnenverhältnis, ohne eine Haftung nach außen zu begründen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dass der von der Audi AG entwickelte und hergestellte 3,0 Liter V6 TDI Dieselmotor auch in VW Modellen verbaut worden ist, stellt keinen Nachweis dafür dar, dass (auch) die VW AG für diesen Motor verantwortlich ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

72 O 1873/18 2020-06-25 Urt LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.06.2020, Az. 72 O 1873/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26.10.2020.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um Ansprüche nach dem Kauf eines gebrauchten Audi A 7, in dem ein von der Fa. Audi AG entwickelter und hergestellter 3,0 Liter V6 TDI Dieselmotor eingebaut ist.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs auch vom sog. Dieselabgasskandal betroffen sei, weil der Motor unzulässige Abschalteinrichtung enthalte. Die Beklagte habe die Motorsoftware bezüglich der Schadstoffwerte unzulässig manipuliert.
Die Beklagte verweist darauf, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mit einem EA 189 Motor ausgestattet ist und sieht eine Passivlegitimation nicht gegeben.
Im Einzelnen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen, § 540 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage wegen nicht ausreichender Darlegung zur Passivlegitimation der Beklagten abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die in zweiter Instanz eine Erweiterung der Klage auf die Audi AG vornimmt. Sie trägt vor, dass es sich bei nahezu allen Fahrzeug-Modellen des VW-Konzerns um Gemeinschaftsentwicklungen der Beklagten und der Audi AG handle. Plattformen mit Antriebseinheiten würden einheitlich entwickelt und später in unterschiedlichen Karosserieformen verbaut. Die wesentlichen Entscheidungen seien von denselben Entscheidungsträgern getroffen worden. Zudem seien die Beklagte und die Audi AG über einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag verbunden, der vorsehe, dass Entscheidung und Weisungen der Beklagten auch für die Audi AG Bindungswirkung entfalten. Herr H. habe in einem Telefonat geäußert, dass die Entscheidung über die Implementierung der „Bescheißsoftware“ eine Entscheidung des Vorstandes der Beklagten gewesen sei.
Das Landgericht habe es rechtsfehlerhaft unterlassen sich mit den klägerischen Argumenten zur übergeordneten Entscheidungsmacht der Beklagten als Konzernmutter auseinanderzusetzen, so dass der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
Die Klägerin habe substantiiert vorgetragen, dass u.a. schon die Motorenbezeichnung VW EA … dafür spreche, dass die Beklagte Herstellerin des Motors ist. Zumindest sei die Beklagte Mitentwicklerin des Motors, weil jeder Entwicklungsauftrag auf Konzernebene erfolge. Im Rahmen eines Beweisbeschlusses hätte das Landgericht der Konzernstruktur auf den Grund gehen müssen. Im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung, Schriftsatz vom 07.09.2020 Bezug genommen, Bl. 275 ff.d.A.
II.
Der Senat beabsichtigt, sein eingeschränktes Ermessen (“soll“) dahingehend auszuüben, dass er die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht geboten ist, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Die Berufungsbegründung hat nicht aufzeigen können, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder dass die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Die Entscheidung des Landgerichts entspricht vielmehr der Sach- und Rechtslage, weshalb der Senat auf die zutreffenden Entscheidungsgründe zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.
Im Hinblick auf die Berufungsbegründung sind noch folgende Ausführungen veranlasst:
1. Die Klagepartei hat weder erstinstanzlich noch in der Berufung konkrete Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine schlüssige und ausreichend unter Beweis gestellte Behauptung ergibt, dass der Beklagten eine unerlaubte Handlung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs oder des Motors angelastet werden kann. Bereits aus dem unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, an dessen Feststellungen der Senat gebunden ist, ergibt sich, dass die Beklagte weder das Fahrzeug hergestellt noch den Motor entwickelt hat.
Entgegen der Behauptung der Klägerin wurde auch nicht (mehrfach) vorgetragen, dass die Motorenbezeichnung VW EA … (=VW Entwicklungsauftrag) dafür spreche, dass die Beklagte an der Herstellung und Entwicklung des Motors maßgeblich beteiligt war. Weder in der Klage noch in dem späteren Schriftsatz vom 22.05.2020 werden überhaupt Ausführungen dazu gemacht, welcher Motor in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut ist. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem Beschluss vom 11.09.2020 Bezug genommen, mit dem der Tatbestandsberichtigungsantrag der Klägerin zurückgewiesen worden ist, Bl. 260 ff. d.A.
Die erstinstanzlichen Ausführungen zu einer angeblichen Involvierung und Beteiligung der Beklagten an der Motorenentwicklung sind sämtlich pauschal gehalten und es bleibt auch jeweils unklar, welche Betrugssoftware die Klagepartei meint. Soweit die Ausführungen den Motor EA 189 betreffen, sind sie irrelevant, weil das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig nicht über einen EA 189 Motor verfügt. Auf die konkreten Angriffe der Beklagten im Schriftsatz vom 22.03.2019, S. 11 ff., sowie im Schriftsatz vom 28.02.2020 ist die Klagepartei nicht eingegangen, sondern hat in ihrer Erwiderung, Schriftsatz vom 28.02.2020, Seite 6 ff., nur auf andere Verfahren Bezug genommen, die – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – eigenen Sachvortrag im hiesigen Verfahren nicht ersetzen.
Soweit die Klagepartei in der Berufung einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag zwischen der Beklagten und der Audi AG behauptet, würde dies keine Haftung der Beklagten als Konzernmutter für etwaige Verbindlichkeiten der Audi AG als Konzerntochter begründen. Die Bestimmungen der §§ 291 ff. AktG über „verbundene Unternehmen“, dienen dem Schutz der Gesellschafter der beherrschten Unternehmen, dem Gläubigerschutz aber nur im Rahmen der §§ 392, 303 AktG, deren Voraussetzungen von der Klägerin nicht vorgetragen werden. Betroffen ist allein das Konzerninnenverhältnis § 302 AktG, eine Haftung nach außen wird dadurch nicht begründet.
Was die Behauptungen der Klägerin betreffen, die Verantwortlichkeit der Beklagten für das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Motors ergebe sich daraus, dass der Einkauf der verbauten Einzelteile zentral über die Firma B. AG erfolgt sei, ist nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte für von der R.-B. GmbH an die Audi AG gelieferte Teil verantwortlich sein soll.
Ebenso wenig verfängt der pauschale Verweis auf ein Baukastenprinzip oder der personelle Wechsel eines Entwicklungsleiters. Konkreter Sachvortrag für eine Verantwortlichkeit der Beklagten für das Inverkehrbringen des 3,0 V 6 Dieselmotors fehlt. Der Vortrag, dass der gegenständliche Motor auch in VW Modellen verbaut worden ist, stellt keinen Nachweis dafür dar, dass die Beklagte für den Motor verantwortlich ist, da allein durch den Einbau nicht feststeht, wer den Motor entwickelt und in Verkehr gebracht hat.
2. Die erst in der Berufung erfolgte Klageerweiterung auf die Audi AG hindert eine Entscheidung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht. Die Parteierweiterung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen wird, § 522 Abs. IV ZPO, vgl. Zöller, 31. Auflage, Rdnr. 37 zu § 522 ZPO sowie BGH, Beschluss vom 06.11.2014, Az. IX ZR 204/13. Der Berufungsführer könnte sonst stets eine mündliche Verhandlung erzwingen.
Vor diesem Hintergrund und zur Vermeidung von unnötigen Kosten für die Klagepartei hat der Senat deshalb derzeit davon abgesehen, der Audi AG die Klageerweiterung zuzustellen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch die für eine Zustellung erforderlichen Unterlagen nicht vorhanden sind.
3. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren, Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG.
Oberlandesgericht München
München, 23.09.2020
21 U 4469/20 Verfügung
1. Beschluss vom 23.09.2020 hinausgeben an:
Prozessbevollmächtigte der Berufungsklägerin …
zustellen
Prozessbevollmächtigte der Berufungsbeklagten …
zustellen
Prozessbevollmächtigte der Berufungsbeklagten …
zustellen
2. Wiedervorlage mit Fristablauf

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen